Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.05.2014, Az. 2 StR 606/13

2. Strafsenat | REWIS RS 2014, 5252

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Geiselnahme: Eigenständige Bedeutung der Bemächtigungssituation


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 20. September 2013 im Fall [X.] der Urteilsgründe und im [X.] aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Geiselnahme in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Kindes und sexueller Nötigung, wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in vier Fällen und wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.

I.

2

Die Verurteilung im Fall II.1 der Urteilsgründe wegen Geiselnahme hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

3

1. Nach den Feststellungen des [X.]s lockte der Angeklagte die Nebenklägerin in seine Wohnung, verschloss die Tür und stieß sie auf ein Sofa. Als sie versuchte, zur Ausgangstür zu gelangen, hielt er sie zurück und verklebte ihr mit einem Klebeband den Mund. Er umfasste sodann mit seiner Hand den Hals des [X.] und drückte dabei so fest zu, dass sie kaum noch Luft bekam, während er ihr sagte "Entweder Du machst jetzt mit oder Danach entfernte er das Klebeband wieder und zwang sie, sexuelle Handlungen an ihm vorzunehmen bzw. seine sexuellen Handlungen zu dulden.

4

2. Dieser Sachverhalt erfüllt unter Beachtung der vom Großen Senat des [X.] (Beschluss vom 22. November 1994 - [X.], [X.], 350, 359) zur Auslegung des § 239b StGB im [X.] aufgestellten Grundsätze nicht den Tatbestand der Geiselnahme. Wenn die qualifizierte Drohung - hier die mit dem Zudrücken des Halses einhergehende konkludente Drohung mit dem Tod - zugleich dazu dient, sich des Opfers zu bemächtigen und es in unmittelbarem Zusammenhang damit zu weitergehenden Handlungen zu nötigen, werden die abgenötigten Handlungen ausschließlich durch diese Drohung durchgesetzt, ohne dass der [X.] die in § 239b StGB vorausgesetzte eigenständige Bedeutung zukommt (vgl. auch [X.], [X.], 389). Dass - wie die Kammer annimmt - bereits vor dieser Drohung eine durch die vorangegangenen Handlungen herbeigeführte stabile Bemächtigungslage bestanden hat, ist angesichts des gedrängten und ohne erkennbare Zwischenschritte aufeinanderfolgenden Tatablaufs nicht belegt.

5

3. Dies führt zur Aufhebung des Schuldspruchs insgesamt, auch soweit die [X.] verwirklichten Sexualdelikte zum Nachteil des [X.] betroffen sind. Dies gibt dem neuen Tatrichter Gelegenheit zu prüfen, ob hinsichtlich der Verwendung des [X.] gegebenenfalls die Voraussetzungen einer Verurteilung nach § 177 Abs. 3 Nrn. 1, 2 bzw. § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB gegeben sind.

6

Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da lediglich ein Wertungsfehler des [X.]s gegeben ist. Der neue Tatrichter ist allerdings nicht gehindert, weitere Feststellungen zu treffen, soweit sie zu den bestehenden nicht in Widerspruch stehen.

II.

7

Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall der Urteilsgründe führt insoweit zum Wegfall des Strafausspruchs und entzieht dem [X.] die Grundlage.

Fischer                           Schmitt                      Krehl

               Eschelbach                        Zeng

Meta

2 StR 606/13

27.05.2014

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Marburg, 20. September 2013, Az: 3 KLs 1 Js 15186/12

§ 239b StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.05.2014, Az. 2 StR 606/13 (REWIS RS 2014, 5252)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5252

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 StR 606/13 (Bundesgerichtshof)


2 StR 236/13 (Bundesgerichtshof)

Geiselnahme: Erforderlicher Zusammenhang zwischen Entführung und beabsichtigter Drohung


2 StR 58/13 (Bundesgerichtshof)

Geiselnahme: Eigenständige Bedeutung der Bemächtigungssituation


2 StR 128/10 (Bundesgerichtshof)


2 StR 58/13 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

4 StR 29/23

4 StR 239/18

2 StR 438/15

2 StR 606/13

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.