Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.10.2015, Az. 3 StR 288/15

3. Strafsenat | REWIS RS 2015, 3082

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2015:291015B3STR288.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 288/15
vom
29. Oktober 2015
in der Strafsache
gegen

wegen Raubes

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 29. Oktober 2015 gemäß § 349 Abs. 4 [X.] einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 24.
März 2015 mit den Feststellungen auf-gehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkam-mer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Raubes unter Einbezie-hung einer Strafe aus einer früheren Verurteilung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrü-ge Erfolg.
1. Gegen die Beweiswürdigung bestehen durchgreifende rechtliche Be-denken.

Der Angeklagte hat den gegen ihn erhobenen Vorwurf, zusammen mit einem unbekannten Mittäter die 89jährige Geschädigte in ihrem [X.] zu haben, bestritten und geltend gemacht, sich zum Zeitpunkt der Tat in
[X.] aufgehalten zu haben. Das [X.] stützt seine Überzeugung von 1
2
3
-
3
-
der Täterschaft des Angeklagten insbesondere auf DNA-Spuren, die auf dem [X.], mit dem die Geschädigte gefesselt worden war, [X.] wurden und die mit einem Wert von 1:10 Milliarden auf den Angeklagten als Spurenleger weisen. Als ein weiteres Indiz für die Täterschaft des Ange-klagten hat die [X.] den Umstand gewertet, dass das von ihm behaup-tete [X.] nachweislich erlogen sei. Den Aussagen von Zeugen, die bekundet haben, dass er sich zur Tatzeit bei ihnen in [X.] aufgehalten habe, hat die [X.] keinen Glauben geschenkt. Ihre Überzeugung, dass das vom [X.] behauptete [X.] falsch sei, hat sie auch nicht durch den Umstand erschüttert gesehen, dass der Reisepass des Angeklagten Stempeleinträge enthält, die eine Einreise nach [X.] drei Tage vor dem Tattag und seine Ausreise einige Tage nach der Tat ausweisen. Die [X.] hat [X.], ob die [X.] möglicherweise gefälscht seien. Denn der Pass könne auch von anderen Personen benutzt und an der Grenze, möglicherweise
durch Bestechung, nachträglich mit Originalstempeln versehen worden sein.
2. Diese Beweiswürdigung hält der sachlich-rechtlichen Prüfung nicht stand.
a) Die Würdigung der Beweise ist Sache des Tatrichters, dem es obliegt, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Die revisi-onsgerichtliche Überprüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatrichter Rechts-fehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denk-
oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt, oder wenn sich seine Schlussfolge-rungen so sehr von einer festen Tatsachengrundlage entfernen, dass sie letzt-lich bloße Vermutungen sind (vgl. [X.], Beschluss vom 14. Juli 2009 -
3 [X.], [X.], 351, 352; Beschluss vom 7. Februar 2013 -
3 StR 503/12, juris Rn.
10; [X.], [X.], 7. Aufl., § 261 Rn. 45 mwN).
4
5
-
4
-
b) Nach diesen Maßstäben ist die Beweiswürdigung des [X.] rechtsfehlerhaft. Der Umstand, dass sich im Pass des Angeklagten die erwähn-ten Ein-
und Ausreisestempel für [X.] finden, ist für die Frage, ob er sich im fraglichen Zeitraum -
wie von ihm behauptet -
dort und damit nicht am Tatort aufgehalten hat, von nicht unerheblicher Bedeutung. Eine nachvollziehbare Be-gründung, warum das [X.] dennoch überzeugt ist, dass der Angeklagte sich im Tatzeitraum in [X.] befunden hat, enthält das Urteil nicht. Die Begründung, der Pass könne "durch andere Personen benutzt und an der Grenze, eventuell gegen Bestechung, auch nachträglich mit Originalstempeln"
versehen worden sein, entbehrt vielmehr einer festen Tatsachengrundlage, so dass sie sich letztlich als bloße Vermutung darstellt.
Das Urteil beruht auf dieser fehlerhaften Beweiswürdigung; denn der [X.] kann nicht
ausschließen, dass das [X.] ohne die nicht tragfähige Erwägung zu einer abweichenden Überzeugung gelangt wäre.
3. Für die neue Verhandlung weist der [X.] auf folgendes hin:
Die weitere Begründung der [X.], weshalb sie die [X.]behaup-tung des Angeklagten für nicht glaubhaft
gehalten hat, erweist sich jedenfalls als rechtlich bedenklich. Das [X.] hat insoweit ausgeführt, dass gegen die Richtigkeit der Behauptung des Angeklagten, zum Tatzeitpunkt in [X.] gewesen zu sein, auch spreche, dass seine Familie -
anders als hinsichtlich des zunächst mitbeschuldigten [X.] des Angeklagten -
sich erst spät um die [X.]zeugen gekümmert habe. Während der Verteidiger des [X.] so-gleich nach Erhebung des [X.] eidesstattliche Versicherungen dieser [X.]zeugen über dessen Aufenthalt in [X.] im Tatzeitraum eingeholt habe, habe sich die Familie um entsprechende Erklärungen hinsichtlich des Ange-klagten nicht bemüht. Es bestehe aber "kein vernünftiger Anhalt für die Annah-6
7
8
9
-
5
-
me", dass die Familie im März 2014 nur ein [X.] für den Stiefsohn besorgt hät-te, obwohl sie gewusst habe, dass sich der Angeklagte zusammen mit diesem dort aufgehalten habe. Die Ehefrau des Angeklagten habe zur Aufklärung die-ses Verhaltens nicht beigetragen, da sie vom
Zeugnisverweigerungsrecht Ge-brauch gemacht habe.
Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] darf die Un-glaubwürdigkeit eines zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Zeugen aus Rechtsgründen indes nicht daraus hergeleitet werden, dass dieser [X.] geschwiegen und erst später seine entlastenden Angaben gemacht hat. Würde die Tatsache, dass ein Zeugnisverweigerungsberechtigter von sich aus nichts zur Aufklärung beigetragen hat, geprüft und gewertet, so könnte er von seinem Schweigerecht nicht mehr unbefangen Gebrauch machen, weil er be-fürchten müsste, dass daraus später Schlüsse zu Lasten des Angeklagten [X.] würden ([X.], Urteil vom 2. April 1987 -
4 [X.], [X.]R [X.] § 52 Abs. 1 Verweigerung 1; Beschlüsse vom 22. Mai 2001 -
3 StR
130/01, [X.]

