Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.03.2015, Az. EnVR 62/13

Kartellsenat | REWIS RS 2015, 14627

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
En[X.]R 62/13
[X.]erkündet am

3. März 2015

Bürk

Amtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem energiewirtschaftsrechtlichen [X.]erwaltungsverfahren
-
2
-
Der Kartellsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.]erhandlung vom 3.
März 2015 durch die Präsidentin des [X.] [X.] und [X.]
Raum, Dr.
Kirchhoff, Dr.
Grüneberg und Dr.
Bacher
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der am 5.
August 2013 verkündete Beschluss des 3.
Kartellsenats des Oberlandes-gerichts Düsseldorf aufgehoben.
Auf die Beschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der Bun-desnetzagentur vom 31.
Oktober 2011 ([X.]-11-304) in Nr.
2 auf-gehoben.
Die Bundesnetzagentur hat die Kosten des Beschwerde-
und des Rechtsbeschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen [X.] der Betroffenen zu tragen.
Der Gegenstandswert wird auf 50.000 Euro festgesetzt.

-
3
-
Gründe:
A.
Die Betroffene betreibt ein Elektrizitäts-
und Gasversorgungsnetz.
Mit Beschluss vom 31.
Oktober
2011 ([X.]-11-304) hat die Bundesnetz-agentur die Eigenkapitalzinssätze für Neu-
und Altanlagen für die Dauer der zweiten Periode der Anreizregulierung festgelegt. Unter Nr.
2 des [X.] hat sie ausgesprochen, die Festlegung stehe unter dem [X.]orbehalt des Widerrufs.
Mit ihrer Beschwerde hat die Betroffene die Aufhebung dieses [X.] begehrt.
Die Bundesnetzagentur ist der Beschwerde entgegengetreten. In der Be-schwerdeinstanz
hat sie erklärt, mit dem Widerrufsvorbehalt solle ausschließlich deklaratorisch die ihr zustehende Abänderungskompetenz nach §
29 Abs.
2 [X.] bestätigt werden.
Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Betroffene mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
Die Bundesnetzagentur tritt dem Rechtsmittel entgegen.
B.
Die zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefoch-tenen [X.]orbehalts.
I.
Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Dem angefochtenen Widerrufsvorbehalt komme kein eigenständiger Re-gelungsgehalt zu. Die Bundesnetzagentur habe in den Gründen ihrer Entschei-dung ausgeführt, der [X.]orbehalt solle insbesondere den Fall erfassen, dass sich 1
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die festgelegten Zinssätze im Hinblick auf neue gesetzlich vorgesehene Instru-mente wie zum Beispiel einen Risikozuschlag ("adder") als nicht mehr ange-messen erwiesen. Damit habe sie zum Ausdruck gebracht, dass der [X.]orbehalt nur eine Anpassung an veränderte sachliche oder rechtliche Umstände ermög-lichen solle, die das Fachrecht in §
29 Abs.
2 [X.] ohnehin vorsehe. Diese Änderungsbefugnis gelte auch für die Festlegung der Eigenkapitalzinssätze. Der Umstand, dass die Festlegung gemäß §
7 Abs.
6 [X.] und §
7 Abs.
6 [X.] vor Beginn der Regulierungsperiode und für deren gesamte Dauer zu erfolgen habe, führe nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Die Frage, ob der Widerrufsvorbehalt mit §
36 [X.]w[X.]fG vereinbar sei, stelle sich damit nicht.
II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung in einem ent-scheidenden Punkt nicht
stand.
1.
Zu Recht hat das Beschwerdegericht den Widerrufsvorbehalt als selbständig anfechtbar angesehen, weil es sich hierbei um eine Nebenbestim-mung handelt, die von der Festlegung der Zinssätze trennbar ist (vgl. [X.], [X.] vom 14.
August 2008 -
K[X.]R
36/07, RdE
2008, 337 Rn.
91 -
Stadtwerke Trier; Beschluss vom 15.
Mai 1984 -
K[X.]R
11/83, [X.]Z 91, 178, 179 -
Wettbe-werbsregeln; B[X.]erwGE 112, 221, 224; B[X.]erwGE 112, 263, 265).
2.
Keiner Entscheidung bedarf die Frage, ob sich die Bundesnetzagen-tur mit der angefochtenen Nebenbestimmung lediglich Änderungen vorbehalten hat, die gemäß §
29 Abs.
2 [X.] zulässig sind, oder ob sie darüber hinausge-hende [X.] in Anspruch genommen hat. Unabhängig von die-ser Frage kann der [X.]orbehalt jedenfalls deshalb keinen Bestand haben, weil er nicht hinreichend deutlich erkennen lässt, unter welchen [X.]oraussetzungen ein Widerruf möglich sein soll.
a)
Für die Auslegung einer behördlichen Entscheidung ist gemäß §§
133, 157 BGB nicht der innere Wille der erlassenden Behörde maßgebend, 9
