Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.03.2015, Az. VII R 9/11

7. Senat | REWIS RS 2015, 14327

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Gegenstand

Ermittlung des Steuersatzes für als Substitutionsheizstoff verwendetes Testbenzin


Leitsatz

1. Die Ausgestaltung des Steuertarifs für Energieerzeugnisse, der für bestimmte Energieerzeugnisse einen allgemeinen Steuersatz vorsieht, bei dem es nicht darauf ankommt, ob diese als Kraft- oder Heizstoff verwendet werden, begegnet keinen unionsrechtlichen Bedenken .

2. Bei der Festlegung eines Steuersatzes für ein Energieerzeugnis, für das in § 2 Abs. 1 bis 3 EnergieStG kein Steuersatz festgelegt ist, ist in einem ersten Schritt zu bestimmen, ob das Erzeugnis als Kraft- oder Heizstoff eingesetzt wird .

3. Lässt sich in der Tabelle C des Anhangs I RL 2003/96/EG kein Erzeugnis finden, das ersatzweise an Stelle des tatsächlich als Heizstoff eingesetzten Energieerzeugnisses hätte verwendet werden können, ist festzustellen, welchem der in der Tabelle C des Anhangs I RL 2003/96/EG genannten Heizstoff das Erzeugnis nach seinem konkreten Verwendungszweck und seiner Beschaffenheit am nächsten steht .

4. Bei der Bestimmung eines gleichwertigen Heizstoffs sind sowohl der konkrete Verwendungszweck und dessen Anforderungen an das verwendete Erzeugnis (zu erreichende Prozesstemperatur, geforderter Reinheitsgrad) als auch die Beschaffenheitsmerkmale wie z.B. der Aggregatzustand, der Siedebereich, das Verhältnis von Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen, die Viskosität, der Flammpunkt oder die Dichte der zu vergleichenden Erzeugnisse zu berücksichtigen .

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 15. Dezember 2010  4 K 219/10 VE aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) bietet als Serviceunternehmen Oberflächenbeschichtungen durch Hochgeschwindigkeitsflammspritzen für verschiedene Bereiche der Industrie an. Dabei handelt es sich um ein thermisches Beschichtungsverfahren insbesondere für Karbid- und metallische Schichten, bei dem wassergekühlte [X.] (sog. High Velocity Oxy Fuel [HVOF]-[X.]) verwendet werden, die aus einer Brennkammer und einer Düse bestehen. In der Brennkammer wurden von der Klägerin Sauerstoff und [X.] der Qualität 180/210 (Unterpos. 2710 11 21 der Kombinierten Nomenklatur --[X.]-- in der damaligen Fassung) oder anderes, der gleichen Unterposition der [X.] zuzuweisendes Leichtöl ([X.]) gezündet. Dadurch entstand ein Gasstrahl mit einer Temperatur von ca. 3 000° C, der über eine Lavadüse expandiert wurde. In den Gasstrahl wurde das Beschichtungspulver (Karbid oder Metall) an zwei Positionen eingedüst, angeschmolzen und auf ca. dreifache Schallgeschwindigkeit beschleunigt. Diese hochbeschleunigten Materialpartikel trafen auf die Werkstückoberfläche und erzeugten dort außerordentlich dichte Schichten sehr hoher Haftfestigkeit. Um Verzug oder Gefügeänderungen zu vermeiden, wurde das jeweilige Werkstück mit CO2 oder Druckluft gekühlt; dennoch konnte es eine Temperatur von 100° C erreichen. Das [X.] bezog die Klägerin unversteuert in handelsüblichen 220 l-Fässern.

2

Mit der Begründung, das [X.] werde verheizt, erhob der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --[X.]--) mit Steuerbescheid vom 1. Dezember 2008 noch zum Steuersatz von 654,50 € je 1 000 l Energiesteuer in Höhe von ... € und mit weiterem Steuerbescheid vom 7. Dezember 2009 Energiesteuer in Höhe von ... €. Die Einsprüche wies das [X.] als unbegründet zurück. Die daraufhin erhobene Klage hatte insoweit Erfolg, als das Finanzgericht ([X.]) die angefochtenen Steuerbescheide in der Gestalt der [X.] aufhob, soweit mehr als 25 €/1 000 kg gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 des [X.] ([X.]) festgesetzt worden sind. Das Urteil ist in der Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern ([X.]) 2011, Beilage 2, 30 veröffentlicht.

