Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.10.2017, Az. VIII ZR 242/16

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 3745

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:181017UVIIIZR242.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
VIII ZR 242/16
Verkündet am:

18. Oktober 2017

Vorusso,

Amtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. Oktober
2017
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Milger, die
Richter Prof. [X.] und [X.], die Richterin [X.] sowie [X.] Bünger
für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 25. Zivilsenats des [X.] vom 7. Oktober 2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Revisionsverfahren werden nicht erhoben.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Kläger begehrt aus abgetretenem Recht nach erklärtem Rücktritt die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über ein von ihm geleastes Fahrzeug.
Seine auf Rückzahlung des Kaufpreises v.

L.

GmbH, Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw
A.

,
sowie auf Zahlung vorgerichtlicher Kosten
gerichtete Klage
hat in den Vorinstanzen kei-nen Erfolg gehabt. Das Berufungsurteil führt
im Eingang der Urteilsgründe aus, dass es sich um ein gemäß § 313a Abs. 1, § 540
Abs. 2
ZPO abgekürztes Ur-teil handele. Dementsprechend enthält es weder eigene
tatsächliche Feststel-1
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lungen noch
nimmt es auf den Tatbestand der landgerichtlichen Entscheidung Bezug. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Kla-gebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Das Berufungsurteil ist bereits deshalb auf-zuheben, weil
es mangels tatsächlicher Feststellungen einer revisionsrechtli-chen Überprüfung nicht zugänglich ist.
I.
1. Nach § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO kann in einem Berufungsurteil der Tatbestand durch die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im Ur-teil der ersten Instanz, verbunden mit erforderlichen Berichtigungen, [X.] und Ergänzungen, die sich aus dem Vortrag der Parteien und aus einer etwaigen

Bezugnahme auf Schriftsätze vor dem Berufungsgericht ergeben, ersetzt werden.
Die Einhaltung dieser Voraussetzungen ist nach der ständigen Recht-sprechung des [X.] für den Inhalt eines Berufungsurteils nicht entbehrlich ([X.], Urteile vom 19. Juli 2017 -
VIII ZR 3/17, juris Rn. 7
ff.; vom 21. September 2016 -
VIII ZR 188/15, NJW 2016, 3787
Rn. 5; vom 29. März 2007 -
I [X.], NJW 2007, 2334 Rn. 5 ff; vom 8. Februar 2006 -
XII ZR 57/03, [X.], 1523 Rn. 5 ff; vom 10.
Februar 2004 -
VI [X.], [X.]Z 158, 60, 61; jeweils mwN). Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut des [X.], sondern auch und vor allem aus seinem Sinn, trotz der Erleichterungen bei der Abfassung von Berufungsurteilen die revisionsrechtliche Nachprüfung zu ermöglichen. Lässt ein Berufungsgericht die Revision zu oder unterliegt das 2
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Berufungsurteil -
wie hier -
der Nichtzulassungsbeschwerde, müssen sich die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung aus dem Urteil oder -
im Falle des
§ 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO -
aus dem Sitzungsprotokoll so erschließen, dass eine revisionsrechtliche Nachprüfung möglich ist (vgl. [X.], Urteile
vom 10. Februar 2004 -
VI [X.], aaO S. 62; vom 21. September 2016 -
VIII ZR 188/15, aaO; vom 21. Februar 2017 -
VI [X.], VersR
2017, 965 Rn. 6; vom 19. Juli 2017 -
VIII ZR 3/17, aaO Rn. 8). Außerdem muss das Berufungsurteil erkennen [X.], von welchem Sach-
und Streitstand das Berufungsgericht ausgegangen ist, und die Anträge, die die Parteien im Berufungsverfahren gestellt haben, müssen zumindest sinngemäß deutlich werden ([X.], Urteile vom 11. August 2010 -
XII [X.], [X.], 1637 Rn. 20; vom 10. November 2011
-
III
ZR 77/11, [X.], 947 Rn. 9; jeweils mwN). Denn es ist nicht Aufgabe des [X.], den Sachverhalt und das genaue Begehren selbst zu ermitteln, um abschließend beurteilen zu können, ob die Revision begründet ist ([X.], Urteile vom 19. Juli 2017 -
VIII ZR 3/17, aaO
Rn.
7; vom 21.
Februar 2017 -
VI [X.], aaO; vom 21. September 2016 -
VIII ZR 188/15, aaO;
vom
5. März 2015 -
I [X.], NJW 2015, 3309 Rn. 7; vom 29. März 2007 -
I [X.], aaO Rn. 5; jeweils mwN).
2. Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsurteil den vorbeschrie-benen Anforderungen nicht genügt. Es enthält keine eigenen tatbestandlichen Feststellungen und nimmt auch nicht auf den Tatbestand der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug. Auch lassen sich den
vierseitigen, ebenfalls nur rudimen-tären und aus sich heraus kaum verständlichen Gründen des Berufungsurteils
die tatsächlichen Feststellungen, auf denen die Entscheidung beruht, nicht ent-nehmen.
Das Berufungsgericht ist
offenbar -
unter Verkennung des § 26 Nr. 8 EGZPO -
davon ausgegangen, sein Urteil unterliege trotz
eines Streitwertes n und hat daher zu Unrecht ein "abge-kürztes Urteil"
gemäß "§ 313 Abs. 1, § 540 Abs. 2 ZPO"
erlassen.
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5
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II.
1. Dem Berufungsurteil fehlt somit die für die revisionsrechtliche Nach-prüfung nach §§ 545, 559 ZPO erforderliche tatsächliche Beurteilungsgrundla-ge. Daher ist es
nach § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen
([X.], Urteile vom 19. Juli 2017 -
VIII ZR 3/17, aaO Rn.13; vom 21. Februar 2017 -
VI [X.], aaO; vom 5. März 2015 -
I [X.], aaO
Rn. 9;
jeweils
mwN). Dabei macht der Senat von den Möglichkeiten des §
563 Abs. 1 Satz 2 ZPO und des § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG Gebrauch.

