Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.04.2016, Az. XII ZB 575/15

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 13468

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:060416BXIIZB575.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 575/15

vom

6. April
2016

in der Unterbringungssache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
FamFG § 329 Abs. 1
Zu den Voraussetzungen und Begründungsanforderungen, wenn eine Unter-bringung für länger als ein Jahr angeordnet oder genehmigt werden soll.
[X.], Beschluss vom 6. April 2016 -
XII ZB 575/15 -
LG [X.]

[X.]

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2
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Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 6.
April
2016
durch den Vorsitzenden
Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und
die Richter Dr.
Klinkhammer, Dr.
Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen
wird der Beschluss der 5.
Zivilkammer des [X.]s [X.]
vom 12.
Novem-ber 2015
unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels insoweit aufgehoben, als
seine Beschwerde gegen die
über den 28.
September 2016 hinausgehende Genehmigung der
Unterbrin-gung in der beschützenden Abteilung einer Pflegeeinrichtung
zu-rückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten [X.] und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des
Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das [X.]
zurückver-wiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.
[X.]: 5.000

Gründe:
I.
Der 53jährige Betroffene leidet an einer paranoiden Schizophrenie sowie einer Suchterkrankung in Gestalt einer Polytoxikomanie. Für ihn besteht eine 1
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umfassende
rechtliche Betreuung, die zuletzt am 26.
August 2015 erweitert und verlängert worden ist.
Am 1.
September 2011 hatte das Amtsgericht die geschlossene Unter-bringung des Betroffenen bis zum 1.
März
2012
genehmigt. Auf dessen
Be-schwerde änderte das [X.] den Beschluss dahin ab, dass die Unter-bringung nur bis zum 25.
November 2011 genehmigt wurde.
Am 24.
Mai 2012 erteilte das Amtsgericht eine weitere Unterbringungs-genehmigung wegen Selbstgefährdung
für die Dauer von zwei Jahren bis zum 24.
Mai 2014. Die Unterbringung
konnte jedoch nicht umgesetzt werden, weil keine Einrichtung gefunden werden konnte, die bereit war, den Betroffenen auf-zunehmen.
Auf Antrag der Kreisgesundheitsbehörde
ordnete
das Amtsgericht durch
einstweilige Anordnung vom 12.
August 2015 die vorläufige Unterbringung des Betroffenen in einer geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Kranken-hauses nach den landesrechtlichen Unterbringungsvorschriften bis längstens zum 26.
August 2015 an und hob diesen Beschluss am 18.
August 2015 wieder auf, weil die Voraussetzungen der freiheitsentziehenden Maßnahme inzwischen weggefallen
seien. Durch Beschluss vom 26.
August 2015 ordnete es erneut eine öffentlich-rechtliche vorläufige Unterbringung bis längstens zum 16.
Sep-tember 2015
an und verlängerte die Anordnung durch Beschluss vom 16.
Sep-tember 2015 um weitere vier Wochen bis zum 14.
Oktober 2015.
Mit Schreiben vom 31.
August 2015 hat der Betreuer
beantragt, die ge-schlossene Unterbringung des Betroffenen
zum Zwecke der Heilbehandlung für die Dauer von zwei Jahren zu genehmigen.
Durch Beschluss vom 29.
Septem-ber 2015 hat das Amtsgericht
die geschlossene Unterbringung des Betroffenen in der beschützenden Abteilung einer Pflegeeinrichtung wegen Selbstgefähr-2
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dung für die Dauer von zwei Jahren bis längstens zum 28.
September 2017 genehmigt.
Gegen diesen Beschluss hat der Betroffene Beschwerde eingelegt. Durch Nichtabhilfebeschluss vom 14.
Oktober 2015
hat das Amtsgericht den Beschluss dahin erweitert, dass übergangsweise bis zur Aufnahme in einer
Pflegeeinrichtung die Unterbringung in einem psychiatrischen
Krankenhaus bis längstens zum 4.
November 2015
genehmigt werde und der angefochtene Be-schluss im Übrigen
bestehen
bleibe. Durch weiteren Beschluss vom 4.
Novem-ber 2015
hat es die Genehmigung zur übergangsweisen
Unterbringung in ei-nem psychiatrischen Krankenhaus bis längstens zum 25.
