Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.02.2011, Az. I ZR 8/09

1. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 9579

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Gegenstand

Wettbewerbsrecht: Drittwirkung der Eintragung eines Pflanzenschutz-Zusatzstoffs in die Liste des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit; Spürbarkeit einer nur einmaligen Wettbewerbsbeeinträchtigung - RC-Netzmittel


Leitsatz

RC-Netzmittel

1. Die Eintragung eines Pflanzenschutzmittel-Zusatzstoffes in die für solche Stoffe beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit geführte Liste wirkte jedenfalls bis zum 1. Januar 2007 auch zu Gunsten Dritter .

2. Eine unlautere Handlung ist nicht schon deshalb nicht spürbar im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG, weil sie nur einmal oder nur für kurze Zeit vorgenommen worden ist .

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des [X.] vom 18. Dezember 2008 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die in [X.] ansässige Beklagte handelt in [X.] mit importierten Pflanzenschutzmitteln und Stoffen, die dazu bestimmt sind, Pflanzenschutzmitteln zugesetzt zu werden, um deren Eigenschaften oder Wirkungen zu verändern (im Weiteren: Zusatzstoffe). Am 29. Juni 2006 bot sie der [X.]GmbH in [X.]     über ihren Vertriebsmitarbeiter St. den Zusatzstoff "[X.]" zum Erwerb an.

2

Nach dem Vortrag der Beklagten handelt es sich bei diesem Netzmittel, das die Haftung von Pflanzenschutzmitteln an Pflanzen verbessern soll, um das in der beim [X.] ([X.]; im Weiteren: [X.]) geführten Liste über Zusatzstoffe eingetragene "p.            " der P.      GmbH. Sie habe das Mittel bei diesem Unternehmen erworben, ins Ausland ausgeführt, dort die Umkartons der Kanister mit dem Zusatzstoff umetikettiert und diesen dann stofflich unverändert wieder nach [X.] eingeführt.

3

Die Klägerin entwickelt, produziert und vertreibt in [X.] Pflanzenschutzmittel und Zusatzstoffe. Sie hält den Vertrieb des "[X.]" für rechts- und wettbewerbswidrig, weil das Mittel entgegen § 31c Abs. 1 PflSchG nicht in die Liste des [X.]es über Zusatzstoffe eingetragen sei.

4

Die Klägerin hat beantragt,

es der Beklagten unter Androhung von [X.] zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des [X.] Zusatzstoffe für Pflanzenschutzmittel, insbesondere den von ihr unter der Bezeichnung "[X.]" angebotenen Zusatzstoff, im Geltungsbereich des [X.] Pflanzenschutzgesetzes in Verkehr zu bringen, d.h. diesen Zusatzstoff anzubieten und/oder zur Abgabe vorrätig zu halten und/oder feilzuhalten und/oder an andere abzugeben, soweit der jeweilige Zusatzstoff nicht in die Liste für Zusatzstoffe des [X.]es für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit aufgenommen worden ist.

5

Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.

6

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe

7

I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

8

Zwischen den Parteien bestehe ungeachtet dessen ein Wettbewerbsverhältnis, dass die Klägerin keine Netzmittel in ihrem Sortiment führe. Das Produkt, um das der Streit gehe, könne als Hilfsstoff die Kaufentscheidung hinsichtlich eines Hauptprodukts beeinflussen und daher den Absatz der Klägerin beeinträchtigen. Der Umstand, dass die [X.] das Mittel nach ihren Angaben nur in einem behaupteten Testlauf als Nischenprodukt vertrieben und den Vertrieb längst eingestellt habe, habe die [X.] ebenso wenig entfallen lassen wie die von der [X.]n abgegebene nicht strafbewehrte Unterlassungserklärung.

9

Die für die Beurteilung des [X.] maßgebliche Bestimmung des § 16c PflSchG sei am Tag des von der Klägerin vorgetragenen Verletzungsfalles in [X.] getreten. Das Produkt der [X.]n habe danach an diesem Tag nicht mehr ohne Feststellung seiner Verkehrsfähigkeit in Verkehr gebracht werden dürfen. Ein von der Feststellung der Verkehrsfähigkeit freigestellter Reimport liege nicht vor, weil die [X.] nach ihren eigenen Angaben das Originalprodukt nicht nur umverpackt, sondern auch umetikettiert und zudem mit einem gänzlich anderen Namen versehen habe. Die Zulassungsbestimmungen des Pflanzenschutzgesetzes seien Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG, deren Verletzung angesichts des [X.] auch keinen bloßen Bagatellverstoß darstellten.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der [X.]n ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass das von der Klägerin beanstandete Verhalten des [X.], das die [X.] sich zurechnen lassen muss (§ 8 Abs. 2 UWG), bereits auf der Grundlage des eigenen Vortrags der [X.]n jedenfalls nach dem Inkrafttreten des [X.] zur Änderung des Pflanzenschutzgesetzes (im Weiteren: [X.]) am 29. Juni 2006 rechts- und wettbewerbswidrig war.

