Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 21.09.2011, Az. 3 B 56/11

3. Senat | REWIS RS 2011, 3127

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Gegenstand

Begründung der zugelassenen Berufung; Antragserfordernis


Gründe

1

Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung eines Förderbescheids und die Rückforderung einer darin bewilligten Ausgleichszulage für die Förderung landwirtschaftlicher [X.]etriebe in benachteiligten Gebieten. Das Verwaltungsgericht wies seine Klage ab, der Verwaltungsgerichtshof ließ die [X.]erufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung zu. Zur [X.]egründung der [X.]erufung bezog sich der Kläger daraufhin "im Wesentlichen" auf seinen Schriftsatz zur [X.]egründung des Antrags auf Zulassung der [X.]erufung sowie auf den [X.] des Verwaltungsgerichtshofs; Schriftsatz und [X.] reiche er zu den Akten und mache sich deren Inhalt für das [X.]erufungsverfahren zu eigen. Der Verwaltungsgerichtshof erachtete die [X.]erufung für zulässig und hob durch [X.]eschluss gemäß § 130a VwGO den Gerichtsbescheid und die [X.]escheide des [X.]eklagten auf.

2

Die [X.]eschwerde des [X.]eklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem [X.]eschluss des Verwaltungsgerichtshofs bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache weist weder die geltend gemachte grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf (1.) noch liegt die nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO gerügte Abweichung von der Rechtsprechung des [X.] vor (2.).

3

1. Der [X.]eklagte hält die Frage für klärungsbedürftig:

"Kann die Regelung des § 124a Abs. 3 Satz 1 VwGO teleologisch darauf reduziert werden, dass ein eigener [X.]erufungsantrag selbst dann nicht erforderlich ist, wenn der [X.]erufungskläger im Rahmen seiner [X.]erufungsbegründung 'im Wesentlichen' (so der Kläger in seinem Schriftsatz vom 7. Dezember 2010) [X.]ezug auf seine Ausführungen in der [X.]erufungszulassungsbegründung sowie vollinhaltlich auf den gerichtlichen [X.] nimmt?"

4

Diese Frage verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche [X.]edeutung, weil sie - soweit sie über den der [X.]eschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgeht - durch die Rechtsprechung des [X.] bereits hinreichend geklärt ist.

5

Gemäß § 124a Abs. 3 Satz 1 bzw. Abs. 6 Satz 1 VwGO ist die vom Verwaltungsgericht bzw. vom Oberverwaltungsgericht zugelassene [X.]erufung zu begründen. Die [X.]egründung muss einen bestimmten Antrag sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung ([X.]erufungsgründe) enthalten (§ 124a Abs. 3 Satz 4, Abs. 6 Satz 3 VwGO).

6

In der Rechtsprechung des [X.] zu diesen Vorschriften ist geklärt, dass der Rechtsmittelführer nach Zulassung der [X.]erufung in jedem Fall einen gesonderten Schriftsatz zur [X.]erufungsbegründung einreichen muss; er soll damit eindeutig zu erkennen geben, dass er nach wie vor die Durchführung des [X.]erufungsverfahrens erstrebt (vgl. Urteile vom 30. Juni 1998 - [X.]VerwG 9 [X.] 6.98 - [X.]VerwGE 107, 117 <121> und vom 7. Januar 2008 - [X.]VerwG 1 [X.] 27.06 - [X.] 310 § 124a VwGO Nr. 36 Rn. 11 f. m.w.N.). Hierfür ist zeitlich nach Zulassung der [X.]erufung eine eindeutige, gegebenenfalls auslegungsfähige schriftliche Erklärung des [X.]erufungsführers erforderlich, dass und mit welchen Anträgen er das [X.]erufungsverfahren fortführt (vgl. [X.]eschluss vom 19. Oktober 2009 - [X.]VerwG 2 [X.] 51.09 - juris Rn. 4). Soweit der [X.]erufungsführer bereits im Zulassungsantrag erschöpfend vorgetragen hat, genügt es, wenn er darauf in einem innerhalb der [X.]egründungsfrist eingehenden Schriftsatz [X.]ezug nimmt (vgl. Urteil vom 7. Januar 2008 a.a.[X.] Rn. 12; [X.]eschlüsse vom 2. Juli 2008 - [X.]VerwG 10 [X.] 3.08 - juris Rn. 3 und vom 19. Oktober 2009 - [X.]VerwG 2 [X.] 51.09 - juris Rn. 4). Gleiches gilt, wenn die [X.]erufungsbegründung unter [X.]ezugnahme oder Verweisung auf den Zulassungsantrag und den [X.] erfolgt (vgl. [X.]eschlüsse vom 23. September 1999 - [X.]VerwG 9 [X.] 372.99 - [X.] 310 § 124a VwGO Nr. 12 und vom 1. Dezember 2000 - [X.]VerwG 9 [X.] 549.00 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 60). § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO (ggf. [X.]. § 124a Abs. 6 Satz 3 VwGO) verlangt mit dem Erfordernis eines "bestimmten Antrags" nicht, dass ein ausdrücklicher [X.]erufungsantrag gestellt wird; dem Antragserfordernis wird regelmäßig entsprochen, wenn in dem einzureichenden Schriftsatz hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, dass, in welchem Umfang und weshalb der [X.]erufungsführer an der Durchführung des zugelassenen [X.]erufungsverfahrens festhalten will; es genügt, wenn das Ziel des Rechtsmittels aus der Tatsache seiner Einlegung allein oder in Verbindung mit den während der Rechtsmittelfrist abgegebenen Erklärungen im Wege der Auslegung erkennbar ist (vgl. Urteil vom 9. März 2005 - [X.]VerwG 6 [X.] 8.04 - juris Rn. 16 m.w.N. § 50 TKG Nr. 2>). Welche Mindestanforderungen in Anwendung der vorstehenden Grundsätze jeweils an die [X.]erufungsbegründung zu stellen sind, hängt schließlich wesentlich von den Umständen des konkreten Einzelfalls ab (vgl. [X.]eschlüsse vom 23. September 1999 - [X.]VerwG 9 [X.] 372.99 - [X.] 310 § 124a VwGO Nr. 12 und vom 2. Juli 2008 - [X.]VerwG 10 [X.] 3.08 - juris Rn. 3).

