Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.09.2015, Az. IX ZR 207/14

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 4894

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

IX ZR 207/14

Verkündet am:

24. September 2015

Kluckow

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 565, § 514 Abs. 2
Zur Unterrichtungspflicht eines durch plötzlich auftretende Krankheit an der [X.] des [X.] gehinderten Prozessbevollmächtigten gegenüber dem Gericht.

[X.], Urteil vom 24. September 2015 -
IX ZR 207/14 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat im schriftlichen Verfahren nach §
128 Abs.
2 ZPO aufgrund der bis zum 11.
September 2015 eingegangenen Schriftsätze durch [X.]
Dr.
Kayser,
[X.]
Dr.
Gehrlein, Dr.
Pape, [X.] und die Richterin Möhring

für Recht erkannt:

Die Revision gegen das
zweite Versäumnisurteil des 7.
Zivilsenats des Oberlandesgerichts [X.] vom 13.
Juni 2014 wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird festgesetzt auf 493.590,77

.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von dem beklagten Rechtsanwalt die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 493.590,77

Das Landgericht hat ihre Klage überwiegend
abgewiesen. Hiergegen haben die Klägerin Berufung
und
der Beklagte Anschlussberufung eingelegt, soweit er zur Zahlung von 7.692,47

und zur Freistellung der Klägerin von [X.] Anwaltskosten in Höhe von 661,16

verurteilt worden ist. Das Berufungsgericht hat auf Antrag des Beklagten mit Versäumnisurteil vom 11.
Oktober 2013 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und auf die [X.]
-
3
-
schlussberufung des Beklagten das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Gegen dieses Versäumnisurteil hat die Klägerin form-
und fristgerecht Einspruch eingelegt. In dem auf den 13.
Juni 2014,
12.00
Uhr,
anberaumten Termin zur
Verhandlung über den Einspruch und die Hauptsache
ist für die Klägerin trotz ordnungsgemäßer Ladung wiederum [X.] erschienen. Auf Antrag des Beklagten hat
das Berufungsgericht daraufhin den Einspruch der Klägerin durch
im Termin verkündetes zweites Versäumnis-urteil
verworfen. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Die Klägerin hat
mit ihrer Revision vorgetragen: Ihre [X.] habe bereits unter Übelkeit und Durchfall gelitten, als sie am 13.
Juni 2014 um 10.15
Uhr mit ihrem Pkw von ihrer Wohnung in [X.] in Richtung ihrer [X.] in [X.] aufgebrochen sei. Gegen 10.45
Uhr habe sich ihr Gesundheitszustand schnell und durchgreifend
verschlechtert. Daher habe sie nach Eintreffen
in den Kanzleiräumen gegen 11.30
Uhr
sogleich die Wasch-räume aufsuchen müssen. Nach Eintritt einer geringfügigen Besserung habe sie sich in die unterhalb ihrer Kanzlei gelegene Arztpraxis begeben. Da sie
über kein Büropersonal verfüge und die Prozessakte nicht in die Arztpraxis [X.] habe, sei es ihr nicht möglich gewesen, das Berufungsgericht
selbst oder durch eine Arzthelferin von ihrer Erkrankung zu unterrichten. Ihr am Ter-2
3
-
4
-
minstag ortsabwesender [X.]
hätte
den Termin vor dem Berufungsge-richt
auch im Fall eines Anrufs um 11.30
Uhr, als sie sich
in ärztliche [X.] begeben konnte, nicht mehr rechtzeitig wahrnehmen können. Erst gegen
14.00
Uhr habe sie ein Schreiben an das Oberlandesgericht [X.] aufset-zen und mit dem ihre Verhandlungsunfähigkeit bescheinigenden ärztlichen At-test per Fax versenden können.

II.

Das Rechtsmittel ist statthaft,
jedoch unzulässig.

1.
Gegen ein zweites Versäumnisurteil eines Berufungsgerichts findet die Revision ohne Zulassung gemäß §
565 Satz
1, §
514 Abs.
2 Satz
1 ZPO statt ([X.], Beschluss
vom 3.
März 2008 -
II
ZR 251/06, WM
2008, 1231 Rn.
3 mwN).
Die Zulässigkeit des Rechtsmittels setzt jedoch die schlüssige Darle-gung voraus, dass kein Fall der schuldhaften Versäumung vorgelegen habe (vgl. [X.], Urteil vom 19.
November 1998

