Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.02.2009, Az. XII ZB 137/08

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 4999

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[X.][X.]/08 vom 18. Februar 2009 in der Familiensache

- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 18. Februar 2009 durch die Vorsitzende Richterin [X.] und [X.], Prof. Dr. Wagenitz, Dose und Dr. [X.] beschlossen: Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Familiense-nats in [X.] des [X.] vom 11. Juli 2008 wird auf Kosten des Beteiligten zu [X.]. Wert: 1.000 • Gründe: Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute; das gemeinsame Kind [X.] lebt bei der Antragsgegnerin (Mutter). 1 Der Antragsteller (Vater) hat eine gerichtliche Regelung des [X.] angestrebt und hierfür die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowie die Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten beantragt. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat dem Vater Prozesskostenhilfe bewilligt, die Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten jedoch abgelehnt, weil das Verfahren keine rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten aufweise. In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht hat der Verfahrensbevollmächtigte des [X.] den Antrag auf gerichtliche Regelung des Umgangsrechts zurückgenom-men, nachdem die Eltern sich zuvor über den Umgang geeinigt hatten. 2 - 3 - Gegen die Versagung der Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten hatte der Vater zuvor Beschwerde eingelegt. Das [X.] hat die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Vater sein Begehren auf Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten weiter. 3 II. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. 4 1. Nach Auffassung des [X.]s ist jedenfalls für den ersten Rechtszug in einfach gelagerten Umgangsverfahren die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht erforderlich. Zwar werde in der Rechtsprechung der [X.] vielfach die Auffassung vertreten, bei einer Entscheidung über das Umgangsrecht handele es sich im Allgemeinen um ein rechtlich und tat-sächlich schwieriges Verfahren, das die Beiordnung eines Rechtsanwalts ge-biete. Eine solche allgemeine Regel lasse sich jedoch nicht aufstellen; vielmehr werde auch bei einem Verfahren mittleren Schwierigkeitsgrades die Beiordnung eines Rechtsanwalts jedenfalls für den ersten Rechtszug nicht oder nur in Aus-nahmefällen in Betracht kommen. Die Rechte des bedürftigen Antragstellers seien in derartigen Fällen bereits durch die Objektivität des Richters und dessen Pflicht gewahrt, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, außerdem durch die Möglichkeit, den verfahrenseinleitenden Antrag bei der [X.] und damit bei einem Rechtspfleger zur Niederschrift zu geben, der juristisch geschult sei und Sorge zu tragen habe, dass der Antrag sachdienlich gestellt und der Sachverhalt in einer "schlüssigen" Form geschildert werde. 5 - 4 - Zwar habe das vorliegende Verfahren ein gewisses Konfliktpotential auf-gewiesen, weil die Mutter sich - nach der Antragsbegründung des [X.] - nicht an Umgangsrechtsvereinbarungen gehalten und den Umgang des [X.] mit dem Kind seit [X.] 2007 unter fadenscheinigen Gründen verweigert habe. Andererseits sei jedoch von vornherein die Aussicht gerechtfertigt gewe-sen, es werde zu keinem hochstreitigen Verfahren kommen, weil die Mutter er-kennbar zu keinem Zeitpunkt grundsätzliche Einwände gegen das Umgangs-recht des [X.] vorgebracht habe. 6 2. Diese Ausführungen halten im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand. 7 Für das vom Vater eingeleitete Verfahren auf Regelung des Umgangs mit dem gemeinsamen Kind ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorge-schrieben (vgl. § 78 Abs. 2 i.V.m. § 621 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Da auch die Mutter in diesem Verfahren nicht anwaltlich vertreten war, durfte dem Vater auf seinen Antrag ein Anwalt nur beigeordnet werden, wenn die Vertretung durch einen Anwalt erforderlich erschien (§ 121 Abs. 2 ZPO). Diese Voraussetzung hat das [X.] zu Recht verneint; das ist aus Rechtsgründen nicht zu [X.]. 8 a) Die Erforderlichkeit einer anwaltlichen Vertretung beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalles. Entscheidend ist, ob ein bemittelter Rechtssu-chender in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte. Maßgebend sind [X.] Umfang und Schwierigkeit der konkreten Sache, ferner die Fähigkeit des Beteiligten, sich mündlich oder schriftlich auszudrücken ([X.] NJW-RR 2007, 1713; vgl. auch [X.]E 63, 380, 394). Auch die existentielle Bedeutung der Sache oder eine besondere, vom allgemeinen Prozessrecht stark abweichende 9 - 5 - Verfahrensart kann die Beiordnung eines Rechtsanwalts nahelegen (Senatsbe-schluss vom 11. September 2007 - [X.] ZB 27/07 - FamRZ 2007, 1968). 