Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.07.2013, Az. 2 StR 174/13

2. Strafsenat | REWIS RS 2013, 3782

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2
StR 174/13

vom
30. Juli 2013
in der Strafsache
gegen

wegen
(unerlaubten) Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer

Menge

-
2
-
Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 30. Juli 2013
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 10. Januar 2013
mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die
Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.] zurück-verwiesen.
2.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltrei-bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Urteils, soweit das [X.] die Unterbringung des Angeklagten in einer Entzie-hungsanstalt (§ 64 StGB) abgelehnt hat; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbe-gründet (§ 349
Abs. 2 StPO).
1. Nach den Feststellungen begann der Angeklagte ab dem 14. Lebens-jahr Cannabis zu konsumieren, anschließend kam Alkohol hinzu. Zwischen dem 1
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-
3
-
16. und dem 18. Lebensjahr nahm der Angeklagte verschiedene Drogen
zu sich, "neben Amphetamin und Kokain
auch Pilze, Ecstasy und Speed"
(UA S.
2). Nach etwa zweijähriger Abstinenz fing der Angeklagte im Alter von 20 Jahren erneut an, Alkohol und Cannabisprodukte zu konsumieren. [X.] nahm er Heroin, das er zunächst vier Jahre lang injizierte, später rauchte und nasal zu sich nahm. Schließlich nahm er in [X.] an einem [X.] teil, wobei der Angeklagte daneben weiterhin Heroin
konsumierte.
Als Entlohnung für seine der Verurteilung zugrunde liegenden Tätigkeiten durfte sich der Angeklagte u.a. aus dem gebunkerten Heroinbestand frei bedienen und bis zu fünf Gramm Heroin täglich entnehmen, "um seinen eigenen Konsum zu decken"
(UA S. 5).
Das [X.] hat in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen die Voraussetzungen für die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in ei-ner Entziehungsanstalt gemäß
§ 64 StGB verneint. Ein Hang sei nicht gegeben, da seine Leistungsfähigkeit erhalten geblieben sei.
Zudem gehe die "abgeurteil-

ihm zurück, [X.] zu konsumieren, sondern ist im Hinblick auf seine Methadonsubsti-tution auf seine finanzielle Notlage aufgrund der lang andauernden Erwerbslo-sigkeit zurückzuführen"
(UA S. 9 f.).
2. Diese Ausführungen lassen besorgen, dass die [X.] rechts-fehlerhaft von einem zu engen Verständnis eines Hanges im Sinne von
§ 64 StGB sowie des erforderlichen symptomatischen Zusammenhangs zwischen den abgeurteilten Taten und dem Hang ausgegangen ist.
a) Für einen Hang ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese 3
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4
-
Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betroffene auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefähr-det oder gefährlich erscheint (st. Rspr.;
vgl.
nur
[X.],
Beschluss vom 21. [X.] 2012

4 [X.]/12
mwN, insoweit in [X.], 74
nicht abge-druckt). Nicht erforderlich ist, dass beim Täter bereits eine Persönlichkeitsdep-ravation eingetreten ist ([X.],
Beschluss vom 6. September 2007

4 [X.], [X.], 8). Dem Umstand, dass durch den [X.] die Gesundheit sowie die Arbeits-
und Leistungsfähigkeit des Betroffenen beeinträchtigt sind, kommt nur eine indizielle Bedeutung zu. Das Fehlen solcher Beeinträchtigungen schließt nicht notwendigerweise die Bejahung eines Hangs aus ([X.], Beschluss vom 20. Dezember 2011

3 [X.], [X.], 204; Beschluss vom 1.
April 2008

4 StR 56/08, NStZ-RR
2008, 198, 199; [X.], StGB, 60. Aufl., § 64 Rn. 10a).
Hier drängt sich das Vorliegen eines Hanges schon angesichts des fest-gestellten (langjährigen)
Konsumverhaltens des Angeklagten auf, insbesondere mit Blick auf den von ihm für unerlässlich gehaltenen

freilich mengenmäßig nicht näher konkretisierten

[X.]
von Heroin
(vgl. zum [X.] bei Methadon:
Senatsbeschluss vom 27. Juni 2001

2 [X.], [X.]R StGB §
64 Abs. 1 Hang 7 mwN). Die
"über Monate hinweg erhalten"
(UA S. 9) geblie-bene Leistungsfähigkeit des noch relativ jungen Angeklagten
ist angesichts dessen nicht ausschlaggebend. Dass beim Angeklagten die Voraussetzungen des § 21 StGB zur Tatzeit rechtsfehlerfrei verneint wurden, stünde im Übrigen einer Maßregelanordnung nach §
64 StGB nicht entgegen (Senatsbeschluss vom 5. Juli 2000

2 StR 87/00, NStZ-RR 2001, 12).
b) Auch der Symptomwert der festgestellten Tat für den Hang des Ange-klagten liegt

entgegen der Auffassung des [X.]

ausgesprochen 6
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-
5
-
nahe. Nach ständiger Rechtsprechung ist nicht erforderlich, dass der Hang die alleinige Ursache für die [X.] ist. Vielmehr ist ein symptomatischer Zu-sammenhang auch dann zu bejahen, wenn der Hang neben anderen [X.] mit dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte eine erhebliche rechtswidri-ge Tat begangen hat, und dies bei unverändertem Suchtverhalten auch für die Zukunft zu besorgen ist (vgl. [X.], Beschluss vom 21. August 2012

4 [X.]/12, insoweit in [X.], 74
nicht abgedruckt; Beschluss vom 25. Ok-tober 2011

4 StR 416/11).
So liegt es hier. Denn der sich in finanzieller Notla-ge befindliche und arbeitslose Angeklagte durfte als Gegenleistung für seine der Verurteilung zugrunde liegenden Tätigkeiten aus dem

im Übrigen zum Handel dienenden

Heroinbestand u.a. täglich bis zu fünf Gramm Heroin für den Eigenkonsum entnehmen. Damit liegt es sehr nahe, dass der [X.] des Angeklagten jedenfalls mitursächlich für die Tat gewesen ist.
c) Den bisher getroffenen Feststellungen ist auch nicht zu entnehmen, dass die Maßregel deswegen ausscheiden müsste, weil es an der hinreichend konkreten Aussicht eines Behandlungserfolges fehlt (§ 64 Satz 2 StGB).
Die Frage der Anordnung der Maßregel der Unterbringung in einer Ent-ziehungsanstalt bedarf deshalb unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§
246a Satz 2 StPO) der erneuten Prüfung und Entscheidung.
3. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachho-lung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO). Der [X.] hat die Nichtanwendung des
§ 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl.
Senat, Urteil
vom 7.
Oktober 1992

2
StR 374/92, [X.]St 38, 362 f.).

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9
10
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6
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4. Der Senat kann ausschließen, dass das [X.] bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt eine mildere Freiheitsstrafe [X.] hätte. Der Strafausspruch kann deshalb bestehen bleiben.

Fischer

Schmitt

Eschelbach

Ott

Zeng
11

Meta

2 StR 174/13

30.07.2013

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.07.2013, Az. 2 StR 174/13 (REWIS RS 2013, 3782)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3782

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4 StR 311/12

3 StR 421/11

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