Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.07.2017, Az. 4 StR 415/16

4. Strafsenat | REWIS RS 2017, 8439

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:060717U4STR415.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
4
StR
415/16

vom
6. Juli 2017
in der Strafsache
gegen

1.
2.

wegen fahrlässiger Tötung

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat aufgrund der Verhandlung vom 8.
Juni 2017 in der Sitzung am
6.
Juli
2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende [X.]in
am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,

[X.] am Bundesgerichtshof
Cierniak,
[X.],
Dr. [X.],
Dr. Feilcke

als beisitzende [X.],

[X.] beim Bundesgerichtshof

als Vertreterin
des
[X.]s,

Rechtsanwalt

in der Verhandlung

als Verteidiger
des Angeklagten

F.

,

Rechtsanwalt

als Verteidiger des Angeklagten

M.

,

Rechtsanwalt

in der Verhandlung

als Vertreter der Nebenkläger,

die Nebenkläger T.

S.

und F.

S.

in Person

in
der Verhandlung

,

Justizangestellte

in der Verhandlung

,
Justizangestellte

bei der Verkündung

als Urkundsbeamtinnen
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
-
3
-
1.
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 14.
April 2016 mit den zugehö-rigen Feststellungen aufgehoben, soweit die gegen die Angeklagten erkannten Freiheitsstrafen zur Bewährung ausgesetzt worden sind.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere [X.] des Landge-richts zurückverwiesen.
2.
Die weiter gehenden
Revisionen
werden
verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagten
[X.]eils
wegen fahrlässiger Tötung zu Freiheitsstrafen
von zwei Jahren (F.

) sowie
einem Jahr und neun Mona-
ten (M.

) verurteilt;
die Vollstreckung beider Freiheitsstrafen
hat es
zur Be-
währung ausgesetzt. Ferner hat es gegen beide Angeklagte Maßregeln nach §§
69, 69a StGB angeordnet. Hiergegen richten sich die
zu Ungunsten der [X.] eingelegten und
wirksam auf den Strafausspruch beschränkten
Revi-sionen der Staatsanwaltschaft. Die vom [X.] vertretenen Rechtsmittel, die
[X.]eils auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt werden, erzielen den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg.
Die Revisionen der 1
-
4
-
Angeklagten
hat der Senat mit Beschluss vom 6.
Juni 2017 gemäß §
349 Abs.
2
[X.] verworfen.
I.
1.
Das [X.] hat folgende Feststellungen getroffen:
Am 14.
April 2015 fuhren die
Angeklagten
mit von ihnen geführten Pkw

F.

mit einem [X.], M.

mit einem [X.] Cabrio 280SL

in
[X.] in Richtung der [X.]. Auf dem Weg dorthin hatten sie
bereits mehrere Fahrzeuge
mit überhöhter Geschwindigkeit überholt. Nach einem Halt
(UA
12) mit überhöhtem Tempo

F.

voran

rechts an
dem auf der D.

-Straße fahrenden
Kraftfahrzeug eines Zeugen vorbei. An der nächsten Lichtzeichenanlage kam der von M.

gefahrene [X.] dicht hinter dem [X.] des
Angeklagten
F.

zum Stehen. Während der Wartezeit spielten die Angeklagten [X.]eils
mit Gaspedal und Bremse, ließen die Motoren aufheulen und rückten Stück für Stück vor. Als die Ampel auf Grün umsprang, gab F.

massiv Gas und bog
mit quietschenden Reifen nach rechts in den A.

weg ab, dicht gefolgt von
M.

. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit betrug 50
km/h, das Überholen war
durch Zeichen
276 (Anlage
2 zu §
41 [X.]) verboten.
Ohne dies explizit vor ihrer Abfahrt abgesprochen zu haben, entstand jeder der beiden dem anderen seine überlegene Fahrkunst und die Leistung seines Fahrzeugs demonstrieren wollte; beide wollten möglichst hohe Ge-schwindigkeiten erzielen und vor dem anderen am Ziel ankommen. Dabei war ihnen bewusst, dass ihre riskante Fahrweise geeignet war, andere Verkehrs-2
3
4
-
5
-
teilnehmer zu gefährden und in einen Unfall

auch mit unbeteiligten Dritten

münden konnte (UA
13).
Sie vertrauten jedoch in Überschätzung ihrer [X.] als Fahrzeugführer darauf, es werde schon nichts passieren. Um diese [X.] (18.45
Uhr) herrschte auf dem A.

