Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.10.2000, Az. III ZR 39/00

III. Zivilsenat | REWIS RS 2000, 906

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BUNDESGERICHTSHOFIM NAMEN DES VOLKESURTEIL[X.]/00Verkündet am:12. Oktober 2000F i t t e r e rJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstellein dem [X.]:[X.]:ja[X.]HR:[X.] § 104 Abs. 1 Satz 1"Führt" der Unternehmer (hier: [X.] als Träger einer För[X.]chule)den Versicherungsfall auf einem Weg "herbei", den der Versicherte(hier: Schüler der För[X.]chule) im Zusammenhang mit der versi-cherten Tätigkeit nach und von dem Ort der Tätigkeit zurücklegt, soist er gem. § 104 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht zum Ersatz des [X.] verpflichtet, wenn die Beförderung des Versicherten inden Betrieb eingegliedert war.Die Entsperrung der Haftungsbeschränkung gem. § 104 Abs. 1Satz 1 letzter Halbsatz zweite Alternative [X.] greift bei [X.] auf einem solchen Betriebsweg nicht ein.- 2 -[X.]H, Urteil vom 12. Oktober 2000 - [X.]/00 -OLG [X.] LG [X.]- 3 -Der III. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] durch [X.] [X.] und [X.], [X.], Dr. [X.] und Galkefür Recht erkannt:Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] desOberlandesgerichts [X.] vom 12. Januar 2000 wird [X.].Der Kläger hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.Von Rechts wegen- 4 -TatbestandDer geistig und körperlich behinderte Kläger besuchte die von der [X.] [X.] getragene För[X.]chule in [X.] Dort war er während der Schulzeitauch untergebracht. Die Beklagte hatte für den Transport der in [X.] ansässigenSchüler, zu denen der Kläger gehörte, einen Fahrdienst eingerichtet. [X.] wurden montags mit einem Kleinbus der [X.], der von einem beiihr angestellten Fahrer geführt wurde, von einem Treffpunkt in [X.] nach [X.] ge-fahren und freitags wieder zurückgebracht. Bei der Rückfahrt am 20. Juni 1997geriet der Kleinbus auf die andere Fahrbahnseite und stieß mit einem [X.] LKW zusammen. Der Kläger erlitt bei dem Unfall eine Schä-delprellung sowie eine Kontusion des linken [X.].Wegen dieser Verletzungen und behaupteter psychischer Folgeschädenfordert der Kläger von der [X.] ein Schmerzensgeld. Die Beklagte müssenach den Grundsätzen der Amtshaftung dafür einstehen, daß der [X.] den Unfall schuldhaft herbeigeführt habe.Landgericht und Berufungsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit [X.] verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.[X.] Revision ist [X.]-I.Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie [X.]:Ein Fall der Amtshaftung (§ 839 [X.]B, Art. 34 GG) liege vor. Der [X.], der bei dem Transport der Schüler in Ausübung eines öffent-lichen Amtes gehandelt habe, habe gegenüber dem Kläger bestehende Amts-pflichten verletzt. Er habe den Verkehrsunfall und damit die vom Kläger erlitte-nen Verletzungen schuldhaft verursacht.Zugunsten der [X.] greife aber die in § 104 Abs. 1 Satz 1 [X.]geregelte Haftungsbeschränkung ein. Der Unfall habe sich bei einem in [X.] eingegliederten [X.] ereignet, so daß die [X.]icht zum Ersatz des [X.] verpflichtet sei.[X.] Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung stand.1.Im Revisionsverfahren ist außer Streit, daß die in § 839 [X.]B, Art. 34 [X.] Voraussetzungen für einen Amtshaftungsanspruch des [X.]gegen die Beklagte erfüllt sind. Dagegen ist von Rechts wegen nichts zu erin-nern.- 6 -2.Aufgrund der Amtshaftung ist die Beklagte allerdings nicht verpflichtet,an den Kläger ein Schmerzensgeld zu zahlen. Denn zu ihren Gunsten gilt [X.] des § 104 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Danach sind [X.] den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihrenUnternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehungstehen, nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des [X.], den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur verpflichtet, wenn sieden Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4[X.] versicherten Weg herbeigeführt haben.a) Die Beklagte ist als Träger der För[X.]chule "Unternehmer" (vgl.