Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.06.2017, Az. VI R 84/14

6. Senat | REWIS RS 2017, 9191

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Gegenstand

Übertragung einer § 6b-Rücklage auf eine EU-Betriebsstätte


Leitsatz

1. Die Übertragung einer § 6b-Rücklage setzt u.a. voraus, dass die angeschafften oder hergestellten Ersatzwirtschaftsgüter zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen gehören (§ 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG).

2. Es ist unionsrechtlich weder zu beanstanden, dass § 6b Abs. 2a EStG i.d.F. des StÄndG 2015 die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Steuer nur stundet, noch bestehen gegen den Stundungszeitraum von fünf Jahren Bedenken.

3. Wurden nach § 6b Abs. 1 Satz 1 EStG begünstigte Wirtschaftsgüter in einem Wirtschaftsjahr vor Inkrafttreten des StÄndG 2015 veräußert und die Steuererklärung vor dem 6. November 2015 bereits abgegeben, genügt ein Stundungsantrag "für" das betreffende Wirtschaftsjahr. Der Steuerpflichtige ist auf Antrag so zu stellen, als habe er Stundung rechtzeitig beantragt.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 7. Juli 2014  5 K 1206/14 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die für das Streitjahr (2009) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Der Kläger betrieb im Streitjahr einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, dessen Gewinn er durch [X.] gemäß § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr gültigen Fassung (EStG) ermittelte. Zu diesem Betrieb, den er zum 1. Juli 2006 von seinen Eltern unentgeltlich übernommen hatte, gehörte eine Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG aus der Veräußerung eines Grundstücks im Wirtschaftsjahr 2005/2006 in Höhe von 173.450 €.

2

Außerdem beteiligte sich der Kläger am 15. Juni 2010 als Kommanditist zu 50 % an der [X.] [X.], die einer [X.] Kommanditgesellschaft entspricht. Dieses Unternehmen, das in [X.] Land- und Forstwirtschaft betreibt, erwarb am 24. Juni 2010 ein landwirtschaftliches Grundstück zum Preis von umgerechnet 1.827,37 €.

3

Im Wirtschaftsjahr 2009/2010 übertrug der Kläger 900 € aus der --noch mit 160.400 € in der Bilanz ausgewiesenen-- Rücklage auf das Grundstück in [X.]. 158.400 € zog er von den Anschaffungskosten begünstigter Wirtschaftsgüter i.S. des § 6b Abs. 1 Satz 2 EStG einer inländischen Betriebsstätte ab. Den restlichen Betrag der Rücklage in Höhe von 1.100 € löste er gewinnerhöhend auf.

4

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) folgte dieser Sachbehandlung bezüglich des Grundstücks in [X.] nicht und löste die Rücklage nach § 6b Abs. 3 Satz 5 EStG in Höhe von 900 € zum 30. Juni 2010 erfolgswirksam und unter Berücksichtigung eines [X.] nach § 6b Abs. 7 EStG auf. Er war der Auffassung, die Voraussetzung des § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG sei nicht erfüllt, da das Grundstück in [X.] nicht zu einer inländischen Betriebsstätte des Klägers gehöre.

5

Der dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das [X.] ([X.]) aus den in Entscheidungen der [X.]e (E[X.]) 2014, 1775 veröffentlichten Gründen statt.

6

Mit seiner Revision rügt das [X.] die Verletzung materiellen Rechts.

7

Es beantragt,
das Urteil des [X.] München vom 7. Juli 2014  5 K 1206/14 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, dem [X.] ([X.]) die Frage vorzulegen, ob § 6b Abs. 2a EStG mit der Niederlassungsfreiheit des Art. 49 des Vertrags über die Arbeitsweise der [X.] ([X.]) zu vereinbaren ist, soweit es um die Übertragung stiller Reserven auf Grundstücke im Ausland der [X.] ([X.]) geht.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zu Unrecht entschieden, dass die gewinnerhöhende Auflösung der § 6b-Rücklage in Höhe von 900 € durch Bildung eines passiven Postens auszugleichen sei.