a) Das Berufungsgericht hat zugunsten der [X.]n unterstellt, dass der von ihrem Mitarbeiter [X.] angebotene Zusatzstoff entsprechend dem Vortrag der [X.]n mit dem für die [X.] in der beim [X.] geführten Liste eingetragenen "p.          " stofflich übereinstimmte.

b) Auf dieser Grundlage stellte sich das Verhalten des Mitarbeiters [X.] sowohl nach der Rechtslage bis zum Inkrafttreten des [X.]es am 29. Juni 2006 (dazu unter aa) als auch nach der Rechtslage als rechtmäßig dar, die nachfolgend bis zum Inkrafttreten des § 16c PflSchG am 1. Januar 2007 (§ 45 Abs. 12 PflSchG) bestanden hat (dazu unter bb).

aa) Nach der zur Rechtslage vor Inkrafttreten des [X.]es ergangenen Rechtsprechung des Senats wirkt die Erteilung einer Zulassung für ein Pflanzenschutzmittel im Sinne des § 11 PflSchG nicht nur für den jeweiligen Antragsteller, das heißt personenbezogen, sondern produktbezogen; ein im Inland zugelassenes, aber für den Vertrieb im Ausland hergestelltes Pflanzenschutzmittel ist daher im Falle seiner Wiedereinfuhr ins Inland ohne Weiteres verkehrsfähig, sofern seine Identität mit dem zugelassenen Mittel feststeht (vgl. [X.], Urteil vom 23. Juni 1994 - [X.], [X.]Z 126, 270, 273 ff. - Zulassungsnummer I; Urteil vom 30. November 1995 - I ZR 194/93, [X.], 372 f. = WRP 1996, 210 - Zulassungsnummer II; Urteil vom 14. November 2002 - I ZR 134/00, [X.], 254 f. = WRP 2003, 268 - Zulassungsnummer III; Urteil vom 19. November 2009 - [X.], [X.], 160 Rn. 11 = [X.], 250 - [X.]). Nichts anderes hatte jedenfalls in der [X.] bis zum Inkrafttreten des [X.]es für die nach § 31c Abs. 1 PflSchG bei Zusatzstoffen erforderliche Aufnahme in die beim [X.] geführte Liste über Zusatzstoffe zu gelten. Nach dieser Bestimmung dürfen Zusatzstoffe, die keine schädlichen Auswirkungen im Sinne von § 31 Abs. 1 Nr. 1 PflSchG haben, nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie in die Liste des [X.]es über Zusatzstoffe aufgenommen worden sind. Darin liegt ebenfalls keine personenbezogene, sondern eine produktbezogene Zulassungsregelung.

bb) Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass die durch das [X.] neu eingefügte Bestimmung des § 16c Abs. 1 Satz 1 PflSchG Anlass zu einem bereits im Streitfall zu beachtenden geänderten Verständnis des § 31c Abs. 1 PflSchG gab. Hierbei kann dahinstehen, ob § 16c Abs. 1 Satz 1 PflSchG, wonach ein in einem anderen Mitgliedstaat oder Vertragsstaat des Abkommens über den [X.] Wirtschaftsraum zugelassenes Pflanzenschutzmittel, das mit einem in [X.] zugelassenen Mittel übereinstimmt, nurmehr nach vorheriger Feststellung seiner Verkehrsfähigkeit durch das [X.] eingeführt und in den Verkehr gebracht werden darf, Auswirkungen auf die Auslegung des § 31c Abs. 1 PflSchG hat. Dasselbe gilt für die Frage, ob im Streitfall ein Reimport vorlag, bei dem sich nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der [X.] und [X.] eines [X.] zur Änderung des Pflanzenschutzgesetzes (BT-Drucks. 16/645 S. 7) eine solche Feststellung der Verkehrsfähigkeit erübrigt (vgl. dazu Koof, Agrar- und Umweltrecht 2008, 101 f.; [X.], [X.] 2008, 58, 61). Eine entsprechende mittelbare Wirkung konnte die in § 16c Abs. 1 Satz 1 PflSchG enthaltene Neuregelung nämlich allenfalls ab dem 1. Januar 2007 entfalten, also ab dem [X.]punkt ab dem sie gemäß § 45 Abs. 12 PflSchG erstmals anzuwenden war. Die vom Berufungsgericht vertretene gegenteilige Ansicht lässt insbesondere unberücksichtigt, dass ein Parallelimporteur von Pflanzenschutzmitteln bei einer für ihn nachteiligen Änderung der Rechtslage nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] im Blick auf die durch Art. 34 AEUV gewährleistete [X.] Anspruch auf eine angemessene Frist für den Abverkauf seiner Lagerbestände hat (vgl. [X.], Urteil vom 14. Juli 2005 - [X.]/04, [X.], 120 Rn. 37 - Kommission/Bundesrepublik [X.]; BT-Drucks. 16/645 S. 1 f. und 7). Für Zusatzstoffe kann nichts anderes gelten.

