Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.01.2018, Az. XII ZB 292/17

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 15111

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[X.]:[X.]:BGH:2018:240118BXII[X.]292.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII
[X.] 292/17

vom

24.
Januar
2018

in der [X.]

Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
FamFG §§ 280, 283
Liegen hinreichende Anhaltspunkte vor, die für eine Betreuungsbedürftigkeit eines Betroffenen sprechen,
kann das Betreuungsgericht ein Gutachten nach §
280 FamFG einholen und gegebenenfalls gemäß §
283 Abs.
1 Satz
1 FamFG auch eine Untersuchung des Betroffenen sowie dessen Vorführung anordnen (im [X.] an Senatsbeschluss vom 23.
Januar 2008

XII
[X.]
209/06

FamRZ
2008, 774).
BGH, Beschluss vom 24. Januar 2018 -
XII [X.] 292/17 -
LG [X.] ([X.])

[X.] am Rhein

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 24.
Januar 2018 durch den
Vorsitzenden Richter Dose
und [X.], Dr.
Nedden-Boeger, Dr.
Botur und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu
2 wird
der Beschluss der 1.
Zivilkammer des [X.]s [X.] ([X.]) vom 2.
Juni 2017
aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an eine [X.] Zivilkammer des [X.]s
zurückverwiesen.
[X.]: 5.000

Gründe:
I.
Der Beteiligte zu 2 begehrt die Einrichtung einer Betreuung für die Be-troffene.
Der
Beteiligte zu
2
und die Betroffene sind geschiedene Eheleute. [X.] beiden ist seit 2007 ein [X.] anhängig. Nach-dem Zweifel an der Prozessfähigkeit der Betroffenen aufgekommen waren, be-stellte das Amtsgericht ihr auf Antrag des

in jenem Verfahren als Kläger han-delnden

Beteiligten
zu
2
einen Prozesspfleger gemäß §
57 ZPO.

1
2
-
3
-
Der Beteiligte zu
2
hat beim Betreuungsgericht die Bestellung eines Be-treuers mit dem Wirkungskreis
angeregt, die Betroffene in dem Zugewinnaus-gleichsverfahren zu vertreten. Das Amtsgericht hat das Betreuungsverfahren eingestellt. Das [X.] hat die Beschwerde des Beteiligten zu
2 zurück-gewiesen. Auf die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde hat der Senat die Entscheidung des [X.]s
aufgehoben und
die Sache zur erneuten [X.] und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen
(Senatsbe-schluss vom 29.
Juni 2016

XII
[X.]
603/15

FamRZ 2016, 1663). Dieses
hat die Beschwerde nach Anhörung der Betroffenen neuerlich
zurückgewiesen.
Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu
2
mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des [X.] Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Zivilkammer des
[X.]s.
Die Rechtsbeschwerde des
Beteiligten zu
2 ist zulässig
(vgl. hierzu be-reits Senatsbeschluss vom 29.
Juni 2016

XII
[X.] 603/15

FamRZ 2016, 1663 Rn.
6
f. mwN) und begründet.
1. Das [X.] hat die Beschwerde zurückgewiesen, weil die Vo-raussetzungen zur Einrichtung einer Betreuung nicht festgestellt werden
könn-ten. Aufgrund des persönlichen Eindrucks von der Betroffenen
stehe gerade nicht fest, dass die Voraussetzungen für eine Betreuung erfüllt seien. Lediglich das ständige Wiederholen von Schlagworten und das hektische Kritzeln auf ihrem Notizblock zur Unterstreichung der von ihr betonten Fähigkeit, ihre Rech-te selbst wahrzunehmen und gegen eine sie belastende Entscheidung der Be-3
4
5
6
-
4
-
schwerdekammer vorzugehen, ließen in Verbindung mit den zur Verfahrensakte gelangten
handschriftlichen Äußerungen der Betroffenen einen Zweifel an ihrer vollständigen psychischen Gesundheit aufkommen, weshalb zur Frage des [X.] einer

die freie Willensbildung ausschließenden

psychischen Erkran-kung ein psychiatrisches Gutachten in Auftrag gegeben worden sei. Auch der Sachverständige habe aus den
ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen können, dass die Betroffene tatsächlich psychisch krank sei. Ihm sei es nicht gelungen, eine persönliche
Untersuchung vorzunehmen, da die Betroffene sich nicht habe explorieren las-sen. Eine solche persönliche Untersuchung sei jedoch nach den sachverständi-gen Ausführungen unumgänglich, um eine tragfähige Diagnose zum derzeitigen Gesundheitszustand der Betroffenen stellen
zu können.
Es sei indes nicht ge-boten, die Betroffene
unter Anwendung von Zwang
zur Begutachtung
vorführen oder gar unterbringen zu lassen, weil keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die betreuungsrechtlichen Maßnahmen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in Betracht kämen.
2. Das hält der Aufklärungsrüge der Rechtsbeschwerde nicht stand.
Das [X.] hat seiner Pflicht zur Amtsermittlung
nach §
26 FamFG nicht hin-reichend Rechnung getragen.
a) Wie der Senat bereits in seiner ersten Entscheidung in
dieser Sache ausgeführt hat, bestimmt sich nach §
26 FamFG, in welchem Umfang Tatsa-chen zu ermitteln sind. Das Gericht hat danach von Amts wegen die zur Fest-stellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen und die [X.] erscheinenden Beweise zu erheben. Dabei muss dem erkennenden [X.] die Entscheidung darüber vorbehalten sein, welchen Weg es innerhalb der ihm vorgegebenen Verfahrensordnung für geeignet hält, um zu der für eine Entscheidung notwendigen Erkenntnis zu gelangen. Dem Rechtsbeschwerde-7
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-
5
-
gericht obliegt lediglich die Kontrolle auf Rechtsfehler, insbesondere die [X.], ob die Tatsachengerichte alle maßgeblichen Gesichtspunkte in Betracht gezogen haben und die Würdigung auf einer ausreichenden Sachaufklärung beruht (Senatsbeschluss vom 29.
Juni 2016