1. Gemäß § 6b Abs. 3 [X.] können Steuerpflichtige, wenn sie bei Veräußerung in § 6b Abs. 1 Satz 1 [X.] aufgeführter Wirtschaftsgüter eine gewinnmindernde Rücklage gebildet haben, von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten bestimmter in § 6b Abs. 1 Satz 2 [X.] genannter Wirtschaftsgüter, die in den folgenden vier Wirtschaftsjahren angeschafft oder hergestellt worden sind, einen Betrag bis zur Höhe der Rücklage abziehen. Im Gegenzug ist die Rücklage insoweit aufzulösen. Sind keine Reinvestitionsobjekte angeschafft oder hergestellt worden und ist die Rücklage am Schluss des vierten auf ihre Bildung folgenden [X.] noch vorhanden, so ist sie nach § 6b Abs. 3 Satz 5 [X.] in diesem [X.]punkt gewinnerhöhend aufzulösen.

a) Wird ein Betrieb im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen (§ 6 Abs. 3 [X.]), tritt der [X.] in die Rechte und Pflichten des Betriebsübergebers ein. Eine vom Betriebsübergeber gebildete Rücklage ist deshalb vom Nachfolger zu übernehmen und entsprechend fortzuführen. Dies hat zur Folge, dass eine Übertragung der Rücklage auf Reinvestitionsobjekte oder eine gewinnerhöhende Auflösung der Rücklage ausschließlich beim [X.] zu erfassen ist (Urteil des [X.] vom 23. April 2009 IV R 9/06, [X.], 15, [X.], 664).

b) Die Übertragung der Rücklage kommt nur dann in Betracht, wenn ein Reinvestitionsobjekt i.S. des § 6b Abs. 1 Satz 2 [X.] bis zum Ablauf der vierjährigen Reinvestitionsfrist angeschafft oder hergestellt wird (§ 6b Abs. 3 Satz 2 [X.]). Voraussetzung ist ferner u.a., dass die angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen gehören (§ 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 [X.]).

2. Das [X.] hat hiernach zu Recht den --hier allein streitigen-- Betrag von 900 € zum 30. Juni 2010 erfolgswirksam erfasst.

Die Eltern des [X.] konnten gemäß § 6b Abs. 3 Satz 1 [X.] als dessen Rechtsvorgänger den Gewinn aus der Veräußerung des dem Anlagevermögen zugehörigen landwirtschaftlichen Grundstücks (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 [X.]) im Wirtschaftsjahr 2005/2006 in der Bilanz zum 30. Juni 2006 in eine § 6b-Rücklage einstellen, die der Kläger als [X.] fortführen musste. Der [X.] von vier Jahren endete mit Ablauf des 30. Juni 2010, ohne dass der Kläger hinsichtlich des Betrags von 900 € nach § 6b Abs. 1 Satz 2 [X.] begünstigte Wirtschaftsgüter angeschafft oder hergestellt hatte, die zu einer ihm zuzurechnenden Betriebsstätte im Inland gehörten. Das Grundstück in [X.], das ihm bei Anwendung des § 6b [X.] grundsätzlich entsprechend seiner Beteiligungsquote anteilig zuzurechnen war, diente dem Betrieb der [X.] und war damit --was zwischen den Beteiligten nicht im Streit [X.] keiner inländischen Betriebsstätte des [X.] zuzuordnen. Da weder § 6b [X.] noch eine andere Vorschrift bei Reinvestitionen in eine Betriebsstätte des Steuerpflichtigen innerhalb der [X.] die Bildung eines passiven Ausgleichspostens vorsieht, war der Betrag von 900 € zum 30. Juni 2010 gewinnwirksam aufzulösen und zur Hälfte bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 [X.] im Streitjahr zu erfassen (§ 4a Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 [X.]).