7

Soweit der [X.]eklagte darüber hinaus geklärt wissen will, ob die gesetzlichen Anforderungen an die [X.]erufungsbegründung auch dann erfüllt sind, wenn der [X.]erufungsführer "im Rahmen seiner [X.]erufungsbegründung 'im Wesentlichen' (so der Kläger in seinem Schriftsatz vom 7. Dezember 2010) [X.]ezug auf seine Ausführungen in der [X.]erufungszulassungsbegründung" nimmt, betrifft dies die von den konkreten Umständen geprägte Anwendung von § 124a Abs. 3 Satz 1 und 4 VwG[X.] Mangels einer über den Einzelfall hinaus klärungsfähigen Rechtsfrage kommt insoweit die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher [X.]edeutung nicht in [X.]etracht.

8

2. Auch die [X.] (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nicht begründet. Der angegriffene [X.]eschluss weicht nicht von den Entscheidungen des [X.] vom 9. März 2005 - [X.]VerwG 6 [X.] 8.04 - und vom 19. Oktober 2009 - [X.]VerwG 2 [X.] 51.09 - ab.

9

a) Der [X.]eklagte ist der Auffassung, der angefochtene [X.]eschluss weiche insofern von dem Urteil des [X.] vom 9. März 2005 ab, als dort (lediglich) ausgesprochen sei, dass es eines [X.]erufungsantrags nicht bedürfe, wenn sich das Ziel des [X.] für das [X.]erufungsverfahren hinreichend deutlich aus der [X.]erufungsbegründung ergebe. Der Verwaltungsgerichtshof habe dagegen den (darüber hinausgehenden) Rechtssatz aufgestellt, dass es eines [X.]erufungsantrags (auch) dann nicht bedürfe, wenn in der [X.]erufungsbegründung - "im Wesentlichen" - [X.]ezug auf die [X.]erufungszulassungsbegründung genommen werde und sich das Ziel des [X.] im [X.]erufungsverfahren unter Zuhilfenahme des Vortrags im Zulassungsverfahren ermitteln lasse.

Darin liegt indes keine Abweichung von dem Urteil vom 9. März 2005. Dort hat das [X.]undesverwaltungsgericht - wie dargelegt und vom [X.]eklagten zutreffend zitiert - entschieden, dass dem Erfordernis eines [X.]erufungsantrags regelmäßig entsprochen werde, wenn in dem einzureichenden Schriftsatz hinreichend deutlich zum Ausdruck komme, dass, in welchem Umfang und weshalb der [X.]erufungsführer an der Durchführung des zugelassenen [X.]erufungsverfahrens festhalten wolle; es genüge, wenn das Ziel des Rechtsmittels aus der Tatsache seiner Einlegung allein oder in Verbindung mit den während der Rechtsmittelfrist abgegebenen Erklärungen erkennbar sei (Urteil vom 9. März 2005 - [X.]VerwG 6 [X.] 8.04 - juris Rn. 16 m.w.N. § 50 TKG Nr. 2>). An diesem Rechtssatz orientiert sich ersichtlich der angegriffene [X.]eschluss. Für den Verwaltungsgerichtshof steht es danach "außer Frage, dass der Kläger mit seinem Rechtsmittel neben der Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung auch die Aufhebung des angefochtenen 'Widerrufs-' und Rückforderungsbescheids erreichen wollte"; dies folge "bereits daraus, dass der Kläger in der in der [X.]erufungsbegründung in [X.]ezug genommenen [X.]erufungszulassungsbegründung vom 11. Oktober 2010 ausgeführt hat, eine Sanktionierung komme nur noch bei Vorsatz in [X.]etracht, der ihm nicht zur Last gelegt werden könne".