November 2015 ver-längert.
Das [X.] hat die
Beschwerde des Betroffenen zurückgewiesen; hiergegen richtet sich seine Rechtsbeschwerde.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet, soweit sie sich gegen die über den 28.
September 2016
hinausgehende
Genehmigung der geschlossenen
Unter-bringung in einer Pflegeeinrichtung richtet.
1. Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Der Betroffene leide an einer psychischen Erkrankung
in Form einer paranoiden Schizophrenie sowie einer Suchterkrankung in Gestalt einer Polytoxikomanie. Seine Drogensucht habe bereits zu Komplikationen wie epileptischen Anfällen geführt. Vor seiner öffentlich-rechtlichen Unterbringung am 11.
August 2015 sei es zu einer Serie von Krampfanfällen
gekommen, die bis zur Bewusstlosigkeit geführt hätten. Nach seiner Entlassung sei der Betroffene am 25.
August
2015
in einer hoch
wahnhaften Situation bei dem Versuch angetroffen worden, in das leer stehende Haus seiner verstorbenen Eltern gewaltsam einzudringen.
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Angesichts der weiterhin bestehenden erheblichen Eigengefährdung durch lebensgefährliche Krampfanfälle, die sein Drogenkonsum verursache, sei eine ärztliche Überwachung und medizinische Versorgung des Betroffenen, der selbst keine Krankheitseinsicht habe, dringend notwendig.
Ohne Unterbringung sei die regelmäßige Medikamenteneinnahme nicht sichergestellt. Eine ge-schlossene Unterbringung sei zudem erforderlich,
um die
Heilbehandlung [X.], die ansonsten mangels Behandlungs-
und Krankheitseinsicht des Betroffenen nicht durchgeführt werden könne. Bis zum Antritt der [X.], die ab dem 25.
November 2015 geplant sei, müsse die übergangslose stationäre Behandlung im psychiatrischen Krankenhaus sichergestellt werden.
Angesichts der Schwere und Dauer der Erkrankung sei auch die Unter-bringungszeit von zwei Jahren nicht zu beanstanden. Der Zeitraum von zwei Jahren sei erforderlich, damit der Betroffene ein eigenständiges, geregeltes und [X.] Leben erlernen könne.
Nach dem
jetzigen Erkenntnisstand sei auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit eine kürzere Zeitdauer nicht geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Sollte das Ziel der Unterbringung be-reits vorher erreicht sein, sei der Betreuer verpflichtet, die Unterbringung vorzei-tig zu beenden.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung hinsichtlich der ein Jahr übersteigenden Dauer der genehmigten
Unterbringung nicht stand.
a) Ohne Rechtsfehler hat das [X.] allerdings die Genehmigungs-voraussetzungen
einer
geschlossenen
Unterbringung des Betroffenen für die Dauer eines Jahres festgestellt. Von einer Begründung der Entscheidung inso-weit wird gemäß §
74 Abs.
7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
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b) Auf unzureichenden Erwägungen beruht jedoch die Befristung der Genehmigung auf eine Dauer, die ein Jahr überschreitet.
aa) Gemäß §
329 Abs.
1 FamFG endet die Unterbringung spätestens mit Ablauf eines Jahres, bei offensichtlich langer Unterbringungsbedürftigkeit [X.] mit Ablauf von zwei Jahren, wenn sie nicht vorher verlängert wird.
Die Befristung auf längstens ein Jahr stellt damit eine gesetzliche Höchstgrenze für die Dauer der Unterbringung dar, die nur unter besonderen Voraussetzungen überschritten werden darf.
Wird über die regelmäßige Höchstfrist der geschlossenen Unterbringung von einem Jahr hinaus eine Unterbringung von zwei Jahren genehmigt oder angeordnet, ist diese Abweichung vom Regelfall im Hinblick auf den hohen Rang des Rechts auf Freiheit der Person ausreichend zu begründen (BayObLG NJW-RR 2005, 1314;
OLG [X.] BTPrax 2005, 113, 115; [X.]/[X.] FamFG 18.
Aufl. §
329 Rn.
5; [X.]/[X.]/[X.] FamFG 3.
Aufl. §
329 Rn.
3; [X.]/Weinreich/Dodegge FamFG 4.
Aufl. §
329 Rn.
5). Solche Gründe können sich etwa aus konkreten Feststellungen über die Dauer einer notwendigen Therapie (vgl. OLG [X.] BTPrax 2005, 113, 115;
OLG [X.] 2009, 135; Prütting/[X.]/[X.] FamFG 3.
Aufl. §
329 Rn.
3) oder aus fehlenden
Heilungs-
und Besserungsaussichten bei anhalten-der Eigengefährdung
ergeben (vgl. Senatsbeschluss vom 13.
Januar 2010

