Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.08.2012, Az. VII ZB 84/11

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 3999

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 84/11

vom

9. August 2012

in dem Zwangsvollstreckungsverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 121 Abs. 2
Wegen der sich aus der Regelung des § 850d ZPO ergebenden rechtlichen Schwie-rigkeiten bei der Pfändung aus einem Unterhaltstitel ist es in der Regel erforderlich, einem Unterhaltsgläubiger, dem Prozesskostenhilfe für die Stellung eines Antrags auf Erlass eines Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses gewährt wird, einen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt beizuordnen.
[X.], Beschluss vom 9. August 2012 -
VII ZB 84/11 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat am
9. August 2012
durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr.
[X.], die Richterin [X.] und [X.]
Eick, Prof. Leupertz
und Dr.
Kartzke
beschlossen:
1.
Auf die Rechtsmittel der Gläubiger werden der Beschluss der 5.
Zivilkammer des [X.] vom 16.
Septem-ber
2011 und der den Antrag auf Beiordnung eines Rechtsan-walts zurückweisende Beschluss des Amtsgerichts

Voll-streckungsgericht
-
Reutlingen vom 7.
April
2011 aufgehoben.
2.
Den Gläubigern wird für den Antrag auf Erlass eines Pfän-dungs-
und Überweisungsbeschlusses Rechtsanwalt

L.

, R.

, beigeordnet.

Gründe:
I.
Die durch ihre Mutter vertretenen minderjährigen Gläubiger betreiben gegen ihren Vater aus einem Versäumnisbeschluss des Amtsgerichts

Familiengericht
-
die Zwangsvollstreckung wegen rückständiger und laufender Unterhaltsansprüche. Sie haben für einen Antrag auf Erlass eines Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses, mit dem die Ansprüche des Schuldners gegen seinen Arbeitgeber auf Zahlung von Arbeitseinkommen sowie Forderungen des Schuldners gegen
eine
Bank gepfändet und ihnen zur Einziehung überwiesen 1
-
3
-
werden sollten, Verfahrenskostenhilfe und die Beiordnung von Rechtsanwalt
L. beantragt.
Das Amtsgericht hat ihnen mit Beschluss vom 7.
April
2011 für die Zwangsvollstreckungsmaßnahme "Antrag auf Erlass eines Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses" Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt, den Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts für diese Zwangsvollstre-ckungsmaßnahme jedoch zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das [X.] mit am
22.
September
2011 zugestelltem
Be-schluss zurückgewiesen. Der [X.] hat den Gläubigern für die vom [X.] zugelassene Rechtsbeschwerde mit am 1.
Dezember
2011 zugestell-tem Beschluss Prozesskostenhilfe gewährt und ihnen die Sozietät Rechtsan-wälte Prof.
Dr.
V. und Dr.
Sch. beigeordnet. Die Gläubiger haben am 9.
Dezem-ber
2011 Rechtsbeschwerde eingelegt und wegen Versäumung der Fristen für die Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Der [X.] hat dem Antrag bezüglich der Versäu-mung der Einlegungsfrist mit Beschluss vom 22.
Dezember
2011 entsprochen. Mit der am 2.
Januar
2012 begründeten Rechtsbeschwerde verfolgen die Gläu-biger ihren Antrag auf Beiordnung von Rechtsanwalt
L. weiter.

