Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.03.2015, Az. 3 StR 634/14

3. Strafsenat | REWIS RS 2015, 13877

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Konkurrenzen bei Betäubungsmitteldelikten: Zusammentreffen vorsätzlicher Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringen Mengen mit fahrlässiger Einfuhr von Betäubungsmitteln


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 1. September 2014 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit fahrlässiger Einfuhr von Betäubungsmitteln zur Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die allgemein erhobene Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. [X.] ist nicht ausgeführt und deshalb unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

3

2. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des angefochtenen Urteils führt lediglich zur Änderung des Schuldspruchs; der Strafausspruch hat hingegen Bestand.

4

a) Die tateinheitlich zu dem Schuldspruch wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ausgesprochene Verurteilung wegen fahrlässiger Einfuhr von Betäubungsmitteln hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand; sie entfällt. Im Einzelnen:

5

aa) Nach den Feststellungen des [X.]s war dem Angeklagten nicht bekannt, dass sein Koffer, der - wie er wusste - etwa drei Kilogramm Kokainzubereitung enthielt, am Flughafen in [X.] mit den anderen Gepäckstücken aus dem aus der [X.] kommenden Flugzeug ausgeladen und auf das Gepäckband aufgeladen wurde, weshalb ihm die Betäubungsmittel tatsächlich in der [X.] zur Verfügung standen. Ihm sei seine Einlassung nicht zu widerlegen, er sei aufgrund der Angaben seines Auftraggebers "[X.]" davon ausgegangen, der Koffer sei "durchgecheckt", müsse von ihm also erst an seinem endgültigen Reiseziel in [X.] abgeholt werden. In der rechtlichen Würdigung hat die Strafkammer ausgeführt, dem flugerfahrenen Angeklagten wäre es aber möglich gewesen zu erkennen, dass der Koffer in [X.] ausgeladen werden würde und für den Anschlussflug nach [X.] erneut hätte aufgegeben werden müssen.

6

bb) Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ist das [X.] zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass der Angeklagte den Tatbestand der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG nicht vorsätzlich erfüllte: In den Fällen der Zwischenlandung eines [X.] im Inland kommt es für die Einfuhr der Betäubungsmittel entscheidend darauf an, ob die Zugangsmöglichkeit des Reisenden zu dem betreffenden Gepäckstück als tatsächliche Verfügungsmacht im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 2 BtMG zu bewerten ist. Diese Verfügungsgewalt besteht nicht nur dann, wenn der Täter das Rauschgift in Händen hält, sondern auch dann, wenn er es ohne Schwierigkeiten erhalten kann, was jeweils aufgrund der Umstände des Einzelfalles im Urteil festzustellen ist. Für eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Einfuhr muss jedoch hinzukommen, dass dem Täter diese Verfügungsmöglichkeit bekannt war oder dass er sie zumindest billigend in Kauf genommen hat ([X.], Beschluss vom 25. Juli 2002 - 2 [X.], [X.]R BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Einfuhr 39 mwN). Dies hat das [X.] indes nicht festzustellen vermocht.

7

cc) Die Annahme, der Angeklagte habe sich - insoweit rechtsfehlerfrei -nicht nur wegen (vorsätzlicher) Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht, indem er die für den gewinnbringenden Verkauf in der [X.] vorgesehenen Betäubungsmittel für seinen Auftraggeber transportierte, sondern tateinheitlich dazu auch den Tatbestand der fahrlässigen Einfuhr von Betäubungsmitteln verwirklicht, erweist sich hingegen als rechtsfehlerhaft.

8

Zwar soll in Fällen, in denen der Flugreisende bei einer Zwischenlandung in der [X.] nicht um die Verfügungsmöglichkeit über das die Betäubungsmittel enthaltende Gepäckstück weiß oder diese nicht zumindest billigend in Kauf nimmt, eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Einfuhr von Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 4 BtMG in Betracht kommen ([X.] aaO; MüKoStGB/[X.], 2. Aufl., § 29 BtMG Rn. 734; [X.]/[X.]/[X.], BtMG, 7. Aufl., § 29 Teil 5 Rn. 163). Erfüllt der Täter aber durch dieselbe Handlung vorsätzlich den Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge oder den der Beihilfe zu diesem Delikt, tritt die nur fahrlässig begangene [X.] dahinter zurück. Insoweit gilt:

9

Treffen vorsätzliche und fahrlässige Begehungsweise bezüglich eines [X.] zusammen, so ist die fahrlässige Begehung des Delikts nicht im Schuldspruch zum Ausdruck zu bringen, sie tritt vielmehr als subsidiär zurück ([X.], Urteil vom 30. März 1993 - 5 [X.], [X.]St 39, 195, 199 mwN). Denn dieselbe Tathandlung kann bei Verletzung desselben Rechtsguts nicht gleichzeitig als vorsätzliche und fahrlässige angesehen werden (so schon [X.], Urteil vom 27. Mai 1887 - [X.]. 1157/87, [X.]St 16, 129). Diese Grundsätze gelten auch, wenn Betäubungsmittel eingeführt werden oder damit Handel getrieben wird und der Vorsatz des [X.] sich nur auf einen Teil der Gesamtmenge erstreckt; Idealkonkurrenz zwischen einem [X.] und einem [X.] entsteht in diesen Fällen nicht schon dadurch, dass der Täter die Folgen seines Verhaltens nur teilweise gewollt und teilweise lediglich fahrlässig herbeigeführt hat ([X.], Urteil vom 10. Februar 2011 - 4 StR 576/10, NJW 2011, 2067, 2068). So verhält es sich indes hier:

Durch dieselbe Tathandlung, die Aufgabe des Koffers am Flughafen in der [X.] und die beabsichtigte Reise nach [X.] über [X.] unterstützte der Angeklagte einerseits seinen Auftraggeber "[X.]" vorsätzlich bei dessen Rauschgiftgeschäften und führte gleichzeitig - insofern lediglich fahrlässig handelnd - die Betäubungsmittel in die [X.] ein. Dass die Einfuhr nicht von seinem Vorsatz umfasst war, vermag nach den oben genannten Grundsätzen die Annahme von Tateinheit nicht zu rechtfertigen. Zudem stellt sich die Einfuhr der Betäubungsmittel nach [X.] hier auch lediglich als unselbständiger Teilakt des Handeltreibens dar, zu dem der Angeklagte Beihilfe leistete. Die Folge ist, dass sämtliche [X.] vom Erwerb bis zum Absatz der jeweiligen Handelsmenge zu einer Bewertungseinheit zusammengefasst werden ([X.]/[X.]/[X.], aaO, § 29 Teil 5 Rn. 265 mwN), mithin für eine tateinheitliche Verurteilung wegen fahrlässiger Einfuhr auch aus diesem Grund kein Raum ist. Ein Fall der - vorsätzlichen - Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG, der eine tateinheitliche Verurteilung wegen des [X.] gebietet (vgl. [X.], Urteil vom 24. Februar 1994 - 4 StR 708/93, [X.]St 40, 73), liegt - wie dargelegt - gerade nicht vor.

dd) Andererseits stellt die vom Vorsatz des Angeklagten umfasste, geplante Einfuhr in die [X.] keine die Strafbarkeit nach § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG begründende Handlung des Angeklagten dar: Einfuhr im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG meint nur das Verbringen der Betäubungsmittel über die [X.] ins Inland. Das Weltrechtsprinzip gemäß § 6 Nr. 5 StGB gibt keinen Anlass, den [X.] erweiternd auszulegen ([X.], Beschluss vom 22. November 1999 - 5 [X.], [X.], 150), so dass eine tateinheitliche Verurteilung wegen - gegebenenfalls versuchter - unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht kam.

b) Der Strafausspruch ist von der Änderung des Schuldspruchs nicht betroffen. Das [X.] hat im Rahmen der Strafzumessung dem Umstand, dass der Angeklagte neben der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge auch den Tatbestand der fahrlässigen Einfuhr von Betäubungsmitteln verwirklichte, ausdrücklich kein strafschärfendes Gewicht beigemessen; der Wegfall dieser Verurteilung kann sich mithin auf die Höhe der verhängten Strafe nicht auswirken.

3. Der geringfügige Erfolg der Revision lässt es nicht unbillig erscheinen, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten, § 473 Abs. 4 StPO).

Becker                             Pfister                         Schäfer

                 Gericke                           Spaniol

Meta

3 StR 634/14

18.03.2015

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Düsseldorf, 1. September 2014, Az: 12 KLs 24/14

§ 52 StGB, § 29 Abs 1 Nr 1 BtMG, § 29 Abs 4 BtMG, § 30 Abs 1 Nr 4 BtMG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.03.2015, Az. 3 StR 634/14 (REWIS RS 2015, 13877)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 13877

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 634/14 (Bundesgerichtshof)


4 StR 576/10 (Bundesgerichtshof)

Vorsätzliche Einfuhr von Betäubungsmitteln und fahrlässige Einfuhr einer Teilmenge dieser Betäubungsmittel durch dieselbe Handlung


4 StR 576/10 (Bundesgerichtshof)


3 StR 452/09 (Bundesgerichtshof)


2 StR 489/21 (Bundesgerichtshof)

Versuchte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Unmittelbares Ansetzen des Erwerbers von Opium bei …


Referenzen
Wird zitiert von

3 StR 634/14

Zitiert

4 StR 576/10

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.