Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.01.2010, Az. 6 AZR 785/08

6. Senat | REWIS RS 2010, 10202

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Gegenstand

Leistungsklage aus Sozialplan bei Masseunzulänglichkeit


Leitsatz

Eine Leistungsklage gegen den Insolvenzverwalter auf Zahlung der Abfindung aus einem nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit vereinbarten Sozialplan ist unzulässig. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO steht dem nicht entgegen. Diese Vorschrift hat für Sozialplanansprüche keine Bedeutung.

Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 21. Februar 2008 - 15 [X.] wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Zulässigkeit einer Leistungsklage auf Zahlung der Abfindung aus einem vom Insolvenzverwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit vereinbarten Sozialplan.

2

Über das Vermögen der Schuldnerin, deren Arbeitnehmer der Kläger war, ist am 1. Februar 2007 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Bereits im Eröffnungsbeschluss wurde das Vorliegen von Masseunzulänglichkeit festgestellt. Der Beklagte zeigte darüber hinaus mit Schreiben vom 7. Februar 2007, das am Folgetag beim Insolvenzgericht einging, Masseunzulänglichkeit an. Am 13. Februar 2007 vereinbarte er mit dem bei der Schuldnerin gewählten Betriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan. Am 19. März 2007 kündigte er das Arbeitsverhältnis des [X.] zum 30. Juni 2007 rechtswirksam. Aus dem Sozialplan steht dem Kläger eine rechnerisch unstreitige Abfindung von 18.061,48 Euro brutto zu. Diesen Anspruch hat der Beklagte schriftlich festgehalten. Bereits in der Klageerwiderung hat er erklärt, er werde den von ihm vereinbarten Sozialplan nach Maßgabe der Insolvenzordnung ordnungsgemäß berücksichtigen.

3

Mit der am 22. August 2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage nimmt der Kläger den Beklagten in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter auf Zahlung der Sozialplanabfindung in Anspruch. Hilfsweise begehrt er die Feststellung des Abfindungsanspruchs.

4

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, in der hier vorliegenden Konstellation sei die Sozialplanforderung eine Neumasseverbindlichkeit iSv. § 209 Abs. 1 Nr. 2 [X.]. Deswegen stehe ihr das Vollstreckungsverbot des § 210 [X.] nicht entgegen. Aus der Regelung des § 210 [X.] folge im Umkehrschluss, dass sämtliche Neumasseverbindlichkeiten mit der Leistungsklage verfolgt werden könnten. Dem stehe § 123 Abs. 3 Satz 2 [X.] nicht entgegen. Aus einem Vollstreckungsverbot folge nicht zwangsläufig die Unzulässigkeit der Leistungsklage. Hilfsweise hat der Kläger geltend gemacht, in jedem Fall sei eine Feststellungsklage zulässig.

5

Der Kläger hat beantragt,

        

1.   

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 18.061,48 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Februar 2007 zu zahlen,

        

2.   

hilfsweise festzustellen, dass dem Kläger Masseansprüche in Höhe von 18.061,48 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 13. Februar 2007 zustehen.

6

Der Beklagte hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags vorgetragen, der Leistungsklage stünden die Vollstreckungsverbote des § 123 Abs. 3 Satz 2 [X.] sowie des § 210 [X.] entgegen. Trotz ihrer Höherstufung zu einer Masseverbindlichkeit seien Sozialplanforderungen gegenüber sonstigen Masseverbindlichkeiten nachrangig. Die Feststellungsklage sei unzulässig. Er bestreite den Anspruch des [X.] nicht. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass er gerade die Forderung des [X.] missachten werde. Vielmehr werde er als Insolvenzverwalter die Forderungen aus dem Sozialplan von Amts wegen unter Beachtung der gesetzlichen Rangfolge berücksichtigen.

7

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist unbegründet.

9

I. Zu Recht hat das [X.] die Leistungsklage als unzulässig abgewiesen.

1. Forderungen aus einem nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgestellten Sozialplan sind gem. § 123 Abs. 2 Satz 1 [X.] Masseverbindlichkeiten, die nach § 53 [X.] vorweg zu befriedigen sind. § 123 Abs. 3 Satz 2 [X.] bestimmt jedoch, dass eine Zwangsvollstreckung in die Masse wegen einer Sozialplanforderung schlechthin unzulässig ist. Nach allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Literatur fehlt deswegen einer Leistungsklage gegen den Insolvenzverwalter wegen Forderungen aus einem von ihm vereinbarten Sozialplan das erforderliche Rechtschutzbedürfnis, weil ein entsprechender Leistungstitel dauerhaft keine [X.] wäre. Der Gläubiger ist auf den Weg der Feststellungsklage verwiesen ([X.] 22. November 2005 - 1 [X.] - Rn. 14, [X.] BetrVG 1972 § 112 Nr. 176 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 15; 31. Juli 2002 - 10 [X.]/01 - [X.]E 102, 82, 84; für das [X.] nach § 210 [X.] grundlegend [X.] 11. Dezember 2001 - 9 AZR 459/00 - [X.] [X.] § 209 Nr. 1 = EzA [X.] § 210 Nr. 1; weitere Nachw. zur Rspr. zu § 210 [X.] siehe LAG Hamm 27. Oktober 2005 - 4 Sa 1709/04 - Rn. 50; FK/[X.]/Eisenbeis 5. Aufl. § 123 Rn. 21; [X.]/[X.]/[X.] [X.] Stand Mai 2007 § 123 Rn. 43 f.; [X.]/Wolf [X.] 3. Aufl. § 123 Rn. 14; [X.] in [X.]/[X.] 5. Aufl. § 123 Rn. 26). Ob davon bei Streitigkeiten über die gleichmäßige Befriedigung von gleichrangigen Gläubigern eine Ausnahme zu machen ist ([X.] 27. Oktober 2005 - 4 Sa 1709/04 -; ablehnend [X.]/[X.]/[X.] [X.] Stand Mai 2007 § 123 Rn. 44), kann dahinstehen. Eine derartige Fallkonstellation liegt hier nicht vor.

2. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass der [X.] den Sozialplan nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit vereinbart hat. § 209 Abs. 1 Nr. 2 [X.] ist keine Spezialregelung, die nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit das in § 123 Abs. 3 Satz 2 [X.] enthaltene [X.] verdrängt. Vielmehr hat § 209 Abs. 1 Nr. 2 [X.] für [X.] aufgrund der in § 123 Abs. 2 Satz 2 und 3 [X.] geregelten Berechnungsweise keine Bedeutung (BT-Drucks. 12/2443 S. 220).

§ 123 Abs. 2 Satz 2 und 3 [X.] setzen eine relative Obergrenze für die Erfüllung von [X.]n. Danach darf außer in den Fällen des Zustandekommens eines Insolvenzplans für die Berichtigung von [X.] nicht mehr als ein Drittel der Masse verwendet werden, die ohne den Sozialplan für die Verteilung an die Insolvenzgläubiger zur Verfügung stünde. Wird diese Grenze überschritten, sind die einzelnen [X.] anteilig zu kürzen. Die tatsächliche Höhe der [X.] kann also erst dann festgestellt werden, wenn alle anderen Masseverbindlichkeiten berichtigt sind, denn erst dann lässt sich ein Drittel aus der fiktiven Teilungsmasse berechnen ([X.]/Wolf [X.] 3. Aufl. § 123 Rn. 12). Daraus folgt, dass im Falle der Masseunzulänglichkeit keine [X.] bestehen. [X.] können nicht berichtigt werden, weil die Masse schon nicht ausreicht, um alle Masseverbindlichkeiten und Massekosten gem. § 53 [X.] vorweg zu berichtigen (MünchKomm[X.]/Löwisch/[X.] 2. Aufl. § 123 Rn. 69; [X.] in [X.]/[X.] 5. Aufl. § 123 Rn. 25). [X.] sind lediglich letztrangige Masseverbindlichkeiten, die bei der Verteilung nach § 209 [X.] keinerlei Rolle spielen. Dazu bedarf es keiner ausdrücklichen Regelung in § 209 [X.]. Dies folgt vielmehr unmittelbar aus den Vorschriften über die Kürzung der [X.] bei geringer Masse (BT-Drucks. 12/2443 S. 220; [X.] 27. Oktober 2005 - 4 Sa 1709/04 - Rn. 51; [X.] [X.] 12. Aufl. § 209 Rn. 19; [X.] in [X.]/[X.] 5. Aufl. § 123 Rn. 24; FK/[X.]/[X.]. § 209 Rn. 11). Die Höherstufung der Sozialplanforderung von einer bevorrechtigten Konkursforderung (§§ 2, 4 Satz 1 SozPlKonkG iVm. § 61 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a KO) zu einer Masseverbindlichkeit hat die Rechtsstellung der Sozialplangläubiger somit nur formell verbessert und im Wesentlichen das Erfordernis zur Anmeldung und Feststellung von [X.] entfallen lassen (BT-Drucks. 12/2443 S. 154).

Die vom Kläger angeführte Literatur ([X.] S. 573; [X.]/Schnurbusch NZI 2000, 49; [X.] ZIP 2003, 2341) setzt sich mit den angeführten Folgen der in § 123 Abs. 2 Satz 2 und 3 [X.] geregelten Berechnungsweise für die Berichtigung von [X.] bei Masseunzulänglichkeit nicht auseinander und ist deshalb für seine Rechtsauffassung unergiebig.

3. [X.] aus einem nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit vereinbarten Sozialplan sind trotz der Regelung in § 123 Abs. 2 Satz 2 und 3 [X.] nicht von vornherein wirtschaftlich wertlos. Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit, die gem. § 208 Abs. 1 Satz 2 [X.] bereits bei einer lediglich drohenden Unzulänglichkeit erfolgen kann, beruht auf einer Prognose des Insolvenzverwalters, deren Grundlagen sich nachträglich - etwa durch unverhoffte Verwertung von Vermögensgegenständen oder Erfüllung von Forderungen des Schuldners - ändern können. Darauf hat die Prozessbevollmächtigte des [X.]n in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu Recht hingewiesen. Entfällt dadurch die Masseunzulänglichkeit, kommt eine Rückkehr ins reguläre Insolvenzverfahren in Betracht (zum Streitstand FK/[X.]/[X.]. § 208 Rn. 19 ff.; [X.] in [X.]/[X.] 5. Aufl. § 208 Rn. 24).

