Bundesfinanzhof, Beschluss vom 06.09.2023, Az. IX B 14/23

9. Senat | REWIS RS 2023, 6031

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Gegenstand

(Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses für eine Beschwerde gegen eine Entscheidung gemäß § 74 der FinanzgerichtsordnungFGO)


Leitsatz

NV: Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Beschwerde gegen einen die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO ablehnenden Beschluss entfällt aufgrund "prozessualer Überholung" auch dann, wenn das Finanzgericht zwischenzeitlich in dem Verfahren, dessen Aussetzung begehrt wird, durch Urteil entschieden hat und hiergegen ein Rechtsmittel beim Bundesfinanzhof eingelegt worden ist.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des [X.] vom 16.01.2023 - 16 K 16150/21 wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) führte beim [X.] ([X.]) ein Klageverfahren, in dem er zunächst ausschließlich einen Anspruch gemäß Art. 15 Abs. 3 der Datenschutz-Grundverordnung ([X.]) geltend machte. Später erweiterte er seine Klage um einen Schadensersatzanspruch (Art. 82 Abs. 1 [X.]). Das [X.] trennte die Schadensersatzklage ab und verwies diese zuständigkeitshalber an das [X.] ([X.]). Die übrige Klage wies es ab. Die hiergegen gerichtete Revision ist beim erkennenden Senat anhängig (IX R 35/21).

2

Nachdem der [X.] ([X.]) den Verweisungsbeschluss an das [X.] aufgehoben hatte (II B 93/21), beantragte der Kläger beim [X.] die Aussetzung des Verfahrens betreffend Schadensersatz (§ 74 der [X.]sordnung --[X.]O--). Er führte unter anderem an, das Revisionsverfahren IX R 35/21 sei ein für den Schadensersatzanspruch vorgreifliches Rechtsverhältnis. Das [X.] lehnte die Aussetzung mit dem vorliegend angegriffenen Beschluss vom 16.01.2023 ab.

3

Mit Urteil vom [X.] wies das [X.] auch die Schadensersatzklage ab. Der Kläger hat hiergegen am 21.06.2023 Revision eingelegt (IX R 17/23).

Gründe

II.

4

Die Beschwerde hat keinen Erfolg; sie ist unzulässig.

5

1. Der Senat kann im vorliegenden Verfahren nicht mehr darüber befinden, ob der angefochtene Beschluss, das seinerzeit beim [X.] anhängige Klageverfahren wegen Schadensersatz (16 K 16150/21) nicht nach § 74 [X.]O auszusetzen, rechtmäßig war. Das für eine Sachentscheidung über die Beschwerde erforderliche Rechtsschutzbedürfnis ist entfallen.

6

a) In der Rechtsprechung ist geklärt, dass das Rechtsschutzbedürfnis für eine gegen die Ablehnung der Aussetzung eines Verfahrens gemäß § 74 [X.]O gerichtete Beschwerde jedenfalls dann entfällt, wenn das [X.] über das Verfahren, dessen Aussetzung begehrt wird, mittlerweile entschieden hat und diese Entscheidung rechtskräftig geworden ist. In einem solchen Fall der "prozessualen Überholung" ist es dem [X.] als Beschwerdegericht unmöglich geworden, den die Aussetzung ablehnenden Beschluss --sollte er fehlerhaft sein-- aufzuheben und das Verfahren beim [X.] in den Stand vor Ergehen des ablehnenden Beschlusses zurückzuversetzen (ständige Rechtsprechung: so bereits Senatsbeschluss vom 12.10.1988 - IX B 111/86, juris; nachfolgend u.a. [X.]-Beschlüsse vom 25.11.1992 - VIII B 75/92, juris; vom 08.12.1992 - VII B 153/92, juris; vom 09.12.1992 - IV B 155/90, [X.]/NV 1993, 426; vom 10.10.2002 - VI B 269/01, [X.]/NV 2003, 77 sowie vom 24.10.2011 - XI B 28/11, Rz 8 f.).

7

b) Im Ergebnis Gleiches gilt bei einer noch nicht rechtskräftigen Entscheidung der Vorinstanz. Denn das mit der Beschwerde verfolgte Ziel, das Klageverfahren ohne Sachentscheidung des [X.] durch eine Aussetzung gemäß § 74 [X.]O zum Ruhen zu bringen, kann nach Ergehen eines Urteils in der Hauptsache nicht mehr erreicht werden (vgl. Senatsbeschluss vom 09.10.1991 - IX B 111/90, juris; ggf. a.[X.] in Tipke/[X.], § 74 [X.]O Rz 18). Ob dem [X.] insoweit ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, lässt sich nur noch im Rechtsmittelverfahren gegen die Hauptsacheentscheidung --vorliegend somit im Rahmen der anhängigen Revision [X.] überprüfen. Ein Rechtsschutzbedürfnis, diese Frage (auch) zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gegen den die Aussetzung ablehnenden Beschluss zu machen, besteht nicht mehr.

8

c) Hiergegen spricht nicht, dass ein gesonderter Beschluss über die Ablehnung der Aussetzung im vorbereitenden Verfahren (§ 79a Abs. 1 Nr. 1 [X.]O) grundsätzlich mit der Beschwerde angefochten werden muss, um in einer nachfolgenden Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil in der Hauptsache eine Verletzung der Grundordnung des Verfahrens rügen zu können (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 10.10.2002 - VI B 269/01, [X.]/NV 2003, 77 sowie vom 10.05.2013 - X B 90/12, Rz 13 ff.).

9

Zum einen ist im vorliegenden Rechtsstreit die Revision statthaftes Rechtsmittel; ein Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens wegen einer fehlerhaften Entscheidung gemäß § 74 [X.]O wird dort von Amts wegen geprüft ([X.]-Beschluss vom 28.02.2001 - I R 41/99, [X.]E 194, 317, [X.] 2001, 416, unter 1.b; [X.] in Gosch, [X.]O § 118 Rz 90). Zum anderen entfiele auch bei einer nicht im [X.]-Urteil zugelassenen Revision das Rechtsschutzbedürfnis für eine Beschwerde gegen einen die Aussetzung ablehnenden Beschluss, sobald das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt worden ist (zutreffend [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 74 [X.]O Rz 212).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

IX B 14/23

06.09.2023

Bundesfinanzhof 9. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 16. Januar 2023, Az: 16 K 16150/21, Beschluss

§ 74 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 06.09.2023, Az. IX B 14/23 (REWIS RS 2023, 6031)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 6031

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