weg ein relativ geringes Verkehrsaufkom-
men.
Der an erster Stelle fahrende F.

beabsichtigte, vor M.

zu bleiben
und diesen auch bis zu ihrem Ziel

den noch etwa 1.200 bis 1.500
Meter ent-fernten [X.]

nicht überholen zu lassen. Nach [X.] erhöhte er seine Geschwindigkeit immer weiter. M.

hatte jedoch
beim Anfahren an der Ampel ebenfalls Gas gegeben, hielt mit F.

mit und
bedrängte diesen, indem er sehr dicht auffuhr. F.

gab weiter Gas. Mit stark
überhöhter Geschwindigkeit und eng hintereinander fahrend erreichten sie die erste, weit gezogene Linkskurve.
Eine Zeugin, die gerade ihr Fahrrad über die n--1-,
an ihr vorbeirauschten

(UA
14).
Eine weitere Zeugin, die ihnen auf Höhe der zwei-ten, ebenfalls weit gezogenen Linkskurve joggend auf der rechten Seite entge-
(UA
15).
Sie nahm ein Spielen mit dem Gaspedal und laute Musik wahr. Sie wähnte sich in großer Gefahr, da sie befürchtete, die Angeklagten würden aufgrund der hohen Geschwindigkeit die Kurve nicht mehr nehmen können und sie überfahren.
Auch F.

befürchtete inzwischen, die Kurve in diesem Tempo nicht
mehr befahren zu können, bremste aber aus Angst, M.

würde aufgrund des
geringen Abstandes mit dem [X.] auffahren, nicht ab. Es gelang ihm [X.] noch, die Kurve zu durchfahren. Hierbei erreichte er eine Geschwindigkeit von etwa 95
km/h; die Kurvengrenzgeschwindigkeit lag an dieser Stelle bei [X.]
km/h. Aufgrund der hohen Geschwindigkeit geriet der von F.

gefah-
5
-
6
-
rene [X.] ausgangs der Kurve ins Driften,
zuerst nach rechts, anschließend nach links, wobei er die Mittellinie überfuhr,
und anschließend wieder zurück nach rechts. Mit einer Geschwindigkeit von 73 bis 83
km/h stieß der [X.] mit dem rechten Hinterrad an die rechtsseitige Bordsteinkante. Anschließend brach
er nach links aus und schleuderte in einer linksdrehenden Rotationsbewegung über die gesamte Fahrbahnbreite. Der Pkw schlitterte über die Gegenfahrbahn auf den

in Fahrtrichtung links verlaufenden

Radweg zu und überfuhr die dortige Bordsteinkante. Auf dem Radweg erfasste er die dort mit
ihrem
Rad
fah-rende 19jährige Studentin

S.

; das Fahrrad kollidierte nahezu im
rechten Winkel mit der Beifahrerseite des [X.]. Die Kollisionsgeschwindigkeit betrug zu diesem [X.]punkt 48 bis 55
km/h.

S.

und [X.] wur-
den in das neben dem Weg wachsende Gebüsch geschleudert; sie kam dort zum Liegen. Der [X.] schlitterte zurück auf den Radweg, begrub einen [X.] unter sich und kam schließlich entgegen seiner ursprünglichen Fahrt-richtung stark beschädigt zum Stehen.

S.

wurde umgehend zur intensivmedizinischen Versorgung
in die Universitätsklinik K.

gefahren; sie verstarb trotz zeitnaher operativer
Versorgung an den Folgen eines zentralen Regulationsversagens.
2.
Das [X.] hat die Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung ge-mäß §
222 StGB verurteilt. Beide Angeklagte hätten entgegen §
29 Abs.
1 [X.] ein verbotenes Rennen gefahren und die zulässige Höchstgeschwindig-keit unter Verstoß
gegen §
3 Abs.
1 [X.] (UA
52)

54) überschritten; M.

