Bundesfinanzhof, Urteil vom 03.02.2011, Az. VI R 9/10

6. Senat | REWIS RS 2011, 9803

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Abzug von Werbungskosten


Leitsatz

1. NV: Werbungskostenabzug setzt Belastung mit Aufwendung voraus .

2. NV: Führen ersparte Aufwendungen zu steuerpflichtigen Einnahmen, kommt ein fiktiver Werbungskostenabzug in Betracht .

Tatbestand

1

I. Der 1981 geborene Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Streitjahr (2004) Soldat auf [X.] und bezog aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger [X.]rbeit. Er war zum Wohnen in der Gemeinschaftsunterkunft in [X.] und zur Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung verpflichtet. Nach Dienstschluss hatte er freien [X.]usgang. [X.]b 1. Juli 2004 bezog der Kläger eine Wohnung in B.

2

Nach den Feststellungen des Finanzgerichts ([X.]) versteuerte der Dienstherr des [X.] für die Bereitstellung der Gemeinschaftsunterkunft einen Sachbezug mit monatlich 43,50 € (Januar bis März des [X.]) bzw. 78,30 € ([X.]pril bis Dezember des [X.]) "ohne [X.]uswirkung auf die Höhe der Brutto- oder Nettogehaltszahlung".

3

Im Rahmen der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger [X.]ufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und [X.]rbeitsstätte in Höhe von 3.480 € (232 Tage x 50 km x 0,30 €) als Werbungskosten geltend. Ferner begehrte er unter Hinweis auf die [X.]nweisung in R 33 [X.]bs. 4 Satz 2 der Lohnsteuer-Richtlinien 2002 ([X.]mtliches Lohnsteuer-Handbuch 2004) die steuerliche Berücksichtigung der vom [X.]rbeitgeber versteuerten Sachbezugswerte in Höhe von 836 € (43,50 € x 3 und 78,30 € x 9). Er machte insoweit geltend, dass er die Gemeinschaftsunterkunft nicht genutzt habe, sondern arbeitstäglich zwischen Wohnung und [X.]rbeitsstätte gependelt sei.

4

Im geänderten Einkommensteuerbescheid vom 15. Dezember 2005 ließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --F[X.]--) nur die geltend gemachten Fahrtkosten zum [X.]bzug als Werbungskosten zu. Den [X.]bzug von Kosten in Höhe des [X.] (836 €) lehnte das F[X.] ab. Der dagegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg.

5

Das [X.] wies die Klage als unbegründet zurück. Ein Werbungskostenabzug komme schon deshalb nicht in Betracht, weil dem Kläger im Zusammenhang mit der Bereitstellung der Gemeinschaftsunterkunft keine [X.]usgaben entstanden seien.

6

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

7

Nach [X.]uffassung des [X.] kommt in Höhe des [X.] ein Werbungskostenabzug gemäß § 9 [X.]bs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Betracht. Maßgeblich sei, dass er verpflichtet gewesen sei, die Gemeinschaftsunterkunft in [X.]nspruch zu nehmen, und sich so dem Sachbezug nicht habe entziehen können.

8

Mit Schriftsatz vom 19. Januar 2011 machte der Kläger geltend: Zwar habe er für die Gemeinschaftsunterkunft kein Entgelt leisten müssen, der steuerpflichtige Bruttolohn sei jedoch jeweils um den Sachbezug erhöht worden.

9

Der Kläger beantragt, das Urteil des [X.] Mecklenburg-Vorpommern vom 13. [X.]ugust 2009  2 K 166/06 und die Einspruchsentscheidung des F[X.] vom 23. März 2006 aufzuheben und den angefochtenen Bescheid dahingehend zu ändern, dass zusätzliche Werbungskosten in Höhe von 836 € berücksichtigt werden oder von der Versteuerung eines geldwerten Vorteils in dieser Höhe abgesehen wird.

