Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 07.01.2015, Az. 10 AZB 109/14

10. Senat | REWIS RS 2015, 17496

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Gegenstand

Wirksamkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung - Aussetzung


Leitsatz

Setzt ein Gericht einen Rechtsstreit nach § 98 Abs. 6 ArbGG aus, hat es im Aussetzungsbeschluss zu begründen, von welchen vorgetragenen oder gerichtsbekannten ernsthaften Zweifeln an der Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung oder Rechtsverordnung iSv. § 2a Abs. 1 Nr. 5 ArbGG es ausgeht und welche Tatsachen es dieser Annahme zugrunde legt.

Tenor

1. Auf die Beschwerde des [X.] wird der Beschluss des [X.] vom 1. Oktober 2014 - 10 [X.] 505/13 - aufgehoben und die [X.]che zur neuen Entscheidung über den Aussetzungsantrag des Beklagten an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

2. Der Streitwert wird auf 22.951,20 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Parteien streiten in der Hauptsache über die Verpflichtung des [X.]eklagten zur Zahlung von [X.]eiträgen zu den Sozialkassen des [X.]augewerbes.

2

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des [X.]augewerbes. Auf der Grundlage des allgemeinverbindlichen Tarifvertrags für das Sozialkassenverfahren im [X.]augewerbe ([X.]) begehrt er von dem [X.]eklagten die Zahlung von [X.]eiträgen für den Zeitraum Juni 2009 bis Dezember 2010 iHv. 114.756,00 Euro.

3

Der [X.]eklagte, der weder Mitglied im [X.] noch im [X.] ist, unterhält einen [X.]etrieb, in dem im Streitzeitraum arbeitszeitlich überwiegend Abbruch- und Sanierungsarbeiten erbracht wurden.

4

Der [X.]eklagte hat die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen für den Erlass der Allgemeinverbindlicherklärung ([X.]) gemäß § 5 Abs. 1 [X.] hätten hinsichtlich der [X.] vom 15. Mai 2008 und vom 25. Juni 2010 nicht vorgelegen. Insbesondere sei das nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 [X.] erforderliche Quorum nicht erreicht, es fehle aber auch am öffentlichen Interesse für den Erlass der [X.]. Er hat mit [X.] vom 3. September 2014 einen Antrag nach § 2a Abs. 1 Nr. 5, § 98 Abs. 1 ArbGG beim [X.] eingereicht und gleichzeitig die Aussetzung des vorliegenden Verfahrens beantragt.

5

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Neufassung des § 98 ArbGG finde auf bereits anhängige Rechtsstreitigkeiten keine Anwendung. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für eine Aussetzung nicht vor.

6

Mit [X.]eschluss vom 1. Oktober 2014 hat das [X.] den Rechtsstreit bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des [X.]s [X.]erlin-[X.]randenburg in den Verfahren - 2 [X.]V[X.] 5001/14 - und - 2 [X.]V[X.] 5002/14 - ausgesetzt.

7

Mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Kläger die Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses und Fortführung des Rechtsstreits.

8

II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Mit der vom [X.] gegebenen [X.]egründung kann der Rechtsstreit nicht gemäß § 98 Abs. 6 ArbGG ausgesetzt werden. Zwar findet § 98 Abs. 6 ArbGG in der seit dem 16. August 2014 geltenden Fassung (Art. 2 Nr. 5 des [X.] vom 11. August 2014, [X.]G[X.]l. I S. 1348) auch auf den vorliegenden Rechtsstreit Anwendung (zu 1.). Dem angegriffenen [X.]eschluss lässt sich jedoch keine hinreichende [X.]egründung für das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen einer Aussetzung nach § 98 Abs. 6 ArbGG entnehmen (zu 2.).