XII
[X.]
603/15

FamRZ 2016, 1663 Rn.
15 mwN).
§
280 Abs.
1 FamFG verpflichtet das Gericht nur dann zur Einholung ei-nes Sachverständigengutachtens, wenn das Verfahren mit einer [X.] oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts endet. Wird davon abgesehen, ist die Einholung eines Gutachtens nach §
280 Abs.
1 Satz
1
FamFG nicht zwingend erforderlich. Das Gericht hat daher vor der Anordnung der Gutachtenerstattung im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob es das Verfahren im Hinblick auf eine Betreuerbestellung oder die Anordnung eines Einwilli-gungsvorbehalts weiter betreiben will. Dies setzt hinreichende Anhaltspunkte voraus, dass Betreuungsbedarf besteht oder die Anordnung eines Einwilli-gungsvorbehalts in Betracht kommt (Senatsbeschlüsse
vom 29.
Juni 2016

XII
[X.]
603/15

FamRZ 2016, 1663 Rn.
18 mwN).
Gemäß §
280 Abs.
2 Satz
1 FamFG hat der Sachverständige den Be-troffenen vor der Erstattung des Gutachtens persönlich zu untersuchen oder zu befragen. Ein ohne die erforderliche persönliche Untersuchung erstattetes Sachverständigengutachten ist grundsätzlich nicht verwertbar. Die Verwertbar-keit des Gutachtens hängt zwar im Ergebnis nicht davon ab, dass ein verbaler Kontakt zwischen dem Betroffenen und dem Sachverständigen hergestellt wer-den kann. Kann der Sachverständige seine Erkenntnisse jedoch nicht aus einer Befragung des Betroffenen schöpfen, setzt das Gesetz eine Untersuchung des Betroffenen zwingend voraus. Diese erfordert zumindest, dass
sich der Sach-verständige einen persönlichen Eindruck vom Betroffenen verschafft (Senats-9
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-
6
-
beschluss vom 10.
Mai 2017

XII
[X.]
536/16

FamRZ 2017, 1324 Rn.
10 mwN).
Die Weigerung des Betroffenen, einen Kontakt mit dem Sachverstän-digen
zuzulassen, ist kein hinreichender Grund, von einer persönlichen Unter-suchung
durch den Sachverständigen abzusehen (Senatsbeschluss vom 20.
August 2014

XII
[X.] 179/14

FamRZ 2014, 1917
Rn.
11 mwN). Liegen hinreichende Anhaltspunkte
vor, die
für eine Betreuungsbedürftigkeit des
Be-troffenen sprechen, kann das Betreuungsgericht
gemäß §
283 Abs.
1 Satz
1 FamFG auch eine Untersuchung des Betroffenen sowie dessen Vorführung anordnen. Eine solche Maßnahme wird allerdings regelmäßig erst dann in [X.] kommen, wenn der Betroffene sich der notwendigen Untersuchung ver-weigert oder eine solche Verweigerung von vornherein absehbar oder Gefahr im Verzug ist (Senatsbeschluss vom 23.
Januar 2008

XII
[X.]
209/06

FamRZ 2008, 774 Rn.
17).
b) Dem wird die Entscheidung des [X.]s nicht gerecht.
Zu Unrecht hat das [X.] die zwangsweise Durchführung der [X.] auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen als unverhältnis-mäßig angesehen.
aa) Das [X.] ist nach der Anhörung der Betroffenen von der [X.] einer Begutachtung ausgegangen, weil es Zweifel an ihrer vollstän-digen psychischen Gesundheit gehegt hat.
Damit hat es der Sache nach

wenn auch nicht ausdrücklich

das Vorliegen hinreichender Anhaltspunkte dafür bejaht, dass ein Betreuungsbedarf besteht. Denn andernfalls wäre die Einholung eines Sachverständigengutachtens schon nicht zulässig
gewesen. Hinzu kommt, dass der Senat im vorangegangenen Rechtsbeschwerdeverfah-ren bereits aufgrund der bis dahin getroffenen Feststellungen hinreichende An-11
12
13
14
-
7
-
haltspunkte für eine Betreuungsbedürftigkeit gesehen hat (vgl. Senatsbeschluss vom 29.
Juni 2016

