Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.01.2018, Az. XII ZB 565/16

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 14731

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:310118BXIIZB565.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 565/16

vom

31. Januar 2018

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO §§ 520 Abs. 2, 272 Abs. 4
Bei einem Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist in einer Räumungssache ist dem Beschleunigungsgebot im Rahmen des richterlichen Ermessens auf der Rechtsfolgenseite Rechnung zu tragen.
[X.], Beschluss vom 31. Januar 2018 -
XII ZB 565/16 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 31.
Januar 2018
durch den
Vorsitzenden Richter Dose
und [X.]
Dr.
[X.], Dr.
Günter, Dr.
Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des [X.] wird der Beschluss des 2.
Zivilsenats des [X.] vom 15.
November 2016 aufgehoben.
Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung seiner Berufung gegen das Urteil des [X.] vom 1.
August 2016 ge-währt.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.
Wert: 16.873

Gründe:
I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten die
Räumung und Herausgabe gemieteter Praxisräume.
Das klageabweisende Urteil ist den erstinstanzlichen Bevollmächtigten des [X.] am 4.
August 2016 zugestellt worden. Nach einem [X.] 1
2
-
3
-
haben seine zweitinstanzlichen Bevollmächtigten am
1.
September 2016 Beru-fung eingelegt und mit Telefax vom 30.
September 2016 "aufgrund erhöhten Termin-
und Fristendrucks des Unterzeichners"
um Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung um einen Monat, das heißt
bis zum Ablauf des 4.
No-vember 2016,
nachgesucht.
Nachdem die Beklagte der beantragten Fristverlängerung widersprochen hatte, hat der Vorsitzende des [X.] den Antrag
auf Fristverlänge-rung mit Verfügung vom 7.
Oktober 2016 abgelehnt. Zugleich hat er auf die Ab-sicht des Berufungsgerichts hingewiesen, die Berufung zu verwerfen. Eine ent-sprechende Entscheidung werde jedoch nicht vor dem 25.
Oktober 2016 erge-hen.
Mit Telefax vom 20.
Oktober 2016 hat der Kläger seine
Berufung [X.] und wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wieder-einsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Das [X.] hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung verworfen. Hierge-gen richtet sich die Rechtsbeschwerde des [X.], mit der er die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses unter Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist so-wie die Zurückverweisung der Sache an das [X.] begehrt.

II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Sie
ist gemäß §§
522 Abs.
1 Satz
4, 574 Abs.
1 Nr.
1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtspre-chung erfordert eine Entscheidung des Senats (§
574 Abs.
2 Nr.
2 ZPO). Der 3
4
5
6
-
4
-
angefochtene Beschluss verletzt den Kläger in seinem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art.
2 Abs.
1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip), welches
es den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in [X.], aus [X.] nicht zu rechtfertigender
Weise zu erschweren (Senats-beschlüsse
vom 26.
Oktober 2016

