Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.06.2012, Az. I ZR 87/11

I. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 5696

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
I [X.]/11
Verkündet am:

13.
Juni
2012

Führinger

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] Art. 29; BGB § 254 Abs. 2 Satz
1 Da
a)
Der im Transportrecht für Verlustfälle entwickelte Grundsatz, dass den Frachtführer eine sekundäre Darlegungslast trifft, wenn der Vortrag des Gegners ein vom Frachtführer zu vertretendes schadensursächliches qualifi-ziertes Verschulden mit gewisser Wahrscheinlichkeit nahelegt oder sich [X.] dafür aus dem unstreitigen Sachverhalt ergeben, gilt auch für Fälle, in denen das Frachtstück zwar abgeliefert, seine Verpackung aber während des Transports geöffnet, sein Inhalt ganz oder teilweise [X.] und die Verpackung wieder verschlossen worden ist.

b)
Der Hinweis an den Frachtführer auf den ungewöhnlich hohen Wert des [X.] braucht nicht grundsätzlich bis zum Abschluss des [X.] zu erfolgen. Er muss nur so rechtzeitig erteilt werden, dass der [X.] noch im normalen Geschäftsablauf eine Entscheidung darüber treffen kann, ob er angesichts des Werts des [X.] den [X.] über-haupt ausführen will, und dass er

falls er sich für die Ausführung entschei-det

die
notwendigen besonderen Sicherungsmaßnahmen ergreifen kann.

[X.], Urteil vom 13. Juni 2012 -
I [X.]/11 -
[X.]

[X.]

-
2
-
Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 13.
Juni
2012 durch [X.]
Dr.
Büscher, Pokrant, Prof.
Dr.
Schaffert, Dr.
Koch und
Dr.
Löffler

für Recht erkannt:

Die Revisionen der Klägerin und der [X.] gegen das Urteil des [X.]

23.
Zivilsenat

vom 14.
April
2011 werden zurückgewiesen.

Die Kosten
des Revisionsverfahrens werden gegeneinander [X.].

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist der [X.]

, die in
F.

eine Weinhandlung betreibt (im Weiteren: Versicherungsnehmerin).
Diese beauftragte die [X.] am 28.
Mai
2008 damit, acht
Flaschen Wein bei der M.

S.A. in Ma.

abzuholen und nach F.

zu
befördern. Bei der Abholung des Weins bei M.

am 24.
Juni
2008 durch
einen [X.] Fahrer wurde diesem eine
Frachtkarte (Feuille de route) 1
-
3
-
ausgehändigt, die für das in einem Karton enthaltene Frachtgut einen Versiche-rungswert von 20.400

Juni
2008 erfolgten Abliefe-rung der Sendung in F.

zeigte sich, dass
der Karton von seiner Unterseite
her geöffnet worden war und sechs der acht Weinflaschen fehlten.

Die Klägerin hat die [X.] aus übergegangenem Recht der Versiche-rungsnehmerin auf Ersatz des Wertes der sechs fehlenden Weinflaschen in Höhe von 15.300

s-kosten in Anspruch genommen.

Das [X.] hat der Klage in vollem Umfang, das Berufungsgericht unter Abweisung der Klage im Übrigen in Höhe von 7.650

eines Teils der erstattet verlangten Anwaltskosten stattgegeben und die [X.] zugelassen ([X.], Urteil vom 14.
April
2011

23
U
3364/10, juris).

Dagegen richten sich die Revisionen beider Parteien. Mit ihrer
Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, [X.] die [X.] mit ihrem Rechtsmittel ihren Klageabweisungsantrag weiter-verfolgt.
Beide Parteien beantragen, das Rechtsmittel der Gegenseite zurück-zuweisen.

Entscheidungsgründe:

[X.] Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin aus Art.
3, 17 Abs.
1, Art.
29 [X.] in Verbindung mit §
398 BGB bejaht, ist aber von einem zur hälftigen Schadensteilung führenden Mitverschulden der Versicherungs-nehmerin ausgegangen. Dazu hat es ausgeführt:
2
3
4
5
-
4
-

Das [X.] habe die Klägerin zutreffend als jedenfalls aufgrund [X.] konkludenten Abtretung durch Übergabe der [X.] angesehen und auf der Grundlage der von ihm durchgeführ-ten Beweisaufnahme mit Recht angenommen, dass die sechs fehlenden [X.] weder bereits vor der Abholung des Weins bei M.

noch erst nach
der Anlieferung bei der Versicherungsnehmerin abhanden gekommen seien.

