Bundesfinanzhof, Urteil vom 27.11.2019, Az. V R 25/18

5. Senat | REWIS RS 2019, 1144

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Gegenstand

Zeitpunkt der Steuerentstehung


Leitsatz

Besteht die Leistung in der Mitwirkung an einer bilanziellen Gestaltung als zeitlich begrenzter Dauerleistung, wird die Leistung erst mit der Beendigung der dieser Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse erbracht .

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 08.05.2018 - 5 K 2329/16 U wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

[X.].

1

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine 2006 gegründete GbR mit dem Zweck, elektronische [X.]nformationssysteme der [X.]) zu erwerben und sofort an [X.] zurück zu verleasen. [X.]m Jahr 2006 kaufte die Klägerin die [X.]nformationssysteme zu einem Gesamtkaufpreis von 960.000 € zuzüglich 153.600 € Umsatzsteuer. Zugleich gewährte [X.] der Klägerin ein mit 4,5 % jährlich zu verzinsendes Darlehen in Höhe von 640.000 € für einen Zeitraum von 48 Monaten. Die [X.]nformationssysteme waren im Betrieb eines [X.] aufgestellt. Anstelle der Übergabe trat die [X.] der Klägerin ihren Herausgabeanspruch ab.

2

Ebenfalls 2006 verleaste die Klägerin die elektronischen [X.]nformationssysteme für die Dauer von 48 Monaten zurück an die [X.]. Bei einer zugrunde gelegten Netto-Berechnungsgrundlage in Höhe von 960.000 € wurden monatliche Leasingraten in Höhe von 23.500 € zuzüglich 3.760 € Umsatzsteuer vereinbart. Die [X.] trug die Gefahr des Untergangs, Verlusts, Diebstahls oder von Beschädigungen des Leasingguts.

3

Mit Rechnung vom [X.] rechnete die Klägerin gegenüber der [X.] über die [X.] ab. Hierin war eine 19 %-ige Umsatzsteuer in Höhe von 4.465 € monatlich offen ausgewiesen. [X.]n der Rechnung war als Übergabedatum der 29.12.2006 vermerkt. Die erste Rate war ab Februar 2007 fällig, alle weiteren Raten jeweils am 1. eines Monats im Voraus. Die Rechnung sollte für die volle Vertragslaufzeit gelten. Rechnungen für die einzelnen Raten wurden nicht gestellt.

4

[X.] zahlte lediglich am [X.] eine Leasingrate und leistete danach keine weiteren Zahlungen. Mit Schreiben vom 16.01.2008 kündigte die Klägerin den Leasingvertrag wegen [X.] fristlos. Am 23.01.2008 wurde ein vorläufiger [X.]nsolvenzverwalter über das Vermögen der [X.] eingesetzt und am 02.07.2008 das [X.]nsolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet.

5

[X.]n der Umsatzsteuererklärung für 2007 erklärte die Klägerin Umsätze von netto 23.500 € (Umsatzsteuer 19 % 4.465 €), Vorsteuern aus Rechts- und Beratungskosten von 190 € und eine verbleibende Umsatzsteuer von 4.275 €.

6

Mit Bescheid vom 17.06.2010 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) die Umsatzsteuer auf 51.465 € fest, da er im Hinblick auf die Leasinggegenstände keine Lieferungen, sondern nach § 4 Nr. 8 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfreie Kreditgewährungen annahm, deshalb den Vorsteuerabzug versagte sowie die im Leasingvertrag vereinbarte Umsatzsteuer als nicht gesetzlich geschuldet ansah, so dass die Rechnung einen Steuerausweis i.S. von § 14c UStG enthalten habe. Der dagegen gerichtete Einspruch hatte in der Sache nur insoweit Erfolg, als die Umsatzsteuer auf 49.115 € herabgesetzt wurde, da anstatt 12 nur 11 Monatsraten zu berücksichtigen seien, weil die erste Rate erst im Februar 2007 zu leisten gewesen sei.

7

Die daraufhin erhobene Klage wurde vom [X.] ([X.]) mit dem in Entscheidungen der [X.]e (E[X.]) 2015, 774 abgedruckten Urteil abgewiesen.

8

Mit Urteil vom 06.04.2016 - V R 12/15 ([X.], 475, BStBl [X.][X.] 2017, 188) hob der [X.] ([X.]) die Entscheidung des [X.] vom 11.12.2014 - 5 K 79/14 U auf und verwies die Sache an das [X.] zurück, da das [X.] zu Unrecht den Vorsteuerabzug versagt und angenommen habe, dass die Klägerin Umsatzsteuer nach § 14c UStG schulde. Es sei zu prüfen, ob die Klägerin ihre Leistung im Streitjahr erbracht habe oder Teilleistungen vorlägen. Zudem sei eine mögliche Berichtigung nach § 17 UStG zu berücksichtigen.