Eine Abweichung ergibt sich aber auch nicht daraus, dass der Verwaltungsgerichtshof zur Ermittlung des [X.] nicht nur den Schriftsatz zur [X.]erufungsbegründung, sondern auch die darin in [X.]ezug genommene [X.]erufungszulassungsbegründung herangezogen hat. Denn über eine solche Fallkonstellation hatte das [X.]undesverwaltungsgericht in dem Urteil vom 9. März 2005 nicht zu entscheiden. Im dortigen Fall war die [X.]erufung bereits durch das Verwaltungsgericht zugelassen worden; es stellte sich daher lediglich die (vom [X.]undesverwaltungsgericht bejahte) Frage, ob das [X.]erufungsgericht die [X.]erufung zu Recht als zulässig ansehen durfte, weil der [X.]erufungsführer zwar keinen ausdrücklichen [X.]erufungsantrag gestellt hatte, das verfolgte [X.] sich jedoch der [X.]erufungsbegründung (aus sich heraus) mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen ließ. Da die Frage der Zulässigkeit einer [X.]ezugnahme der [X.]erufungsbegründung auf Vortrag in dem Antrag auf Zulassung der [X.]erufung nicht Gegenstand des Urteils vom 9. März 2005 war, kommt insoweit schon deshalb eine Abweichung nicht in [X.]etracht. Dass eine solche [X.]ezugnahme den Anforderungen von § 124a Abs. 3 Satz 1 und 4 VwGO grundsätzlich genügen kann, ergibt sich aus den oben (unter 1.) angeführten weiteren Entscheidungen des [X.].

b) Der angegriffene [X.]eschluss weicht auch nicht von der Entscheidung des [X.] vom 19. Oktober 2009 - [X.]VerwG 2 [X.] 51.09 - ab.

Nach Auffassung des [X.]eklagten ist der Verwaltungsgerichtshof von dieser Entscheidung dadurch abgewichen, dass er "für die Zulässigkeit der [X.]erufung keinen [X.]erufungsantrag bzw. die reine [X.]ezugnahme - noch dazu 'im Wesentlichen' - auf einen Schriftsatz im Zulassungsverfahren, der wiederum keinen eigenen Antrag enthalten hatte, genügen lässt".

Für eine den gesetzlichen Anforderungen genügende [X.]erufungsbegründung ist nach dem [X.]eschluss des [X.] vom 19. Oktober 2009 - [X.]VerwG 2 [X.] 51.09 - (juris Rn. 4) "eine eindeutige, gegebenenfalls auslegungsfähige schriftliche Erklärung des [X.]erufungsführers erforderlich, dass und mit welchen Anträgen er das [X.]erufungsverfahren fortführt. (...). Soweit er im Zulassungsantrag bereits erschöpfend vorgetragen hat, genügt es, wenn er darauf in einem innerhalb der Frist des § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO eingehenden Schriftsatz [X.]ezug nimmt". Nicht erforderlich ist danach - worauf der [X.]eklagte offenbar abzielt -, dass ein ausdrücklicher Antrag entweder in der [X.]erufungsbegründung oder aber zumindest in dem in [X.]ezug genommenen Schriftsatz zur Zulassung der [X.]erufung enthalten sein muss. Es reicht vielmehr aus, wenn sich der Antrag im Sinne des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO im Auslegungswege, entweder aus dem gesonderten Schriftsatz zur [X.]erufungsbegründung oder aber aus dem dort in [X.]ezug genommenen Zulassungsantrag, gegebenenfalls auch unter [X.]erücksichtigung des Gesamtzusammenhangs des Verfahrens (vgl. Urteil vom 8. März 2004 - [X.]VerwG 4 [X.] 6.03 - [X.] 310 § 124a VwGO Nr. 26), mit der gebotenen [X.]estimmtheit entnehmen lässt.

In dieser Weise ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Ermittlung des [X.] des [X.] - Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung sowie Aufhebung des angefochtenen 'Widerrufs-' und Rückforderungsbescheids - verfahren.

Meta

3 B 56/11

21.09.2011

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 15. März 2011, Az: 10 A 2298/10, Beschluss

§ 124a Abs 3 S 4 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 21.09.2011, Az. 3 B 56/11 (REWIS RS 2011, 3127)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3127

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3 B 183/12

3 A 33/12

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