habe darüber hinaus gegen das in §
4 [X.] normierte Ab-
standsgebot verstoßen.
6
7
-
7
-
Die [X.]
hat die
Angeklagten
zu den eingangs genannten Frei-heitsstrafen verurteilt
und bei deren Bemessung auch dem Strafzweck der Ge-
ist nämlich von
einer
gemein-schaftsgefährlichen
Zunahme solcher oder ähnlicher Straftaten im [X.] Stadtgebiet ausgegangen.
Die Vollstreckung beider Freiheitsstrafen hat das [X.] zur Bewäh-rung ausgesetzt. Es hat beiden Angeklagten eine günstige Sozialprognose ge-stellt (§
56 Abs.
1 StGB), das Vorliegen besonderer
Umstände im Sinne des §
56 Abs.
2 StGB bejaht und ferner gemeint, die Verteidigung der Rechtsord-nung gebiete es nicht, den Angeklagten die Strafaussetzung
zur Bewährung zu versagen (§
56 Abs.
3 StGB). Außerdem
hat es Maßregeln nach §§
69, 69a StGB angeordnet.
II.
Die Revisionen
der Staatsanwaltschaft erweisen sich teilweise als be-gründet.
1.
Die Rechtsmittel sind wirksam auf den [X.]eiligen Strafausspruch be-schränkt (§
344 Abs.
1 [X.]).
Die Beschwerdeführerin hat zwar einen unbeschränkten Antrag auf Auf-hebung des angefochtenen Urteils gestellt. Jedoch hält sie das Urteil nur des-halb für fehlerhaft, weil das [X.] die Angeklagten [X.]eils zu einer zu niedrigen Freiheitsstrafe verurteilt und diese rechtsfehlerhaft zur Bewährung ausgesetzt habe.
8
9
10
11
12
-
8
-
Widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegrün-dung, ist unter Berücksichtigung von Nr.
156 Abs.
2 [X.] das Angriffsziel durch Auslegung zu ermitteln (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteile vom 11.
Juni 2014

2
StR
90/14, [X.], 285, vom 22.
Februar 2017

5
StR
545/16 und vom 26.
April 2017

2
StR
47/17). Nach dem insoweit maßgeblichen Sinn der Revisionsbegründung hat die Beschwerdeführerin deutlich zu erkennen gege-ben, dass sie sich allein gegen die Strafaussprüche
wendet und mit ihren
Rechtsmitteln
nicht die Schuld-
und Maßregelaussprüche
angreifen will.
2.
Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft bleiben im Ergebnis ohne [X.], soweit sie sich gegen die

nach Auffassung der
Beschwerdeführerin zu geringe

Höhe der gegen die Angeklagten verhängten Freiheitsstrafen wen-den.
a)
Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage seines umfassenden Eindrucks von der Tat und der Persönlichkeit des [X.] die wesentlichen entlastenden und belasten-den Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzu-wägen. In die [X.] des Tatgerichts kann das Revisi-onsgericht nur eingreifen, wenn diese Rechtsfehler aufweist, weil die Zumes-sungserwägungen in sich fehlerhaft sind, das Tatgericht gegen rechtlich aner-kannte [X.] verstoßen hat oder sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Nur in diesem Rahmen kann eine Verletzung des Gesetzes im Sinne des §
337 Abs.
1 [X.] vorliegen. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist da-gegen ausgeschlossen
(st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil
vom 25.
April 2017

1
StR
606/16 mwN).
Dem Revisionsgericht
ist es verwehrt, seine eigene [X.] an die Stelle
des Tatgerichts zu setzen; vielmehr muss es die von ihm vor-13
14
15
-
9
-
genommene
Bewertung bis an die Grenze des Vertretbaren
hinnehmen
([X.], Urteil vom 2.
Februar 2017

4
StR
481/16, [X.], 105, 106).
b)
Hieran gemessen weist die Festsetzung der gegen die Angeklagten verhängten Freiheitsstrafen keine Rechtsfehler auf.
aa)
Das gilt zunächst, soweit die Beschwerdeführerin und der General-
s-(so der [X.] in seiner Terminszuschrift vom 23.
De-zember 2016) nicht als strafmildernde Gesichtspunkte hätten berücksichtigt werden dürfen. [X.] nicht ausgegangen (UA
59). Im Übrigen hängt die Frage, ob ein einzelner Umstand zumessungserheblich und die ihm vom Tatrichter beigelegte Bewertungsrich-tung vertretbar ist, insbesondere nicht davon ab, ob die [X.] diesen Umstand positiv oder negativ umschreiben. Dies kann vielmehr nur nach Lage des Einzelfalls beurteilt werden (st. Rspr.; vgl. nur [X.]