3. An diesem Ergebnis hat die rückwirkende Einfügung des § 6b Abs. 2a [X.] durch das Steueränderungsgesetz 2015 ([X.] 2015) vom 2. November 2015 ([X.], 1834, [X.], 846) nichts geändert.

a) Der [X.] hat mit Urteil Kommission/[X.] vom 16. April 2015 [X.]/13 ([X.]:[X.]) entschieden, dass § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 [X.] gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 A[X.]V) verstoße. Zwar dürfe die Bundesrepublik [X.] ([X.]) die auf den Veräußerungsgewinn entstandene Steuer festsetzen, bevor die im Rahmen seiner Steuerhoheit erzielten Gewinne ins Ausland transferiert würden. Es [X.] auch keine Rolle, ob es sich um realisierte oder nicht realisierte Gewinne handle. Die sofortige Erhebung der Steuer sei jedoch unverhältnismäßig, da sie über das hinausgehe, was erforderlich sei, um die Aufteilung der [X.] zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren. Die festgesetzte Steuer sei auf Antrag des Steuerpflichtigen wahlweise zu stunden.

Der Gesetzgeber hat daraufhin § 6b Abs. 2a [X.] i.d.F. des [X.] 2015 geschaffen, der gemäß § 52 Abs. 14 [X.] i.d.F. des [X.] 2015 auch auf Veräußerungsgewinne anzuwenden ist, die vor Gesetzesverkündung (6. November 2015) entstanden sind.

b) Nach § 6b Abs. 2a Satz 1 [X.] i.d.F. des [X.] 2015 kann die festgesetzte Steuer, die auf einen Gewinn i.S. des Abs. 2 entfällt, auf Antrag des Steuerpflichtigen in fünf gleichen Jahresraten entrichtet werden. Voraussetzung ist, dass im Jahr der Veräußerung eines nach Abs. 1 Satz 1 begünstigten Wirtschaftsguts oder in den folgenden vier Jahren ein in Abs. 1 Satz 2 bezeichnetes Wirtschaftsgut angeschafft oder hergestellt wird, das einem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen in einem anderen Mitgliedstaat der [X.] oder des [X.] ([X.]) zuzuordnen ist. § 36 Abs. 5 Satz 2 bis 5 [X.] ist sinngemäß anzuwenden (§ 6b Abs. 2a Satz 3 [X.] i.d.F. des [X.] 2015).

c) Der Kläger hat demnach auch nach § 6b Abs. 2a [X.] i.d.F. des [X.] 2015 weder einen Anspruch darauf, dass er die § 6b-Rücklage gewinnmindernd von den Anschaffungskosten des ihm anteilig zuzurechnenden Grundstücks in [X.] abziehen kann, noch ermöglicht die Vorschrift die Bildung eines passiven Ausgleichspostens. § 6b Abs. 2a [X.] i.d.F. des [X.] 2015 vermittelt vielmehr nur einen Anspruch auf zinslose Stundung (§ 6b Abs. 2a [X.] i.d.F. des [X.] 2015 [X.]. § 36 Abs. 5 Satz 3 [X.]) der auf den Veräußerungsgewinn entfallenden Steuer. Im Rahmen der Steuerfestsetzung bleibt es jedoch bei der bisherigen Regelung. Das [X.] hat daher auch unter Berücksichtigung des § 6b Abs. 2a [X.] i.d.F. des [X.] 2015 zu Recht die § 6b-Rücklage insoweit (900 €) zum Ende des Rücklagezeitraums gewinnwirksam aufgelöst, als der Kläger begehrt, diese auf das in [X.] gelegene Grundstück zu übertragen.

4. Es ist unionsrechtlich weder zu beanstanden, dass § 6b Abs. 2a [X.] i.d.F. des [X.] 2015 die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Steuer nur stundet, noch bestehen gegen den Stundungszeitraum von fünf Jahren Bedenken.

Der [X.] hat in seinem Urteil Kommission/[X.] ([X.]:[X.]) unter Hinweis auf sein Urteil [X.] vom 29. November 2011 [X.]/10 ([X.]:[X.]) ausgeführt, [X.] habe das Recht, die im Rahmen seiner Steuerhoheit erzielten Gewinne vor deren Transfer ins Ausland zu besteuern; es sei den Steuerpflichtigen jedoch eine [X.] einzuräumen. Auch in seinen Urteilen [X.] vom 21. Mai 2015 [X.]/13 ([X.]:C:2015:331) und [X.] vom 23. Januar 2014 [X.]/12 ([X.]:[X.]) hat er bekräftigt, es sei verhältnismäßig, wenn ein Mitgliedstaat in Fällen der [X.] die Steuer auf die in seinem Hoheitsgebiet entstandenen noch nicht realisierten stillen Reserven festsetzt. Lediglich die sofortige Erhebung sei unverhältnismäßig. Es ist daher --entgegen der Auffassung der [X.] unionsrechtlich nicht geboten, den Verstoß gegen Art. 49 A[X.]V im Steuerfestsetzungsverfahren zu beheben.

