Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.07.2015, Az. IV ZR 506/14

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 7755

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 506/14

Verkündet am:

22. Juli 2015

Heinekamp

Amtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.], die Richter Dr.
Karczewski, [X.] und die Richterin [X.] im schriftli-chen Verfahren, bei dem Schriftsätze bis zum 24.
Juni 2015 eingereicht werden konnten,

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerseite wird das Urteil des [X.] -
30.
Zivilkammer
-
vom 8.
Fe-bruar 2012 aufgehoben und die Sache zur neuen [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an das Berufungsgericht [X.].

Der Streitwert wird auf 4.580,34

festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. [X.]) be-gehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rück-zahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Lebensversicherung
mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung.

Diese wurde aufgrund eines Antrags d. [X.] mit [X.] zum 1.
August 1998 nach dem so genannten Policenmodell des §
5a [X.] in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden §
5a [X.] 1
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-

a.[X.]) abgeschlossen. Im Oktober 2009
kündigte d. [X.] den Vertrag;
der Versicherer zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom 4.
November 2011
erklärte d. [X.] schließlich "den Widerspruch gem. §
5a [X.] a.[X.]
bzw. den Widerspruch nach §
8 [X.], höchstvorsorglich die Anfechtung nach §
119 I BGB, hilfsweise die Kündigung".

Mit der Klage verlangt d. [X.] Rückzahlung aller auf den Vertrag ge-leisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten [X.].

Nach Auffassung d. [X.] ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des -
gegen Gemein-schaftsrecht verstoßenden
-
§
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.[X.] habe der [X.] noch erklärt werden können.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das [X.] die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt d. [X.] das Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur [X.] an das Berufungsgericht.

I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus unge-rechtfertigter Bereicherung verneint. Es hat unter Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil offengelassen, ob d. [X.] die nach §
10a [X.] er-forderliche Verbraucherinformation vollständig mit Übersendung des Versicherungsscheins erhalten habe oder nicht. Der Vertrag sei jeden-3
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4
-

falls gemäß § 5a Abs.
2 Satz 4 [X.] a.[X.] ein Jahr nach Zahlung der [X.] Prämie rückwirkend endgültig wirksam geworden.

[X.] Die Revision ist begründet.

1. Ein -
mit der Revision allein weiterverfolgter
-
Anspruch auf Prämienrückzahlung aus §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB kann d. [X.] mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht versagt werden.

a) Nach dem für das Revisionsverfahren maßgeblichen Sachver-halt ist davon auszugehen, dass der von d. [X.] erklärte Widerspruch

ungeachtet des Ablaufs der in §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.[X.] normierten Jahresfrist
-
rechtzeitig war und infolgedessen der zwischen den [X.] geschlossene Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekom-men ist.

aa) Das Berufungsgericht hat ebenso wie das [X.], ob d. [X.] mit dem Versicherungsschein eine Verbraucherinforma-tion
übersandt wurde. Es hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob d.
[X.] die Versicherungsbedingungen und eine ordnungsgemäße Beleh-rung über das Widerspruchsrecht erhielt.

bb) Wenn d. [X.] -
was für das Revisionsverfahren zu unterstellen ist
-
die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation nicht erhielt
und nicht ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrt
wurde, bestand das Widerspruchsrecht nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.

Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.[X.] auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Ge-8
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richtshofs der [X.] vom 19.
Dezember 2013 ([X.], 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7.
Mai 2014 ([X.], [X.], 101 Rn.
17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der [X.] und der [X.] keine Anwendung findet und für davon er-fasste Lebens-
und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d. [X.] -
wie hier
zu unterstellen
-
nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherin-formation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.

cc) Die Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem späteren Widerspruch nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
36 m.w.N.). Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil
vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
37 m.w.N.).

b) Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechts-widrigkeit des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.[X.] sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur ei-ne Rückwirkung
entspricht dem [X.] (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
42-44).

2. Der Höhe nach umfasst der [X.] nach §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich d. [X.] bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwick-lung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versi-cherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; 14
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bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung [X.] (Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
45 m.w.N.).

Da es auch hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück-zuverweisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
46).

[X.] [X.] Dr.
Karczewski

[X.]

[X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 08.11.2010 -
244 C 14752/10 -

LG [X.], Entscheidung vom 08.02.2012 -
30 S 21515/10 -

17

Meta

IV ZR 506/14

22.07.2015

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.07.2015, Az. IV ZR 506/14 (REWIS RS 2015, 7755)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 7755

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IV ZR 76/11

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