IX
ZR 152/98,
NJW
1999, 724; vom 3.
November 2005 -
I
ZR 53/05, NJW
2006, 448 Rn.
12; Beschluss vom 12.
März 2013 -
VIII
ZB 42/12, nv Rn.
5). Die [X.] richtet sich
hierbei nach den gleichen Grundsätzen
wie bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (vgl. [X.], Urteil vom 22.
März 2007 -
IX
ZR 100/06, NJW
2007, 2047 Rn.
6; vom 25.
November 2008 -
VI
ZR 317/07, NJW
2009, 687 Rn.
11). Bei dieser Bewertung ist das Revisionsgericht nicht an den Informationsstand gebunden, über den das Berufungsgericht bei Erlass seiner Entscheidung [X.] ([X.], Urteil vom 25. November 2008, aaO). Unter Zugrundelegung die-ser Maßstäbe hat die Klägerin nicht schlüssig dargetan,
dass sie
den [X.] unverschuldet versäumt hat.
Vielmehr beruht
die Säumnis im 4
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-
5
-
Termin vom 13.
Juni 2014 bereits nach dem klägerischen Vortrag auf einem Verschulden ihrer
Prozessbevollmächtigten, das sich die Klägerin als eigenes Verschulden zurechnen lassen muss (§
85 Abs.
2 ZPO).

2.
Für die Entscheidung kann unterstellt werden, dass die Prozessbe-vollmächtigte der Klägerin am 13.
Juni 2014 erkrankungsbedingt
nicht zu der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht [X.] anreisen [X.]. Dieser Umstand genügt aber nicht für die Annahme, die [X.]
habe den Termin unverschuldet versäumt. Eine schuldhafte Säumnis liegt regelmäßig auch dann vor, wenn ein Prozessbevollmächtigter, der kurzfristig und nicht vorhersehbar an der Wahrnehmung eines Termins gehindert ist, nicht das ihm Mögliche und Zumutbare getan hat, um dem Gericht rechtzeitig seine Verhinderung mitzuteilen und hierdurch eine Vertagung zu ermöglichen (vgl. [X.], Urteil vom 19.
November 1998, aaO;
vom 3.
November 2005, aaO
Rn.
14; [X.], ZPO, 22.
Aufl., §
514
Rn.
9; [X.]/[X.], ZPO, 30.
Aufl., §
514
Rn.
9). Bereits aus
dem dargelegten zeitlichen Ablauf ergibt sich, dass es der Prozessbevollmächtigten
der Klägerin nicht unmöglich oder unzumutbar gewesen ist, das Berufungsgericht rechtzeitig telefonisch über ihre krankheitsbedingte Verhandlungsunfähigkeit selbst in Kenntnis zu setzen oder über ihren [X.]n
informieren zu lassen.

a)
Die rasche Verschlechterung der bereits am Morgen des 13.
Juni 2014 bestehenden Krankheitssymptome trat ausweislich des klägerischen [X.] gegen 10.45
Uhr auf, als die Prozessbevollmächtigte
der Klägerin die [X.] A
3 von [X.] in Richtung [X.] befuhr. Dass die Pro-zessbevollmächtigte zu diesem
Zeitpunkt noch davon
ausging, rechtzeitig um 12.00
Uhr das Berufungsgericht erreichen zu können, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Angesichts der dargelegten erheblichen Übelkeit, unter der sie
zu 6
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-
6
-
dieser Uhrzeit litt, und in Anbetracht der -
zulässigerweise
-
knapp kalkulierten Fahrzeit, durfte
die Prozessbevollmächtigte der Klägerin auch nicht berechtig-terweise darauf vertrauen, die nicht unerhebliche [X.] bis zu Beginn der Terminstunde überhaupt oder
zumindest
ohne nennenswerte
Verzögerun-gen
absolvieren zu können. Bereits zu diesem Zeitpunkt hätte es der gebotenen anwaltlichen
Sorgfalt
entsprochen,
die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um die im konkret vorhersehbaren Fall einer Säumnis im Einspruchstermin dro-henden, schwerwiegenden
Nachteile von der Mandantin abzuwenden. Hierzu wäre eine telefonische Kontaktaufnahme
zu dem Berufungsgericht oder ein mit der Bitte um Weiterleitung des Verhinderungsgrundes verbundener Anruf bei
dem [X.]n
erforderlich, aber auch ausreichend gewesen. Ein solches Telefonat entweder über ein vorhandenes Mobiltelefon oder aber ein
öffentli-ches
Telefon zu führen, war der Prozessbevollmächtigten der Klägerin trotz der vorgetragenen schweren Übelkeit zumutbar. Regelmäßig ist der für einen einzi-gen Telefonanruf anzusetzende Kraftaufwand geringer zu bewerten als die mit einem nicht unerheblichen Maß an Aufmerksamkeit und Konzentration verbun-dene 45-minütige Fahrt mit dem Pkw auf einer vielbefahrenen Straße, welche die Prozessbevollmächtigte auch
noch
nach Verschlechterung ihres [X.] absolvieren konnte. Hierbei oblag es der Prozessbevollmächtig-ten der Klägerin aus anwaltlicher Vorsicht, die für eine Kontaktaufnahme zum Berufungsgericht erforderlichen Nummern oder aber die Telefonnummer ihres [X.]n angesichts des engen Zeitplans und der stets bestehenden Mög-lichkeit auch verkehrsbedingter Verzögerungen verfügbar zu halten.

