Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.12.2011, Az. XI ZB 12/11

11. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 239

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Gegenstand

Kostenfestsetzungsverfahren: Notwendigkeit der Beauftragung eines spezialisierten auswärtigen Rechtsanwalts


Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 11. Zivilsenats des [X.] vom 14. April 2011 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 397,95 €.

Gründe

I.

1

Der im Bezirk des [X.] ansässige Kläger hat die beklagte Bank vor dem [X.] auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Kauf von Anteilen an einem Medienfonds in Anspruch genommen. Das [X.] hat der Klage überwiegend stattgegeben und der [X.]n die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Das Berufungsgericht hat das Urteil des [X.]s geringfügig abgeändert und die Kosten des Berufungsverfahrens ebenfalls der [X.]n auferlegt. Ihre Nichtzulassungsbeschwerde gegen diese Entscheidung hat die [X.] zurückgenommen. Der Kläger ist von in [X.] ansässigen Rechtsanwälten vertreten worden, die er wegen ihrer Spezialisierung auf Fälle des Kapitalanlagerechts beauftragt hat und die bundesweit zahlreiche weitere Anleger desselben Medienfonds vertreten. Er hat zum [X.] u.a. Reisekosten seiner Prozessbevollmächtigten für einen Verhandlungstermin beim [X.] in Höhe von 438,01 € nebst Umsatzsteuer angemeldet.

2

Das [X.] hat diese Kosten in vollem Umfang festgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde der [X.]n hat das Beschwerdegericht den Kostenfestsetzungsbeschluss des [X.]s abgeändert und lediglich die fiktiven Reisekosten eines am Wohnsitz des [X.] ansässigen Prozessbevollmächtigten in Höhe von 123,28 € festgesetzt. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

II.

3

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

4

1. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass die Beauftragung eines an einem dritten Ort, also weder am Wohn- oder Geschäftsort der [X.] noch am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalts in Fällen, in denen eine [X.] im eigenen Gerichtsstand klage oder verklagt werde, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Sinne des § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO regelmäßig nicht als erforderlich anzusehen sei. Dessen Reisekosten seien folglich mit Ausnahme der fiktiven Reisekosten eines am Wohn- oder Geschäftsort der [X.] ansässigen Rechtsanwalts zum Gerichtsort nicht zu erstatten. Dies gelte auch dann, wenn die [X.] einen Rechtsanwalt ihres Vertrauens bereits vorgerichtlich mit ihrer Interessenvertretung beauftragt gehabt habe. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz liege nicht vor, da die Brauchbarkeit der vom Kläger eingewandten Spezialisierung seiner Anwälte wegen der im Kostenfestsetzungsverfahren geltenden typisierenden Betrachtung im Einzelfall nicht geprüft werden könne. [X.] hätten sowohl am Sitz des [X.]s als auch in unmittelbarer Nähe des Wohnortes des [X.] zahlreiche geeignete Rechtsanwälte mit Spezialkenntnissen im Bereich des Kapitalanlagerechts für eine ordnungsgemäße Vertretung des [X.] zur Verfügung gestanden.

5

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand.

6

Die über den zuerkannten Betrag hinaus geltend gemachten Reisekosten des Prozessbevollmächtigten des [X.] sind nicht erstattungsfähig, weil sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig waren (§ 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO).

7

a) Die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts, der zwar beim Prozessgericht auftreten kann, dort aber nicht zugelassen ist, ist zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung grundsätzlich nicht notwendig, wenn die [X.] - wie hier - im eigenen Gerichtsstand klagt ([X.], Beschlüsse vom 12. Dezember 2002 - [X.], NJW 2003, 901, 902, vom 22. Februar 2007 - [X.], NJW-RR 2007, 1071 Rn. 10 ff. und vom 22. April 2008 - [X.], juris Rn. 7 mwN).

8

b) Die Rechtsbeschwerde macht demgegenüber geltend, dass vorliegend besondere Gegebenheiten die Einschaltung der auswärtigen Prozessbevollmächtigten erforderlich gemacht hätten. Im Verfahren gehe es um einen Medienfonds, mithin um eine Spezialmaterie des Kapitalanlagerechts, in die sich die Prozessbevollmächtigten des [X.], die weit über hundert weitere Anleger desselben Fonds vertreten würden, mehrjährig eingearbeitet hätten. Da auch die [X.] von einer spezialisierten Anwaltskanzlei mit erheblicher Prozesserfahrung im Bereich der Medienfonds vertreten werde, habe der Kläger unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit die Hilfe eines spezialisierten Rechtsanwalts in Anspruch nehmen dürfen. Diese Einwände greifen nicht durch.