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-
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-
sondern allein der erklärte Wille, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdi-gung verstehen konnte ([X.], Beschluss vom 5.
Oktober 2010 -
En[X.]R 52/09, [X.], 59 Rn.
12 -
GABi Gas; B[X.]erwGE 126, 149 Rn.
52). Hierbei ist nicht nur der Tenor der Entscheidung von Bedeutung. Dieser ist vielmehr im Lichte der Begründung auszulegen ([X.], Beschluss vom 10.
Februar 2009 -
K[X.]R 67/07, [X.]Z 180, 323 Rn.
41 -
Gaslieferverträge; Beschluss vom 14.
März 1990 -
K[X.]R 4/88, [X.]Z 110, 371, 377 -
Sportübertragungen).
b)
Das Beschwerdegericht, dessen Auslegung im Rechtsbeschwerde-verfahren der uneingeschränkten Überprüfung unterliegt (vgl. zum Revisions-verfahren [X.], Urteil vom 22.
September 2009 -
XI
ZR
286/08, [X.], 144 Rn.
20; [X.], Urteil vom 9.
Dezember 1982 -
III
ZR
106/81, [X.]Z 86, 104, 110; B[X.]erwGE 135, 209 Rn.
18), hat diese Grundsätze zwar im Ansatz zutreffend herangezogen. Es hat jedoch nicht hinreichend beachtet, dass dem [X.]orbehalt auch dann ein eigenständiger Regelungsgehalt zukommt, wenn die Bundes-netzagentur damit keine weitergehenden Rechte in Anspruch genommen hat, als dies in §
29 Abs.
2 [X.] vorgesehen ist.
aa)
Zutreffend ist das Beschwerdegericht allerdings davon ausgegangen, dass ein Widerrufsvorbehalt, der sich in der Bezugnahme auf eine unmittelbar im Gesetz vorgesehene Widerrufsmöglichkeit erschöpft, im Einzelfall als bloßer Hinweis auf die bestehende Gesetzeslage anzusehen sein kann (vgl. dazu [X.], 48, 50; B[X.]erwGE 124, 47, 51). Ein Hinweis dieses Inhalts ist we-der ein [X.]erwaltungsakt im Sinne von §
35 [X.]w[X.]fG ([X.], 48, 50) noch eine mit der Beschwerde anfechtbare Entscheidung im Sinne von §
75 Abs.
1 [X.]. Seine Funktion erschöpft sich darin, die von der Entscheidung [X.] frühzeitig auf eine [X.] bestehende Widerrufsmöglichkeit [X.] zu machen und die eventuelle Entstehung eines
[X.]ertrauenstatbe-stands -
die bei unmittelbar im Gesetz vorgesehenen Widerrufsgründen im [X.] auf §
49 Abs.
2 Satz
1 Nr.
1 und Abs.
6 Satz
1 [X.]w[X.]fG ohnehin nur in Aus-nahmefällen in Betracht kommt -
zu vermeiden.
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[X.])
Ebenfalls noch zutreffend ist das Beschwerdegericht davon [X.], dass der angefochtene [X.]orbehalt sich nicht in einem solchen Hinweis erschöpft.
Das Beschwerdegericht hat zwar ausgeführt, der Widerrufsvorbehalt ha-be rein deklaratorischen Charakter und enthalte nur einen Hinweis auf die [X.] bestehende Rechtslage. Dennoch hat es die auf Aufhebung des [X.] gerichtete Beschwerde nicht als unzulässig verworfen, sondern sich mit der Frage befasst, ob eine Festlegung der Eigenkapitalzinssätze gemäß §
7 Abs.
6 [X.] der in §
29 Abs.
2 [X.] vorgesehenen Änderungsmöglich-keit unterliegt. Damit ist das Beschwerdegericht, wie die Rechtsbeschwerde zutreffend aufzeigt, implizit davon ausgegangen, dass der [X.]orbehalt doch eine eigenständige Regelung enthält, nämlich die verbindliche Feststellung, dass die getroffene Festlegung in den Anwendungsbereich von §
29 Abs.
2 [X.] fällt.
Diese Auslegung ist zutreffend. Sie wird bereits durch den Umstand [X.], dass der Widerrufsvorbehalt in den Tenor der behördlichen Entschei-dung aufgenommen wurde. Für sie spricht ferner, dass sich weder im Tenor noch in der Begründung ein Hinweis auf §
29 Abs.
2 [X.] oder auf eine sons-tige gesetzliche [X.]orschrift findet, aus der sich unmittelbar eine Änderungsbe-fugnis ergibt. [X.]or diesem Hintergrund ist dem Umstand, dass sich die Bundes-netzagentur einen Widerruf ausdrücklich "vorbehalten" hat, zu entnehmen, dass sie die Frage, ob eine spätere Änderung der Entscheidung überhaupt in [X.] kommt, jedenfalls für den Fall der Einführung eines gesetzlichen Risiko-zuschlags vorab verbindlich entscheiden und damit einen späteren Streit über die Anwendbarkeit von §
29 Abs.
2 [X.] ausschließen wollte.
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-
7
-
c)
Eine Nebenbestimmung dieses Inhalts kann weder auf §
29 Abs.
1 oder 2 [X.] noch auf eine sonstige Ermächtigungsgrundlage gestützt werden. Sie ist vielmehr rechtswidrig, weil sie die [X.]oraussetzungen, unter denen ein Widerruf der getroffenen Festlegung möglich sein soll, nicht hinreichend be-stimmt festlegt.
