Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.10.2012, Az. EnVR 86/10

Kartellsenat | REWIS RS 2012, 2546

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Gegenstand

Festlegung der Erlösobergrenzen für ein Elektrizitätsverteilernetz: Bestimmung des Ausgangsniveaus; Bereinigung des Effizienzwertes; Berücksichtigung eines Erweiterungsfaktors; Kostensteigerung bei der Beschaffung von Verlustenergie


Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der am 21. Juli 2010 verkündete Beschluss des 3. Kartellsenats des [X.] aufgehoben.

Auf die Beschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der [X.] vom 27. Januar 2009 aufgehoben. Die [X.] wird verpflichtet, die Betroffene unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

Die weitergehenden Rechtsmittel werden zurückgewiesen.

Von den Kosten und Auslagen des Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen die Betroffene drei Viertel und die [X.] ein Viertel.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5,6 Millionen Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Betroffene betreibt ein Elektrizitätsverteilernetz. Mit Schreiben vom 2. September 2008 eröffnete die [X.] gegen sie von Amts wegen das Verfahren zur Festlegung der [X.] für die Jahre 2009 bis 2013. Die Betroffene beantragte unter anderem die Einbeziehung eines Erweiterungsfaktors sowie die Anpassung der Erlösobergrenze wegen Vorliegens einer nicht zumutbaren Härte im Hinblick auf gestiegene Kosten für die Beschaffung von [X.].

2

Mit Beschluss vom 27. Januar 2009 legte die [X.] die [X.] niedriger als von der Betroffenen begehrt fest. Sie legte hierbei einen Effizienzwert von 92,8 % zugrunde. Bei der Ermittlung des Ausgangsniveaus nach § 6 [X.] nahm sie Kürzungen beim Zinssatz für Fremdkapital, beim zu berücksichtigenden Eigenkapital und bei der kalkulatorischen Gewerbesteuer vor. Abweichend vom Begehren der Betroffenen stellte sie in die Berechnung ferner den generellen sektoralen Produktivitätsfaktor nach § 9 [X.] ein. Die Anträge auf Berücksichtigung eines Erweiterungsfaktors im Sinne von § 10 [X.] und auf Anerkennung eines Härtefalls im Sinne von § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 [X.] lehnte sie ab.

3

Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Betroffenen hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Betroffene mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie ihr Begehren aus der Beschwerdeinstanz im Wesentlichen weiterverfolgt. Hinsichtlich der Kosten für die Beschaffung von [X.] verfolgt sie nach Abgabe einer freiwilligen Selbstverpflichtung gemäß § 11 Abs. 2 Satz 4 [X.] nur noch den Antrag auf Anerkennung eines Härtefalls weiter. Hinsichtlich des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

4

Die [X.] tritt dem Rechtsmittel entgegen.

5

II. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat nur zu einem Teil Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.

6

1. Bestimmung des Ausgangsniveaus

7

Begründet ist die Rechtsbeschwerde, soweit sie sich gegen die Bestimmung des Ausgangsniveaus für die Bestimmung der [X.] gemäß § 6 [X.] wendet.

8

a) Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, nach § 6 Abs. 2 [X.] sei für die erste [X.] das Ergebnis der Kostenprüfung der letzten Genehmigung der Netzentgelte heranzuziehen. Für eine Anpassung an spätere Entwicklungen sei kein Raum. Eine Anpassung an die Rechtsprechung des [X.], nach der weitere Kostenpositionen hätten berücksichtigt werden müssen, und die Heranziehung anderer Preisindizes seien deshalb nicht möglich. Die [X.] sei auch nicht verpflichtet gewesen, die kalkulatorische Gewerbesteuer mit Blick auf die von ihr zu Gunsten der Betroffenen vorgenommene Anpassung der Eigenkapitalverzinsung zu aktualisieren.

9

b) Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

Nach der Rechtsprechung des [X.]s ist bei der Ermittlung des Ausgangsniveaus nach § 6 Abs. 2 [X.] - entgegen der Auffassung des [X.] - die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Auslegung und Anwendung der Stromnetzentgeltverordnung zu berücksichtigen ([X.], Beschluss vom 28. Juni 2010 - [X.] 48/10, [X.], 308 Rn. 7 ff. - [X.]). Das Ergebnis der letzten Kostenprüfung darf nicht übernommen werden, soweit es zu dieser Rechtsprechung in Widerspruch steht.

