Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.07.2016, Az. 4 StR 512/15

4. Strafsenat | REWIS RS 2016, 8804

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:050716B4STR512.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 512/15

vom
5. Juli
2016
in der Strafsache
gegen

wegen besonders schwerer Brandstiftung u.a.

-
2
-

Der 4.
Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des [X.] und der
Beschwerdeführerin am 5.
Juli 2016
gemäß §
349 Abs.
4 StPO beschlossen:

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 2.
Juli 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels,
an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagte wegen (besonders) schwerer Brand-stiftung und wegen versuchten Betruges zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf
Jahren und neun
Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision der Angeklagten. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen kam die Angeklagte, die sich zusammen mit ih-ren drei ein bis vier Jahre alten, in den Kinderzimmern schlafenden Töchtern in der Wohnung der Familie aufhielt, in den frühen Morgenstunden des 16.
August 2014 spontan auf die Idee, in der Wohnung Feuer zu legen, um zumindest den entstehenden Hausratsschaden bei der Hausratsversicherung geltend machen zu können. Sie vergewisserte sich zunächst in den beiden Kinderzimmern, die 1
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durch eine Verbindungstür getrennt sind und von denen [X.] der ältesten Tochter eine Tür zum Flur hat, dass die drei Kinder schliefen, und schloss die [X.] zum Wohnungsflur. Anschließend nahm sie in der Wohnung verschiedene Veränderungen vor, um den Aufenthalt unbekannter Personen in der Wohnung und eine Brandlegung durch diese vorzutäuschen. Sodann verteilte die Angeklagte auf der Couch im Wohnzimmer und in dem lediglich 1,24 Meter breiten Flur im Bereich der Küchentür großflächig den
zu-vor in der Küche vorgefundenen Brandbeschleuniger, zündete die Couch mit einem Feuerzeug an und schloss sich selbst im Schlafzimmer ein, wobei sie den Zimmerschlüssel in die Tasche einer im Kleiderschrank hängenden Jacke steckte.
Während die Angeklagte im Schlafzimmer auf der Bettseite ihres Ehe-mannes sitzend wartete, entwickelte sich in der gesamten Wohnung eine er-hebliche Menge an giftigen Rauchgasen. Aufgrund der hohen Temperaturen von 300 bis 400 Grad Celsius wurden auch die Fensterrahmen des Wohnzim-merfensters
durch Brandzehrungen beschädigt. Gleichzeitig zerbrach eine der beiden Sicherheitsglasscheiben im Wohnzimmer mit einem lauten Knall. Durch diesen Knall realisierte die Angeklagte, dass sie die Feuerentwicklung nicht zu beherrschen vermochte, und rief die Polizei, der gegenüber sie angab, in ihrer Wohnung seien Einbrecher und es rieche verbrannt. Im [X.] öffnete sie das Fenster im Schlafzimmer und rief laut um Hilfe.
Durch die Hilferufe wurden zwei Nachbarn auf das Geschehen aufmerk-sam. Einem Helfer gelang es, nach Eintreten der Wohnungseingangstür und einem Sprühstoß mit einem Feuerlöscher die vierjährige Tochter der Angeklag-ten, die zwischenzeitlich die [X.] zum Flur geöffnet hatte
und nicht mehr ansprechbar war, aus der Wohnung zu tragen. Währenddessen
war die Angeklagte mit Hilfe des anderen Nachbarn aus dem Schlafzimmerfenster ge-3
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klettert und zur Wohnungstür gelaufen, um die Helfer darauf aufmerksam zu machen, dass sich noch zwei weitere Kinder
in der Wohnung befanden. Auch diese konnten durch das Fenster des Kinderzimmers ins Freie gebracht wer-den. Während die älteste Tochter eine leichte Rauchgasvergiftung erlitt, blieben die beiden anderen Kinder unverletzt. Beim Eintreffen der Feuerwehr wenige Minuten später war der Brand mangels Sauerstoffs bereits vollständig erlo-schen. Durch den Brand entstand ein Gebäudeschaden von ca. 31.000