2.
Für das neue Berufungsverfahren sieht der Senat unter Heranziehung des Akteninhalts Anlass zu folgenden Hinweisen:
a)
Dem Käufer (beziehungsweise hier aus abgetretenem Recht dem Klä-ger) obliegt es nicht, im Rahmen seines
Nachbesserungsbegehrens die genaue
Ursache des beanstandeten Mangels zu benennen
(vgl. Senatsurteil vom
9. März 2011 -
VIII ZR 266/09, NJW 2011, 1664 Rn. 10).
Vielmehr genügt es, wenn er die Mangelerscheinung laienhaft beschreibt, also darlegt, in welchen Symptomen sich der Mangel äußert
(Senatsurteil
vom 26. Oktober 2016
-
VIII
ZR 240/15, [X.], 153 Rn. 16 [zum Kauf]; [X.], Urteil vom 5. Juni 2014 -
VII ZR 276/13, NJW-RR 2014, 1204 Rn. 16 [zum Werkvertrag]; [X.] vom 21. Februar 2017 -
VIII ZR 1/16, [X.], 1877 Rn. 11 mwN [zur Miete]).
Im
vorliegenden Fall ist
ein Mangel der Frontbeleuchtung
betroffen, den der Kläger durch den Hinweis auf eine
Blendwirkung dahin
beschrieben hat, einer der beiden
Scheinwerfer leuchte dreimal so hell wie der andere. Hierin fügte
sich der weitere Vortrag des [X.]
ein, dass er mit dem Fahrzeug von der Polizei angehalten worden sei, weil diese das Fahrzeug wegen der Blend-6
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6
-
wirkung als verkehrsgefährdend eingestuft habe. In ähnlicher Weise hat sich im Übrigen auch der vom [X.] beauftragte Sachverständige geäußert, der bei einem Scheinwerfer eine Lichtstärke von 15,7 lx und bei dem anderen von 47,2 lx festgestellt und das Fahrzeug deswegen als verkehrsunsicher und ver-kehrsgefährdend bezeichnet hat.
Ob die Ursache dieser Blendwirkung letztlich auf einem Defekt der Scheinwerfer
selbst,
auf einer falschen Einstellung der Scheinwerfer, auf einem Softwarefehler oder einer Kombination dieser Ursachen beruht, ist für die Ge-währleistungspflicht der Beklagten
ersichtlich ohne Bedeutung, da sämtliche in Betracht kommenden Ursachen jedenfalls nach derzeitigem Sachstand der Sphäre der Beklagten
zuzuordnen sind.
Hierauf hat der Kläger im Übrigen be-reits in seinem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 24. September 2015, mit dem sich die Vorinstanzen nicht auseinandergesetzt haben, zutreffend hingewiesen.
b)
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts
trägt der Verkäufer und nicht der Käufer die Darlegungs-
und Beweislast dafür, dass ein Mangel unerheblich im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ist und den Käufer deshalb nicht zur Rückabwicklung
des Kaufvertrages berechtigt. Dies ergibt sich schon daraus, dass das Gesetz den
Ausschluss des Rücktrittsrechts bei nur unerheb-lichem
Mangel als Ausnahme formuliert (vgl. [X.], Urteil vom 27. März 2008 -
15 [X.], juris Rn.
59 mwN; [X.], Urteile
vom 24. Okto-ber 2005 -
1 [X.], juris Rn. 40; vom 8. Januar 2007 -
1 [X.], juris
Rn. 24).
c)
Anders als das
Berufungsgerichts meint, richtet sich die Beurteilung der Erheblichkeit eines Mangels schließlich
keineswegs allein
danach, ob die Mängelbeseitigungskosten die Grenze von 5 % des Kaufpreises übersteigen. Vielmehr ist -
wie der Senat in seiner Grundsatzentscheidung vom 28. Mai 2014 10
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-
7
-
([X.],
[X.]Z 201, 290 Rn. 16 mwN)
ausgeführt hat
-
eine umfassende Interessenabwägung auf der Grundlage der
Umstände des Einzelfalls
erforder-lich. Weiter hat der Senat entschieden, dass im Rahmen dieser Interessenab-wägung von einer Geringfügigkeit des Mangels und damit von einer Unerheb-lichkeit der Pflichtverletzung (§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB) in der Regel nicht mehr auszugehen
ist,
wenn
bei einem behebbaren Mangel der [X.] einen Betrag von 5
%
des Kaufpreises übersteigt (Senatsurteil vom 28. Mai 2014 -
[X.], aaO Rn. 12
mwN).
Dies schließt es allerdings nicht aus, dass bei Vorliegen besonderer Um-stände -
etwa einer nur sehr geringfügigen Gebrauchsbeeinträchtigung -
trotz eines Mangelbeseitigungsaufwandes von mehr als 5 % des Kaufpreises der Mangel als unerheblich einzustufen ist (vgl. [X.], Urteil vom 27.
Juli 2016 -
3 [X.], juris)
oder umgekehrt trotz eines unter der 5 %-Grenze lie-genden [X.] aufgrund besonderer Umstände (etwa besondere Schwierigkeiten oder Zeitdauer einer erforderlichen Ersatzteilbe-schaffung) die Gesamtabwägung zur Bejahung einer
erheblichen Pflichtverlet-zung führen kann.
Denn wie der Senat in seinem Urteil vom 28. Mai 2014
([X.], aaO Rn. 38
mwN)
bereits betont hat, handelt es sich bei der Schwelle von 5 %
des Kaufpreises um eine
nicht starre ("in der Regel"), son-dern -
entsprechend den
Vorstellungen des Gesetzgebers
und der Rechtspre-chung des [X.] -
um eine flexible, in eine Interessenabwägung und eine Würdigung der Umstände des Einzelfalls eingebettete [X.], die dem Ziel dient, die Interessen der Kaufvertragsparteien zu einem sachgerechten Ausgleich zu bringen.
d) Darüber hinaus hat das Berufungsgericht in grundlegender Weise ver-kannt, dass sich die Frage der Behebbarkeit eines Mangels nach den Erkennt-nissen im Zeitpunkt des Rücktritts beurteilt
(Senatsurteile vom 29. Juni 2011
13
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-
-
VIII [X.], NJW 2011, 2872 Rn. 21; vom 5. November 2008 -
VIII ZR 166/07, [X.], 508 Rn. 19;
vom 28. Mai 2014
-
[X.], aaO
Rn.
16).
Deshalb kommt es
im Rahmen der Beurteilung der Unerheblichkeit eines Mangels nicht entscheidend auf die Behebbarkeit an, wenn die [X.] im Zeitpunkt des Rücktritts noch ungewiss ist, etwa weil es dem [X.] -
wie der Kläger auch hier geltend macht -

