Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.07.2015, Az. 2 StR 38/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2015, 7509

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 38/15
vom
28. Juli 2015
in der Strafsache
gegen

wegen Urkundenfälschung

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2
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Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des Generalbun-desanwalts
und des
Beschwerdeführers
am 28.
Juli 2015
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 19.
Juni 2014 aufgehoben
a) in den Fällen [X.], 3., 7., 8., 13., 15., 16. und 19. bis 22. der Urteilsgründe mit den das Gebrauchmachen der Urkunden betreffenden Feststellungen,
b)
im [X.] sowie im Ausspruch über die Kompensation für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzö-gerung mit den zugehörigen Feststellungen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.]s zurückver-wiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

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Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Urkundenfälschung in 24 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verur-teilt, von denen drei Monate als vollstreckt gelten. Im Hinblick auf eine weitere dem Angeklagten vorgeworfene Tat hat es das Verfahren eingestellt.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang [X.]; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.
Nach den Feststellungen betrieb der Angeklagte ein Autohaus. Er [X.] im Zusammenhang mit 24 in den Jahren 2004 und 2005 erfolgten [X.], ausweislich derer die Kunden die Auszahlung von [X.] zwischen 500 bis zu 4.500 Euro bestätigten. Tatsächlich aber [X.] die Kunden -
bis auf einen Fall
-
den jeweils ausgewiesenen Betrag nicht erhalten und -
in allen Fällen
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die Unterschrift auf der Quittung nicht geleistet. Diese hatte vielmehr der Angeklagte entweder selbst angebracht oder aber die Unterschrift durch einen [X.] veranlasst.
Die dergestalt gefälschten Auszahlungsquittungen reichte der [X.] bei der das Kassenbuch führendenden Mitarbeiterin des Autohauses ein. Anhand der Quittungen und des Kassenbuchs erfolgte letztlich die Kontie-rung bei der mit der Buchführung des Autohauses betrauten Steuerkanzlei.
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Den Feststellungen liegen insgesamt 24 von dem Angeklagten gefälsch-te und eingereichte Auszahlungsquittungen mit teilweise identischen [X.] zugrunde. Hiervon ausgehend hat das [X.] den Angeklagten wegen (gewerbsmäßig begangener) Urkundenfälschung in 24 Fällen für schul-dig befunden.

[X.]
Den Verfahrensrügen ist der Erfolg versagt.
1. [X.], das [X.] habe seine Überzeugung entgegen §
261 StPO nicht aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpft, hat im Ergebnis keinen Erfolg.
a) Zwar hat das [X.] ein nicht in die Hauptverhandlung eingeführ-tes schriftliches Gutachten wörtlich verwertet.
Das Gericht hat seine Überzeugung davon, dass in keinem der 24 Fälle die auf den Quittungen angebrachte Unterschrift von dem angeblichen Ausstel-ler stammt, auch auf das schriftliche Gutachten der Schriftsachverständigen Prof. Dr. H.

gestützt, das es zu diesem Zweck auf ca. 100 Urteilssei-ten im Wortlaut wiedergegeben hat. Eine förmliche Verlesung dieses Gutach-tens ist indes in der Hauptverhandlung nicht erfolgt. Die Sachverständige hat, was in den Urteilsgründen mitgeteilt wird, die von ihr verglichenen Unterschrif-ten lediglich an die Wand des [X.] projiziert und ihr Gutachten dabei in freier Rede erstattet.
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Wird ein nicht verlesenes Schriftstück ohne einen Hinweis auf eine be-stätigende Erklärung einer in der Hauptverhandlung
vernommenen Auskunfts-person im Urteil wörtlich wiedergeben, so deutet schon dies in der Regel darauf hin, dass der Wortlaut selbst zum Zwecke des Beweises verwertet worden ist und nicht nur eine gegebenenfalls auf einen Vorhalt abgegebene Bekundung (Senat, Urteil vom 6. September 2000 -
2 [X.]/00, NStZ-RR 2001, 18). Un-geachtet dessen ist den Urteilsgründen ein Anhalt dafür, dass die [X.] auf einen Vorhalt hin eine das schriftliche Gutachten bestätigende Erklä-rung abgegeben hat, nicht zu entnehmen. Zudem enthält das vorliegend in dem Urteil wörtlich zitierte schriftliche Gutachten umfangreiche, sowohl inhaltlich wie sprachlich komplex gestaltete Textpassagen, in denen nicht nur die vergliche-nen Unterschriften bildlich dargestellt, sondern auch im Einzelnen bewertet werden. Die Einzelheiten dieses Gutachtens, insbesondere der genaue Wort-laut, können nach der Lebenserfahrung von einer Sachverständigen auf Vorhalt nicht wiedergegeben werden. Der Senat schließt daher aus, dass das [X.] den Wortlaut der im Urteil zitierten Abschnitte des Gutachtens aufgrund der Angaben der Sachverständigen festgestellt hat.
b) Der Senat kann aber ausschließen, dass das Urteil auf diesem Verfah-rensfehler beruht. Die [X.] hat die mündlichen Ausführungen der Sachverständigen in allgemeiner Form geschildert und sich überdies davon, dass in keinem Fall die Unterschriften auf allen Quittungen von dem ausgewie-senen Aussteller stammen, auf die im Einzelnen dargestellten Aussagen aller 24 angeblichen Aussteller gestützt ([X.] -
171).
2. Die weiteren Verfahrensrügen versagen aus den Gründen der [X.] vom 5. März 2015.