XII
ZB
134/15

FamRZ 2017, 368 Rn.
4 [X.] und vom 23.
Januar 2013

XII
ZB
167/11

FamRZ 2013, 1117 Rn.
4 [X.]).
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
Sie führt unter
Aufhebung des angefochtenen Beschlusses
zur Gewährung von Wiedereinsetzung in den vori-gen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist und zur [X.] an das [X.].
a) Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung aus-geführt, die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lägen
nicht vor. Der Kläger sei nicht ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist gehindert gewesen. Sein Bevollmächtigter habe damit rechnen müssen, dass sein
Antrag auf Fristverlängerung zurückgewiesen werde. Eine Einwilligung des Gegners gemäß §
520 Abs.
2 Satz
2 ZPO sei nicht erteilt worden. Die Voraussetzungen für eine Fristverlängerung ohne Ein-willigung des Gegners nach §
520 Abs.
2 Satz
3 ZPO hätten nicht vorgelegen.
Einerseits hätte bereits eine Fristverlängerung um wenige Tage zu einer Verzögerung des Rechtsstreits geführt. Denn in [X.] berate das
Berufungsgericht
mit Rücksicht auf das Beschleunigungsgebot (§
272 Abs.
4 ZPO) sofort nach Eingang der Berufungsbegründung und bestimme
entweder einen nächst möglichen Termin zur mündlichen Verhandlung oder kündige im Wege eines Hinweises die Zurückweisung der Berufung durch einstimmigen 7
8
9
-
5
-
Beschluss (§
522 Abs.
2 ZPO) an.
Dies gelte umso mehr, als es sich hier um einen rechtlich und tatsächlich einfach gelagerten Fall handele.
Die Ankündi-gung des Vorsitzenden, das
Berufungsgericht
werde nicht vor dem 25.
Oktober 2016 über die Verwerfung der Berufung entscheiden, habe allein der Gewäh-rung rechtlichen Gehörs gedient. Eine Verzögerung im Sinne von §
520 Abs.
2 Satz
3 ZPO sei hiermit nicht verbunden gewesen.
Andererseits habe der Kläger einen erheblichen Grund für eine Verlänge-rung der Begründungsfrist nicht dargelegt. Denn in [X.] reiche hierfür der schlichte Hinweis auf eine
Arbeitsüberlastung seines
Prozessbe-vollmächtigten nicht aus. Das Beschleunigungsgebot (§
272 Abs.
4 ZPO) binde nicht nur das Gericht, sondern beanspruche auch für das Prozessverhalten der [X.]en Geltung. Daher sei insbesondere bei Fristverlängerungen in [X.] ein strenger Maßstab an die Erheblichkeit der vorgebrachten Gründe anzulegen.
Dies gelte für Verlängerungsgesuche sowohl des Mieters als auch des Vermieters.
In [X.] könne daher eine Fristverlängerung wegen "erhöh-ten Termin-
und Fristendrucks"
nur gewährt werden, wenn es
sich bei den an-deren [X.] ebenfalls um [X.] oder andere vorrangig zu bearbeitende Verfahren handele. Hiervon habe auch der Prozessbevollmächtig-te des [X.] als Fachanwalt für Miet-
und Wohnungseigentumssachen aus-gehen müssen. Dieser habe aber weder in seinem Verlängerungsantrag vom 30.
September 2016 aufgezeigt, noch sei es im Übrigen ersichtlich, dass sich seine Arbeitsplanung am gesetzlichen Vorrang
von
[X.] ausge-richtet habe. Insbesondere habe er nicht dargelegt, warum er trotz ablaufender Berufungsbegründungsfrist in einer beschleunigt zu behandelnden Räumungs-sache weitere Mandate
angenommen und bearbeitet habe.
10
11
-
6
-
Das Gericht habe
den Bevollmächtigten des [X.] auch nicht vorab darauf hinweisen müssen, dass der Bewilligung der Fristverlängerung mögli-cherweise
Hinderungsgründe entgegenstehen. Vielmehr habe es dem Bevoll-mächtigten oblegen, sich rechtzeitig danach zu erkundigen, ob die beantragte Fristverlängerung bewilligt worden sei.
Angesichts des Beschleunigungsgebots habe gerade kein Vertrauenstatbestand zu seinen Gunsten bestanden. Eine Erkundigung durch den Bevollmächtigten sei
vor allem auch deshalb geboten gewesen, weil sein Verlängerungsgesuch erst am Freitag, dem
30.
September 2016, um 12:10
Uhr eingegangen sei, sodass es dem Gericht
aufgrund des Feiertags
erst am 4.
Oktober 2016 habe vorgelegt werden können.
b) Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
aa) Zwar geht das [X.] zutreffend von einem verspäteten Eingang
der Berufungsbegründung am 20.
Oktober 2016 aus. Denn die diesbe-zügliche Frist hatte angesichts der Zurückweisung des Verlängerungsantrags durch die Verfügung des Vorsitzenden vom 7.
Oktober 2016 bereits mit Ablauf des 4.
Oktober 2016 geendet (§
520 Abs.
2 Satz
1 ZPO).
bb) Das
[X.] hat dem Kläger aber zu Unrecht Wiederein-setzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegrün-dungsfrist versagt.
(1) Gemäß §
233 Satz
1 ZPO ist einer [X.] auf ihren Antrag Wiederein-setzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden ver-hindert gewesen ist, die Frist zur Begründung einer Berufung einzuhalten.
Dies ist vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§
236 Abs.
2 Satz
1 ZPO).
(2) Die Frage, ob einen Prozessbevollmächtigten ein der [X.] nach §
85 Abs.
2 ZPO zuzurechnendes Verschulden trifft, richtet sich nach einem 12
13
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16
17
-
7
-
objektiv-typisierenden Maßstab, wobei auf die Person des Bevollmächtigten abzustellen ist. [X.] ist dabei die von einem ordentlichen Rechtsanwalt zu fordernde übliche Sorgfalt, wobei die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht nicht überspannt werden dürfen. Ihre Beachtung muss im Ein-zelfall auch zumutbar sein, da andernfalls das Recht auf wirkungsvollen Rechtsschutz und auf einen zumutbaren Zugang zu den Gerichten verletzt [X.] ([X.] Beschluss vom 17.
August 2011