3

Da die Klägerin das [X.] und [X.] zum Anschmelzen der [X.] und zur Erzeugung der hohen Gasgeschwindigkeit verbrannt habe, seien diese Erzeugnisse zur Wärmegewinnung als [X.] verwendet worden. Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2 [X.] schulde die Klägerin die dadurch entstandene Energiesteuer. Bei den verheizten [X.] handele es sich nicht um solche des § 4 [X.], denn sie seien nicht als lose Ware, sondern in handelsüblichen Fässern befördert worden. Der im Streitfall anzuwendende Steuersatz könne in richtlinienkonformer Auslegung des Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 und 3 der Richtlinie 2003/96/[X.] (EnergieStRL) des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen [X.] zur Besteuerung von [X.] und elektrischem Strom ([X.] Nr. L 283/51) nur § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 [X.] entnommen werden. Nach den unionsrechtlichen Vorgaben bestimme sich der Steuersatz nach der Verwendung des jeweiligen [X.]. Erst in einem zweiten Schritt sei bei zu Heizzwecken verwendeten Kohlenwasserstoffen auf den Steuersatz eines gleichwertigen [X.] abzustellen. Demgegenüber ordne § 2 Abs. 4 Satz 1 [X.] die Anwendung des Steuersatzes für Energieerzeugnisse an, denen die zu beurteilenden Energieerzeugnisse nach ihrer Beschaffenheit und ihrem Verwendungszweck am nächsten stünden. Insoweit enthalte § 2 Abs. 4 Satz 1 [X.] eine im Streitfall leer laufende Verweisung auf § 2 Abs. 3 Satz 1 [X.].

4

Zudem führe die Regelung in § 2 Abs. 4 Satz 3 [X.] dazu, dass die Anwendung des Steuersatzes für ordnungsgemäß gekennzeichnetes Heizöl erheblich eingeschränkt werde. Gründe hierfür könnten weder Art. 2 Abs. 3 EnergieStRL noch der Richtlinie 95/60/[X.] des Rates vom 27. November 1995 über die steuerliche Kennzeichnung von Gasöl und Kerosin ([X.] Nr. L 291/46) entnommen werden. [X.] es sich bei [X.] und [X.] nicht um Energieerzeugnisse nach § 4 [X.], wäre ihre steuerbegünstigte Verwendung als Heizstoff nur nach Kennzeichnung möglich. Eine solche wäre für die im Streitfall eingesetzten Energieerzeugnisse zu einem Zeitpunkt vorzunehmen, zu dem es aufgrund der Verbrennung nicht mehr auf eine Kennzeichnung zu Steuerzwecken ankomme. Eine fehlende Kennzeichnung dürfe jedoch nicht dazu führen, von Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 3 EnergieStRL abweichende nationale Regelungen zu treffen. Demzufolge könne bei der Bestimmung des Steuersatzes nicht auf die Beschaffenheit von [X.] und [X.] abgestellt werden. Da im Streitfall in § 2 Abs. 3 Satz 1 [X.] kein diesen Erzeugnissen gleichwertiger Heizstoff aufgeführt sei, müsse der für zum Verheizen verwendete Energieerzeugnisse festgelegte Mindeststeuersatz herangezogen werden. Nach seiner konkreten Verwendung stünden [X.] und [X.] dem Heizöl der Unterpos. 2710 19 61 bis 2710 19 69 [X.] gleich, für das gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.] ein Steuersatz von 25 € je 1 000 kg anzuwenden sei. Da es nur auf die Verwendung der Erzeugnisse ankomme, müssten die Beschaffenheitsmerkmale für Heizöl nicht vorliegen.