Ein Widerspruch in diesem Sinne setzt allerdings voraus, dass der Netzbetreiber im [X.] geltend gemacht hat, deren Anerkennung die [X.] zu Unrecht abgelehnt hat. Soweit der Netzbetreiber bestimmte Kostenpositionen im [X.] nicht geltend gemacht hat, muss er sich daran auch im Zusammenhang mit § 6 Abs. 2 [X.] festhalten lassen ([X.], Beschluss vom 31. Januar 2012 - [X.] 16/10, [X.], 203 Rn. 13 - Gemeindewerke [X.]).

aa) Entgegen der Auffassung des [X.] hätte die [X.] danach einen Risikozuschlag bei den [X.] (hierzu [X.], Beschluss vom 14. August 2008 - [X.] 42/07, [X.]/[X.] 2395 Rn. 54 ff. - [X.]) berücksichtigen müssen. Dies wird sie nachzuholen haben.

Dem steht nicht entgegen, dass die Betroffene auf eine Beschwerde gegen die letzte Genehmigung der Netzentgelte verzichtet hat. Für die Einbeziehung von zu Unrecht nicht berücksichtigten Kostenpositionen ist erforderlich und ausreichend, dass der Netzbetreiber diese im [X.] vor der [X.] geltend gemacht hat. Unerheblich ist demgegenüber, ob er die mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Widerspruch stehende Entgeltgenehmigung angefochten hat.

bb) Zu berücksichtigen sind auch geleistete Anzahlungen und Kosten für Anlagen im Bau (hierzu [X.], Beschluss vom 14. August 2008 - [X.] 39/07, [X.], 323 Rn. 32 ff. - [X.]). Diese Kostenpositionen hat die Betroffene im [X.] in hinreichender Weise geltend gemacht.

Dem steht nicht entgegen, dass die Betroffene im [X.] in der Aufstellung des kalkulatorischen Eigenkapitals entsprechend den damaligen Vorgaben der [X.] keine entsprechende Position ausgewiesen hat. Die Betroffene hat, wie sich aus den von der [X.] beigezogenen Akten des letzten [X.]s ([X.]-07/179, Blatt 78) ergibt, in ihrer zusammen mit dem Antrag auf Genehmigung der Netzentgelte eingereichten Bilanz zum 31. Dezember 2006 für geleistete Anzahlungen und Anlagen im Bau einen Betrag von 360.573,29 Euro ausgewiesen. Hieraus hätte die [X.] bei zutreffender rechtlicher Beurteilung folgern können und müssen, dass diese Position auch beim kalkulatorischen Eigenkapital zu berücksichtigen ist. Die Betroffene war nicht gehalten, den Betrag in weitere Formulare, Aufstellungen oder sonstige Anlagen zum Entgeltgenehmigungsantrag zu übernehmen, weil dort ohnehin keine entsprechende Rubrik vorgesehen war.

cc) Anzupassen ist ferner die kalkulatorische Gewerbesteuer im Hinblick auf die von der [X.] vorgenommenen Änderungen bei der Eigenkapitalverzinsung wegen der Neufestlegung der Zinssätze vom 7. Juli 2008.

Wie der [X.] bereits entschieden hat, folgt aus der in § 8 [X.] vorgeschriebenen Anbindung der kalkulatorischen Gewerbesteuer an die Bemessungsgrundlage der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung, dass bei einer Veränderung der Bemessungsgrundlage auch die Gewerbesteuer anzupassen ist. Aus § 7 Abs. 6 [X.] ergibt sich entgegen der Auffassung der [X.] nichts anderes ([X.] [X.], 203 Rn. 10 - Gemeindewerke [X.]).

Ob die Betroffene eine entsprechende Anpassung bereits im - vor der Neufestlegung der Zinssätze abgeschlossenen - [X.] beantragt hat, ist unerheblich. Die Anpassung der kalkulatorischen Gewerbesteuer ergibt sich als rechnerische Folge aus der Änderung der Bemessungsgrundlage und bedarf, anders als die oben behandelten Kostenpositionen, keines zusätzlichen tatsächlichen Vorbringens seitens des Netzbetreibers.