Auch der Stundungszeitraum von fünf Jahren ist nicht zu beanstanden. Der [X.] hat in seinen Urteilen [X.] ([X.]:C:2015:331, [X.] 52) und [X.] ([X.]:[X.], [X.] 62) einen fünfjährigen Stundungszeitraum ausdrücklich für verhältnismäßig erachtet. Die Staffelung der Zahlung der vor der tatsächlichen Realisierung der stillen Reserven geschuldeten Steuer in fünf Jahresraten stelle in Anbetracht des mit der [X.] steigenden Risikos der Nichteinbringung eine Maßnahme dar, die für die Erreichung des Ziels, die Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren, angemessen und verhältnismäßig sei.

Soweit im Schrifttum vorgebracht wird, im Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 Sätze 2 und 3 [X.] und § 16 Abs. 3a [X.] seien vor allem abnutzbare Wirtschaftsgüter mit kurzer Nutzungsdauer betroffen, wohingegen § 6b [X.] vor allem Grundstücke und Gebäude erfasse (Förster, [X.], 1319, 1324; [X.]/[X.]/[X.], Die Unternehmensbesteuerung --[X.]-- 2015, 685, 688), wird nicht hinreichend beachtet, dass der [X.] die sofortige Steuerfestsetzung ungeachtet der Art des Wirtschaftsguts, in dem sich die stillen Reserven angesammelt haben, im Grundsatz zur Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten für gerechtfertigt hält. Ebenso wenig bemisst er den zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit des Steuerzugriffs erforderlichen Stundungszeitraum nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts, sondern allein danach, dass die Durchsetzung des Steueranspruchs umso gefährdeter erscheint, je mehr [X.] verstreicht. Er wägt demnach nur die mit der sofortigen Entrichtung der Steuerschuld auf nicht realisierte stille Reserven verbundene Härte für den Steuerpflichtigen einerseits mit dem berechtigten Interesse des Mitgliedstaats an der Durchsetzung seines Steueranspruchs andererseits ab, nicht hingegen fordert er, den Stundungszeitraum so zu bemessen, dass er zu einem mit einem Inlandsfall möglichst vergleichbaren Ergebnis führt. Sowohl die Stundung als auch deren [X.]dauer von fünf Jahren entsprechen daher europarechtlichen Vorgaben (gl.A. z.B. Bannes/Holle, Internationales Steuerrecht 2016, 411, 414, m.w.N.; [X.]/Scheuch, [X.] 2016, 11, 14; [X.], [X.], 102, 103; Kanzler, Neue Wirtschafts-Briefe --[X.]-- 2015, 3814; [X.], [X.] --DStR-- 2016, 9; [X.] in Kirchhof, [X.], 15. Aufl., § 6b [X.] 2). Auch Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2016/1164/[X.] des Rates vom 12. Juli 2016 ([X.]) mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts sieht in Fällen der [X.] nur Teilzahlungen der geschuldeten Steuer über fünf Jahre vor.

5. Nach § 6b Abs. 2a Satz 2 [X.] i.d.F. des [X.] 2015 kann allerdings der Stundungsantrag nur "im Wirtschaftsjahr" der Veräußerung der in § 6b Abs. 1 Satz 1 [X.] bezeichneten Wirtschaftsgüter gestellt werden.

a) Damit soll nach der Gesetzesbegründung eine Gleichbehandlung mit Inlandsfällen hergestellt werden, weil auch bei diesen Fallgestaltungen der Steuerpflichtige bereits im Wirtschaftsjahr der Veräußerung entscheiden müsse, ob er den Veräußerungsgewinn unmittelbar auf ein Ersatzwirtschaftsgut übertragen oder aber (alternativ) eine Rücklage gemäß § 6b Abs. 3 [X.] bilden wolle. Ausreichend sei es aber, wenn der Antrag des Steuerpflichtigen zusammen mit der Steuererklärung für das Veräußerungsjahr gestellt werde (BTDrucks 18/6094, S. 81 f.).