5

Mit seiner Revision rügt das [X.] eine unzutreffende Anwendung des § 2 Abs. 4 Satz 1 [X.], der mit dem Unionsrecht in Einklang stehe. Für die in § 2 Abs. 1 bis 3 [X.] nicht genannten Energieerzeugnisse richte sich der anzuwendende Steuersatz nach der Beschaffenheit und dem Verwendungszweck des [X.], das mit der Beschaffenheit und dem Verwendungszweck der in § 2 Abs. 1 bis 3 [X.] genannten Erzeugnisse zu vergleichen sei. Die in § 2 Abs. 4 Satz 1 [X.] getroffene Regelung stelle auch auf die konkrete Verwendung ab. Zur Feststellung der in Art. 2 Abs. 3 EnergieStRL angesprochenen Gleichwertigkeit müsse zunächst die stoffliche Beschaffenheit des [X.] berücksichtigt werden, bei der dem Siedeverhalten eine besondere Bedeutung zukomme. Dieses Verständnis der Vorschrift belege die durch das Gesetz zur Änderung des [X.] und Stromsteuergesetzes vom 1. März 2011 ([X.], 282) eingeführte Entlastungsmöglichkeit, die Sachverhalte wie den des Streitfalls erfasse. Unter Berücksichtigung des Gehalts an Schwefel und Blei komme [X.] hinsichtlich seines [X.] den in § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b [X.] genannten [X.] am nächsten. Unter den Beteiligten sei unstreitig, dass es sich bei [X.] um ein Leichtöl der Unterpos. 2710 11 21 [X.] handele. Die in Art. 2 Abs. 3 EnergieStRL getroffene Regelung bedeute nicht, dass neben einem Kraftstoffsteuersatz zwingend auch ein ermäßigter Heizstoffsteuersatz festgelegt werden müsse. Insoweit bleibe den Mitgliedstaaten ein Spielraum bei der Umsetzung des [X.]. Im Übrigen bleibe das [X.] die Begründung schuldig, warum [X.], das zu Heizzwecken eingesetzt werde, schwerem Heizöl und nicht anderen [X.], wie z.B. leichtem Heizöl oder Flüssiggasen, gleichwertig sein soll. Nach seinem Siedeverhalten sei [X.] nicht Schweröl, sondern einem leichten Heizöl bzw. Kerosin gleichwertig und entsprechend zu besteuern.

6

Der Senat hat das Verfahren mit Beschluss vom 14. November 2012 VII R 9/11 ([X.]NV 2013, 936) ausgesetzt und dem [X.] ([X.]) die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob Art. 2 Abs. 3 EnergieStRL verlangt, bei der Besteuerung anderer Energieerzeugnisse als derjenigen, für die in der Richtlinie ein Steuerbetrag festgelegt ist, einen Steuersatz anzuwenden, der im nationalen Recht für die Verwendung eines [X.] als Heizstoff festgelegt ist, sofern jenes andere Energieerzeugnis ebenfalls als Heizstoff verwendet wird, und ob, wenn das andere Energieerzeugnis bei einer Verwendung als Heizstoff einem bestimmten Energieerzeugnis gleichwertig ist, der für dieses Energieerzeugnis im nationalen Recht festgelegte Steuersatz angewandt werden kann, auch wenn es sich dabei um einen einheitlichen Steuersatz ohne Rücksicht auf die Verwendung als Kraftstoff oder als Heizstoff handelt.

7

In seinem Urteil vom 3. April 2014 [X.]/13 und [X.]/13 ([X.] 2014, 167) hat der [X.] auf diese Fragen geantwortet, Art. 2 Abs. 3 EnergieStRL sei dahin auszulegen, dass in einem ersten Schritt zu bestimmen ist, ob das fragliche Erzeugnis als Heiz- oder als Kraftstoff verwendet wird, bevor in einem zweiten Schritt festgestellt wird, an die Stelle welches der Kraft- oder der [X.], die in der entsprechenden Tabelle in Anhang I dieser Richtlinie jeweils aufgeführt sind, das fragliche Erzeugnis bei seiner Verwendung tatsächlich tritt oder in Ermangelung eines solchen, welcher dieser Kraft- oder dieser [X.] ihm nach seiner Beschaffenheit und seinem Verwendungszweck am nächsten steht.

8

Nach Auffassung der Klägerin kommt nach der Entscheidung des [X.] die Besteuerung des streitgegenständlichen [X.]s nur nach einem in § 2 Abs. 3 [X.] für [X.] festgelegten Steuersatz in Betracht. Entgegen der Auffassung des [X.] sei ein Steuersatz für Energieerzeugnisse, die als Heizstoff verwendet werden, § 2 Abs. 1 Nr. 3 [X.] nicht zu entnehmen. Bei der Überprüfung der Gleichwertigkeit stelle die Beschaffenheit nur das nachrangige [X.] dar. Primär sei der Verwendungszweck entscheidend. Demgegenüber vertritt das [X.] nunmehr die Auffassung, das von der Klägerin eingesetzte [X.] bzw. [X.] stehe nach seinem Siedeverhalten nicht einem Gas- oder Schweröl, sondern dem Kerosin am nächsten, weshalb der in § 2 Abs. 1 Nr. 3 [X.] festgelegte Steuersatz anzuwenden sei, der gleichermaßen für Kraft- und [X.] gelte.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des [X.] ist begründet. Zu Unrecht hat das [X.] die [X.]e von [X.] bzw. [X.] 60 und schwerem Heizöl unberücksichtigt gelassen und damit hinsichtlich der Auslegung des Art. 2 Abs. 3 EnergieStRL eine von der Entscheidung des [X.] abweichende Rechtsauffassung vertreten. Das Urteil des [X.] ist daher aufzuheben und zur Nachholung der versäumten Feststellungen an dieses zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