2. Effizienzwert

Zu Recht hat das Beschwerdegericht eine Verpflichtung der [X.] zur Bereinigung des [X.] gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 [X.] verneint.

a) Das Beschwerdegericht hat offengelassen, ob die von der Betroffenen angeführten Gesichtspunkte eine Besonderheit im Sinne der genannten Vorschrift darstellen. Eine Bereinigung des [X.] sei jedenfalls deshalb ausgeschlossen, weil die Betroffene nicht nachgewiesen habe, dass diese Umstände zu einer Erhöhung der relevanten Kosten um mindestens drei Prozent geführt hätten. Zur Führung des in § 15 Abs. 1 Satz 1 [X.] vorgeschriebenen Nachweises sei erforderlich, dass die Mehrkosten nach den gleichen Maßstäben berechnet würden wie die Ausgangskostenbasis. Dem sei die Betroffene nicht nachgekommen. Insbesondere habe sie keine Berechnung der kalkulatorischen Abschreibungen gemäß § 6 [X.] und der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung gemäß § 7 [X.] vorgenommen. Auch aus dem ergänzenden Vorbringen nach Erteilung eines gerichtlichen Hinweises ergebe sich nicht, welche Mehrkosten durch die höhere Anzahl von [X.] verursacht worden seien und in welcher Höhe diese in die Kostenpositionen des Jahres 2006 eingeflossen seien, die die [X.] des [X.] bildeten.

b) Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Die Betroffene hat eine Erhöhung der relevanten Kosten um mindestens drei Prozent nicht dargelegt.

aa) Durch das Erfordernis einer Erhöhung der nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 und 2 [X.] ermittelten Kosten um mindestens drei Prozent soll gewährleistet werden, dass die Prüfung struktureller Besonderheiten grundsätzlich nur in wirtschaftlich bedeutsamen Einzelfällen den allgemeinen Effizienzvergleich nach den §§ 12 bis 14 [X.] ergänzt ([X.]. 417/07, [X.]). Um dem Ausnahmecharakter der Vorschrift Rechnung zu tragen, wurde der dafür maßgebliche Schwellenwert im Laufe des [X.] von einem auf drei Prozent erhöht. Ausschlaggebend dafür war die Erwägung, dass grundsätzlich bei jedem Netzbetreiber mit Besonderheiten der Versorgungsaufgabe zu rechnen ist, die teils kostenerhöhend, teils kostenreduzierend wirken und sich deshalb häufig ausgleichen werden. Eine Bereinigung soll nur in Ausnahmefällen erfolgen, d.h. wenn Besonderheiten bestehen, die deutlich höhere Kosten zur Folge haben ([X.]. 417/07 (Beschluss), [X.] f.).

Daraus ergibt sich, dass Mehrkosten nur insoweit berücksichtigt werden können, als sie durch die in Rede stehende Besonderheit der Versorgungsaufgabe verursacht werden. Besteht die Besonderheit darin, dass eine mit Kosten verbundene Leistung - hier die Einrichtung und der Betrieb von [X.] - überdurchschnittlich häufig erbracht werden muss, genügt es deshalb nicht, die Mehrkosten allein anhand der Zahl der [X.] und der für eine [X.] durchschnittlich anfallenden Kosten zu berechnen.

Das Vorbringen der Betroffenen, die lediglich die Differenz zwischen der Anzahl der in ihrem Netz vorhandenen Zählpunkte und der theoretischen Anzahl, die sich bei einem durchschnittlichen Verhältnis zwischen Anschluss- und [X.] ergäbe, ermittelt und mit dem im letzten [X.] genehmigten Preis für Messung, Messstellenbetrieb und Abrechnung multipliziert hat, genügt deshalb zum Nachweis der in § 15 Abs. 1 Satz 1 [X.] normierten Voraussetzungen nicht. Die Betroffene hätte vielmehr darlegen und unter Beweis stellen müssen, in welchem Umfang die Kosten für die Zählpunkte gerade dadurch angestiegen sind, dass pro Anschlusspunkt mehr Zählpunkte vorhanden sind, als dies dem Durchschnitt entspricht. Der Ansatz der genehmigten Preise ist dafür selbst dann ungeeignet, wenn diese die durchschnittlichen Kosten eines Zählpunktes widerspiegeln. Aus dieser Berechnungsweise ergibt sich nämlich nicht, ob die Kosten eines Zählpunktes an einem Anschlusspunkt, dem weitere Zählpunkte zugeordnet sind, diesen durchschnittlichen Kosten entsprechen oder ob sie - zum Beispiel im Hinblick auf die mit der Zuordnung zu einem gemeinsamen Anschlusspunkt zu erwartende räumliche Nähe der Zählpunkte oder wegen anderer Besonderheiten - deutlich geringer sind. Erforderlich wäre daher ein Nachweis der Mehrkosten, die gerade dadurch entstehen, dass die Anzahl von [X.] pro Anschlusspunkt über dem Durchschnitt liegt. Dies hat das Beschwerdegericht zutreffend erkannt.