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I[X.]
Dagegen hält das Urteil im Umfang der Aufhebung der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Die bisher zu den Fällen
[X.], 3., 7., 8., 13., 15., 16. und 19. bis 22. der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen zum Gebrauchen der gefälschten Überweisungsträger sind lückenhaft und erlauben dem Senat nicht die Beurtei-lung, ob das [X.] den Angeklagten insoweit rechtsfehlerfrei wegen elf selbständiger Taten der Urkundenfälschung verurteilt hat.
a) Zu Recht ist das [X.] davon ausgegangen, dass das Herstel-len einer falschen Urkunde und das Gebrauchmachen von der gefälschten Ur-kunde jeweils nur eine Tat im Rechtssinne bilden
(st. Rspr.; [X.],
StGB, 62.
Aufl. §
267 Rn.
58 mwN). Dabei gebraucht der Täter die gefälschte Urkunde im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB, wenn er sie in einer Weise vorlegt oder über-gibt, dass der zu [X.] in die Lage versetzt wird, von der Urkunde Kenntnis zu nehmen ([X.] aaO Rn.
36). Dies ist bei gefälschten Quittungen dann der Fall, wenn sie von dem Täter der Person vorgelegt werden, der ge-genüber die Täuschung im Rechtsverkehr aus Sicht des [X.] wirksam wer-den soll.
Vorliegend fehlen jedoch nähere Feststellungen zu den Umständen, ins-besondere zu Zeit und Ort der Vorlage der gefälschten Quittungen bei der das Kassenbuch führendenden Mitarbeiterin des Autohauses. Darauf kommt es aber an. Denn wenn und soweit der Angeklagte mehrere der gefälschten [X.] in einem einzigen Akt vorlegte, etwa indem er die Quittungen "gebün-delt"
weiterreichte, lag
nur eine Handlung im natürlichen Sinne und deshalb auch nur rechtlich eine Tat des Gebrauchmachens
im Sinne des §
267 Abs.
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StGB vor, und zwar unabhängig von der Anzahl der zeitgleich vorgelegten [X.] und unabhängig davon, ob diese das gleiche Verkaufsgeschäft betrafen (vgl. Senat, Beschluss vom 7.
September 2005 -
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StR 342/05, [X.], 100; [X.], Beschluss vom 15.
Januar 2008 -
4 [X.], [X.], 182).
b) Hiervon ausgehend besteht Grund für die Annahme, dass der Ange-klagte jedenfalls die unter dem gleichen Datum ausgestellten Quittungen in den Fällen [X.] und 3. (16.
November 2004), [X.] 7. und 8. (22.
Dezember 2004), [X.]
13., 15. und 16. (14.
April 2005), [X.] 19. und 20. (30.
August 2005) und in den Fällen [X.] 21. und 22.
(2.
September 2005) zeitgleich vorgelegt hat und ihm [X.] nur jeweils eine Tat zur Last fällt.
Über die Sache ist deshalb in den vorgenannten Fällen unter Beachtung des [X.] neu zu entscheiden. Neuer Feststellungen bedarf es jedoch nur zu den tatsächlichen Umständen des Gebrauchmachens von den vom Angeklagten gefälschten [X.]. Die übrigen Feststellungen können dagegen bestehen bleiben.
2. Die Aufhebung des Urteils in den genannten Fällen entzieht auch dem [X.] die Grundlage, der auch für sich genommen rechtli-chen Bedenken begegnet, da das [X.] sich bei Bildung einer Gesamt-freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten auffallend weit von der [X.] entfernt hat, ohne dies in gebotener Weise [X.] zu begründen (vgl. Senat, Urteil vom 26.
Januar 2011 -
2 StR 446/10; Beschluss
vom 5. August 2010 -
2 [X.]/10).
3. [X.] für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung hat keinen Bestand. Die Kammer hat