2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar; sie ist deshalb aufzuheben (§§ 561, 562 Abs. 1 ZPO).

3. Der Senat sieht sich daran gehindert, abschließend zu entscheiden. Die Sache ist noch nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO).

a) Die Klägerin hat die von der [X.]n behauptete Identität des "[X.]" der [X.]n mit dem "p.          " der [X.] bestritten. Sollte die [X.], die insoweit beweisbelastet ist (vgl. [X.], [X.], 160 Rn. 15 - [X.]), den entsprechenden Beweis nicht erbringen, wäre die Klage aus §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 31c Abs. 1 PflSchG begründet.

Die Revisionserwiderung weist zwar mit Recht darauf hin, dass die [X.] in dieser Hinsicht noch keinen hinreichenden Sachvortrag gehalten hat. Dazu hatte sie aber nach der damals noch aktuellen Senatsrechtsprechung auch keinen Anlass. Seine frühere Ansicht, nach der die Darlegungs- und Beweislast auch insoweit beim Anspruchsteller liegt (vgl. [X.], [X.], 254, 255 - Zulassungsnummer III), hat der Senat erst mit seinem Urteil "[X.]" ([X.],160 Rn. 15) und damit zu einem [X.]punkt aufgegeben, als das Berufungsverfahren in der vorliegenden Sache bereits abgeschlossen war.

b) Das Berufungsgericht hat mit Recht und von der Revision auch unbeanstandet angenommen, dass die Klägerin gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG klage- und anspruchsbefugt ist, dass die durch das Verhalten des Mitarbeiters [X.] begründete [X.] nicht nachträglich weggefallen ist und dass die gemäß § 1 Nr. 4 PflSchG dem Schutz der Gesundheit der Verbraucher dienenden Zulassungsbestimmungen des Pflanzenschutzgesetzes Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG sind (vgl. [X.], [X.], 160 Rn. 15 - [X.]; ferner Art. 3 Abs. 3 und Erwägungsgrund 9 Satz 2 und 3 der Richtlinie 2005/29/[X.] über unlautere Geschäftspraktiken).

c) Das von der [X.]n mit ihrer Klage beanstandete Verhalten war bei fehlender Identität der beiden Zusatzstoffe unter Berücksichtigung dessen, dass die Zulassungsvorschriften des Pflanzenschutzgesetzes dem Schutz der Gesundheit der Menschen dienen, im Übrigen auch geeignet, die Interessen der Verbraucher nicht unerheblich bzw. spürbar im Sinne von § 3 UWG 2004, § 3 Abs. 1 UWG 2008 zu beeinträchtigen. Ohne Erfolg verweist die Revision in diesem Zusammenhang darauf, dass das Mittel der [X.]n nur in einem einzigen Fall angeboten und dabei auch nicht in den Verkehr gelangt ist. Sie lässt jedoch unberücksichtigt, dass die Häufigkeit oder Dauer einer unlauteren Handlung zwar deren Spürbarkeit erhöhen, daraus aber nicht der Umkehrschluss gezogen werden kann, dass eine unlautere Handlung schon deshalb nicht spürbar ist, weil sie nur einmal oder nur für kurze [X.] vorgenommen worden ist. Denn dies fällt in den Bereich der [X.], auf die es nicht schon bei der Prüfung, ob das Verhalten unzulässig ist, sondern erst beim Unterlassungsanspruch ankommt (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG; [X.] in [X.]/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 3 Rn. 125). Im Rahmen der dem anspruchsbegründenden Tatbestand zuzurechnenden § 3 UWG 2004, § 3 Abs. 1 UWG 2008 genügt dagegen bereits die Eignung zu einer spürbaren Beeinträchtigung der Marktteilnehmer.

[X.]Büscher                                 Schaffert

                        [X.]

Meta

I ZR 8/09

10.02.2011

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Stuttgart, 18. Dezember 2008, Az: 2 U 53/08, Urteil

§ 3 Abs 1 UWG, § 4 Nr 11 UWG, § 31c Abs 1 PflSchG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.02.2011, Az. I ZR 8/09 (REWIS RS 2011, 9579)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9579

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Referenzen
Wird zitiert von

I ZR 117/10

I ZR 226/13

I ZR 226/13

I ZR 81/10

I ZR 129/10

I ZR 8/09

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