Nach den auch im Falle einer verschärften Haftung gemäß Art.
29 [X.] anwendbaren Grundsätzen zum Mitverschulden könne der Frachtführer [X.], dass nicht auf den

im Streitfall ohne weiteres erreichten

außerge-wöhnlich hohen Wert des
[X.] und das sich daraus ergebende [X.] hingewiesen worden sei. Das Vorbringen der Klägerin, die [X.] habe auf die Angabe besonders hoher Werte verzichtet, um die Versicherungs-nehmerin als Geschäftspartner zu gewinnen oder die Geschäftsbeziehung zu dieser auszubauen, sei durch die Beweisaufnahme nicht bestätigt worden. Nach deren Ergebnis könne außerdem weder von einer Kenntnis der Mitarbei-ter der [X.], dass im Einzelfall auch außergewöhnlich teure Weine zu transportieren seien,
noch davon ausgegangen werden, dass die [X.] auch im Falle eines Hinweises keine anderweitigen Vorkehrungen zum Schutz des besonders wertvollen Transportgutes getroffen hätte. Die Versicherungsnehme-rin habe ihrer Hinweisobliegenheit auch nicht dadurch
genügt, dass dem [X.] die den Wert des Weins ausweisende Frachtkarte ausgehändigt worden sei, weil die [X.] darauf nicht mit einer Ablehnung des Transports oder Verhandlungen über eine Anpassung der Frachtvergütung habe reagieren [X.]. Bei Abwägung der Mitverschuldensanteile sei aber auch zu [X.], dass ein mit einer entsprechenden Wertangabe
konfrontierter [X.] mit
einem
Mobiltelefon unschwer weitere Weisungen von seinen Vorgesetzten
habe anfordern können
und ein Mitverschulden der [X.] darin liegen 6
7
-
5
-
könnte, dass sie ihrer
Subunternehmerin beim Auftreten entsprechender au-ßergewöhnlicher Umstände keine Rückfrage-
oder Hinweispflichten auferlegt habe. Unter Berücksichtigung aller Umstände sei von einem [X.] der Versicherungsnehmerin in Höhe von 50% auszugehen.

I[X.]
Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

1. Die Revisionen
sind
uneingeschränkt zulässig. Das Berufungsgericht hat die von ihm im Tenor seiner Entscheidung ohne Einschränkungen ausge-sprochene Revisionszulassung nachfolgend in den Gründen damit begründet, dass höchstrichterlich noch nicht entschieden worden sei, ob der Versender seine Obliegenheit, auf einen besonders hohen Wert des [X.] hinzu-weisen, auch noch
durch einen Hinweis an den [X.] erfüllen könne. [X.] Beschränkung der Revisionszulassung kann darin schon deshalb nicht ge-sehen werden, weil das Berufungsgericht zugleich klargestellt hat, dass es die Revision ohne besondere Einschränkungen zulässt
(vgl. [X.], Urteil vom 30.
September
2010

I
ZR
39/09, [X.]Z 187, 141 Rn.
18; Urteil vom 28.
Oktober
2010

I
ZR
18/09, GRUR 2011, 714 Rn.
51 = [X.], 913

[X.]).