den Umfang der von ihr angenommenen Verfahrensverzögerung nicht dargelegt, so dass der 17
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Senat nicht prüfen kann, ob die angeordnete Kompensation dem angenomme-nen [X.] gegen Art.
6 Abs.
1 Satz
1 EMRK, Art.
2 Abs.
1 i.V.m. Art.
20 Abs.
3 GG angemessen Rechnung trägt.
a) Da zwischen der Aufnahme der Ermittlungen im Jahre 2007 und dem Urteil im Jahre 2014 rund sieben Jahre liegen, ist das [X.] von einer rechtsstaatswidrigen Verzögerung ausgegangen. Insbesondere aufgrund der Belastungssituation der [X.] sei das Verfahren verzögert worden; inso-fern hätte bei einer strafferen Terminierung das Verfahren rund ein Jahr früher beendet werden können. Im Übrigen hat das [X.] unter anderem auf den Umfang des [X.] hingewiesen.
b) Dies hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung schon deshalb nicht stand, weil das [X.] der Kompensation in [X.] Weise nur unzu-reichende Feststellungen zu Grunde gelegt hat.
Nach den Grundsätzen der Rechtsprechung sind als Grundlage der Kompensation Art, Ausmaß und Ursachen der Verfahrensverzögerung zu [X.] und im Urteil konkret festzustellen. Hierbei ist zu beachten, dass nicht -
wie in der angefochtenen Entscheidung angenommen
-
die gesamte Verfahrens-dauer von der Aufnahme der Ermittlungen bis zum Abschluss der [X.] uneingeschränkt und pauschal als rechtsstaatswidrige Verfahrensver-zögerung angesehen werden kann. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass in diesem Zeitraum auch notwendige, den Fortgang des Verfahrens fördernde Tätigkeiten vorgenommen wurden, deren Erledigung jeweils eine angemessene Zeit beanspruchen und dauern durfte, ohne dass darin eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung gesehen werden könnte (vgl. [X.], Urteil
vom 6.
März 2008 -
3 StR 514/07). Es wird deshalb festzustellen sein, welcher Zeitraum bei zeitlich angemessener Verfahrensgestaltung für die Erledigung der entspre-21
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chenden Maßnahmen in den verschiedenen Verfahrensstadien (Ermittlungs-, Zwischen-
und Hauptverfahren) beansprucht werden durfte. Dieser ist bei der Berechnung der Dauer der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung nicht zu berücksichtigen ([X.], Beschluss vom 27. Mai 2008 -
3 [X.]; Urteil vom 9.
Oktober 2008 -
1 StR 238/08).
c) Es ist nicht auszuschließen, dass sich die nur unzureichend getroffe-nen Feststellungen zu Lasten des Angeklagten ausgewirkt haben. Der Senat hebt die gesamte Kompensationsentscheidung auf, um dem neuen Tatrichter die Möglichkeit zu einer umfassenden Neubewertung zu geben. Dabei wird das Verschlechterungsverbot (§
358 Abs.
2 Satz
1 StPO) zu beachten sein (vgl. Senat, Beschluss vom 12.
September 2013 -
2
StR 226/13; [X.], Beschluss vom 28.
Januar 2014 -
4 [X.]).
Die ungenügenden Feststellungen zur rechtsstaatswidrigen Verfahrens-verzögerung waren aufzuheben, um dem neuen Tatrichter Gelegenheit zu ge-ben, insoweit einheitlich neue, ausreichend konkrete Feststellungen zu treffen.
[X.] Appl Eschelbach

Ott Zeng

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Meta

2 StR 38/15

28.07.2015

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.07.2015, Az. 2 StR 38/15 (REWIS RS 2015, 7509)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 7509

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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