1. Bei der Festlegung der Steuersätze und der Ausgestaltung des [X.] ist der Gesetzgeber der Systematik des Anhangs [X.] nicht gefolgt, sondern hat in § 2 Abs. 1 und 2 [X.] allgemein geltende Steuersätze für die dort genannten Energieerzeugnisse unabhängig davon festgelegt, ob das jeweilige Energieerzeugnis als Kraft- oder Heizstoff verwendet wird. In § 2 Abs. 3 [X.] hat er in Abweichung von den Absätzen 1 und 2 ermäßigte Steuersätze für bestimmte Energieerzeugnisse festgelegt, die zum Verheizen oder in begünstigten Anlagen nach den §§ 3 und 3a [X.] verwendet werden. Die Ausgestaltung der [X.] begegnet nach Auffassung des erkennenden Senats keinen unionsrechtlichen Bedenken. In seinen Schlussanträgen in den Rechtssachen [X.]/13 und [X.]/13 hat Generalanwalt [X.] darauf hingewiesen, dass die Mitgliedstaaten nicht daran gehindert sind, beide Verwendungsarten eines Energieerzeugnisses mit demselben Steuersatz zu besteuern, sofern sie dies für sachdienlich erachten und der Steuersatz die von der EnergieStRL vorgegebenen Mindeststeuerbeträge einhält. Von dieser Möglichkeit hat die [X.] Gebrauch gemacht und z.B. für Kerosin in § 2 Abs. 1 Nr. 3 [X.] einen Steuersatz in Höhe von 654,50 € für 1 000 l unabhängig davon festgelegt, ob dieses verheizt oder als Kraftstoff verwendet wird.

2. Bei den von der Klägerin in einem thermischen Beschichtungsverfahren (Hochgeschwindigkeitsflammspritzen) eingesetzten [X.] ([X.] der Qualität 180/210 und [X.] 60) handelt es sich um [X.], die der Unterpos. 2710 11 21 [X.] zuzuweisen sind. Ein Steuersatz ist für dieses Erzeugnis weder in § 2 Abs. 1 bis 2 [X.] noch in § 2 Abs. 3 [X.] festgelegt, so dass dieser nach § 2 Abs. 4 Satz 1 [X.] zu bestimmen ist. Danach unterliegen andere als die in den Absätzen 1 bis 3 genannten Energieerzeugnisse der gleichen Steuer wie die Energieerzeugnisse, denen sie nach ihrer Beschaffenheit und ihrem Verwendungszweck am nächsten stehen.

Für [X.] ist auch in Anhang [X.] kein [X.] festgelegt. Nach den Vorgaben des Art. 2 Abs. 3 Satz 1 EnergieStRL werden zum Verbrauch als Heiz- oder Kraftstoff bestimmte oder als solche zum Verkauf angebotene bzw. verwendete andere Energieerzeugnisse als diejenigen, für die in der EnergieStRL (Anhang I Tabellen A, B und [X.]) ein Steuerbetrag festgelegt wurde, je nach Verwendung zu dem für einen gleichwertigen Heiz- oder Kraftstoff erhobenen Steuersatz besteuert.