ein geschätzter Sachschaden an der Wohnungseinrichtung in Höhe von 14.000

Nachdem die Angeklagte bereits zwei Tage zuvor aus dem Brandscha-den resultierende Ansprüche auf Versicherungsleistungen telefonisch geltend gemacht hatte, meldete der Ehemann als Versicherungsnehmer den [X.] mit Schreiben vom 20.
August 2014 bei der Versicherung. Die Ange-klagte wollte von der Versicherung eine Gesamtentschädigung für das zerstörte Inventar erhalten.
II.
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil enthält sowohl hin-sichtlich der
Verurteilung wegen besonders schwerer Brandstiftung nach §
306b Abs.
2 Nr.
1 und 2 StGB als auch wegen tatmehrheitlich begangenen versuch-ten Betruges
durchgreifende Rechtsfehler.
1. Die Strafbarkeit wegen besonders schwerer Brandstiftung nach §
306b Abs.
2 Nr.
1 StGB setzt in subjektiver Hinsicht voraus, dass der Täter hinsicht-lich des Eintritts der Todesgefahr vorsätzlich handelt (vgl. [X.], Urteil vom 22.
Juli 1999 -
4
StR 185/99, [X.]R StGB §
306b Vorsatz
1). Die [X.] hat einen bedingten Vorsatz der Angeklagten
bezüglich der Todesgefahr für ihre drei Kinder bei Tatbegehung bejaht und dies damit begründet, dass sie im 5
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Zeitpunkt der Brandlegung erkannt habe, weder die Intensität des [X.] noch dessen Folgen für ihre Kinder beherrschen zu können, und damit die Ge-fahr, dass ihre Kinder sterben könnten, in Kauf genommen habe. Diese An-nahme steht in einem für das Revisionsgericht nicht auflösbaren Widerspruch zu der getroffenen Feststellung, wonach die Angeklagte erst durch den Knall, der durch das hitzebedingte Zerbersten des [X.] ausgelöst worden war, realisierte, dass sie die Feuerentwicklung nicht zu beherrschen vermochte, und sich deshalb veranlasst sah, die Polizei zu informieren und um Hilfe zu rufen.
Darüber hinaus erweist sich die den Erwägungen zum [X.] zugrunde liegende Beweiswürdigung als lückenhaft, weil sich das [X.] nicht mit der nach den festgestellten Gesamtumständen jedenfalls nicht fernliegenden Möglichkeit auseinandergesetzt hat, dass die Angeklagte [X.] fälschlicherweise davon ausging, die Auswirkungen des [X.] beherrschen zu können. Die in der Beweiswürdigung für die Annahme eines bedingten Gefährdungsvorsatzes angeführten Umstände lassen sich sämtlich auch mit dieser möglichen Geschehensvariante
in Einklang bringen.
2. Die Feststellungen ergeben ferner nicht, dass die Brandlegung im [X.] des
§
306b Abs.
2 Nr.
2 StGB von der Absicht getragen war, betrügerisch unberechtigte Versicherungsleistungen zu erlangen.
Nach den Feststellungen war der Ehemann der Angeklagten, der selbst nicht in das Tatgeschehen involviert war, Versicherungsnehmer der [X.]. Da sich aus den Urteilsgründen keine Umstände ergeben, die eine Stellung der Angeklagten als Repräsentantin ihres Ehemannes im versi-cherungsrechtlichen Sinne belegen (vgl. [X.], Urteil vom 14.
März 2007 -
IV
ZR 102/03, [X.]Z
171, 304
f.), muss sich der Ehemann die vorsätzliche Herbeifüh-rung des Versicherungsfalls durch die Angeklagte nicht nach §
81 Abs.
1 [X.] 8
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zurechnen lassen. Die bloße
Ehegatteneigenschaft reicht ebenso wenig wie die Überlassung der Mitobhut über die gemeinsame Wohnung zur Begründung [X.] im versicherungsrechtlichen Sinne aus (vgl. [X.], Beschluss vom 15.
März 2007 -
3
StR 454/06, [X.], 640, 641; Urteile vom 4.
Mai 1994 -
IV
ZR 298/93, NJW-RR 1994, 988; vom 8.
Februar 1965
-
II ZR 171/62, [X.], 425, 429; Armbrüster in [X.]/[X.], [X.], 29.
Aufl., §
28 Rn.
128 mwN). Soweit die Angeklagte hinsichtlich in ihrem Allein-
oder Miteigentum stehender Hausratsgegenstände als Versicherte im Rahmen einer Versicherung für fremde Rechnung anzusehen ist, führt die Vorschrift des §
47 Abs.
1 [X.] i.V.m. §
81 Abs.
1 [X.] nur insoweit zur Leistungsfreiheit des Versicherers, als das Interesse der Angeklagten betroffen ist. Die Ansprüche des Ehemanns als Versicherungsnehmer aus der Versicherung seines eigenen Interesses bleiben dagegen unberührt (vgl. [X.], [X.], 1464; [X.], Recht und Schaden 2013, 121, 122
f.; [X.] in
[X.]/[X.]/[X.], [X.], 3.
Aufl., §
47 Rn.
7
ff.; [X.] in
[X.]/Langheid/[X.], [X.],
4.
Aufl., §
47 Rn.
8; Brand in Bruck/[X.], [X.], 9.
Aufl., §
47 Rn.
31
f.). Infolge der vorsätzlichen Herbeiführung des [X.] durch die Angeklagte sind die Ansprüche aus der [X.] somit nur insoweit entfallen, als sie Schäden betreffen, die an Haus-ratsgegenständen im Allein-
oder Miteigentum der Angeklagten entstanden sind. Zu den Einzelheiten der von der Angeklagten geplanten Inanspruchnahme der Hausratsversicherung verhalten sich die Urteilsgründe nicht. So bleibt ins-besondere offen, ob die Angeklagte bei der Brandlegung beabsichtigte, über ihren Ehemann gegenüber der Hausratsversicherung zumindest auch tatsäch-lich nicht bestehende Versicherungsansprüche für Schäden an in ihrem Eigen-tum stehenden Hausratsgegenständen geltend zu machen. Eine Betrugsabsicht ist daher nicht hinreichend belegt.

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3. Aus den gleichen Gründen kann schließlich die Verurteilung wegen tatmehrheitlich begangenen versuchten Betruges nicht bestehen bleiben. Denn den Feststellungen ist nicht zu entnehmen, ob mit der Schadensmeldung des Ehemannes vom 20.
August 2014 Versicherungsleistungen für Schäden an Gegenständen der Angeklagten geltend gemacht wurden.
Sost-Scheible
Cierniak
Franke

Bender
Quentin
11

Meta

4 StR 512/15

05.07.2016

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.07.2016, Az. 4 StR 512/15 (REWIS RS 2016, 8804)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 8804

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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