[X.]er Senat für Strafsachen

, Beschluss vom 10.
April 1987

GSSt
1/86, [X.]St 34, 345, 349 f.). Daran gemessen begegnet
auch die Erwägung

n-stre

keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil das
[X.] ausweislich der getroffenen Feststellungen das gesamte Fahrverhalten der [X.] im Blick hatte.
bb)
Im Ergebnis rechtsfehlerfrei hat das [X.] davon abgesehen, das [X.] des
Angeklagten M.

seine Äußerungen und seine
unangemessene Sorge um sein Fahrzeug an der Unfallstelle

strafschärfend heranzuziehen; mit Blick auf den Umstand, dass M.

nicht der unmittelbare
Verursacher des tödlichen Unfalls war, ist der Schluss der [X.] auf
eine fehlende rechtsfeindliche Einstellung vertretbar.
16
17
18
-
10
-
cc)
Es kann dahinstehen, ob das [X.] bei seiner Strafzumessung mit Recht davon ausgegangen ist, F.

habe durch die Fahrt (lediglich) zwei
und M.

drei Ordnungswidrigkeiten begangen.
Der Senat schließt
aus, dass
die [X.] einer etwaigen Verwirklichung weiterer Ordnungswidrigkeiten-tatbestände

insbesondere fuhren beide Angeklagte Fahrzeuge, deren Be-triebserlaubnisse
erloschen waren

zusätzliche strafschärfende Bedeutung beigemessen hätte, da die Anzahl der Verkehrsverstöße nur einer von mehre-ren Gesichtspunkten war, die das [X.] zur Begründung des zu Recht angenommenen hohen Maßes der Pflichtwidrigkeit herangezogen hat.
dd)
Im Übrigen erschöpft sich der Vortrag der Revisionsführerin in dem Versuch, mit eigenen Wertungen die Strafzumessung des [X.]s durch eine eigene zu ersetzen; damit kann sie im Revisionsverfahren nicht gehört werden. Insbesondere hat die [X.] das besonders hohe Maß der Leichtfertigkeit
rechtsfehlerfrei in die Bemessung der Strafen eingestellt.
[X.] hat sie
bei beiden Angeklagten dem
hier relevanten Aspekt der General-prävention wegen der signifikanten Zunahme tödlicher Verkehrsunfälle auf-grund deutlich überhöhter Geschwindigkeit im Stadtgebiet von [X.] und an an-deren Orten bei der Strafzumessung Rechnung getragen und strafschärfend berücksichtigt.
3.
Mit Recht beanstandet die Staatsanwaltschaft indes die Aussetzung der Vollstreckung der beiden Freiheitsstrafen
zur Bewährung.
Nicht anders als die Strafzumessung ist auch die Entscheidung, ob die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird, grundsätz-lich Sache des Tatrichters (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteile
vom 26.
April 2007

4
StR
557/06, [X.], 232, 233,
und
vom 21.
Februar 2001

1
StR 19
20
21
22
-
11
-
519/00, [X.], 366, 367). Wird eine Strafe zur Bewährung ausgesetzt, müssen die Urteilsgründe in einer der revisionsrechtlichen Überprüfung zu-gänglichen Weise die dafür maßgebenden Gründe angeben (§
267 Abs.
3 Satz
4 [X.]). Dabei reichen formelhafte Wendungen oder die Wiederholung des Gesetzeswortlauts nicht aus (vgl. [X.] in Löwe/[X.], [X.], 26.
Aufl., §
267 Rn.
110 mwN).
a)
Allerdings hat das [X.] beiden Angeklagten rechtsfehlerfrei
eine positive Legalprognose im Sinne des §
56 Abs.
1 StGB gestellt. Es hat hierbei
im Wesentlichen auf die [X.] Eingliederung, den Schulabschluss und die berufliche Perspektive der Angeklagten abgestellt. M.

sei nicht vorbe-
straft, F.

-
genden Tat. F.

sei durch das Verfahren, dem ein außergewöhnlich großes
Medieninteresse zuteil geworden sei, sichtlich beeindruckt; er habe durch sein Geständnis rückhaltlos die Verantwortung für die Tat übernommen. Beiden [X.] sei eine Zugehörigkeit zur sog.
Raserszene nicht nachzuweisen.
b)
Sowohl die Annahme des [X.]s, es lägen bei beiden Ange-klagten besondere Umstände im Sinne des §
56 Abs.
2 StGB vor, als auch die Wertung, die Verteidigung der Rechtsordnung gebiete nicht die Vollstreckung der Strafen (§
56 Abs.
3 StGB), weisen jedoch

auch eingedenk des [X.] revisionsrechtlichen [X.] (vgl. dazu [X.], Urteil vom 13.
Juli 2016