I
ZB
21/11

NJW-RR 2012, 122 Rn.
12 [X.]).
Die Sorgfaltspflicht in [X.] verlangt von einem Rechtsanwalt, alles ihm Zumutbare zu tun, um die Wahrung von [X.] zu gewährleis-ten ([X.] Beschluss vom 29.
Juni 2017

III
ZB
95/16

juris Rn.
7).
Erkennt der Rechtsanwalt, dass er eine Frist zur Rechtsmittelbegründung nicht einhalten kann, muss er durch einen rechtzeitig gestellten Antrag auf Fristverlängerung dafür Sorge tragen, dass ein Wiedereinsetzungsgesuch gar nicht erst [X.] wird ([X.] Beschluss vom 1.
Juli 2013

VI
ZB
18/12

NJW 2013, 3181 Rn.
9
[X.]).
Das Verlängerungsgesuch ist rechtzeitig, wenn es spätestens am letzten Tag der zu verlängernden Frist beim zuständigen Gericht eingereicht worden ist
(vgl. [X.] Beschluss vom 16.
März 2010

VI
ZB
46/09

NJW 2010, 1610 Rn.
10 [X.]).
(3) Allerdings ist der Rechtsmittelführer generell mit dem Risiko belastet, dass der Vorsitzende des Rechtsmittelgerichts in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens eine beantragte Verlängerung der Rechtsmittelbegründungsfrist versagt. Ohne Verschulden im Sinne
von §
233 ZPO handelt der Rechtsanwalt daher nur dann, wenn er auf die Fristverlängerung vertrauen durfte, das heißt
wenn deren Bewilligung mit großer Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Dies ist bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungs-frist dann der Fall, wenn entweder der Antragsgegner bereits seine Einwilligung 18
19
-
8
-
erklärt hat (§
520 Abs.
2 Satz
2 ZPO) oder vom Antragsteller
erhebliche Gründe im Sinne des §
520 Abs.
2 Satz
3 ZPO geltend gemacht werden ([X.] Be-schluss vom 9.
Juli 2009

VII
ZB
111/08

FamRZ 2009, 1745 Rn.
8
f. [X.]). Dabei ist zumindest beim ersten Verlängerungsantrag eine ins Einzelne gehen-de Darlegung eines erheblichen Grundes nicht erforderlich. Es reicht etwa der bloße Hinweis auf eine Arbeitsüberlastung aus, ohne dass es einer weiteren Substantiierung bedürfte ([X.] Beschlüsse vom 9.
Mai 2017

VIII
ZB
69/16

NJW 2017, 2041 Rn.
13 [X.]
und vom 16.
März 2010

VI
ZB
46/09

NJW 2010, 1610 Rn.
9; [X.] NJW 2007, 3342 [X.]).
(4) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind die [X.] an die Darlegung eines erheblichen Grundes auch nicht im Hinblick auf das in §
272 Abs.
4 ZPO enthaltene Beschleunigungsgebot für [X.] zu modifizieren.
Diese Regelung, nach der
[X.] vorrangig und beschleunigt durchzuführen sind,
ist durch das Gesetz über die energetische Modernisierung von vermietetem Wohnraum und über die vereinfachte Durchsetzung von [X.] vom 11.
März 2013 (Mietrechtsänderungsgesetz;
BGBl.
I S.
434)
eingeführt worden.
Sie bezweckt den Schutz des Vermieters, welcher auch bei wirksamer Kündigung des Vertrags seine Leistung