XII
[X.]
603/15

FamRZ 2016, 1663 Rn.
21).
Das [X.] hat gleichwohl die zwangsweise Umsetzung der Begut-achtung abgelehnt.
Dies hat es damit begründet, zum
derzeitigen [X.] bestünden keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die betreu-ungsrechtlichen Maßnahmen mit "überwiegender Wahrscheinlichkeit"
in [X.] kämen. Dabei hat es verkannt, dass
das Betreuungsgericht beim [X.] hinreichender
Anhaltspunkte für eine Betreuungsbedürftigkeit eines Betroffenen
nicht nur

wie von §
280 FamFG vorgeschrieben

ein Sachver-ständigengutachten einholen kann. Es kann nach §
283 FamFG vielmehr auch eine Untersuchung des Betroffenen gegen dessen Willen sowie die Vorführung des Betroffenen zum Zwecke dieser Untersuchung anordnen. In beiden Fällen ist entscheidend, ob hinreichende Anhaltspunkte für eine
Betreuungsbe-dürftigkeit
des Betroffenen
sprechen (Senatsbeschluss vom 23.
Januar 2008

XII
[X.]
209/06

FamRZ 2008, 774 Rn.
17).
Die Zwangsmaßnahmen (Anordnung der Untersuchung und die Vorfüh-rung des Betroffenen)
als solche müssen allerdings verhältnismäßig sein. Sie müssen namentlich erforderlich sein, um die Begutachtung durchführen zu [X.]. Hieran fehlt es, wenn mildere Mittel

etwa eine Androhung

zur Verfü-gung stehen (vgl. MünchKommFamFG/[X.] 2.
Aufl. §
283 Rn.
4 mwN). So ermöglicht die in §
283 Abs.
1 Satz
2 FamFG vorgesehene Anhörung dem [X.], den Betroffenen auf die Konsequenzen seiner Weige-rung hinzuweisen ([X.]/[X.] FamFG 19.
Aufl. §
283 Rn.
5) und damit auf seine freiwillige Mitwirkung an der Begutachtung hinzuwirken.
Schließlich kann mit der zwangsweise durchgeführten Maßnahme ohnehin nur erreicht werden, dass sich der Sachverständige einen persönlichen Eindruck vom Betroffenen
verschafft. Denn zu einer aktiven Mitwirkung bei der Begutachtung kann der 15
16
-
8
-
Betroffene
nicht gezwungen werden ([X.] in [X.] Praxiskommentar Betreu-ungs-
und Unterbringungsverfahren 3.
Aufl. §
283 Rn.
3 mwN).
Das Gericht darf
die Begutachtung des Betroffenen im Übrigen dann nicht mit den gemäß §§
283
f. FamFG zu Gebote stehenden Mitteln durchset-zen, wenn die Vorführung des Betroffenen oder deren
zwangsweise Vollzie-hung außer Verhältnis zum Verfahrensgegenstand stehen würden
(Senatsbe-schluss vom 3.
Dezember 2014

XII
[X.]
355/14

FamRZ 2015, 486 Rn.
13
mwN; Prütting/[X.]/[X.] FamFG 4.
Aufl. §
283 Rn.
10; vgl. Senatsbe-schluss vom 2.
Juli 2014

XII
[X.]
120/14

FamRZ 2014, 1543 Rn.
16
zur per-sönlichen Anhörung).
bb) Dass die zwangsweise Durchsetzung der Begutachtung unverhält-nismäßig wäre, hat das [X.] nach diesen Maßgaben nicht rechtsfehler-frei beurteilt. Vor allem verhält sich die angegriffene Entscheidung nicht zu der Frage, ob etwaige Maßnahmen nach §§
283
f. FamFG außer Verhältnis zum Verfahrensgegenstand stünden.
Dabei lässt sich aufgrund der bislang vorlie-genden Anhaltspunkte nicht ausschließen, dass für die Betroffene
eine Betreu-ung mit einem über die Vertretung im [X.] hinausge-henden Aufgabenkreis anzuordnen ist.
Die Äußerung des Sachverständigen, wonach die Vorführung der Betroffenen "zumindest aus psychiatrischer Sicht als nicht verhältnismäßig angesehen"
werde,
stellt lediglich eine rechtlich un-verbindliche Einschätzung des Gutachters dar.
17
18
-
9
-
3. Gemäß §
74 Abs.
5 und Abs.
6 Satz
3 FamFG ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an eine andere Zivilkammer des Landge-richts
zurückzuverweisen.

Dose

Schilling

Nedden-Boeger

Botur

Guhling
Vorinstanzen:
[X.] am Rhein, Entscheidung vom 09.09.2015 -
8c XVII 168/15 -

LG [X.]
([X.]), Entscheidung vom 02.06.2017 -
1 [X.] -

19

Meta

XII ZB 292/17

24.01.2018

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.01.2018, Az. XII ZB 292/17 (REWIS RS 2018, 15111)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 15111

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XII ZB 292/17

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