Nach dem Urteil des [X.] in [X.] 2014, 167 ist in einem ersten Schritt zu bestimmen, ob das fragliche Erzeugnis --für das ein Steuerbetrag gesucht wird-- als Heiz- oder Kraftstoff verwendet wird. Dabei ergibt sich der Vorrang der konkreten Verwendung des Erzeugnisses gegenüber dessen Gleichwertigkeit mit anderen [X.] aus den Zielen der EnergieStRL, das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten. In einem zweiten Schritt ist nach der Rechtsprechung des [X.] zu bestimmen, an die Stelle welches der in Anhang [X.] (ausdrücklich) aufgeführten Kraft- und Heizstoffe das fragliche Erzeugnis bei seiner Verwendung tatsächlich tritt. Der Begründung der Entscheidung lässt sich entnehmen, dass bei diesem Schritt zu prüfen ist, welches der in Anhang [X.] aufgeführten Energieerzeugnisse als Ersatz für das tatsächlich eingesetzte Energieerzeugnis hätte verwendet werden können. Ist eine Substitution --z.B. aufgrund technischer Anforderungen an einen bestimmten [X.] nicht möglich, ist nach den Vorgaben des [X.] in einem dritten Schritt festzustellen, welcher der in Anhang [X.] aufgeführten Kraft- oder Heizstoffe dem Energieerzeugnis, dem ein [X.] zugeordnet werden soll, nach seiner Beschaffenheit und seinem konkreten Verwendungszweck am nächsten steht. Dass bei dieser Prüfung auch der allgemein übliche Verwendungszweck der in Anhang [X.] aufgeführten Energieerzeugnisse eine Rolle spielen soll, lässt sich dem [X.]-Urteil nicht entnehmen.

3. Nach den dargestellten Grundsätzen erweist sich die vom Gesetzgeber in § 2 Abs. 4 Satz 1 [X.] getroffene Regelung zumindest als auslegungsbedürftig. In richtlinienkonformer Auslegung ist bei der Anwendung der Vorschrift, die der Umsetzung des Art. 2 Abs. 3 EnergieStRL dient, entsprechend der Vorgaben des [X.] zunächst auf den Verwendungszweck abzustellen (Verwendung des nicht mit einem Steuersatz versehenen Erzeugnisses als Heiz- oder Kraftstoff). Im Streitfall ist die Verwendung der streitgegenständlichen [X.] in einem industriellen Prozess als Heizstoff unstreitig. Im Rahmen eines thermischen Beschichtungsverfahrens werden sie zur Wärmegewinnung zusammen mit Sauerstoff in einer Brennkammer gezündet, wobei ein Gasstrahl mit einer Temperatur von ca. 3 000° [X.] entsteht, der das [X.] zum Schmelzen bringt.

4. Nach dem unwidersprochenen Vortrag des [X.] ist kein Energieerzeugnis der Anlage I Tabelle [X.] aus verfahrenstechnischen oder sonstigen Gründen dazu geeignet, anstelle des [X.]s bzw. [X.] 60 als [X.] verwendet zu werden. Ob dies auch für [X.] gilt, ist entgegen der Auffassung des [X.] ohne Bedeutung, da [X.] nicht in Tabelle [X.] des Anhangs [X.] aufgeführt wird.

Bedenken dagegen könnten sich jedoch insoweit aus einem Datenblatt eines [X.] Unternehmens ergeben, das die Klägerin im Einspruchsverfahren vorgelegt hat. Darin wird für den Betrieb von sog. [X.] (High Velocity Systems) die Verwendung von Kerosin mit einem Flammpunkt zwischen 37,8° [X.] und 60° [X.] und einem [X.] von 183° [X.] bis 237° [X.] empfohlen. Ob Kerosin tatsächlich als [X.] in Betracht kommt, wird das [X.] im zweiten Rechtsgang zu klären haben.

5. Falls es dabei bleibt, dass kein [X.] gefunden werden kann, würde sich das Erfordernis einer Prüfung ergeben, welchem in Tabelle [X.] des Anhangs [X.] genannten Heizstoff die von der Klägerin verwendeten Erzeugnisse nach ihrer Beschaffenheit und ihrem Verwendungszweck am nächsten stehen. Da es dem [X.] nach der Begründung seines Urteils in [X.] 2014, 167 ausdrücklich darauf ankommt, dass dasselbe Energieerzeugnis in allen Mitgliedstaaten einheitlich als Kraft- oder Heizstoff behandelt wird, kommt es für die folgenden [X.] allein auf Tabelle [X.] des Anhangs [X.] an. Ob die entsprechenden Energieerzeugnisse auch in § 2 Abs. 3 [X.] genannt werden, ist dagegen unerheblich.