nämlich die Besitzüberlas-sung

nicht eigenmächtig zurückerhalten kann. Durch eine besonders schnelle Durchführung des Verfahrens soll vermieden werden, dass sich die Forderung des Vermieters monatlich um das auflaufende Nutzungsentgelt erhöht, falls der Mieter nicht zahlt (BT-Drucks. 17/11894 S.
24).
(a) Systematisch ist §
272 Abs.
4 ZPO in die Vorschriften über das Ver-fahren
im ersten Rechtszug vor den Landgerichten eingebettet.
Das Be-schleunigungsgebot
richtet sich daher vornehmlich an die Angehörigen der 20
21
22
-
9
-
Justiz, das heißt
an Richter, Geschäftsstellenmitarbeiter und [X.]
([X.]
ZMR 2013, 417, 418; Drasdo
NJW-Spezial 2014, 225, 226). Die [X.]en und ihre Rechtsanwälte sind demgegenüber keine unmittelbaren Normadressaten. Sie werden jedoch von dem Vorrangs-
und Beschleunigungs-gebot mittelbar betroffen, da die Gerichte
auf eine Beschleunigung hinwirken müssen, die auch den Bereich der [X.]en und ihrer Rechtsanwälte betrifft ([X.] ZMR 2013, 417, 418).
(b) Zwar orientiert sich §
272 Abs.
4 ZPO an anderen Beschleunigungs-geboten wie etwa
§
155 Abs.
1 FamFG für
Kindschaftssachen oder
§
61
a Abs.
1 ArbGG
für den
Kündigungsschutz. Anders als diese Vorschriften enthält §
272 Abs.
4 ZPO jedoch keine konkreten Handlungsgebote für das Gericht. Dadurch sollen
insbesondere die
richterliche Prozessleitung sowie die Ent-scheidung nach
§
272 Abs.
2 ZPO zwischen einem
frühen ersten Termin (§
275 ZPO) und einem
schriftlichen Vorverfahren (§
276 ZPO) offen gehalten
werden (BT-Drucks. 17/11894 S.
24).
(c) Allerdings sind [X.] nach
dem Willen des Gesetz-gebers
schneller als andere Zivilprozesse durchzuführen, um auf diese Weise das Uneinbringlichkeitsrisiko für den Gläubiger auf ein vertretbares Maß
zu begrenzen. Sie sind vorrangig zu terminieren, und die Fristen zur Stellung-nahme für die [X.]en sind auf das unbedingt Notwendige zu reduzieren (BTDrucks. 17/11894 S.
24).
(aa) In der Literatur wird deshalb teilweise
vertreten,
dass in [X.] insbesondere bei Anträgen auf Fristverlängerung ein
besonders stren-ger Maßstab an
die Erheblichkeit der [X.] im Sinne der
§§
224 Abs.
2, 520 Abs.
2 Satz
3 ZPO anzulegen
sei. Das gelte vor allem für Berufungsbegründungsfristen. [X.] müssten ihre Arbeit ebenfalls 23
24
25
-
10
-
auf die normierte Priorität von [X.] ausrichten. Eine Fristverlänge-rung wegen Überlastung eines
Prozessbevollmächtigten mit anderen Fristsa-chen könne demzufolge nur gewährt werden, wenn es sich hierbei ebenfalls um [X.] oder um andere vorrangig
zu behandelnde Verfahren etwa nach §§
155 FamFG, 61
a ArbGG handele. Andernfalls müsse in den anderen Sachen um Fristverlängerung nachgesucht werden. Hierzu müsse das Fristver-längerungsgesuch Angaben enthalten. [X.] Begründungen seien inso-weit
nicht ausreichend ([X.] ZMR 2013, 417, 418; Musielak/Voit/Foerste ZPO 14.
Aufl. §
272 Rn.
9). Im Ergebnis solle Anträgen auf Fristverlängerung daher grundsätzlich nicht stattgegeben werden (vgl. [X.]/[X.] ZPO 9.
Aufl. §
272 Rn.
9; [X.] in[X.]/[X.] ZPO §
272 Rn.
16).
(bb) Diese Auffassung
überzeugt jedoch nicht.
Denn der Gesetzgeber hat das Beschleunigungsgebot gemäß
§
272 Abs.
4 ZPO in Kenntnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den erheblichen Gründen im Sinne von §
520 Abs.
2
Satz
3 ZPO normiert, ohne zugleich die
Verlängerungsmöglichkei-ten für die
Berufungsbegründungsfrist nach
§
520 Abs.
2 ZPO im Hinblick auf [X.] zu modifizieren. Insbesondere hat er davon abgesehen, die verfahrensrechtlichen Möglichkeiten des Berufungsklägers in einem Räu-mungsverfahren
zu beschränken.
Eine "Überbeschleunigung"
wird
vom Gericht nicht verlangt ([X.], 21;
vgl. auch [X.]/Lauterbach ZPO 76.
Aufl. §
272 Rn.
19).
Wäre es dem Gesetzgeber darauf angekommen, über §
272 Abs.
4 ZPO die [X.] an einen erheblichen Grund
nach §
520 Abs.
2 Satz
3 ZPO für [X.] zu verschärfen, wäre es bereits aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit geboten gewesen, eine derartige Modi-fizierung in Abgrenzung zu den übrigen, hiervon
nicht betroffenen Berufungs-verfahren in den Gesetzestext aufzunehmen. [X.] ist allerdings nicht ge-26
27
-
11
-
schehen und erscheint
auch nicht erforderlich, um dem Beschleunigungsgebot in [X.] im Hinblick auf die Einhaltung der Berufungsbegründungs-frist hinreichende
Wirkung zu verleihen.
Denn dem Vorsitzenden des [X.] wird bei
der Entscheidung über Fristverlängerungsanträge
nach
§
520 Abs.
2 ZPO ein
weitreichendes
Ermessen eingeräumt.
Er kann vom [X.] abweichen und innerhalb der gesetzlichen Grenzen eine kürzere Frist gewähren. Selbst eine Fristverlängerung von
nur wenigen Tagen und/oder Stunden kann
vom richterlichen Ermessen umfasst
sein (vgl. [X.]/Schütze/[X.] ZPO 4.
Aufl. §
520 Rn.
43 [X.]).
Auf diese Weise ermöglicht §
520 Abs.
2 ZPO bereits in seiner bisheri-gen Auslegung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung eine angemessene Handhabung der Verlängerungsbefugnis für Berufungsbegründungsfristen im Hinblick auf eine vorrangige und beschleunigte Durchführung von [X.].
Entsprechend den Vorstellungen des Gesetzgebers, Fristen auf das unbedingt Notwendige zu reduzieren (BT-Drucks. 17/11894 S.
24), ist es auch im Rahmen von §
520 Abs.
2 ZPO ausreichend, mit entsprechend kurzen Frist-verlängerungen zu reagieren (vgl. [X.]/Prütting 5.
Aufl. §
272 Rn.
33; [X.] ZPO/[X.] [Stand: 15.
September 2017] §
272 Rn.
12; [X.]/[X.] 7.
Aufl. §
272 Rn.
11; [X.]/[X.]/Reichold
ZPO 38.
Aufl. §
272 Rn.
9; vgl. auch [X.] Beschluss vom 9.
Mai 2017