10
-
6
-
2002, 4; vom 13. August 2009 -
3 [X.], [X.], 101, 102). Das Ver-bot, aus der Zeugnisverweigerung eines Angehörigen gegen den Angeklagten nachteilige Schlüsse zu ziehen, gilt auch dann, wenn der zur Zeugnisverweige-rung Berechtigte überhaupt keine Angaben macht ([X.], Beschlüsse
vom 22.
März 1988 -
4 [X.], [X.]R [X.] §
261 [X.] 8;
vom 16.
Juli 1991 -
1 [X.], [X.] 1991, 450).

Becker Hubert

Schäfer

Mayer Spaniol

Meta

3 StR 288/15

29.10.2015

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.10.2015, Az. 3 StR 288/15 (REWIS RS 2015, 3082)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 3082

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 288/15 (Bundesgerichtshof)

Zeugnisverweigerung eines Angehörigen: Verbot nachteiliger Schlüsse bei Unterlassen sämtlicher Angaben


3 StR 11/15 (Bundesgerichtshof)

Beweiswürdigung in Strafsachen: Würdigung eines anfänglichen Schweigens eines Angeklagten; Berücksichtigung des Zeitpunktes eines Beweisantrags durch …


3 StR 11/15 (Bundesgerichtshof)


2 StR 326/19 (Bundesgerichtshof)

Revisionsgerichtliche Überprüfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung bei Freispruch


1 StR 688/18 (Bundesgerichtshof)

Gerichtliche Hinweispflicht auf eine geänderte Sachlage


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

3 StR 288/15

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.