2. Die Revisionen der Parteien sind unbegründet. Der Klägerin steht ge-gen die [X.] aus übergegangenem Recht der Versicherungsnehmerin (§
398 BGB) ein Schadensersatzanspruch wegen des teilweisen Verlustes des [X.] nach Art.
3, 17 Abs.
1, Art.
23 und 29 [X.] zu, der wegen eines Mitverschuldens der Versicherungsnehmerin nach §
254 BGB auf die Hälfte reduziert ist.

a) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler die Voraussetzungen [X.] vertraglichen Haftung der [X.] für den Verlust der sechs Weinflaschen 8
9
10
11
-
6
-
nach Art.
17 Abs.
1 [X.] festgestellt. Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass die [X.] von der Versicherungsnehmerin als Fixkostenspediteurin im Sinne von §
459 HGB beauftragt worden ist und sich ihre Haftung demgemäß grundsätzlich nach den Bestimmungen über die Haftung des Frachtführers (Art.
17 ff. [X.]) richtet. Es hat weiter zu Recht angenommen, dass der Verlust der in Rede stehenden sechs Weinflaschen während des [X.], also zwischen dem Zeitpunkt der Übernahme des [X.] und dem seiner Ablie-ferung, eingetreten ist.

b) Ohne Erfolg
wendet sich die Revision der [X.] gegen die An-nahme des Berufungsgerichts, die [X.] hafte unbeschränkt nach Art.
29 [X.].

aa) Das Berufungsgericht hat die unbeschränkte Haftung der [X.] unter Hinweis auf die Ausführungen im landgerichtlichen Urteil bejaht. Das [X.] ist davon ausgegangen, dass die in Rede stehenden sechs Wein-flaschen vorsätzlich entwendet worden sein müssen und die Voraussetzungen des Art.
29 [X.] danach vorliegen.

[X.]) Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält
den Angriffen der Revi-sion der [X.] stand.

(1) Die Revision der [X.] rügt, das Berufungsgericht habe keine nachprüfbaren Feststellungen zu einem qualifizierten Verschulden der [X.] im Sinne von Art.
29 [X.] getroffen. Der Diebstahl könne auch von einem [X.] begangen worden sein, der nicht zu den Bediensteten im Sinne des Art.
3 [X.] gehöre. Im Streitfall sei auch nicht von einer
sekundären [X.] der [X.] auszugehen. Der vorliegende Sachverhalt sei nicht mit Fallkonstellationen
vergleichbar, in denen der Verlust des [X.] oder 12
13
14
15
-
7
-
einzelner [X.] eingetreten sei und in denen der Senat eine sekun-däre Darlegungslast des Fachführers bejaht habe. Es müsse deshalb bei der gesetzlich vorgesehenen Darlegungs-
und Beweislast der Klägerin als Gläubi-gerin bleiben. Dem kann nicht zugestimmt werden.

(2) Grundsätzlich hat allerdings der Anspruchsteller die Voraussetzungen für den Wegfall der zugunsten des Frachtführers bestehenden gesetzlichen oder
vertraglichen Haftungsbegrenzungen darzulegen und zu beweisen. [X.] trägt er die Darlegungs-
und Beweislast dafür, dass der Frachtführer vor-sätzlich oder in einer dem Vorsatz gleichstehenden Weise schuldhaft gehandelt hat (vgl. [X.], Urteil vom 10.
Dezember
2009

I
ZR
154/07, [X.] 2010, 78 Rn.
16 = NJW 2010, 1816).

Die dem Anspruchsteller obliegende Darlegungs-
und Beweislast kann jedoch dadurch gemildert werden, dass der Frachtführer angesichts des unter-schiedlichen [X.] der Vertragsparteien nach [X.] und Glauben gehalten ist, soweit möglich und zumutbar, zu den näheren Umständen des [X.] eingehend vorzutragen. Eine solche sekundäre Darlegungslast des Anspruchsgegners ist zu bejahen, wenn der Klagevortrag ein qualifiziertes Verschulden mit gewisser Wahrscheinlichkeit nahelegt oder sich Anhaltspunkte für ein derartiges Verschulden aus dem unstreitigen Sachverhalt ergeben. [X.] hat der Frachtführer in diesem Fall substantiiert darzulegen, welche Sorgfalt er zur Vermeidung des eingetretenen Schadens konkret angewendet hat. Kommt er dem
nicht nach, kann nach den Umständen des Einzelfalls der Schluss auf ein qualifiziertes Verschulden gerechtfertigt sein (ständige Recht-sprechung des Senats; vgl. nur [X.], Urteil vom 18.
Dezember
2008

I
ZR
128/06, [X.] 2009, 134 Rn.
14). Diese Grundsätze hat die Recht-sprechung für den Fall des Verlustes von Transportgut entwickelt (vgl. [X.], [X.] 2010, 78 Rn.
16; [X.], Urteil vom 24.
November
2010
I
ZR
192/08, 16
17
-
8
-
[X.] 2011, 161 Rn.
27; Urteil vom 13.
Januar
2011
I
ZR
188/08, [X.] 2011, 218 Rn.
15 = [X.], 1161).