§§ 121 Abs. 1, 136 Abs. 3 Nr. 3 [X.]) des Schulbetriebs gewesen. Der Klä-ger hat als Schüler der För[X.]chule gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 8 b [X.] zu dengesetzlich Versicherten gehört, die "für" den Schulbetrieb "tätig sind oder zu(ihm) in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen"(§ 104 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Die Parteien stellen im Ansatz auch nicht [X.], daß der Kläger die Verletzungen bei einem von der [X.] im Sinnedes § 104 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz zweite Alternative [X.] "herbeige-führten" Versicherungsfall (§ 7 Abs. 1 i.[X.]. § 8 [X.]) davongetragen hat.Sind die Voraussetzungen der Haftungsablösung somit [X.], so kommt eine Pflicht der [X.] zum Ersatz von [X.] aufgrund der Ausnahme des § 104 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz[X.] in Betracht, nämlich wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oderauf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 [X.] versicherten Weg herbeigeführthätte. Das ist jedoch zu [X.]) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Verkehrsunfallnicht vorsätzlich herbeigeführt worden (§ 104 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatzerste Alternative [X.]). Die Beklagte hat den Versicherungsfall auch nicht"auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weg" herbeigeführt (§ 104Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz zweite Alternative [X.]).aa) Bei wörtlichem Verständnis des § 104 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatzzweite Alternative i.[X.]. § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 [X.] liegt es nahe, daß [X.] bei Unfällen, die der Versicherte beim Zurücklegen des mit derversicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges nach und von dem Ort derTätigkeit erleidet, stets unbeschränkt haftet. [X.] ist bei der [X.] § 104 Abs. 1 Satz 1 [X.] davon auszugehen, daß der [X.] dem bis dahin geltenden Recht (§ 636 Abs. 1 Satz 1 RVO) entsprechendeRegelung hat schaffen wollen (vgl. Begründung der Bundesregierung zu [X.] eines Gesetzes zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallver-sicherung in das Sozialgesetzbuch BT-Drucks. 13/2204 [X.]). An die Stelle des gemäß § 636 Abs. 1Satz 1 RVO maßgeblichen [X.], daß "der Arbeitsunfall beider Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten ist," trat die [X.] Haftungsbeschränkung für den Fall, daß der Unfall auf einem nach § 8Abs. 2 Nr. 1 bis 4 [X.] versicherten Weg herbeigeführt worden ist (§ 104Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz zweite Alternative [X.]). Die vom [X.] "herbeigeführten" Wegeunfälle nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 [X.] sindvon der Haftungsbeschränkung ausgenommen worden, weil die betrieblichenRisiken dort keine Rolle spielen und dem Versicherten unter diesen Vorausset-zungen möglicherweise bestehende weitergehende Ansprüche nicht [X.] werden sollten (vgl. [X.], [X.] 1998 § 104 Rn. 18; [X.] 8 [X.]/[X.], [X.]. § 104 [X.] Rn. 19 und 19.1; KassKomm-Ricke § 104 [X.] Rn. 13). Folgerichtig umfaßt die Ausnahme von der [X.] (§ 104 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz zweite Alternative i.[X.]. § 8Abs. 2 Nr. 1 bis 4 [X.]) andererseits nicht die Betriebswege, die Teil derden Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 [X.] begründenden Tätigkeitund damit bereits gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.] versicherte Tätigkeit sind(vgl. [X.] aaO; Bereiter[X.]