II.
1. Dem fristgerecht gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vori-gen Stand nach Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde war gemäß §
233 ZPO zu entsprechen. Die Gläubiger waren aus finanziellen Gründen erst nach Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines bei dem [X.] zugelassenen Rechtsanwalts zur Begründung der Rechtsbeschwerde in der Lage. Die Versäumung dieser Frist war damit ent-2
3
-
4
-
schuldigt. Die einmonatige Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde nach Zustellung des Beschlusses über die Gewährung von Prozesskostenhilfe haben die Gläubiger eingehalten.
2. Die gemäß §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2, Abs.
3 Satz
2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
a) Das [X.] ist der Auffassung, die Beiordnung eines Rechtsan-walts sei nicht erforderlich. Da eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben und der Schuldner nicht durch einen solchen vertreten sei, komme eine Beiordnung nach §
121 Abs.
2 1.
Alt. ZPO nur in Betracht, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls erforderlich sei. Inso-weit seien
neben Umfang, Schwierigkeit und Bedeutung der beabsichtigten Vollstreckungsmaßnahme vor allem auch die Kenntnisse
und Fähigkeiten des Gläubigers bzw. seines gesetzlichen
Vertreters sowie anderweitige Beratungs-
und Unterstützungsmöglichkeiten zu berücksichtigen. Dazu seien zumindest aussagekräftige und plausible Darlegungen zu diesen Punkten seitens des Gläubigers erforderlich. Daran fehle es.
b) Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
aa) In Verfahren ohne Anwaltszwang ist nach §
121 Abs.
2 ZPO unter anderem ein Rechtsanwalt beizuordnen, wenn die [X.] dies beantragt und die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Dies ist der Fall, wenn
Umfang, Schwierigkeit und Bedeutung der Sache Anlass zu der Befürch-tung geben, der Hilfsbedürftige werde nach seinen persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage sein, seine Rechte sachgemäß wahrzunehmen und die not-wendigen Maßnahmen in mündlicher oder schriftlicher Form zu veranlassen. Danach hängt die Notwendigkeit der Beiordnung einerseits von der [X.] der im konkreten Fall zu bewältigenden Rechtsmaterie und andererseits 4
5
6
7
-
5
-
von den persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen gerade des Antragstellers ab ([X.], Beschluss vom 18.
Juli
2003 -
IXa
ZB
124/03, NJW 2003, 3136; [X.], [X.], 352).
bb) Das Beschwerdegericht stellt zu hohe Anforderungen an die [X.] der Erforderlichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts. Der [X.] hat bereits in seinem Beschluss vom 18.
Juli
2003 (IXa
ZB
124/03, aaO) ausgeführt, es liege nahe, dass ein juristisch nicht ausgebildeter Antrag-steller bei der Pfändung wegen Unterhaltsansprüchen, insbesondere beim [X.] mehrerer Unterhaltsberechtigter, auch
mit
Hilfe
der Rechtsantrag-stelle häufig
kaum in der Lage sein werde, einen korrekten Antrag zu stellen. Jedenfalls für Verfahren der erweiterten Pfändung von Arbeitslohn oder Lohn-ersatzleistungen dürfe dem Gläubiger daher nicht ohne Prüfung des Einzelfalls die Beiordnung eines Rechtsanwalts mangels Erforderlichkeit versagt werden. Nachfolgend hat der [X.] wiederholt den Hinweis erteilt, es sei bei der inso-weit vorzunehmenden Einzelfallprüfung zu beachten, dass die rechtlichen Schwierigkeiten bei der Pfändung aus einem Unterhaltstitel wegen der Rege-lung des §
850d ZPO es in der Regel geboten erscheinen lassen, einen Rechtsanwalt beizuordnen ([X.], Beschlüsse vom 20.
Dezember
2005 -
VII
ZB
94/05, [X.], 1204; vom 29.
März
2006
VII
ZB
14/06, [X.] 2006, 309 und VII
ZB
15/06, [X.], 856).
Von der Beiordnung eines [X.] kann damit -
entgegen der Auffassung des [X.]
-
nur in Ausnahmefällen, insbesondere bei einem juristisch vorgebildeten oder wirt-schaftlich erfahrenen Gläubiger abgesehen werden. Diese Voraussetzungen liegen weder bei den Gläubigern noch deren gesetzlicher Vertreterin vor, die derzeit als Hausfrau tätig und auf staatliche Unterstützung angewiesen ist.
3. Dem Antrag auf Beiordnung des Rechtsanwalts
L. war daher unter Aufhebung des Beschlusses des [X.] und des diesen Antrag 8
-
6
-
zurückweisenden Beschlusses des Amtsgerichts -
Vollstreckungsgericht
-
zu entsprechen.
[X.]
[X.]
Eick

Leupertz
Kartzke
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 07.04.2011 -
21 M 1247/11 -

LG [X.], Entscheidung vom 16.09.2011 -
5 [X.]/11 -

9

Meta

VII ZB 84/11

09.08.2012

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.08.2012, Az. VII ZB 84/11 (REWIS RS 2012, 3999)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3999

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