Diese beim
Verlust von Transportgut bestehenden
Rechtsprechungs-grundsätze gelten regelmäßig
auch bei einer während des Transports eingetre-tenen Beschädigung des [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 12.
Januar
2012

I
ZR
214/10, [X.] 2012, 107 Rn.
24 = NJW-RR 2012, 364). Liegt ein quali-fiziertes Verschulden aufgrund des [X.] nahe, muss der beklagte Frachtführer Angaben zu den näheren Umständen der Schadensentstehung machen.
Er muss insbesondere mitteilen, welche Kenntnisse er über den kon-kreten [X.] hat und welche Schadensursachen er ermitteln konnte. Ihn trifft mithin eine Recherchepflicht ([X.], [X.] 2011, 218 Rn.
16; [X.]
2012, 107 Rn.
24). Etwas anderes kann allerdings je nach Art der [X.] gelten. Von einem derartigen Ausnahmefall ist etwa auszugehen, wenn beim Warenumschlag gebotene Kontrollmaßnahmen unterblieben sind, diese aber

anders als beim Verlust des [X.]
bei der
konkreten Art der
Beschädigung der Sendung keinen Rückschluss auf ein qualifiziertes Ver-schulden des Frachtführers zulassen (vgl. [X.], Urteil vom 22.
November
2007

I
ZR
74/05, [X.]Z 174, 244 Rn.
26).

Im Unterschied dazu
beruhen bei der Ablieferung des [X.] zu-tage getretene Teilverluste und durch Nichtablieferung erkennbar werdende Totalverluste nicht selten auf Fehlverladungen oder Diebstählen, die der [X.] durch dokumentierte Schnittstellenkontrollen oft hätte verhindern oder zumindest nachträglich hätte aufklären können. Eine vergleichbare Situation ist im vorliegenden Fall gegeben, in
dem das Frachtstück zwar abgeliefert, seine Verpackung aber während des Transports geöffnet, sein Inhalt teilweise her-ausgenommen und die Verpackung wieder verschlossen worden ist. In einem solchen Fall beruht der eingetretene teilweise Verlust des [X.] entwe-18
19
-
9
-
der auf einem vorsätzlichen Verhalten eines [X.] oder eines vom Frachtfüh-rer eingeschalteten Bediensteten bzw. einer anderen mit dem Transport beauf-tragten Person. Für das vorsätzliche Verhalten der beim Transport eingeschal-teten Bediensteten und anderen Personen haftet der Frachtführer nach Art.
3, 29 [X.] unbeschränkt. Die Voraussetzungen einer unbeschränkten Haftung nach Art.
29 [X.] können
aber auch bei einem Diebstahl des [X.] durch einen [X.] vorliegen. Dies ist dann der Fall, wenn
der Frachtführer oder die Person, für die er nach Art.
3 [X.] einzustehen hat, keine ausreichenden Sicherheitsmaßnahmen getroffen hat, dadurch der
Zugriff des [X.] auf das Transportgut ermöglicht wurde und
die Voraussetzungen eines qualifizierten Verschuldens im Sinne des Art.
29 [X.] erfüllt sind.