II. Der Klage auf Feststellung des Abfindungsanspruchs fehlt das erforderliche Feststellungsinteresse. Auch dies hat das [X.] zutreffend erkannt.

1. Allerdings hat der Erste Senat in seiner Entscheidung vom 22. November 2005 (- 1 [X.] - Rn. 14, [X.] BetrVG 1972 § 112 Nr. 176 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 15) ausgeführt, dass der Gläubiger wegen der Unzulässigkeit der Leistungsklage auf den Weg der Feststellungsklage verwiesen sei und einer solchen Klage deshalb das Feststellungsinteresse nicht versagt werden könne. Damit sollte jedoch nur klargestellt werden, dass der Vorrang der Leistungsklage der Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht entgegensteht (vgl. [X.] 22. Juli 2003 - 1 [X.] - [X.]E 107, 91, 92). Das erforderliche Feststellungsinteresse folgt auch nicht daraus, dass der [X.] als Masseverbindlichkeit nicht in einem den § 174 ff. [X.] entsprechenden Feststellungsverfahren festgestellt und nicht mit einem mit § 178 Abs. 3 [X.] vergleichbaren Vollstreckungstitel verbunden ist (in diesem Sinn aber möglicherweise [X.]. zu [X.] 22. Juli 2003 - 1 [X.] - [X.] BetrVG 1972 § 113 Nr. 42 unter I 2). Auch [X.] können nur mit der Feststellungsklage verfolgt werden, wenn dem Recht des Gläubigers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass der Insolvenzverwalter das Recht des Gläubigers ernstlich bestreitet, und wenn das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (vgl. allgemein zum Feststellungsinteresse [X.] 2. Dezember 1999 - 8 [X.] - zu I 3 b der Gründe, [X.] BGB § 613a Nr. 188 = EzA BGB § 613a Nr. 188; [X.] 7. Februar 1986 - V ZR 201/84 - NJW 1986, 2507). Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, fehlt das erforderliche Feststellungsinteresse.

2. Der [X.] hat den [X.] des [X.] weder vorprozessual noch im gesamten Verfahren dem Grunde und der Höhe nach jemals in Frage gestellt. Der Kläger hat auch keinerlei Anhaltspunkte dafür dargelegt, dass der [X.] gerade ihn gegenüber anderen [X.] benachteiligen wird. Im Gegenteil ist die Behauptung des [X.]n aus der Berufungserwiderung, er werde die Forderungen aus dem Sozialplan von Amts wegen unter Beachtung der gesetzlichen Rangfolge berücksichtigen, unwidersprochen geblieben. Der Umstand, dass der [X.] dem [X.] unter Hinweis auf die [X.]e der [X.] entgegengetreten ist, bedeutet nicht, dass er sich etwa eines gegen Grund und Höhe dieses Anspruchs gerichteten Rechts berühmt. Der Feststellung des Abfindungsanspruchs bedarf der Kläger daher nicht (vgl. [X.] 17. März 2005 - IX ZB 247/03 - zu III 2 der Gründe, [X.], 817; vgl. auch 9. Oktober 2008 - IX ZB 129/07 - Rn. 11, NJW-RR 2009, 59).

3. Das uneingeschränkte Festhalten an den genannten zivilprozessualen Anforderungen erscheint vorliegend um so mehr geboten, weil unnötige Feststellungsverfahren die Masse gefährden. [X.] man dem Sozialplangläubiger ohne jeglichen Anhaltspunkt dafür, dass seine Forderung nicht entsprechend den Regeln der [X.] erfüllt werden wird, Anspruch auf einen Titel zu, wird die Masse mit den dadurch entstehenden Prozesskosten belastet. Selbst wenn der Insolvenzverwalter die Forderung sofort anerkennt, trägt die Masse wegen der arbeitsrechtlichen Sonderregelung in § 12a ArbGG etwaige außergerichtliche Kosten des Insolvenzverwalters .

III. [X.] folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

        

    Kapitza    

        

    [X.]    

        

        

Meta

6 AZR 785/08

21.01.2010

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Oberhausen, 5. November 2007, Az: 1 Ca 1709/07, Urteil

§ 123 Abs 2 S 1 InsO, § 53 InsO, § 123 Abs 3 S 2 InsO, § 209 Abs 1 Nr 2 InsO, § 123 Abs 2 S 2 InsO, § 123 Abs 2 S 3 InsO, § 208 Abs 1 S 2 InsO, § 174 InsO, § 178 Abs 3 InsO, § 12a ArbGG, § 210 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.01.2010, Az. 6 AZR 785/08 (REWIS RS 2010, 10202)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 10202

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

3 Ca 650/13

4 Ca 2167/11

12 Sa 1051/15

5 Sa 823/13

5 Sa 747/13

2 Sa 1652/13

2 Sa 1651/13

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