bb) Die [X.] war nicht gehalten, die entstandenen Mehrkosten von Amts wegen zu ermitteln.

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 [X.] kommt eine Bereinigung des [X.] nur dann in Betracht, wenn der Netzbetreiber nachweist, dass die dort genannten Voraussetzungen vorliegen. Die der [X.] grundsätzlich obliegende Pflicht zur Ermittlung von Amts wegen, die sich gemäß § 27 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 [X.] auch auf die erforderlichen Tatsachen zur Ermittlung der bereinigten [X.] bezieht, ist insoweit eingeschränkt. Die [X.] ist deshalb grundsätzlich nicht gehalten, den Sachverhalt nach Besonderheiten zu erforschen, die zur Bereinigung des [X.] führen können. Vielmehr obliegt es dem Netzbetreiber, solche Besonderheiten aufzuzeigen und erforderlichenfalls nachzuweisen. Die [X.] hat aber relevantes Vorbringen des Netzbetreibers zu berücksichtigen, diesen bei Bedarf zu Ergänzungen desselben zu veranlassen und für die Beurteilung zusätzlich erforderliche Tatsachen - zum Beispiel Daten anderer Netzbetreiber, soweit diese für die Beurteilung relevant sind - gegebenenfalls von Amts wegen zu ermitteln.

Im Streitfall lag es damit an der Betroffenen, die relevanten Kosten darzulegen und unter Beweis zu stellen. Dies ist auch nach dem vom Beschwerdegericht erteilten Hinweis nicht geschehen. Das Beschwerdegericht hat das Rechtsmittel insoweit deshalb zu Recht als unbegründet angesehen.

cc) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war die [X.] nicht gehalten, die Frage, ob sich die Kostenbelastung mit steigender Anzahl von [X.] proportional entwickelt, durch Heranziehung der Daten von anderen Netzbetreibern durch Ermittlungen von Amts wegen zu klären.

Für die Frage, ob eine nach § 15 Abs. 1 Satz 1 [X.] relevante Kostenerhöhung vorliegt, ist lediglich die Kostensituation des betroffenen Netzbetreibers von Bedeutung. Es obliegt deshalb diesem, darzulegen und unter Beweis zu stellen, welche Mehrkosten ihm aufgrund der in Rede stehenden Besonderheit der Versorgungsaufgabe entstehen. Diesen Anforderungen wird auch der auf den Hinweis des [X.] ergänzte Vortrag der Betroffenen nicht gerecht. Die Betroffene hat ihr Vorbringen damit zwar insoweit modifiziert, als sie nicht das zuletzt genehmigte [X.], sondern die auf die Zählpunkte entfallenden Kosten angegeben hat. Auch dabei hat sie jedoch für die Kosten jedes Zählpunkts einen anhand der gesamten Messkosten ermittelten Durchschnittswert angesetzt. Entsprechendes gilt für die nochmals modifizierten Berechnungen, die als Anlage zur Rechtsbeschwerdebegründung vorgelegt worden sind.

Dass die Betroffene die konkreten Mehrkosten nach ihrem Vorbringen nicht ermitteln kann, weil sie nicht über das dafür erforderliche Datenmaterial verfügt, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Der Nachweis einer relevanten Kostensteigerung obliegt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 [X.] dem Netzbetreiber. Er trägt deshalb das Risiko der [X.]. Dass die Betroffene aufgrund der allgemeinen handels- und steuerrechtlichen Vorschriften nicht mehr gehalten war, die zur ordnungsgemäßen Darlegung erforderlichen Unterlagen aufzubewahren, oder dass solche Unterlagen aus unternehmensinternen Gründen nicht zur Verfügung stehen, führt nicht zu einer Verlagerung dieses Risikos.

