Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.10.2014, Az. 4 StR 397/14

4. Strafsenat | REWIS RS 2014, 2432

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 397/14

vom
7. Oktober
2014
in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen versuchten besonders schweren Raubes u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und der
Beschwerdeführerinnen
am 7.
Oktober
2014
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 12.
Mai 2014 in den [X.] mit den Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten der [X.], an eine andere Strafkammer des [X.] zurück-verwiesen.
2.
Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagten jeweils wegen versuchten beson-ders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen. Die Angeklagte A.

hat es unter Einbeziehung der Strafe aus
einer anderweitigen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei
Jahren und sechs Monaten und die Angeklagte H.

zu einer solchen von drei
Jahren verurteilt. Die Revisionen der Angeklagten haben jeweils mit der Sachrüge den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.
1
-
3
-
I.
Die von der Angeklagten A.

erhobene Rüge der Verletzung formel-
len Rechts ist nicht ausgeführt und deshalb unzulässig (§
344 Abs.
2 Satz
2 StPO).
II.
1.
Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der von beiden Angeklagten erhobenen Sachrüge hat zu den Schuldsprüchen keinen die [X.] belastenden Rechtsfehler ergeben.
2.
Die Strafaussprüche halten jedoch der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Annahme des [X.], beide Angeklagte seien zum [X.]punkt der Tatbegehung voll schuldfähig gewesen, begegnet durchgreifenden recht-lichen Bedenken.
a)
Nach den Feststellungen erörterten die Angeklagten am Nachmittag des 12.
Januar 2014 in der Wohnung der Angeklagten H.

verschiedene
Möglichkeiten zur Verbesserung ihrer jeweils prekären finanziellen Situation und tranken dabei mehrere Flaschen Bier. Durch den genossenen Alkohol ent-hemmt, fassten sie den Plan, in einer nahe gelegenen Spielhalle die [X.] an sich zu bringen und begaben sich gegen 20.00
Uhr zum Tatort. Wie ab-gesprochen,
sprühte die Angeklagte H.

in der Spielhalle der als Aufsicht
tätigen Nebenklägerin aus einer mitgeführten Flasche unvermittelt Reizgas ins Gesicht, um sie außer Gefecht zu setzen und stieß sie zu Boden. Gemeinsam mit der Angeklagten A.

, die nach ihr die Spielhalle betreten hatte und die
2
3
4
5
-
4
-
ein Küchenmesser mit sich führte, versetzte sie der laut um Hilfe rufenden
Nebenklägerin Schläge und Fußtritte. Als sich ein Besucher der Spielhalle, der Zeuge D.

, für die Angeklagten unerwartet aus dem [X.] dem

Da diese klemmtef-nen; sie wandten sich zurück in den Gastraum, um einen Hintereingang zu su-chen. Letztlich gelang ihnen die Flucht über ein Treppenhaus im vorderen Be-reich des Gebäudes.
b)
Das [X.] hat eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit der Angeklagten zum [X.]punkt der Tat ausgeschlossen. Zwar hätten die Angeklag-ten möglicherweise in der [X.] von 15.30 bis 20.00
Uhr jeweils nahezu dreiein-halb Liter Bier konsumiert. Dies habe bei beiden aber lediglich zu einer alkohol-bedingten Enthemmung geführt. Die Angeklagten seien zu [X.] und ziel-gerichtetem Vorgehen in der Lage gewesen und hätten auf unvorhergesehene Situationsänderungen wie das Auftauchen des Zeugen D.

adäquat rea-
giert. Anhaltspunkte für Ausfallerscheinungen während der Tatausführung [X.] sich nicht ergeben. Die von beiden Angeklagten behaupteten Erinnerungs-lücken könnten für sich allein die Annahme erheblich verminderter Schuldfähig-keit nicht rechtfertigen.
3.
Mit diesen Erwägungen hat die Strafkammer eine erheblich verminder-te Schuldfähigkeit der Angeklagten nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen.
a)
Der Tatrichter muss Angaben eines Angeklagten zum Alkoholgenuss, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise
gibt, nach ständiger Rechtsprechung des [X.] nicht ohne weiteres als unwiderlegt 6
7
8
-
5
-
hinnehmen (Senatsurteil vom 6.
März 1986

4
StR 48/86, [X.], 29, 34; [X.], Beschluss vom 31.
Mai 1988

3
StR
203/88, [X.]R StGB §
21 Blutalko-holkonzentration
13). Hält er diese dennoch für glaubhaft oder

wie hier

unter Berücksichtigung des Zweifelssatzes für nicht widerlegbar, so hat er, [X.] mit sachverständiger Hilfe, die [X.] zu berechnen und seiner weiteren Beweiswürdigung zugrunde zu legen ([X.], Urteil vom 22.
Mai 1991

3
StR
473/90, [X.]R StGB §
20 Blutalkoholkonzen-tration
12). Daran fehlt es hier.
b)
Auf Grund der Feststellungen zu Art und Menge des von beiden [X.] genossenen Alkohols und infolge fehlender überprüfbarer Berech-nungsgrundlagen kann im vorliegenden Fall aber nicht ausgeschlossen werden, dass diese zum Tatzeitpunkt eine Blutalkoholkonzentration von 2

oder mehr aufwiesen. Zwar gibt es keinen gesicherten Rechts-
oder Erfahrungssatz, wo-nach
ab einer bestimmten Höhe der Blutalkoholkonzentration ohne Rücksicht auf psychodiagnostische Beurteilungskriterien regelmäßig vom Vorliegen einer krankhaften seelischen Störung auszugehen ist. Bei einem Wert von über 2

ist eine erhebliche Herabsetzung der Hemmungsfähigkeit aber je nach den Umständen des Einzelfalles in Betracht zu ziehen, naheliegend oder gar in
hohem Maße wahrscheinlich ([X.], Urteil vom 29.
April 1997

1
StR
511/95, [X.]St 43, 66;
Beschluss vom 10.
Januar 2012

5
StR
517/11, [X.], 109; Beschluss vom 7.
Februar 2012

5
StR
545/11, [X.], 137). Das war hier erörterungsbedürftig.
Gewichtige psychodiagnostische Gegenindizien, die geeignet sein könn-ten, die Indizwirkung der Blutalkoholkonzentration für die Beurteilung der Schuldfähigkeit der Angeklagten zu relativieren, lassen sich dem Urteil entge-gen der Ansicht des [X.] nicht entnehmen. Die Wertung der 9
10
-
6
-
Strafkammer, die Angeklagten hätten sich planvoll und zielgerichtet verhalten und auf das unvorhergesehene Hinzutreten des Zeugen D.

adäquat re-
agiert, steht vielmehr im Widerspruch zu den Feststellungen. Danach trägt be-reits das Gesamtbild der Tatausführung deutliche Züge einer spontanen und hemmter Stim-.

führte dazu, dass

[X.]. Es gelang ihnen nicht, die klemmende Ausgangstür zu öffnen, da sie sich anden, deshalb flüchteten sie in den Gastraum zurück in Richtung eines vermuteten Hinterausgangs und änderten danach nochmals ihre Flucht-richtung, um dann letztlich über einen Ausgang an einem Treppenhaus zu ent-kommen.
Mutzbauer
Roggenbuck
Cierniak

Franke
Quentin

Meta

4 StR 397/14

07.10.2014

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.10.2014, Az. 4 StR 397/14 (REWIS RS 2014, 2432)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2432

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