9

1. Das [X.] geht zutreffend davon aus, dass die Pflicht zur Aussetzung nach § 98 Abs. 6 ArbGG mangels Übergangsregelung auch für bereits anhängige Verfahren besteht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn deren Streitgegenstand - wie hier - nicht mit dem Gegenstand des Verfahrens nach § 98 ArbGG identisch ist. Dies hat der Senat bereits mehrfach entschieden. Dabei spielt es für die Aussetzung keine Rolle, in welcher Instanz das Verfahren anhängig ist ([X.] 10. September 2014 - 10 [X.] - Rn. 18 f.; 20. August 2014 - 10 [X.] - Rn. 2). An dieser Auffassung hält der Senat auch angesichts der in der Rechtsbeschwerde geäußerten Kritik fest.

a) Die Anwendung neuer Prozessgesetze auf anhängige Rechtsstreitigkeiten richtet sich in erster Linie nach den vom Gesetzgeber - regelmäßig in Gestalt von Überleitungsvorschriften - getroffenen positiven Regelungen. Soweit diese fehlen, erfassen Änderungen des Prozessrechts im Allgemeinen auch schwebende Verfahren. Diese sind daher mit dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes grundsätzlich nach neuem Recht zu beurteilen, soweit es nicht um unter Geltung des alten Rechts abgeschlossene Prozesshandlungen und abschließend entstandene Prozesslagen geht. [X.]ei [X.]eachtung dieser Maßgabe liegt auch kein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip vor ([X.] 11. März 1975 - 2 [X.] ua. - zu [X.] 3 a der Gründe, [X.]E 39, 156). Abweichendes kann sich aus dem Sinn und Zweck der betreffenden Vorschrift oder aus dem Zusammenhang mit anderen Grundsätzen des Prozessrechts ergeben ([X.] 28. Februar 1991 - III ZR 53/90 - zu II 1 b aa der Gründe, [X.]Z 114, 1; vgl. beispielhaft zu den zum 1. Januar 2005 in [X.] getretenen Änderungen des Nichtzulassungsbeschwerderechts: [X.] 9. Februar 2005 - 5 [X.] 893/04 - [X.]E 113, 306; 15. Februar 2005 - 9 [X.] 982/04 - [X.]E 113, 321; 14. April 2005 - 1 [X.] 840/04 - [X.]E 114, 200; vgl. auch [X.] 9. Mai 2000 - [X.] - zu II 2 b bb der Gründe).

b) Hiervon ausgehend findet § 98 Abs. 6 ArbGG grundsätzlich auch auf bereits anhängige Verfahren Anwendung.

aa) Eine ausdrückliche Übergangsregelung enthält das [X.] insoweit zwar nicht. Der in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommende Zweck des § 98 Abs. 6 ArbGG verlangt jedoch eine Anwendung dieser Vorschrift auf anhängige Verfahren. Hiernach soll sich die Neuregelung des § 98 Abs. 6 ArbGG entsprechend den allgemeinen Grundsätzen zu Änderungen des Prozessrechts auch auf bereits anhängige Verfahren erstrecken und lediglich § 17 Abs. 1 GVG unberührt bleiben ([X.]. 18/1558 S. 46). Dadurch soll sichergestellt werden, dass fortan nur noch die aufgrund ihrer [X.]efassung mit Fragen des Arbeits- und Tarifrechts besonders sachnahen Gerichte für Arbeitssachen über die Wirksamkeit der [X.] eines Tarifvertrags oder einer entsprechenden Rechtsverordnung in einem [X.]eschlussverfahren mit [X.] zu entscheiden haben ([X.]. 18/1558 S. 44). Die effektive Durchsetzung dieses gesetzgeberischen Ziels wird nur gewährleistet, wenn auch bereits anhängige Verfahren von der Neuregelung erfasst werden.

bb) Diesem gesetzgeberischen Ziel stehen allgemeine Grundsätze des Prozessrechts nicht entgegen. Der vorliegende Rechtsstreit war im Zeitpunkt des Inkrafttretens des [X.] noch nicht abgeschlossen und dort nach altem Recht vorgenommene Prozesshandlungen werden durch die Neuregelung nicht berührt. Ebenso wenig verbessert oder verschlechtert sich die Prozesslage des Klägers oder des [X.]eklagten durch die Anwendung des § 98 Abs. 6 ArbGG. Die Entscheidung, ob und ggf. in welchem Umfang der [X.]eklagte [X.]eiträge nach dem [X.] schuldet, ist weiterhin im anhängigen Verfahren vor dem [X.] zu treffen. Dieses ist lediglich gemäß § 98 Abs. 4 Satz 1 ArbGG an eine rechtskräftige Entscheidung über die Wirksamkeit der maßgeblichen [X.] gebunden. Andere schutzwürdige [X.]elange, die einer Anwendung der Neuregelung auf das vorliegende Verfahren entgegenstehen könnten (vgl. dazu [X.] 17. März 2005 - 1 [X.]vR 308/05 -), hat der Kläger nicht benannt.