9

[X.]m zweiten Rechtsgang gab das [X.] der Klage (Az. 5 K 2329/16 U) mit seinem in E[X.] 2018, 1589 veröffentlichten Urteil statt. Bei der Mitwirkungsleistung der Klägerin habe es sich um eine einmalige Mitwirkungsleistung und nicht um eine Dauerleistung in Form von Teilleistungen gehandelt. Die Mitwirkungsleistung sei nicht im Streitjahr, sondern bereits im Vorjahr erbracht worden. Eine Berichtigung nach § 17 UStG sei mangels Versteuerung im Vorjahr nicht vorzunehmen.

Hiergegen wendet sich das [X.] mit der Revision. Die Klägerin habe nicht eine einmalige Mitwirkungsleistung, sondern zu einer Dauerleistung führende Teilleistungen bewirkt. Nach dem im ersten Rechtsgang ergangenen [X.]-Urteil habe es sich um eine Vorausrechnung gehandelt. Die Zurückverweisung sei unschlüssig gewesen. Zwar sei der Zweck der sonstigen Leistung, die Möglichkeit zur Bilanzierung eines Aktivpostens bereits im Jahr 2006 eingetreten. Beim Leasing handele es sich aber um ein Dauernutzungsverhältnis. Die Mitwirkung an der bilanziellen Gestaltung komme erst durch die Nutzungsüberlassung in Form des Leasingvertrages zu Stande. Die hinter der sonstigen Leistung der Mitwirkung stehende Duldung der Nutzung des [X.] sei zu berücksichtigen. Die Ermöglichung der Aktivierung des [X.] könne erst bewirkt sein, wenn dem Leasingnehmer die Nutzungsmöglichkeit dauerhaft eingeräumt werde. Das Vorliegen von Teilleistungen ergebe sich daraus, dass die [X.] monatlich ausgeführt worden seien. Es komme somit auf den Zeitpunkt der Uneinbringlichkeit an.

Das [X.] beantragt,
das Urteil des [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie habe ihre Leistungen bereits beim Abschluss der Verträge am 27.12.2006 erbracht. Es habe sich um eine einmalige Mitwirkungsleistung und nicht um eine Dauerleistung gehandelt. [X.]hre Leistung habe sich darauf beschränkt, den Ausweis einer Kaufpreisforderung als Aktivposten in der Bilanz zu ermöglichen. Mit Entstehen des [X.] sei diese Leistung vollständig erbracht gewesen. Die Umsetzung des Darlehensvertrages sei unerheblich. Für den Fall von Teilleistungen sei von Uneinbringlichkeit auszugehen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des [X.] ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat den vom [X.] geltend gemachten Steueranspruch im Ergebnis zu Recht verneint. Die Klägerin hat ihre Leistung bei der Mitwirkung an einer bilanziellen Gestaltung als zeitlich begrenzte Dauerleistung nicht im Streitjahr, sondern erst mit der Beendigung der dieser Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse erbracht. Es liegen auch keine Teilleistungen vor. Zudem ist auch keine Anzahlungsbesteuerung vorzunehmen.

1. Die Klägerin hat ihre Mitwirkungsleistung nicht im Streitjahr erbracht.

a) Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG entsteht die Steuer bei der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten mit Ablauf des [X.], in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. [X.] Grundlage hierfür ist Art. 63 der Richtlinie des [X.] über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL), wonach Steuertatbestand und Steueranspruch mit der [X.] eintreten.

b) Die Klägerin hat ihre Mitwirkungsleistung entgegen dem [X.]-Urteil nicht bereits vor, sondern erst nach dem Streitjahr erbracht.

aa) Für die Leistungsausführung i.S. von § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG kommt es bei zeitlich begrenzten Dauerleistungen wie etwa [X.] oder Unterlassungsleistungen auf die Beendigung der dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse an (zutreffend Abschn. 13.1 Abs. 3 des [X.] und im Streitjahr Abschn. 177 Abs. 3 der [X.] 2004).

[X.]) Im Streitfall handelt es sich um eine derart zeitlich begrenzte Dauerleistung. Zwar ist das [X.] zutreffend davon ausgegangen, dass die Leistung der Klägerin in der Mitwirkung an einer bilanziellen Gestaltung bestand, wobei nicht darüber zu entscheiden ist, ob diese Mitwirkung bilanziell im Sinne einer rechtswirksamen Anerkennung der Gestaltung erfolgreich war. Das [X.] hat aber nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Klägerin ihre Mitwirkungsleistung auf der vertraglichen Grundlage mehrerer zusammenhängender Rechtsverhältnisse, eines Kauf-, eines Darlehen- und eines Leasingvertrages, ausgeführt hatte. Die Gesamtheit dieser Verträge für Zwecke der Umsatzsteuer führt zum einen dazu, dass umsatzsteuerrechtlich weder von einer Lieferung noch von einer Nutzungsüberlassung im Rahmen eines Leasingverhältnisses, sondern von der Mitwirkung an der bilanziellen Gestaltung auszugehen ist. Zum anderen ergibt sich --im Hinblick auf die umsatzsteuerrechtliche Umqualifizierung von Kauf, Darlehen und Leasing in eine [X.] das Entgelt nicht aus der Summe der Leasingraten, sondern aus dem Saldo aus Leasingraten, Kaufpreis und Darlehenszinsen. Entgelt ist daher nur der Betrag der Leasingraten abzüglich des Kaufpreises und der Darlehenszinsen. Der den Kaufpreis übersteigende Leasingbetrag von 168.000 € ist auf dieser Grundlage um Darlehenszinsen in Höhe von 115.200 € (640.000 € x 4,5 % x 4 Jahre) zu mindern, so dass sich, ohne dass der erkennende Senat hierüber nach den Verhältnissen des Streitfalls abschließend zu entscheiden hätte, ein Entgelt von 52.800 € ergäbe, falls keine zusätzliche Abzinsung vorzunehmen ist.