Das Berufungsgericht ist danach hinsichtlich der Umstände, unter denen die sechs Weinflaschen abhandengekommen
sind, mit Recht von einer sekun-dären Darlegungslast der [X.] ausgegangen. Diese hätte den Lauf des Transportgutes, das Ergebnis der Schnittstellenkontrollen und die getroffenen Sicherheitsvorkehrungen im Einzelnen darlegen müssen, damit die Klägerin
zu einem qualifizierten Verschulden der [X.] vortragen konnte. Dieser [X.] ist die [X.]

wie sie auch mit ihrer Revision nicht in Zweifel zieht, mit der sie allein das Bestehen einer solchen Darlegungslast in Abrede stellt

nicht nachgekommen. Das Berufungsgericht konnte den Vortrag der Klägerin zum Vorliegen eines qualifizierten Verschuldens der [X.] oder der Perso-nen, deren sie sich bei der Ausführung der Beförderung bedient hat, daher als unbestritten behandeln (§
138 Abs.
3 ZPO; vgl. [X.], Urteil vom 14.
Juni
2005

VI
ZR
179/04, [X.]Z 163, 209, 214; Urteil vom 17.
Januar
2008

III
ZR
239/06, [X.], 982 Rn.
16).

c) Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht ein anspruchsmin-derndes Mitverschulden der Versicherungsnehmerin gemäß §
254 Abs.
2 20
21
-
10
-
Satz
1 BGB wegen eines unterlassenen Hinweises auf die Gefahr eines unge-wöhnlich hohen Schadens bejaht und den Mitverschuldensanteil zutreffend mit 50% bemessen.

aa) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei
angenommen, dass auch
die gemäß Art.
29 [X.] unbeschränkte Haftung der [X.] durch ein für den Schaden ursächlich gewordenes Mitverschulden der Versicherungsnehmerin gemindert sein kann (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 13.
August
2009

I
ZR
3/07, [X.] 2010, 143 Rn.
11).
Es ist weiter davon ausgegangen, dass die Versicherungsnehmerin dadurch eine für den eingetretenen Schaden ur-sächliche Bedingung gesetzt hat, dass sie ihre
aus dem Grundsatz von [X.] und Glauben folgende Obliegenheit nicht rechtzeitig und damit nicht ordnungs-gemäß erfüllt hat, die [X.] über den außergewöhnlich hohen Wert des [X.] und das
damit verbundene Schadensrisiko aufzuklären (vgl. [X.], Urteil vom 19.
Januar 2006 -
I
ZR
80/03, [X.] 2006, 121 Rn.
18 =
[X.], 953; MünchKomm.HGB/[X.], 2.
Aufl., Art.
29 [X.] Rn.
38). Dagegen wendet sich die Revision der Klägerin im Ergebnis ohne Er-folg.

[X.]) Die Frage, wann der Hinweis auf den besonders hohen Wert des Transportgutes und damit auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens spätestens zu erfolgen hat, ist umstritten.

(1) Das Berufungsgericht hat es als entscheidend angesehen, dass die Versicherungsnehmerin der [X.] dadurch, dass sie diese nicht schon beim Vertragsschluss am 28.
Mai 2008 über den ungewöhnlich hohen Wert des [X.] informiert hat, die Möglichkeit genommen hat, mit einer Ableh-nung des Transports oder mit Verhandlungen über die Anpassung der [X.] zu reagieren. Das Berufungsgericht ist mithin davon ausgegangen, 22
23
24
-
11
-
dass der späteste Zeitpunkt für einen ein Mitverschulden ausschließenden Hin-weis der Abschluss des [X.]es ist.

Die Gegenansicht geht davon aus, dass ein entsprechender Hinweis auch noch nach Vertragsschluss gegenüber dem das Transportgut abholenden Fahrer (vgl. OLG Oldenburg [X.] 2007, 245, 248
f.) oder gegenüber dem
Unterfrachtführer kurz vor Abholung der Sendung
genügen kann (vgl. [X.], Urteil vom 16.
April 2008 -
18
U
82/07, juris Rn.
51 und 55).