9

aa) Die Beauftragung eines spezialisierten auswärtigen Rechtsanwalts erscheint nur dann ausnahmsweise als notwendig, wenn ein vergleichbarer ortsansässiger Rechtsanwalt nicht beauftragt werden kann (Beschluss vom 12. Dezember 2002 - [X.], NJW 2003, 901, 902; [X.], 428, 429). Dies war vorliegend jedoch nicht der Fall. Vielmehr hat das Beschwerdegericht - entgegen der Darstellung der Rechtsbeschwerde - ausdrücklich festgestellt, dass am Sitz des [X.]s sowie in unmittelbarer Nähe des Wohnortes des [X.] zahlreiche geeignete Rechtsanwälte zur Verfügung stehen.

bb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Prozessbevollmächtigten des [X.] - wie die Rechtsbeschwerde geltend macht - vorprozessual staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakten hinsichtlich des streitgegenständlichen Medienfonds gesichtet haben und weitere Anleger desselben Fonds in [X.] vertreten. Vielmehr ist der Umstand, dass der mit der Prozessvertretung beauftragte auswärtige Rechtsanwalt für die [X.] in derselben Angelegenheit bereits vorprozessual tätig war, nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] nicht geeignet, die kostenträchtige Mandatierung eines auswärtigen Rechtsanwaltes zu rechtfertigen ([X.], Beschlüsse vom 12. Dezember 2002 - [X.], NJW 2003, 901, 903 und vom 22. Februar 2007 - [X.], NJW-RR 2007, 1071, 1072).

Zwar ist der Rechtsbeschwerde einzuräumen, dass es im Allgemeinen immer dann, wenn bereits ein auswärtiger Anwalt eingeschaltet ist, kostengünstiger ist, diesen Rechtsanwalt auch mit der Prozessvertretung zu beauftragen. Für die Frage, ob eine bestimmte Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme notwendig ist, ist jedoch nicht erst auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem der auswärtige Rechtsanwalt bereits vorprozessual tätig geworden ist. Vielmehr empfiehlt es sich aus der Sicht der vernünftigen und kostenorientierten [X.], schon vorprozessual einen in ihrer Nähe befindlichen Rechtsanwalt einzuschalten ([X.], Beschlüsse vom 12. Dezember 2002 - [X.], NJW 2003, 901, 903 und vom 22. Februar 2007 - [X.], NJW-RR 2007, 1071, 1073).

cc) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde sind die geltend gemachten Reisekosten der [X.]er Prozessbevollmächtigten des [X.] auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil ein Rechtsanwalt, der am Wohnort des [X.] oder am Gerichtsort ansässig ist, die Reisekosten einer Informationsreise zur Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft [X.] hätte beanspruchen können. Zutreffend weist die Rechtsbeschwerdeerwiderung insoweit daraufhin, dass der für das Klagebegehren wesentliche Umstand der Zahlung einer dem Kläger verschwiegenen Rückvergütung an die [X.] im Prozess von Anfang an unstreitig war und dass die Tatsache von [X.] bei von der [X.]n vertriebenen Medienfonds bei Klageerhebung im Mai 2008 bereits Gegenstand von Gerichtsverfahren und Veröffentlichungen war.

[X.]) Schließlich rechtfertigt auch die Tatsache, dass die inzwischen weit verbreitete Spezialisierung zu den Umständen zählt, derentwegen das [X.] die Singularzulassung von Rechtsanwälten bei den Oberlandesgerichten für verfassungswidrig erklärt hat (vgl. [X.], Urteil vom 13. Dezember 2000 - 1 BvR 335/97, [X.]E 103, 1, 17 ff.), - entgegen der Rechtsansicht der Beschwerde - keine andere Beurteilung ([X.], Beschlüsse vom 22. Februar 2007 - [X.], NJW-RR 2007, 1071, 1072 und vom 22. April 2008 - [X.], juris Rn. 8 mwN).

c) Das Interesse, sich durch einen Rechtsanwalt ihres Vertrauens vertreten zu lassen, erlaubt es einer [X.] nicht, ohne kostenrechtliche Nachteile einen auswärtigen Rechtsanwalt mit ihrer gerichtlichen Vertretung unabhängig davon zu beauftragen, wie weit dessen Kanzlei von ihrem Wohn- oder Geschäftssitz und dem Gerichtsort entfernt ist. [X.] sind deshalb auch hier nur diejenigen Kosten eines Prozessbevollmächtigten, die aus einem Auseinanderfallen von Gerichtsort einerseits und Geschäfts- oder Wohnsitz einer [X.] andererseits entstehen ([X.], Beschluss vom 22. Februar 2007 - [X.], NJW-RR 2007, 1071 Rn. 14).

Wiechers                                           Ellenberger                                             Maihold

                          Matthias                                                     Pamp

Meta

XI ZB 12/11

20.12.2011

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Karlsruhe, 14. April 2011, Az: 11 W 3/11, Beschluss

§ 91 Abs 1 S 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.12.2011, Az. XI ZB 12/11 (REWIS RS 2011, 239)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 239

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

XI ZB 12/11

VII-Verg 4/13

Zitiert

1 BvR 335/97

Zitieren mit Quelle:
x

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