10 Die gebotene einzelfallbezogene Prüfung lässt eine Herausbildung von Regelsätzen, nach denen der mittellosen Partei für bestimmte Verfahren immer oder grundsätzlich ein Rechtsanwalt beizuordnen sei, nur in engen Grenzen zu. So hat der Senat entschieden, dass im [X.]chaftsfeststellungsverfahren [X.] dann, wenn die Parteien entgegen gesetzte Ziele verfolgen, bereits die existentielle Bedeutung der Sache die Beiordnung eines Rechtsanwalts nahe-legen könne; dies gelte auch deshalb, weil es sich bei einem solchen Status-prozess um ein vom allgemeinen Zivilprozess stark abweichendes Verfahren handele und die sachgerechten Verteidigungsmöglichkeiten - gerade auch in dem vom Senat entschiedenen Fall - dem Beklagten als juristischem Laien oh-ne rechtlichen Beistand kaum möglich sein werde (Senatsbeschluss vom 11. September 2007 - [X.] ZB 27/07 - FamRZ 2007, 1968). Eine Situation, die dem Abstammungsverfahren vergleichbar wäre, liegt hier indes nicht vor. Das Umgangsrechtsverfahren folgt den allgemeinen Verfahrensregeln der Freiwilli-gen Gerichtsbarkeit, die dem Gericht eine flexible Berücksichtigung der Belange aller Beteiligten ermöglichen. Die von den Interessen der Eltern möglicherweise divergierenden Belange des Kindes können von einem - vom Gericht in geeig-neten Fällen zu bestellenden - Verfahrenspfleger geltend gemacht werden (§ 50 [X.]). Zwar werden bei Umgangstreitigkeiten Grundrechtspositionen der Eltern wie auch des Kindes berührt. Daraus lässt sich jedoch weder generell noch als Regel herleiten, dass Umgangsstreitigkeiten besondere Schwierigkeiten tat-sächlicher oder rechtlicher Art mit sich bringen und deshalb ausnahmslos oder doch im Regelfall die Beiordnung eines Rechtsanwalts erfordern. Im Einzelfall kann der Umgangsberechtigung - etwa bei einem drohenden Entzug (vgl. [X.], 1284) - existentielle Bedeutung für einen der Beteiligten [X.]. Dies rechtfertigt indes ebenfalls nicht den Schluss, dass sich ein be-- 6 - mittelter Rechtssuchender bei Umgangsstreitigkeiten vernünftigerweise stets oder doch nahezu ausnahmslos anwaltlichen Beistands versichert hätte. Der Auffassung, dass "heute – kein Laie einen Rechtsstreit selbst führe, ohne das Risiko von Nachteilen einzugehen" ([X.] FamRZ 2003, 107; [X.]/[X.] ZPO 27. Aufl. § 121 Rdn. 4), vermag der Senat sich in dieser Allgemeinheit nicht anzuschließen. Die daraus abgeleitete Forderung, dass "die [X.] des § 121 Abs. 2 Satz 1 – in praxi umzukehren sei" ([X.] FamRZ 2003, 107; [X.]/[X.] ZPO 27. Aufl. § 121 Rdn. 4), ist zudem mit Wortlaut und Willen des Gesetzes nicht vereinbar. b) Das [X.] hat es deshalb - im Ansatz zutreffend - [X.], eine allgemeine Regel dahin aufzustellen, dass es sich bei einer Ent-scheidung über das Umgangsrecht im Allgemeinen um ein rechtlich und tat-sächlich schwieriges Verfahren handele, das die Beiordnung eines Rechtsan-walts gebiete (so aber [X.] FamRZ 1997, 215; differenzierend [X.] [X.] FamRZ 2005, 2004; zur Beiordnung in Verfahren nach § 52 a [X.] vgl. [X.] München FamRZ 2000, 1225). Allerdings wird auch die vom [X.] befürwortete - umgekehrte - Regel, nach der "auch bei einem Ver-fahren mittleren Schwierigkeitsgrades die Beiordnung eines Rechtsanwalts [X.] für den ersten Rechtszug nicht oder nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen" werde (so bereits [X.] Frankfurt FamRZ 2005, 2005, 2006), den Vor-gaben des § 121 Abs. 2 ZPO nicht gerecht. Das Gesetz verlangt, dass die Bei-ordnung eines Anwalts im Einzelfall erforderlich ist. Dies setzt - wie dargelegt - eine konkrete, an den objektiven wie subjektiven Gegebenheiten des konkreten Falles orientierte [X.] voraus. Diese dem Tatrichter vorbehal-tene Prüfung wird nicht dadurch entbehrlich oder erleichtert, dass für die Erfor-derlichkeit der Beiordnung - ohne klare Zuordnungskriterien - nach einfachen, mittleren oder hohen Schwierigkeitsgraden des Falles differenziert wird. Auch lässt das Erforderlichkeitskriterium für [X.] jedenfalls bei 11 - 7 - Umgangsstreitigkeiten schon im Hinblick auf die Vielfalt der [X.] keinen Raum. 12 c) Die Entscheidung des [X.]s hält dennoch im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand. Unbeschadet des von ihm aufgestellten und mit § 121 Abs. 2 ZPO nicht vereinbaren Regelsatzes hat das [X.] die gebotene Prüfung, ob angesichts der konkreten Umstände des vorliegenden Falles die vom Vater begehrte Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten erforderlich war, vorgenommen. Es hat dargelegt, dass die Mutter - wie von vornherein erkennbar - zu keinem Zeitpunkt vom Grundsatz her Einwände ge-gen ein Umgangsrecht des Antragstellers vorgebracht habe. Dies habe von vornherein die Aussicht gerechtfertigt, dass es nicht zu einem hochstreitigen Verfahren kommen werde. Das [X.] hat daraus gefolgert, dass die Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten schon im Zeitpunkt der Ent-scheidung über das [X.] nicht erforderlich gewesen sei - 8 - Diese Ausführungen sind plausibel; sie sind als tatrichterliche Würdigung [X.] nicht zu beanstanden. Hahne [X.] Wagenitz Dose [X.]
Vorinstanzen: AG [X.], Entscheidung vom 19.03.2008 - 531 F 577/08 - [X.] Frankfurt in [X.], Entscheidung vom 11.07.2008 - 2 [X.]/08 -

Meta

XII ZB 137/08

18.02.2009

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.02.2009, Az. XII ZB 137/08 (REWIS RS 2009, 4999)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 4999

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