Das F[X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zurückzuweisen. Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass die versteuerten Sachbezüge nicht als Werbungskosten abziehbar sind.

1. Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben, wenn der Arbeitnehmer selbst keine Aufwendungen getragen hat. Werbungskostenabzug setzt eine Belastung mit Aufwendungen voraus (Urteil des [X.] --BFH-- vom 8. Juli 2010 VI R 24/09, [X.], 542). Im Streitfall war der Kläger hinsichtlich der Gemeinschaftsunterkunft nicht mit Kosten belastet, weil ihm diese unentgeltlich zur Verfügung stand.

2. Führen Zuwendungen des Arbeitgebers, durch die sich der Arbeitnehmer eigene Aufwendungen erspart, beim Arbeitnehmer zu steuerpflichtigen Einnahmen, können in Höhe der Zuwendungen abziehbare Werbungskosten vorliegen, wenn die Zahlungen durch den Arbeitnehmer zu abziehbaren Werbungskosten geführt hätten ([X.]/[X.], EStG, 29. Aufl., § 9 Rz 3 und § 19 Rz 50, Stichwort Dienstwohnung; Kreft in [X.]/[X.]/[X.], § 9 EStG [X.]). Der [X.] kann offenlassen, ob der Übernahme der Unterkunftskosten im Streitfall Entlohnungscharakter zukommt und damit ein geldwerter Vorteil i.S. von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG anzunehmen ist (s. dazu BFH-Urteil vom 7. November 2006 [X.]/02, [X.], 425; Urteil des [X.] Rheinland-Pfalz vom 9. Januar 1991 7 K 2745/89, Entscheidungen der Finanzgerichte 1992, 17). Jedenfalls ist nach den Feststellungen des [X.] ein solcher geldwerter Vorteil beim Kläger nicht angesetzt und von ihm auch nicht versteuert worden.

Daran ist der [X.] gebunden (§ 118 Abs. 2 [X.]O). Zwar enthält der Schriftsatz des [X.] vom 19. Januar 2011 eine gegenteilige, vom [X.] geteilte Sachdarstellung. Auch hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung insoweit eine Verfahrensrüge erhoben. Diese Rüge ist jedoch erst nach Ablauf der [X.] des § 120 Abs. 2 Satz 1 [X.]O und damit verspätet erhoben worden. Verfahrensmängel können nur geprüft werden, wenn sie innerhalb der [X.] schlüssig gerügt werden (BFH-Urteil vom 17. Dezember 2008 [X.], [X.], 798; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 120 Rz 66).

Bei dieser Rechtslage kommt es nicht mehr darauf an, ob der Kläger, hätte er Unterkunftskosten getragen, im Übrigen zum Werbungskostenabzug berechtigt gewesen wäre.

Meta

VI R 9/10

03.02.2011

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern, 13. August 2009, Az: 2 K 166/06, Urteil

§ 9 Abs 1 S 1 EStG 2002, § 120 Abs 2 S 1 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 03.02.2011, Az. VI R 9/10 (REWIS RS 2011, 9803)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9803

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VI R 5/18 (Bundesfinanzhof)

Werbungskostenabzug bei Zuwendungen der Bundeswehr durch die Zurverfügungstellung einer Gemeinschaftsunterkunft


VI R 48/10 (Bundesfinanzhof)

(Inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 24.03.2011 VI R 11/10 - Kein Zufluss durch Einbehaltung von Tagegeldern …


VI R 6/21 (Bundesfinanzhof)

Erste Tätigkeitsstätte eines Zeitsoldaten


VI R 11/10 (Bundesfinanzhof)

Kein Zufluss durch Einbehaltung von Tagegeldern - Bewertung der unentgeltlichen Gemeinschaftsverpflegung für Soldaten in Kasernen …


VI R 15/17 (Bundesfinanzhof)

Doppelte Haushaltsführung - Vorfälligkeitsentschädigung im Zusammenhang mit dem Verkauf der Zweitwohnung


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.