cc) Danach ist das [X.] zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin ihre Leistungen im [X.] bereits mit den Vertragsschlüssen in 2006 erbracht hatte. Da zu den als Einheit zu wertenden Rechtsverhältnissen aber auch der Leasingvertrag mit einer Laufzeit von 48 Monaten gehörte, lag die für die Leistungsausführung maßgebliche Beendigung erst mit der Beendigung dieses Vertrages vor, die frühestens aufgrund der Kündigung am 16.01.2008 und damit erst nach dem Streitjahr erfolgt sein kann. Dass das Leasingverhältnis nur unterstützend der Umsetzung der Mitwirkungsleistung diente, ändert hieran nichts. Denn maßgeblich ist entgegen dem [X.] nicht, wann die prägende Leistungshandlung vorgenommen wurde, sondern zu welchem Zeitpunkt die Leistung insgesamt abgeschlossen wurde.

2. Es liegen keine Teilleistungen vor.

a) [X.] mit Leistungsausführung gilt auch für Teilleistungen, bei denen für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart wird (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Sätze 2 und 3 UStG). Dies setzt die Vorgaben aus Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL zu den Leistungen, die zu aufeinanderfolgenden Abrechnungen oder Zahlungen Anlass geben, nur unzureichend um (BFH-Urteil vom 26.06.2019 - V R 8/19 [V R 51/16], [X.], 1211).

b) Im Ergebnis zutreffend hat das [X.] das Vorliegen von Teilleistungen i.S. von § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Sätze 2 und 3 UStG verneint. Die Annahme einer Teilleistung scheitert bereits an der fehlenden wirtschaftlichen Teilbarkeit der von der Klägerin erbrachten Mitwirkungsleistung. Soweit sich das [X.] hiergegen auf die monatlich vereinbarten Leasingraten bezieht, berücksichtigt es nicht hinreichend, dass im Streitfall keine Nutzungsüberlassung, sondern eine Mitwirkungsleistung vorliegt.

3. Die Klägerin hat auch keine Anzahlungen vereinnahmt.

Wird das Entgelt oder ein Teil des Entgelts vereinnahmt, bevor die Leistung oder die Teilleistung ausgeführt worden ist, so entsteht insoweit die Steuer mit Ablauf des [X.], in dem das Entgelt oder das [X.] vereinnahmt worden ist (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG). Dies beruht unionsrechtlich auf Art. 65 MwStSystRL, wonach die Steuer bei Anzahlungen vor der [X.] zum Zeitpunkt der Vereinnahmung entsprechend dem vereinnahmten Betrag entsteht.

So verhielte es sich im Streitfall nur dann, wenn die Klägerin Zahlungen vereinnahmt hätte, die die von ihr geleisteten Zahlungen überstiegen (s. oben II.1.b [X.]). Da die Klägerin nur eine Leasingrate vereinnahmt hat, ist dies auszuschließen.

4. Wie der erkennende Senat bereits entschieden hat, besteht auch keine Steuerschuld nach § 14c UStG. Der hier einmalig vorgenommene Steuerausweis überstieg nicht die für die Mitwirkungsleistung insgesamt geschuldete Steuer. Ob diese Rechnung als Dauerrechnung anzusehen sein könnte, die sich wie bei einem Mietvertrag als Rechnung durch weitere Zahlungen konkretisiert (vgl. hierzu BFH-Urteil vom [X.] - V R 11/08, [X.], 156), hat der erkennende Senat im Hinblick auf das Ausbleiben derartiger Zahlungen nicht zu entscheiden.

5. [X.] beruht § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

V R 25/18

27.11.2019

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 8. Mai 2018, Az: 5 K 2329/16 U, Urteil

§ 1 Abs 1 Nr 1 UStG 2005, § 13 Abs 1 Nr 1 UStG 2005, § 14c UStG 2005, Art 63 EGRL 112/2006, Art 64 EGRL 112/2006, Art 65 EGRL 112/2006, UStG VZ 2007, Abschn 13.1 Abs 3 UStAE, Abschn 177 Abs 3 UStR 2004, § 10 UStG 2005

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 27.11.2019, Az. V R 25/18 (REWIS RS 2019, 1144)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 1144

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