3. Erweiterungsfaktor

Erfolg hat die Rechtsbeschwerde, soweit die Betroffene die Berücksichtigung eines Erweiterungsfaktors für das erste Jahr der [X.] begehrt.

a) Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, für das erste Jahr der [X.] komme die Berücksichtigung eines Erweiterungsfaktors nach Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck der Regelung in § 10 [X.] nicht in Betracht.

b) Dies hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis nicht stand.

Nach der Rechtsprechung des [X.]s ist § 10 Abs. 1 [X.] in der zu beurteilenden Konstellation zwar nicht unmittelbar, wohl aber entsprechend anzuwenden ([X.], [X.], 308 Rn. 52 ff. - [X.]). Die [X.] hätte deshalb dem Vorbringen der Betroffenen, wonach die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift für das [X.] erfüllt sind, nachgehen müssen. Dies wird sie nachzuholen haben.

4. Kosten für [X.]

Ohne Erfolg bleibt die Rechtsbeschwerde, soweit sie sich gegen die Behandlung der Kosten für [X.] wendet.

a) Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die Betroffene müsse zunächst die Anpassung der individuellen [X.] gemäß § 16 Abs. 2 [X.] anstreben. Nur wenn und soweit dies nicht ausreiche, komme nachrangig eine Anpassung nach § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 [X.] in Betracht. Für ein Begehren nach § 16 Abs. 2 [X.] habe die Betroffene noch nichts vorgetragen. Die [X.] sei deshalb nicht gehalten gewesen, die Voraussetzungen dieser Vorschrift im Einzelnen zu prüfen.

b) Dies hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

aa) Entgegen der Auffassung des [X.] ist die Anwendung von § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 [X.] allerdings nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil die Betroffene nicht auf eine individuelle Anpassung der [X.] gemäß § 16 Abs. 2 [X.] hingewirkt hat.

Wie der [X.] bereits entschieden hat, kommt die Anwendung der allgemeinen Regelung in § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 [X.] stets in Betracht, wenn eine unzumutbare Härte auf Ursachen beruht, die von anderen Regelungen, die wie § 16 [X.] nur einzelne Teilaspekte betreffen, nicht erfasst werden. Zwar darf die Anwendung der Härtefallregelung nicht zu einer allgemeinen Billigkeitskontrolle der sich aus den einzelnen Vorschriften der Anreizregulierungsverordnung ergebenden [X.] führen. Der Eintritt eines unvorhersehbaren Ereignisses ist deshalb zu verneinen, wenn der betreffende Umstand durch speziellere Anpassungs- und Korrekturregelungen abschließend geregelt oder dem Risikobereich des Netzbetreibers zugewiesen ist. Letzteres ist bei einem unvorhergesehenen Anstieg der Kosten für die Beschaffung von [X.] indes nicht der Fall ([X.], [X.], 308 Rn. 70 ff. - [X.]).

bb) Entgegen der Auffassung der [X.] stellt der von der Betroffenen geltend gemachte Anstieg der Kosten für die Beschaffung von [X.] innerhalb eines Jahres um rund 50% ein unvorhersehbares Ereignis im Sinne von § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 [X.] dar.

Der [X.] hat bereits mehrfach Kostensteigerungen in der Größenordnung von 50% oder 100% als unvorhersehbares Ereignis angesehen ([X.], [X.], 308 Rn. 75 - [X.]; Beschluss vom 18. Oktober 2011 - [X.] 13/10, N&R 2012, 94 Rn. 35 - [X.]; [X.], [X.], 203 Rn. 41 - Gemeindewerke [X.]). Die hier vorgetragene Steigerung liegt in derselben Größenordnung.

cc) Das Beschwerdegericht hat jedoch das Begehren der Betroffenen im Ergebnis zu Recht als unbegründet angesehen, weil die Betroffene nicht dargelegt hat, dass der Anstieg der Kosten für sie zu einer unzumutbaren Härte geführt hat.