1
StR
128/16)

durchgreifende Rechtsfehler auf.
aa)
Besondere Umstände im Sinne des §
56 Abs.
2 StGB sind Milde-rungsgründe von besonderem Gewicht, die eine Strafaussetzung trotz des Un-rechts-
und [X.], der sich in der Strafhöhe widerspiegelt, als nicht un-angebracht erscheinen lassen. Dazu können auch solche gehören, die schon 23
24
25
-
12
-
für die Prognose nach §
56 Abs.
1 StGB zu berücksichtigen waren. Wenn auch einzelne durchschnittliche Milderungsgründe eine Aussetzung nicht rechtferti-gen, verlangt §
56 Abs.

m-stände. Vielmehr können sich dessen Voraussetzungen auch aus dem Zusam-mentreffen durchschnittlicher Milderungsgründe ergeben ([X.], Beschluss vom 29.
Juli 1988

2
StR
374/88, [X.]R StGB §
56 Abs.
2 Umstände, besonde-re
7). Die besonderen Umstände müssen allerdings umso
gewichtiger
sein, je näher die Freiheitsstrafe
an
der Zweijahresgrenze liegt (vgl. [X.], Urteil vom 12.
Mai 2016

4
StR
487/15, NJW 2016, 2349, 2351; [X.], StGB, 64.
Aufl., §
56 Rn.
24). Bei der Prüfung ist eine Gesamtwürdigung von Tat und Persön-lichkeit des Verurteilten in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise vorzunehmen. Eine erschöpfende Darlegung aller Erwägungen ist weder mög-lich noch geboten; nachprüfbar darzulegen sind lediglich die wesentlichen Um-stände. Die Entscheidung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Tatgerichts; das Revisionsgericht hat dessen, ganz maßgeblich auf dem in der [X.] gewonnenen persönlichen Eindruck beruhende Wertungen bis zur Grenze des Vertretbaren zu respektieren (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Urteile vom 12.
Juni 2001

5
StR
95/01, [X.], 676;
vom 28.
Mai 2008

2
StR
140/08, [X.], 276;
vom 16.
April 2015

3
StR
605/14 und vom 26.
April 2017

2
StR
47/17).
Auch nach diesem eingeschränkten
Prüfungsmaßstab begegnet die An-nahme besonderer Umstände indes durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das [X.] hat rechtsfehlerhaft im Wesentlichen
keine über die bereits bei der Legalprognose herangezogenen
Aspekte hinausgehenden Umstände [X.]; seine Ausführungen
schließen
mit der Erwartung, dass die Ange-klagten
nicht erneut straffällig werden.
Das genügt den aufgezeigten [X.] nicht.
Vielmehr lässt dies besorgen, dass die [X.] bereits das 26
-
13
-
Vorliegen einer
günstigen Legalprognose als solcher einem
besonderen
Um-stand gleichgestellt hat.
Soweit die [X.]
darüber hinaus

ausdrücklich
nur bei F.

g-keitsdelikt

zugrunde zu legende
Tatsachen aus. Nach den Feststellungen handelte
es sich nämlich um eine bewusste
Gefahrschaffung, auch dokumentiert durch die ag-gressive Fahrweise im Vorfeld der Kollision; darüber hinaus verstießen die [X.] vorsätzlich jedenfalls
gegen das
Rennverbot in §
29 Abs.
1 [X.]
(vgl. dazu,
dass der Verstoß gegen
§
29 Abs.
1 [X.]

nur
vorsätzlich
begangen werden
kann,
die Einordnung dieser Ordnungswidrigkeit
als Nr.
248
in Abschnitt
II des [X.] sowie [X.] in [X.]/[X.]/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44.
Aufl., §
29 [X.] Rn.
11).
Dieser Umstand gibt der Tat ihr wesentliches Gepräge und durfte bei der Bewährungsentscheidung nach
§
56 Abs.
2 StGB nicht außer [X.] bleiben.
bb)
Auch die Begründung, mit der das [X.]
die Frage verneint hat, ob die Verteidigung der Rechtsordnung eine Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafen gebietet, weist durchgreifende Rechtsfehler auf.
Strafaussetzung zur Bewährung kann nach §
56 Abs.
3 StGB nur versagt werden, wenn sie für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erschei-nen müsste und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in die [X.] erschüttert und von der Allgemeinheit
als ungerechtfertigtes
Zurückweichen
vor der Kriminalität angesehen
werden könnte
([X.], Urteil vom 8.
Dezember 1970

1
StR
353/70, [X.]St 24, 40, 46; Beschluss vom 21.
Ja-nuar 1971

4
StR
238/70, [X.]St 24, 64, 66, [X.]. zu §
23 Abs.
3 StGB aF). 27
28
29
-
14
-
Dies
darf freilich
einerseits nicht dazu führen, bestimmte Tatbestände oder Tat-bestandsgruppen von der Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung auszuschließen (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteile
vom 24.
April 1997