Der konkrete Verwendungszweck ergibt sich im Streitfall aus dem Einsatz des [X.]s bzw. [X.] 60 in einem thermischen Beschichtungsverfahren, bei dem das Erzeugnis zusammen mit Sauerstoff gezündet wird, um einen Gasstrahl mit einer Temperatur von ca. 3 000° [X.] zu erzeugen. Gegebenenfalls spielt für den konkreten Produktionsprozess auch der Reinheitsgrad des [X.]s eine Rolle. Aufgrund des dargestellten Verwendungszwecks kann entgegen der Auffassung des [X.] das Siedeverhalten von [X.] im Rahmen der Feststellung der Gleichwertigkeit im Fall einer fehlenden Substituierbarkeit nicht als vorrangiges oder allein entscheidendes Merkmal angesehen werden. Eine solche Sichtweise würde bereits deshalb nicht mit dem Unionsrecht übereinstimmen, weil sie die konkrete Verwendung des Energieerzeugnisses in den Hintergrund treten, wenn nicht sogar gänzlich unberücksichtigt ließe. [X.] ist vielmehr eine Gesamtbetrachtung, wobei die bei Erzeugnissen der Erdölverarbeitung anzutreffenden [X.]e wie z.B. der Aggregatzustand, der [X.], das Verhältnis von Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen, der Reinheitsgrad, die Viskosität, der Flammpunkt oder die Dichte der zu vergleichenden Erzeugnisse zu berücksichtigen und unter Berücksichtigung des jeweiligen konkreten Verwendungszwecks zu gewichten sind.

Da das [X.] die Ansicht vertreten hat, es komme aufgrund des Vorrangs der konkreten Verwendung auf die Beschaffenheit von [X.] bzw. [X.] 60 und desjenigen Energieerzeugnisses, das ihm am nächsten steht, nicht an, war das erstinstanzliche Urteil aufzuheben. An einer Entscheidung ist der erkennende Senat jedoch gehindert, weil das [X.] keine Feststellungen zu den [X.]en von [X.] bzw. [X.] 60 und dem in Betracht kommenden Energieerzeugnis getroffen hat, das [X.] bzw. [X.] 60 im Hinblick auf den konkreten Verwendungszweck am nächsten steht. Diese Feststellungen wird das [X.] im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.

6. Kein [X.], sondern eine Maßnahme der Steueraufsicht ist die Kennzeichnung eines Energieerzeugnisses. Dies bedeutet für den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 4 Satz 1 [X.], dass eine fehlende Kennzeichnung bei der Ermittlung des Steuersatzes außer Betracht zu bleiben hat. Denn würde eine solche bei der Anwendung der für ordnungsgemäß gekennzeichnete Gasöle (vgl. § 2 Abs. 1 der [X.]) festgelegten Steuersätze gefordert, würde die Gewährung eines ermäßigten Steuersatzes wesentlich erschwert oder sogar unmöglich gemacht. Dies gilt auch für das streitgegenständliche [X.] bzw. [X.] 60, das in gekennzeichneter Form im Handel nicht ohne Weiteres erhältlich ist. Darüber hinaus wäre eine Kennzeichnungspflicht mit erheblichem technischen Aufwand verbunden, den inländische und insbesondere ausländische Händler nicht gewillt sein dürften, für ein relativ kleines Marktsegment zu betreiben. Auch das [X.] räumt unter Hinweis auf die in § 49 Abs. 2a [X.] mit Wirkung vom 1. Januar 2011 getroffene Regelung ein, dass sich eine Kennzeichnung wie beim Gasöl im Fall von [X.] bzw. [X.] 60 nicht rechtfertigen ließe.

7. Auf die in § 49 Abs. 2a [X.] getroffene Regelung, die eine Möglichkeit eröffnet, auf die in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 [X.] genannten Energieerzeugnisse den für [X.] Gasöl geltenden Steuersatz anzuwenden, kann nicht zurückgegriffen werden, da die Vorschrift erst mit Wirkung zum 1. Januar 2011 eingeführt worden ist. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BTDrucks 17/3055, S. 14) soll die Ausweitung der Entlastungsmöglichkeit auch auf [X.] und mittelschwere Öle dem Bedürfnis der Industrie Rechnung tragen, diese Erzeugnisse in [X.] steuerbegünstigt zu verwenden. Da die Vorschrift im Streitfall noch keine Anwendung findet, bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob mit dieser Regelung den Vorgaben des Unionsrechts und des [X.] Genüge getan ist.

8. Der Kostenvorbehalt ergibt sich aus § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VII R 9/11

10.03.2015

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 15. Dezember 2010, Az: 4 K 219/10 VE, Urteil

Art 2 Abs 3 EGRL 96/2003, § 2 Abs 1 EnergieStG, § 2 Abs 2 EnergieStG, § 2 Abs 3 EnergieStG, § 2 Abs 4 EnergieStG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.03.2015, Az. VII R 9/11 (REWIS RS 2015, 14327)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 14327

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