/[X.] aaO Rn. 19.2; [X.]/[X.], [X.] 22. Aufl. 1997 [X.]. 31 Rn. 89; Kater/[X.], Gesetzliche Un-fallversicherung [X.] 1997 § 104 Rn. 40; [X.]/[X.], Handbuchder Sozialversicherung, Bd. 3 Gesetzliche Unfallversicherung § 104 Rn. 23).Für die Unterscheidung, ob der Versicherungsfall bei einem - in [X.] des § 104 Abs. 1 Satz 1 [X.] einbezogenen - Be-triebsweg oder einem - von der Haftungsbeschränkung ausgenommenen -nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 [X.] versicherten Weg eingetreten ist, kann hin-sichtlich der Kriterien innerbetrieblicher Vorgänge die zu § 636 Abs. 1 Satz 1RVO ergangene Rechtsprechung herangezogen werden (vgl. [X.]/[X.],[X.] § 104 Rn. 8 a.E.; Bereiter[X.]/[X.] aaORn. 19.2; in diesem Sinne auch [X.]/Waltermann, Sozialgesetzbuch § 104 [X.] Rn. 22; einschränkend Kater/[X.] aaO und[X.]/[X.] aaO: Auslegung nach genuin unfallversicherungsrechtli-chen Grundsätzen). Denn es ging auch bei der Abgrenzung des innerbetriebli-chen Vorgangs gegenüber der "Teilnahme am allgemeinen Verkehr" darum, obsich ein betriebliches Risiko oder ein "normales" Risiko verwirklichte, das nachdem Willen des Gesetzgebers aus Gründen der Gleichbehandlung nicht zu- 9 -einem Haftungsausschluß gegenüber dem Schädiger führen sollte (vgl. [X.], 30, 35).bb) Der vom Kläger erlittene Unfall ist unter Berücksichtigung der [X.] zu § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO bestimmten Abgrenzungskrite-rien als Unfall auf einem Betriebsweg - und damit nicht als Unfall auf [X.] § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 [X.] versicherten Weg - einzuordnen.Die Fahrt eines Schülers zur Schule und zurück ist - wie die Fahrt [X.] oder zum auswärtigen Beschäftigungsort (vgl. hierzu [X.]HZ 116,30, 34) - in der Regel Privatsache. Es handelt sich um gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1[X.], im Fall der auswärtigen Unterbringung in der Schulungsstätte gemäߧ 8 Abs. 2 Nr. 4 [X.] (vgl. [X.] aaO § 8 Rn. 219, 233; Kater/[X.] [X.] Rn. 228, 235), "auch" versicherte Tätigkeit. Hier gelten indes Besonder-heiten. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß der Transport der Schülervon der Familienwohnung zur För[X.]chule (und zurück) in den Schulbetriebeingegliedert gewesen ist. Die För[X.]chüler haben nicht die öffentlichen [X.] benutzt. Sie sind jeweils montags mit einem nur für sie [X.] der [X.] an einer Sammelstelle in [X.] abgeholt und - von einem beider [X.] angestellten Fahrer - zur Schule nach [X.] gefahren sowie amFreitag wieder zurückgebracht worden. Die Beförderung ist, ungeachtet [X.], daß die Schüler während der Fahrt nicht betreut worden sind, in-tegrierter Bestandteil der [X.] gewesen.Ein solcher [X.] ist - vergleichbar dem sogenannten Werks-verkehr, bei dem der Unternehmer Betriebsangehörige laufend mit demwerkseigenen Fahrzeug zur Betriebsstätte bringen läßt ([X.]HZ 8, 330, 337 f;- 10 -19, 114, 119; 116, 30, 35) - als zu der versicherten Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1i.[X.]. § 2 Abs. 1 Nr. 8 b [X.]) zählender Betriebsweg zu beurteilen (vgl.[X.]/Waltermann aaO; Waltermann [X.] 1997, 310, 315; [X.]. NJW 1997,3401, 3402; [X.] [X.] 1998, 54, 57; [X.]/[X.] 1997,408, 410; [X.] 1996, 473, 478; a.A. Bereiter[X.]/[X.] aaORn. 19.3; KassKomm-Ricke aaO; [X.]/[X.] aaO Rn. 30; [X.] NJW 1996,3177, 3179; s. auch [X.]. [X.], 1194, 1198 und [X.] aaO § 104Rn. 19). Die Haftungsbeschränkung des § 104 Abs. 1 Satz 1 [X.] greiftdamit durch.[X.]Streck[X.][X.]Galke

Meta

III ZR 39/00

12.10.2000

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.10.2000, Az. III ZR 39/00 (REWIS RS 2000, 906)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 906

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