aa)
§
29 Abs.
2 [X.] ermächtigt die Regulierungsbehörde, eine ge-troffene Festlegung nachträglich zu ändern, soweit dies erforderlich ist, um [X.], dass sie weiterhin den für sie einschlägigen [X.]oraussetzungen entspricht. Ob sich hieraus über den
Wortlaut der [X.]orschrift hinaus auch die Befugnis ergibt, schon bei Erlass der ursprünglichen Entscheidung durch einen Widerrufs-
oder Änderungsvorbehalt verbindlich festzulegen, dass die getroffe-ne Entscheidung in den Anwendungsbereich des §
29 Abs.
2 [X.] fällt, [X.] keiner abschließenden Entscheidung. Ein solcher [X.]orbehalt wäre allenfalls dann zulässig, wenn darin die [X.]oraussetzungen, unter denen ein Widerruf oder eine Änderung möglich bleiben soll, hinreichend konkret festgelegt werden. Dieser Anforderung wird der angefochtene [X.]orbehalt nicht gerecht.
Mit der als möglich dargestellten Einführung gesetzlicher Risikozuschlä-ge wird zwar eine Konstellation beschrieben, in der eine Änderung der Zinssät-ze "insbesondere" zulässig sein soll. Daraus geht aber nicht hervor, dass die Einführung solcher Zuschläge unabhängig von ihrer konkreten Ausgestaltung stets eine Änderungsmöglichkeit eröffnen soll, und es werden auch keine Krite-rien dafür benannt, die eine solche Möglichkeit begründen können. [X.]ielmehr wird
ausgeführt, Art und Umfang möglicher Zuschläge seien noch nicht abseh-bar. Damit sind die [X.]oraussetzungen für einen Widerruf nicht hinreichend be-stimmt festgelegt. Dem angefochtenen [X.]orbehalt ist vielmehr zu entnehmen, dass sich die Bundesnetzagentur für den Fall der Einführung von gesetzlichen Risikozuschlägen und für weitere, nicht im einzelnen benannte Konstellationen alle Möglichkeiten offenhalten, sich aber gerade noch nicht in der einen oder anderen Richtung festlegen wollte.
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Ein solcher [X.]orbehalt
ist schon deshalb unzulässig, weil er einerseits [X.] gerichtet ist, das Bestehen einer im Gesetz abstrakt vorgesehenen [X.] verbindlich festzulegen, zugleich aber nicht erkennen lässt, wie weit diese Bindungswirkung reichen soll. Der von einer solchen Entscheidung Betroffene muss damit rechnen, dass er sich gegenüber einem später ausge-sprochenen Widerruf nicht mehr mit inhaltlichen Einwendungen zur Wehr set-zen kann, wenn er den [X.]orbehalt in Bestandskraft erwachsen lässt. Wenn er bereits den [X.]orbehalt anficht, kann er inhaltliche Einwendungen zur Anwend-barkeit und zur tatbestandlichen Reichweite von §
29 Abs.
2 [X.] allenfalls auf [X.] geltend machen, weil der [X.]orbehalt gerade nicht erkennen lässt, für welche konkreten Fallgestaltungen ein Widerruf möglich sein soll. Damit würden die Rechtsschutzmöglichkeiten in nicht mehr zumutbarer Weise eingeschränkt.
[X.])
[X.]or diesem Hintergrund kann der angefochtene [X.]orbehalt auch nicht auf §
36 [X.]w[X.]fG gestützt werden.
Dabei kann offen bleiben, ob die Anwendung von §
36 [X.]w[X.]fG bei der Festlegung der Eigenkapitalzinssätze gemäß §
7 Abs.
6 [X.] in Betracht kommt. Auch nach §
36 [X.]w[X.]fG wäre ein Widerrufsvorbehalt allenfalls dann zu-lässig, wenn die [X.]oraussetzungen, unter denen der Widerruf möglich sein soll, hinreichend bestimmt festgelegt werden. Dieser Anforderung wird der ange-fochtene [X.]orbehalt aus den bereits dargelegten Gründen nicht gerecht.
3.
Die von der Rechtsbeschwerde eingehend behandelte und vom [X.] bejahte Frage, ob eine Festlegung der Eigenkapitalzinssätze gemäß §
7 Abs.
6 [X.] überhaupt einer Änderung nach §
29 Abs.
2 [X.] zugänglich ist, bedarf mithin keiner Entscheidung.
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III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
90 Satz
1 [X.], die Festset-zung des Gegenstandswerts auf §
50 Abs.
1 Satz
1 GKG und §
3 ZPO.
[X.]
Raum
Kirchhoff

Grüneberg
Bacher
[X.]orinstanz:
[X.], Entscheidung vom 05.08.2013 -
[X.]I-3 Kart 389/11 ([X.]) -

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Meta

EnVR 62/13

03.03.2015

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.03.2015, Az. EnVR 62/13 (REWIS RS 2015, 14627)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 14627

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