4
StR
662/96, [X.], 260 [Ls],
und
vom 27.
September 2012

4
StR
255/12, [X.], 40, 41).
Andererseits
gibt es entgegen der Auffassung des [X.]s wonach bei Vorliegen besonderer Umstände im Sinne von §
56 Abs.
2 StGB die Verteidigung der Rechtsordnung nach §
56 Abs.
3 StGB der Strafaussetzung nicht entgegensteht. Dem widerstreitet schon die Systematik des §
56 StGB, der in Absatz
3 gerade für den Fall einen Versagungsgrund vorsieht, in dem

neben der günstigen Legalprognose

besondere Umstände
für eine Strafaussetzung zur Bewährung sprechen. Es handelt sich
vielmehr
um unterschiedliche Gesichtspunkte;
die Frage, ob die Verteidigung der Rechts-ordnung die Vollstreckung gebietet, ist deshalb unter allseitiger Würdigung von Tat und Täter zu entscheiden (vgl. [X.], Beschluss vom 21.
Januar 1971

4
StR
238/70, [X.]St 24, 64, 69; Urteil vom 17.
März 1994

4
StR
4/94, [X.], 336), wobei generalpräventiven Erwägungen Bedeutung zukommt ([X.],
Urteil vom 8.
Dezember 1970

1
StR
353/70, [X.]St 24, 40, 45
mit Nachw. aus der Gesetzgebungsgeschichte; abw.
[X.] in [X.], 3.
Aufl., §
56 Rn.
42 mwN).
Auf das dem [X.]eiligen Fall entgegengebrachte Medieninte-resse kommt es dabei nicht an.
Eine solche allseitige Würdigung findet sich im angefochtenen Urteil nicht. Vielmehr werden
vom [X.] auch hier
wesentliche

zuvor festge-stellte

Gesichtspunkte nicht erörtert. Die [X.] rückt das Vorliegen eines
Fahrlässigkeitsdelikts
in den Vordergrund, spricht von

Fehlversagen

im Zusammenspiel mit einer Selbstüberschätzung eigener Fahrfertigkeiten und r-30
-
15
-
zeuge und betont
abschließend, dass
eine Zugehörigkeit
zur sog. Raserszene nicht erwiesen sei.
Dies verfehlt
den
aufgezeigten rechtlichen Maßstab und schöpft wesent-liche Elemente des zuvor festgestellten Sachverhalts nicht aus: Insbesondere der Umstand, dass die
Angeklagten die

zum Tod von

S.

führen-
den

Gefahren
bewusst geschaffen haben, ist innerhalb von §
56 Abs.
3 StGB von maßgeblicher Bedeutung ([X.], [X.], 246, 247
f.
in ; vgl. auch [X.],
Blutalkohol
15, 62). Auch die äußerst aggressive Fahrweise der Angeklagten bereits vor der eigentlichen Kollision wird von der [X.] nicht in die erforderliche Gesamtwürdigung einbezogen
(vgl. [X.],
[X.], 321). Bei M.

werden die verschiedenen
Voreintragungen im
Fahreignungsregister

bis hin zu
einer Geschwindigkeitsüberschreitung
um 58
km/h

nur formelhaft erwähnt
(vgl. [X.],
[X.], 467 für Fälle . Stattdessen
greift das [X.]
erneut auf Umstände
zurück, die es bereits zur Bejahung der günstigen Prognose her-angezogen hat. Eine Beantwortung
der Frage, ob
durch die Entscheidung die Rechtstreue einer über die Besonderheiten des Einzelfalls aufgeklärten Bevöl-kerung beeinträchtigt wird und die Strafaussetzung von der Allgemeinheit als ungerechtfertigtes Zurückweichen vor der Kriminalität angesehen werden könn-te, erfolgt nicht.
Dies lag jedoch schon angesichts der festgestellten Häufung
31
-
16
-
von Verkehrsunfällen mit tödlichem Ausgang aufgrund überhöhter Geschwin-digkeit in [X.] und anderswo
(vgl. auch BT-Drucks. 18/10145)
nahe.
Sost-Scheible
Cierniak
Franke

[X.]
Feilcke

Meta

4 StR 415/16

06.07.2017

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.07.2017, Az. 4 StR 415/16 (REWIS RS 2017, 8439)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 8439

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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