VIII
ZB
69/16

NJW 2017, 2041 Rn.
11
ff.).
c) Gemessen hieran lag ein dem Kläger nach §
85 Abs.
2 ZPO zure-chenbares
Verschulden seines zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten nicht vor.
Unter Bezugnahme auf einen erhöhten Termin-
und Fristendruck hat der Kläger eine Arbeitsüberlastung seines Bevollmächtigten geltend gemacht, wel-28
29
30
-
12
-
che nach ständiger Rechtsprechung als erheblicher Grund im Rahmen von §
520 Abs.
2 Satz
3 ZPO Berücksichtigung findet ([X.] Beschluss vom 9.
Mai 2017

VIII
ZB
69/16

NJW 2017, 2041 Rn.
12 [X.]). Der Bevollmächtigte
durfte
darauf vertrauen, dass der Vorsitzende des Berufungsgerichts
ihm mit der Verfügung vom 7.
Oktober 2016 eine zumindest kurze Verlängerungsfrist gewähren würde, um die Berufungsbegründung bei der gebotenen beschleunig-ten Bearbeitung von [X.] trotz erhöhten Termin-
und [X.] erstellen zu können.
Unter diesen Umständen bestand für ihn
auch [X.] Notwendigkeit, sich am letzten [X.] telefonisch nach der Entschei-dung über seinen Verlängerungsantrag zu erkundigen (vgl. [X.] Beschluss vom
9.
Mai
2017

VIII
ZB
69/16

NJW 2017, 2041
Rn.
19
[X.]).
-
13
-
3. Die weiteren Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vori-gen
Stand liegen vor.
Der die Berufung verwerfende Beschluss wird mit der Wiedereinsetzung gegenstandslos
(Senatsbeschluss vom 9.
Februar 2005

XII
ZB
225/04

FamRZ 2005, 791, 792). Seine Aufhebung erfolgt insoweit daher lediglich klarstellend.

Dose

[X.]

Günter

Nedden-Boeger

Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 01.08.2016 -
6 [X.]/15 -

OLG [X.], Entscheidung vom 15.11.2016 -
2 [X.] -

31

Meta

XII ZB 565/16

31.01.2018

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.01.2018, Az. XII ZB 565/16 (REWIS RS 2018, 14731)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 14731

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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keine Wiedereinsetzung bei Zurückweisung eines zweiten Fristverlängerungsantrags zur Berufungsbegründung


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XII ZB 565/16

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