b) Spätestens jedoch vor dem Aufsuchen der Arztpraxis war es der Pro-zessbevollmächtigten möglich und zumutbar,
das
Berufungsgericht oder ihren
[X.]n aus ihren mit Telefon und Faxgerät ausgestatteten Kanzleiräumen zu kontaktieren. Nach ihrem Vortrag begab sich die Prozessbevollmächtigte der 8
-
7
-
Klägerin gegen 11.30
Uhr und damit rechtzeitig vor dem angesetzten [X.] in die unterhalb ihrer Kanzlei gelegenen Praxisräume. Zu diesem Zeitpunkt war eine -
wenn auch nur vorübergehende
-
Besserung ihrer Be-schwerden eingetreten, so dass es für die Prozessbevollmächtigte der Klägerin nur eine geringe und damit zumutbare Anstrengung bedeutet hätte, ihre [X.] telefonisch oder per Fax
mitzuteilen. Dass ihr [X.] auch im Fall eines Anrufs um 11.30
Uhr nicht mehr rechtzeitig den Termin hätte wahrnehmen können, entband die Prozessbevollmächtigte der
Klägerin inso-weit nicht von ihrer Pflicht, eine Vertagung des Verhandlungstermins durch das Berufungsgericht zu ermöglichen. Dieses Anliegen hätte auch ihr
ortsabwesen-der
[X.] an das Berufungsgericht telefonisch oder per Fax weiterleiten können.

3.
Das Berufungsgericht hat die zur Wahrung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf rechtliches
Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG) gebotene Rücksicht-nahme auf die Verfahrensbeteiligten nicht verletzt
(vgl. [X.] 93, 99, 112 ff; [X.], Urteil vom 19.
November 1998 -
IX
ZR 152/98,
NJW
1999, 724, 725; vom 3.
November 2005 -
I
ZR 53/05, NJW
2006, 448 Rn.
18). Vor Eingang des durch
die Prozessbevollmächtigte der Klägerin übersandten [X.] um 14.02
Uhr ergaben
sich für das Berufungsgericht keine Anhaltspunkte, die
auf eine unverschuldete Säumnis
der Klägerin
hindeuteten.
Zu diesem Zeitpunkt, mehr als zwei Stunden nach Beginn des [X.],
hatte das [X.] das zweite Versäumnisurteil bereits zulässigerweise verkündet.

4.
Die von der Revision behauptete
willkürliche Verletzung des [X.] seitens des Berufungsgerichts führt nicht zum Erfolg des Rechtsmittels. Zum einen setzt die Rüge nach §
547 Nr.
1 ZPO regelmäßig eine statthafte und zulässige Revision voraus (vgl. [X.]/[X.], 9
10
-
8
-
4.
Aufl., §
547 Rn.
2; [X.], ZPO, 22.
Aufl., §
547 Rn.
4). Zum anderen unterliegt nach §
565,
§
514 Abs.
2 Satz
1 ZPO
ein Versäumnisurteil, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, der Revision grundsätzlich nur insoweit, als sie auf das Fehlen eines Falles der
schuldhaften Versäumung gestützt ist
(vgl. [X.], Urteil vom 25.
November 2008 -
VI
ZR 317/07, NJW
2009, 687
Rn.
6; Prütting/Gehrlein/[X.], ZPO, 7.
Aufl., §
514 Rn.
6).
Beide Voraussetzungen liegen nicht
vor.

-
9
-
III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §
97 Abs.
1 ZPO.

Kayser
Gehrlein
Pape

[X.]
Möhring

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 24.04.2012
-
1 O 96/11 -

OLG [X.], Entscheidung vom 13.06.2014 -
I-7 [X.] -

11

Meta

IX ZR 207/14

24.09.2015

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.09.2015, Az. IX ZR 207/14 (REWIS RS 2015, 4894)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 4894

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

XII ZB 171/23

Zitiert

IX ZR 207/14

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