Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.06.2006, Az. 5 StR 196/06

5. Strafsenat | REWIS RS 2006, 2898

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5 [X.][X.]BESCHLUSS vom 29. Juni 2006 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u. a. - 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 29. Juni 2006 beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 10. Januar 2006 nach § 349 Abs. 4 StPO im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehö-rigen Feststellungen aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landge-richts zurückverwiesen. [X.]e
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Kranken-haus angeordnet. Die Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. 1 1. Nach den Feststellungen des [X.] zwang der Ange-klagte eine Gelegenheitsprostituierte, die ihm, angeblich in Erwartung eines gemütlichen [X.], in seine Wohnung gefolgt war, unter [X.] zum mehrfachen ungeschützten Vaginal- und Oralverkehr. Unter Hinweis auf das Sachverständigengutachten hat das [X.] festgestellt, der bereits früher psychisch auffällig gewordene und unter Betreuung stehende [X.] - 3 - begabte Angeklagte leide an einer Basisstörung der schizoaffektiven Psy-chose, bei der es sich um eine krankhafte seelische Störung im Sinne von § 20 StGB handele. Die Kombination von Minderbegabung und dauerhaft vor-liegender Basisstörung habe zu einer Distanzlosigkeit des Angeklagten ge-genüber der Geschädigten geführt; ihm sei es krankheitsbedingt darum ge-gangen, seine triebbedingten Bedürfnisse rücksichtslos durchzusetzen. Auf-grund des Zusammenwirkens der schizoaffektiven Störung und der Minder-begabung sei aus medizinischer Sicht die Steuerungsfähigkeit zum Tatzeit-punkt erheblich vermindert gewesen, während es keine Anhaltspunkte für eine Aufhebung der Steuerungsfähigkeit gebe. Eine Unterbringung nach § 63 StGB sei dringend geboten, weil der (dreimal wegen Diebstahls einer geringwertigen Sache zu geringen Geldstrafen und einmal wegen Raubes zu einer achtmonatigen [X.] verurteilte) Angeklagte bereits mehrfach strafrechtlich in Erschei-nung getreten und dies neben seiner dissozialen Charakterstruktur auf das bei ihm dauerhaft vorhandene affektive Störungsbild zurückzuführen sei. In Folge fehlender Krankheits- und Behandlungseinsicht sei der (die Tat bestreitende) Angeklagte in allen Bereichen völlig ungefestigt, so dass mit der Begehung weiterer Straftaten gerechnet werden müsse. Ferner heißt es: —Nicht zuletzt auch wegen der fehlenden Sexualanamnese seien sexuelle Abartigkeiten bei dem Angeklagten nicht auszuschließen.fi 3 Die Strafe hat das [X.] dem nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 177 Abs. 2 StGB entnommen, die Anwen-dung des Strafrahmens aus § 177 Abs. 1 StGB und das Vorliegen eines minder schweren Falls trotz erheblicher Verminderung der Schuldfähigkeit aufgrund der entwürdigenden und demütigenden Vorgehensweise des [X.] verneint. 4 2. Die mit der allgemeinen Sachrüge geführte Revision hat zum Rechtsfolgenausspruch Erfolg. 5 - 4 - a) Der [X.] kann keinen Bestand haben. Die knappen Ausführungen des [X.] belegen nicht tragfähig, dass der Angeklagte infolge seines Zustands für die Allgemeinheit gefährlich ist und deshalb gegen ihn eine derart schwerwiegende Maßregel wie die Unterbrin-gung in einem psychiatrischen Krankenhaus verhängt werden muss. Der [X.] ist bislang ausschließlich wegen [X.] zudem überwiegend geringfügi-gen [X.] Eigentumsdelikten vorbestraft, die in keinem erkennbaren Zusammen-hang mit der diagnostizierten psychischen Erkrankung stehen. Dass er [X.] et-wa im Zustand der Schuldunfähigkeit [X.] andere rechtswidrige Taten began-gen hätte, ergeben die Urteilsgründe nicht. Die Erwägung des [X.], der völlig ungefestigte Angeklagte habe keinerlei Behandlungseinsicht, trägt nicht ohne weiteres den hieraus gezogenen Schluss, von ihm sei die Bege-hung weiterer Taten wie der abgeurteilten zu befürchten. Die für § 63 StGB notwendige, aufgrund einer Gesamtwürdigung von Tat und Täter anzustel-lende Prognose lässt sich auch nicht etwa mit der Erwägung begründen, bei dem Angeklagten seien sexuelle Abartigkeiten aufgrund des Fehlens einer Sexualanamnese —nicht auszuschließenfi. 6 b) Der [X.] hebt den Strafausspruch auf. Es ist nicht [X.], dass dieser von den nicht tragfähigen Feststellungen zur [X.] beeinflusst ist. Zudem ist auch die Straf-rahmenwahl des [X.] nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Die An-wendung des [X.] von § 177 Abs. 1 StGB und die Annahme eines minder schweren Falls nach § 177 Abs. 5 StGB hat das [X.] trotz erheblicher Verminderung der Schuldfähigkeit allein aufgrund der [X.] des Angeklagten abgelehnt, dabei aber nicht erkennbar be-dacht, dass diese [X.] wie das Urteil selbst ausweist ([X.]) [X.] ihren Ur-sprung gerade in der Krankheit des Angeklagten haben kann und ihm [X.] allenfalls mit minderem Gewicht zur Last gelegt werden darf. 7 c) Demgegenüber kann der Schuldspruch, der angesichts der Erkenntnisse zum Verhalten und zum Zustand der Geschädigten nach der 8 - 5 - Tat auf tragfähiger Beweiswürdigung beruht, bestehen bleiben. Der [X.] kann angesichts des angenommenen Krankheitsbildes, des Vortatgesche-hens und des [X.] auch ausschließen, dass die Voraussetzungen des § 20 StGB vorliegen. 3. Der neue Tatrichter wird in eigener Verantwortung umfassend zu prüfen haben, ob die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit sicher erheblich eingeschränkt war und ob in diesem Falle die weiteren Vor-aussetzungen des § 63 StGB vorliegen. Sollte sich dabei erweisen, dass die Tat in ursächlichem Zusammenhang mit der festgestellten, bislang ohne [X.] als sekundär zu der diagnostizierten psychischen Erkrankung einge-stuften Drogenproblematik des Angeklagten steht, wird unter Bedacht auf § 72 Abs. 1 StGB auch die Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB zu er-wägen sein. In diesem Zusammenhang sieht der [X.] Anlass zu dem [X.], dass die Anordnung der zeitlich unbefristeten und deshalb besonders schwer wiegenden Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus jedenfalls in den Fällen, in denen das Vorliegen der Vorausset-zungen nicht evident ist, besonders sorgfältiger Prüfung und Begründung bedarf. Der neue Tatrichter wird auch, naheliegend durch Beauftragung ei-nes anderen 9 - 6 - Sachverständigen, den Versuch zu unternehmen haben, die bislang miss-lungene Erhebung einer Sexualanamnese nachzuholen. [X.] Raum [X.]

Meta

5 StR 196/06

29.06.2006

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.06.2006, Az. 5 StR 196/06 (REWIS RS 2006, 2898)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 2898

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