b) Auch wenn man dem trotz des eindeutigen Wortlauts folgen wollte (zweifelnd [X.], [X.], 9, 12), sodass ein Stundungsantrag des Steuerpflichtigen bei Abgabe der Steuererklärung für das Veräußerungsjahr ausreicht, kann diesem Erfordernis jedenfalls dann nicht mehr genügt werden, wenn nach § 6b Abs. 1 Satz 1 [X.] begünstigte Wirtschaftsgüter in einem Wirtschaftsjahr vor Inkrafttreten des [X.] 2015 veräußert wurden und die Steuererklärung vor dem 6. November 2015 bereits abgegeben war.

c) In diesen Fällen genügt jedoch ein nachträglich gestellter Stundungsantrag "für" das betreffende Wirtschaftsjahr. Andernfalls liefe die Vorschrift, soweit sie rückwirkend anzuwenden ist (§ 52 Abs. 14 Satz 1 [X.] i.d.F. des [X.] 2015), ins Leere. Der [X.] wäre dann nicht behoben und der Anwendung des § 6b [X.] stünde nach wie vor vorrangiges Unionsrecht entgegen. Der Steuerpflichtige ist daher auf Antrag so zu stellen, als habe er rechtzeitig Stundung begehrt (gl.[X.], [X.], 1319, 1324; Kanzler, [X.] 2015, 3814; [X.]/[X.]/[X.], [X.] 2015, 685; [X.], [X.], 102, 106; [X.], [X.], 9, 12).

d) Ist der Veräußerungsgewinn --wie im [X.] ganz oder teilweise vor Verkündung des [X.] 2015 einer Rücklage nach § 6b Abs. 3 [X.] zugeführt worden, ist hiernach auf Antrag die auf den Auflösungsbetrag entfallende Steuer (ohne [X.] nach § 6b Abs. 7 [X.]) in fünf gleichen Jahresbeträgen zu stunden. Denn erstmals mit der Auflösung der Rücklage wird auf den Veräußerungsgewinn des nach § 6b Abs. 1 Satz 1 [X.] begünstigten Wirtschaftsguts eine Steuer festgesetzt, die gestundet werden kann. Als Wirtschaftsjahr der Veräußerung gilt für diese bereits vor Verkündung des [X.] 2015 verwirklichten Sachverhalte daher das Jahr der Auflösung der Rücklage. War die streitige Steuer aus der Auflösung der Rücklage von der Vollziehung ausgesetzt, bedeutet dies, dass die Erhebung von Aussetzungszinsen für die [X.] vor Verkündung des [X.] 2015 nur insoweit möglich ist, als der Steuerbetrag zu den einzelnen Stichtagen (§ 6b Abs. 2a [X.] i.d.F. des [X.] 2015 [X.]. § 36 Abs. 5 Satz 2 [X.]) fällig war. Denn hätte der Steuerpflichtige rechtzeitig Stundung nach Maßgabe des § 6b Abs. 2a [X.] i.d.F. des [X.] 2015 beantragt, hätten auch nur die zu den einzelnen Stichtagen fälligen Steuerbeträge von der Vollziehung ausgesetzt werden müssen. Wurde die streitige Steuer mit der Steuerfestsetzung im Jahr der Auflösung der Rücklage entrichtet, ist die zu den einzelnen Stichtagen jeweils zu viel entrichtete Steuer entsprechend § 233a der Abgabenordnung zu verzinsen, wobei der Zinslauf mit der erstmaligen Steuerfestsetzung beginnt. Bei einem Stundungsantrag im Veräußerungsjahr --hier im Jahr der Auflösung der [X.] hätte der Steuerpflichtige nur die fällige Steuer entrichten müssen und den überzahlten Betrag zinsbringend anlegen können. Auf diese Weise werden in beiden Varianten Ergebnisse erzielt, die einer Stundung der auf den Veräußerungsgewinn entfallenden Steuer in fünf gleichen Jahresraten wirtschaftlich am ehesten entsprechen.