in mehreren [X.] nicht gelungen ist, die Mangelursache zu finden und den Mangel zu beseitigen. In einem solchen Fall ist vielmehr auf die Einschränkung der
Ge-brauchstauglichkeit
abzustellen
(Senatsurteile vom 29. Juni 2011 -
VIII [X.], aaO; vom 28. Mai 2014 -
[X.] aaO Rn. 17).
e) Ausgehend von diesen Grundsätzen verbietet
sich bei einer schwer-wiegenden
und in mehreren Nachbesserungsversuchen nicht behobenen Ein-schränkung der Verkehrssicherheit, wie sie der Kläger hier geltend macht, eine Einordnung als nur unerheblicher Mangel. Es kommt in diesen Fällen gerade nicht darauf an, ob die
genaue
Mangelursache zu einem späteren Zeitpunkt
-
nach dem Rücktritt -
noch ermittelt wird, etwa im Rahmen der Einholung eines

15
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-
gerichtlichen Sachverständigengutachtens, durch das
sich dann herausstellt, dass die Beseitigung des Mangels nur einen unerheblichen Betrag erfordert.
Dr. Milger
[X.]
[X.]

[X.]
Dr. Bünger
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 22.12.2015 -
27 O 447/14 -

[X.], Entscheidung vom 07.10.2016 -
I-25 U 3/16 -

Meta

VIII ZR 242/16

18.10.2017

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.10.2017, Az. VIII ZR 242/16 (REWIS RS 2017, 3745)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 3745

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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