Nach der Rechtsprechung des [X.]s darf zur Beantwortung der Frage, ob für den Netzbetreiber durch den Eintritt des unvorhersehbaren Ereignisses eine nicht zumutbare Härte entstanden ist, nicht nur die gestiegene einzelne Kostenposition in den Blick genommen werden. Vielmehr ist eine Gesamtbetrachtung der Kosten- und Vermögenssituation des Netzbetreibers anzustellen. Die Unzumutbarkeit setzt voraus, dass die Entgeltbildung nach den Maßgaben der Anreizregulierungsverordnung zu einem für den Netzbetreiber wirtschaftlich untragbaren Ergebnis führt. Insbesondere muss dem Netzbetreiber eine angemessene und wettbewerbsfähige Verzinsung seines Eigenkapitals verbleiben. Eine "gesetzlich garantierte" Eigenkapitalverzinsung in einer bestimmten Höhe wird damit nicht gefordert. Treten die Kostensteigerungen von vornherein nur für einen begrenzten Zeitraum auf, ist dem Netzbetreiber eher zuzumuten, vorübergehend eine geringere Verzinsung seines Eigenkapitals hinzunehmen, als dies bei dauerhaften, für einen erheblichen Teil der [X.] zu erwartenden Kostensteigerungen der Fall ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob der Netzbetreiber die durch eine einzelne Kostensteigerung verursachte Gesamtbelastung seiner Kosten- und Vermögenssituation durch wirtschaftlich vertretbare Rationalisierungsmaßnahmen zumindest teilweise auffangen kann. Der Netzbetreiber hat daher - bezogen auf das gesamte Netz - darzulegen, wie sich die gestiegenen Kosten unter Berücksichtigung aller sonstiger Veränderungen in der Kosten- und Vermögenssituation auf die kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung auswirken. Insoweit wird die Amtsaufklärungspflicht der [X.] (§ 68 Abs. 1 [X.], § 27 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 [X.]) durch die Mitwirkungslast des Netzbetreibers begrenzt, dem es obliegt, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuhelfen und insbesondere die ihm bekannten Tatsachen und Beweismittel anzugeben ([X.], [X.], 308 Rn. 86 ff. - [X.]).

Im vorliegenden Verfahren hat die Betroffene lediglich einen Anstieg der Kosten für die Beschaffung von [X.] im Jahr 2007 geltend gemacht. Zu ihrer sonstigen Kosten- und Vermögenssituation hat sie nicht vorgetragen.

Die angefochtenen Entscheidungen bedürfen auch nicht deshalb der Aufhebung, um der Betroffenen insoweit Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben. Die Betroffene hatte spätestens nach dem vom Beschwerdegericht mit Beschluss vom 8. März 2010 erteilten Hinweis Anlass zu einer entsprechenden Ergänzung ihres Vortrags. Das Beschwerdegericht hat zwar auch in dem Hinweisbeschluss § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 [X.] schon deshalb für nicht anwendbar bezeichnet, weil die Möglichkeit einer Anpassung der [X.] nach § 16 Abs. 2 [X.] vorrangig sei. Auch nach dieser Vorschrift ist aber erforderlich, dass die Betroffene umfassend zu ihrer Kosten- und Vermögenssituation vorträgt. Die Rechtsbeschwerde zeigt nicht auf, dass die Betroffene ihren Vortrag im Hinblick darauf ergänzt hat. Sie erhebt auch keine Verfahrensrüge, mit der eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes durch das Beschwerdegericht geltend gemacht und aufgezeigt wird, welche konkreten Ermittlungen das Beschwerdegericht unterlassen haben soll und zu welchem Ergebnis diese geführt hätten.

III. Der [X.] verweist die Sache nicht an das Beschwerdegericht zurück. Die noch offenen Fragen können durch die [X.] in dem neu eröffneten Verwaltungsverfahren entschieden werden. Für die Neubescheidung ist der rechtliche Rahmen durch die Entscheidung des [X.]s vorgegeben.

IV. [X.] beruht auf § 90 Satz 1 [X.].

Tolksdorf                               Raum                              Strohn

                    Grüneberg                           [X.]

Meta

EnVR 86/10

09.10.2012

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Düsseldorf, 21. Juli 2010, Az: VI-3 Kart 182/09 (V)

§ 6 Abs 2 ARegV, § 4 Abs 4 S 1 Nr 2 ARegV, § 10 Abs 1 ARegV, § 15 Abs 1 S 1 ARegV, § 27 Abs 1 S 3 Nr 3 ARegV, StromNEV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.10.2012, Az. EnVR 86/10 (REWIS RS 2012, 2546)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2546

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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