(2) Der Hinweis auf den ungewöhnlich hohen Wert des [X.] muss so rechtzeitig erfolgen, dass der Frachtführer noch im normalen Ge-schäftsablauf
eine Entscheidung darüber treffen kann, ob er angesichts des Werts des [X.] den [X.] überhaupt ausführen will, und dass er

falls er sich für die Ausführung entscheidet

die notwendigen besonderen Sicherungsmaßnahmen ergreifen kann. Das folgt aus der Funktion des fragli-chen Hinweises, der dem Frachtführer die Möglichkeit eröffnen soll, die erfor-derlichen Sicherungsmaßnahmen zu treffen oder von der Ausführung des [X.]es Abstand zu nehmen (vgl. [X.], Urteil vom 3.
Juli 2008

I
ZR
205/06, [X.] 2008, 394 Rn.
20 =
[X.], 175; [X.] [X.] 2010, 143 Rn.
15). Für dieses Ergebnis spricht auch ein Vergleich mit der Be-stimmung des §
410 Abs.
1 HGB. Danach muss der Hinweis auf die Gefährlich-keit des Transportgutes rechtzeitig erfolgen. Durch die Bestimmung soll eine flexible Lösung erreicht und eine Festlegung auf den Zeitpunkt des Vertrags-schlusses für den Hinweis auf die Gefährlichkeit des Transportgutes vermieden
werden (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf des [X.], BT-Drucks. 13/8445, S.
38; vgl. auch [X.], Transportrecht, 7.
Aufl., §
410 HGB Rn.
4).

25
26
-
12
-
Danach ist es nicht zwingend erforderlich, dass der Hinweis auf den un-gewöhnlich hohen Wert des [X.] bereits bei Vertragsschluss erfolgt. Dementsprechend hat es der Senat ausreichen lassen, dass der Frachtführer nach Abschluss des [X.]s durch die Weisung, nur gegen Einziehung eines [X.] die Sendung an den Empfänger auszuliefern, von ihrem Wert Kenntnis erlangt hat (vgl. [X.], Urteil vom 3.
Februar 2005

I
ZR
276/02, [X.] 2005, 208 Rn.
8 =
NJW-RR 2005, 1058).

(3) Nach diesen Maßstäben hat die Versicherungsnehmerin nicht [X.] auf den ungewöhnlich hohen Wert des Transportgutes hingewiesen. Die Information über den Wert der acht Weinflaschen hat die [X.] bei der Ab-holung des [X.] am 24.
Juni 2008 erhalten. Zu diesem Zeitpunkt war mit der Durchführung des [X.]es
bereits begonnen. Hierzu rechnet auch die
Fahrt zu dem [X.] Unternehmen M.

, um die Sen-
dung abzuholen. Anders als die Revision der Klägerin meint, ist die [X.] im Rahmen des -
hier vorliegenden
-
Sammelgutverkehrs nicht gehalten, die [X.] zu instruieren, telefonisch Weisungen für den Fall einzuholen, dass sie auf einen besonders hohen Wert der Sendung hingewiesen werden. Es war vielmehr Aufgabe der Versicherungsnehmerin, den Hinweis auf den Wert der Warensendung unter Berücksichtigung des Charakters des vorliegenden [X.] als eines Massengeschäfts so rechtzeitig zu erteilen, dass die [X.] im normalen Geschäftsgang reagieren konnte.

cc) Die Revision der [X.] wendet sich ohne Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht den Anteil der Versicherungsnehmerin an der Schadens-verursachung nicht höher als 50% bewertet hat.

(1) Die [X.] im Falle des Mitverschuldens des Geschädig-ten ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Sie wird im Revisionsverfahren nur 27
28
29
30
-
13
-
daraufhin überprüft, ob sie auf rechtlich zutreffenden Erwägungen beruht und ob bei ihr alle in Betracht zu ziehenden Umstände vollständig und richtig [X.] worden sind (vgl. [X.], [X.] 2010, 143 Rn.
16).

(2) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Beurteilung genügt diesen Anforderungen.

Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats hat in Fällen, in de-nen der Verlust von Transportgut, wie vorliegend,
zum einen auf einem qualifi-zierten Verschulden des Frachtführers im Sinne
von Art.
29 [X.] und zum an-deren auf der vom Absender unterlassenen Angabe des ungewöhnlich hohen Werts des [X.] beruht, regelmäßig eine Schadensteilung zu erfolgen. Dadurch unterscheiden sich diese Fälle von der Versendung sogenannter [X.], in denen der Mitverschuldensanteil des Absenders auch unter Be-rücksichtigung eines qualifizierten Verschuldens des Frachtführers häufig zum vollständigen Haftungsausschluss führt (vgl. [X.], Urteil vom 15.
Februar 2007 -
I
ZR
186/03, [X.] 2007, 164 Rn.
29
f. =
[X.], 97). Der [X.] kann aber auch bei einem unterlassenen Hinweis auf den hohen Wert des [X.]
im Einzelfall mit mehr als 50% zu bewer-ten sein, wenn der Wert der Sendung ganz erheblich über dem Betrag liegt, ab dem ein Hinweis auf einen ungewöhnlich hohen Schaden hätte erfolgen müs-sen ([X.], [X.] 2010, 143 Rn.
19). Wenn der Wert der Sendung sehr deut-lich über diesem Betrag liegt, kommt sogar ein vollständiger Ausschluss der Haftung des Frachtführers in Betracht ([X.], [X.] 2010, 143 Rn.
20). Bei alledem verbietet sich aber eine schematische Betrachtungsweise; vielmehr sind bei der Abwägung sämtliche festgestellten Umstände zu berücksichtigen ([X.], [X.]
2010, 143 Rn.
16).

31
32
-
14
-
Nach diesen Maßstäben lässt die Annahme einer Mitverursachungsquo-te von 50% durch das Berufungsgericht keinen Rechtsfehler erkennen.

Bei der Festlegung der Haftungsquote war zugunsten der Klägerin unter anderem zu berücksichtigen, dass die Versicherungsnehmerin den besonders hohen Wert der Sendung dem [X.] -
wenngleich verspätet
-
noch mitge-teilt und dadurch diesem immerhin die Möglichkeit eröffnet hat, im Hinblick auf diesen neuen Umstand Weisungen einzuholen oder sonstige Maßnahmen zu ergreifen, um die wertvollen Weinflaschen zu sichern. Soweit die Revision der [X.] dem entgegenhält, der verspätet
gegebene Hinweis
auf den beson-ders hohen Wert des [X.] habe die Gefahr seines Verlustes sogar noch erhöht, dringt sie mit diesem Angriff nicht durch. Das Berufungsgericht hat zu einer entsprechenden Gefahrerhöhung keine Feststellungen getroffen, ohne dass die Revision der [X.] rügt, dass von dieser gehaltener Vortrag über-gangen worden sei.

Entgegen der Ansicht der Revision der [X.] war auch nicht zusätz-lich zu Lasten der Klägerin der Umstand zu berücksichtigen, dass die Versiche-rungsnehmerin mit der verspäteten Angabe des besonders hohen Wertes des Weins auch gegen ihre Verpflichtung aus Ziff.
3.3 der in den Rahmenvertrag zwischen ihr und der [X.] einbezogenen [X.] verstoßen hat. Nach dieser Bestimmung hat der Auftraggeber dem Spediteur mitzuteilen, dass Gegenstände des Vertrags besonders wertvol-le und diebstahlsgefährdete Güter sind. Ein Schadensersatzanspruch, der sich für die [X.] aus der insoweit unterbliebenen Mitteilung ergeben könnte (vgl. [X.] aaO Ziff.
3 ADSp Rn.
15
d; [X.]/Boujong/[X.]/Strohn/Bahnsen, HGB, 2.
Aufl., Ziff.
3 ADSp Rn.
37), scheidet im vorliegenden Zusammenhang zumindest deshalb aus, weil das betreffende Verhalten der Versicherungsneh-merin bereits bei der Bemessung des gemäß Art.
29 i.V.m. Art.
3 [X.] zu leis-33
34
35
-
15
-
tenden Schadensersatzes als anspruchsminderndes Mitverschulden berück-sichtigt worden ist.

II[X.] [X.] beruht auf §
92 Abs.
1, §
97 Abs.
1 ZPO.

Büscher

Pokrant

Schaffert

Koch

Löffler
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 11.05.2010 -
16 [X.] 8188/09 -

[X.], Entscheidung vom 14.04.2011 -
23 [X.] -

36

Meta

I ZR 87/11

13.06.2012

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.06.2012, Az. I ZR 87/11 (REWIS RS 2012, 5696)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5696

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

I-18 U 98/14

Zitiert

I ZR 87/11

Zitieren mit Quelle:
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