Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.11.2023, Az. VIa ZR 289/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 8220

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Tenor

Auf die Revision des [X.] wird der Beschluss des 8. Zivilsenats des [X.] vom 2. Februar 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung - mit Ausnahme der begehrten Zinsen auf den Freistellungsanspruch - zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Der Kläger erwarb im Juni 2016 von einem Händler einen von der Beklagten hergestellten gebrauchten [X.] zu einem Kaufpreis von 43.500 €. Das Fahrzeug ist mit einem Motor der Baureihe [X.] (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet, der ein sogenanntes Thermofenster und eine Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung enthielt.

3

Der Kläger hat zuletzt die Erstattung eines Betrags in Höhe von 44.254,24 € nebst Zinsen abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 4.350,77 € Zug um Zug gegen "Rückgabe" und Übereignung des Fahrzeugs sowie die Freistellung von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten nebst Zinsen begehrt.

4

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Senat insoweit zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge mit Ausnahme der auf den [X.] begehrten Zinsen weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision des Klägers hat Erfolg.

I.

6

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen wie folgt begründet:

7

Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB seien nicht gegeben. Sowohl hinsichtlich des Thermofensters als auch bezüglich der [X.] fehlte es - selbst wenn die Funktionsweisen jeweils als unzulässige Abschalteinrichtung zu bewerten wären - an einem sittenwidrigen Vorgehen der Beklagten. Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 kämen nicht Betracht, weil es sich bei letztgenannten Bestimmungen nicht um Schutzgesetze handele.

II.

8

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

9

1. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.

2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der [X.] nach Erlass des die Berufung zurückweisenden Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des [X.] gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der [X.] zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 29 bis 32, zur [X.] bestimmt in [X.]Z).

Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des [X.] auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen [X.]s zustehen kann (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso [X.], Urteile vom 20. Juli 2023 - III ZR 267/20, [X.], 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

Die angefochtene Entscheidung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben, § 562 ZPO, weil sie sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Das Berufungsgericht hat keine tragfähigen Feststellungen getroffen, auf deren Grundlage eine deliktische Haftung der Beklagten wegen einer jedenfalls fahrlässigen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung verneint werden könnte. Der [X.] kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen [X.] darzulegen. die erforderlichen Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV zu treffen haben.

Menges                             Möhring                                  Götz

                     Rensen                             Vogt-Beheim

Meta

VIa ZR 289/22

20.11.2023

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 2. Februar 2022, Az: 8 U 7392/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.11.2023, Az. VIa ZR 289/22 (REWIS RS 2023, 8220)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 8220

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