6. Die [X.] der Kläger, § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 [X.] sei auch nach Einfügung des § 6b Abs. 2a [X.] unionsrechtswidrig, weil eine vergleichbare Regelung für die Gewerbesteuer fehle und § 6b Abs. 2a [X.] auf Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften (§ 6b Abs. 10 [X.]) nicht anwendbar sei, bedürfen im Streitfall schon deshalb keiner Entscheidung, weil der streitige Gewinn aus einer Grundstücksveräußerung herrührt und in einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb erzielt wurde. Ebenso wenig ist im Streitfall der Vortrag der Kläger entscheidungserheblich, der Inlandsbezug in § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 [X.] gelte auch dann, wenn in ausländische Betriebsstätten investiert werde, deren Erträge im Inland steuerpflichtig seien; § 6b Abs. 2a [X.] sei in diesen Fällen nicht anwendbar. Ungeachtet dessen, ob dem zu folgen ist, unterliegen die Erträge aus der Betriebsstätte in [X.] --was zwischen den Beteiligten unstreitig [X.] nicht der inländischen Besteuerung. Auch der Einwand der Kläger, es sei unionsrechtswidrig, dass während des [X.]s nicht zwischen Stundung und Bildung einer Rücklage gewechselt werden könne, ist für den Streitfall nicht bedeutsam, weil der Kläger, obwohl er den streitigen Veräußerungsgewinn zunächst einer Rücklage zuführte, gleichwohl eine Stundung des Veräußerungsgewinns verlangen kann.

Soweit die Kläger geltend machen, § 6b Abs. 2a [X.] gelte für alle Veräußerungen i.S. des § 6b Abs. 1 [X.] unabhängig davon, ob eine Auslandsinvestition tatsächlich erfolge, so dass der [X.] nicht behoben sei, folgt dem der Senat nicht. § 6b Abs. 2a [X.] knüpft die Stundung daran, dass innerhalb des [X.]s tatsächlich ein nach § 6b Abs. 1 [X.] begünstigtes Wirtschaftsgut angeschafft oder hergestellt wird, das einem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen in einem anderen Mitgliedstaat der [X.] oder des [X.] zuzuordnen ist. Selbst wenn eine unterbliebene Investition in eine ausländische Betriebsstätte [X.] bliebe, ist nicht erkennbar, weshalb die Vorschrift trotz einer fünfjährigen Stundung der festgesetzten Steuer weiterhin unverhältnismäßig sein und damit gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 A[X.]V) verstoßen soll. Gleiches gilt für den Vortrag der Kläger, die Bildung einer Rücklage nach § 6b Abs. 3 Satz 1 [X.] und deren zinspflichtige (§ 6b Abs. 7 [X.]) Auflösung führten zu günstigeren Ergebnissen als die Inanspruchnahme des § 6b Abs. 2a [X.]. Selbst wenn dies zuträfe, änderte dies nichts daran, dass der Gesetzgeber mit der Einfügung des § 6b Abs. 2a [X.] den Vorgaben des [X.], den Steuerpflichtigen eine [X.] von fünf Jahren für die festgesetzte Steuer einzuräumen, genügt hat.

7. Da § 6b [X.] in seiner gegenwärtigen Fassung, soweit für den Streitfall bedeutsam, unionsrechtlichen Anforderungen auch für bereits abgeschlossene Fälle genügt, ist er anzuwenden. Der [X.] von 900 € ist daher vom [X.] zu Recht aufgelöst worden.

8. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

VI R 84/14

22.06.2017

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend FG München, 7. Juli 2014, Az: 5 K 1206/14, Urteil

§ 6b Abs 1 S 1 EStG 2009, § 6b Abs 1 S 2 EStG 2009, § 6b Abs 2a EStG 2009 vom 02.11.2015, Art 49 AEUV, EStG VZ 2009, § 6 Abs 3 EStG 2009

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.06.2017, Az. VI R 84/14 (REWIS RS 2017, 9191)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 9191

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