XII
ZB
248/09

FamRZ 2010, 365 Rn.
20; [X.] 2006, 138; [X.]/Weinreich/Dodegge FamFG 4.
Aufl. §
329 Rn.
5).
Dabei erfor-dert das im
Gesetz genannte Merkmal der "Offensichtlichkeit", dass die Gründe für eine über ein Jahr hinaus währende Unterbringungsbedürftigkeit für das sachverständig beratene Gericht deutlich und erkennbar hervortreten (vgl. MünchKommFamFG/[X.] 2.
Aufl. §
239 Rn.
5; [X.] FamFG/[X.] [1.
Januar 2016] §
329 Rn.
2). Besondere Zurückhaltung ist geboten, 12
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wenn für den Betroffenen eine erstmalige Unterbringungsanordnung oder genehmigung erfolgt (vgl. [X.] 2006, 138; OLG [X.] BTPrax 2005, 113, 115; [X.]/[X.] FamFG 18.
Aufl. §
329 Rn.
5).
bb) Im vorliegenden Fall ist der Betroffene erstmals längerfristig unterge-bracht. Konkrete Anknüpfungspunkte für die Annahme,
die beabsichtigte Heil-behandlung könne offensichtlich nicht innerhalb der gesetzlichen Regelhöchst-dauer von einem Jahr Unterbringung zum Erfolg führen, lassen sich der [X.] Entscheidung nicht entnehmen.
Auch das in Bezug genommene
Sachverständigengutachten
enthält sol-che Ausführungen nicht; dort ist lediglich dargelegt, dass
in absehbarer Zeit nicht damit zu rechnen sei, dass sich der Gesundheitszustand des Patienten soweit verbessere, dass die Unterbringungsbedürftigkeit ganz oder teilweise entfallen werde;
in Kenntnis der langen Vorgeschichte und der aktuellen Situa-tion
werde eine geschlossene Unterbringung
für einen Zeitraum von zwei Jah-ren für erforderlich gehalten.
Diese Ausführungen bedeuten
jedoch keine an-hand eines konkreten Therapieplans aufgestellte oder sonst wissenschaftlich fundierte
Prognose einer voraussichtlichen Heilungsdauer
von mehr als einem Jahr. Dies
vermag die vom Gesetz geforderte "offensichtlich"
lange, mindestens zwei Jahre währende Unterbringungsbedürftigkeit
nicht
zu belegen.
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3. Die angefochtene Entscheidung kann deshalb im Umfang der [X.] keinen Bestand haben. Der Senat kann
insoweit nicht
in der Sache ab-schließend entscheiden, da diese nicht zur Entscheidung reif ist. Die Sache ist daher zur Nachholung der notwendigen Feststellungen über die erforderliche Unterbringungsdauer an das [X.] zurückzuverweisen.

Dose

Weber-Monecke

Klinkhammer

Nedden-Boeger

Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 29.09.2015 -
7 [X.] 500 -

LG [X.], Entscheidung vom 12.11.2015 -
5 [X.] -

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Meta

XII ZB 575/15

06.04.2016

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.04.2016, Az. XII ZB 575/15 (REWIS RS 2016, 13468)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 13468

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XII ZB 575/15

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