cc) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde steht dies nicht in Widerspruch zu der vom [X.] in zwei Entscheidungen über die [X.] vertretenen Auffassung ([X.]VerwG 18. September 2014 - 8 [X.] -; 18. September 2014 - 8 [X.] 31.14 -). Das [X.] hatte sich in beiden Fällen mit der Frage auseinanderzusetzen, ob der Verwaltungsrechtsweg für Klagen von tarifungebundenen Arbeitgebern des [X.]augewerbes zulässig ist, mit denen diese die Feststellung begehren, dass bestimmte [X.] rechtswidrig sind und die Kläger in deren Rechten verletzen. Dabei war auch die Frage zu beantworten, ob sich an der [X.] durch Inkrafttreten des [X.] etwas geändert hat. Die Zulässigkeit des [X.] hat das [X.] bejaht und einen Einfluss des § 98 ArbGG auf die [X.] verneint. Diese Entscheidungen betrafen jedoch ausschließlich die Zulässigkeit des Rechtswegs, nicht hingegen die Frage, ob die Rechtsstreite nach § 98 Abs. 6 ArbGG auszusetzen waren oder sind. Dass aber nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderungen grundsätzlich nicht zur Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs führen (Grundsatz der perpetuatio fori), ergibt sich bereits aus § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG, der nach § 173 VwGO auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Anwendung findet, und entspricht der Rechtsprechung des Senats (vgl. z[X.] [X.] 22. Oktober 2014 - 10 AZ[X.] 46/14 - Rn. 27) sowie der Gesetzesbegründung ([X.]. 18/1558 S. 46).

2. Dem angegriffenen [X.]eschluss lässt sich keine hinreichende [X.]egründung für das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen einer Aussetzung nach § 98 Abs. 6 ArbGG entnehmen. Er ist daher aufzuheben.

a) Nach § 98 Abs. 6 ArbGG ist ein Rechtsstreit auszusetzen, wenn seine Entscheidung davon abhängt, ob eine Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 [X.] oder eine Rechtsverordnung nach § 7 oder § 7a [X.] oder nach § 3a [X.] wirksam ist. Die Norm ist § 97 Abs. 5 ArbGG nachgebildet (vgl. [X.]. 18/1558 S. 45). Die Entscheidung über die Wirksamkeit einer solchen [X.] oder Rechtsverordnung darf ausschließlich im Rahmen eines gesonderten [X.]eschlussverfahrens nach § 2a Abs. 1 Nr. 5, § 98 ArbGG erfolgen.

b) Voraussetzung für eine Aussetzung nach § 98 Abs. 6 ArbGG ist, dass das Gericht ernsthafte Zweifel an der Wirksamkeit einer [X.] oder Rechtsverordnung iSv. § 2a Abs. 1 Nr. 5 ArbGG hat.

aa) [X.]ereits nach bisheriger Rechtslage war die Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags durch die Gerichte für Arbeitssachen grundsätzlich von Amts wegen zu prüfen, soweit es entscheidungserheblich auf diese ankam (zuletzt z[X.] [X.] 25. Juni 2002 - 9 [X.] 2 b aa der Gründe mwN, [X.]E 101, 357). § 98 ArbGG hat an dieser grundsätzlichen Prüfpflicht nichts geändert. Mit Einführung dieser Norm ist lediglich ein Verfahren geschaffen worden, in dem in Anwendung des Amtsermittlungsgrundsatzes im [X.]eschlussverfahren mit [X.] die Wirksamkeit einer [X.] oder entsprechenden Rechtsverordnung einer abschließenden gerichtlichen Überprüfung unterzogen wird. Führt die Prüfung im Ausgangsverfahren daher zu dem Ergebnis, dass ernsthafte Zweifel, dh. solche von erheblichem Gewicht, an der Wirksamkeit einer [X.] oder einer entsprechenden Rechtsverordnung bestehen, kann das Gericht diese Frage lediglich nicht mehr selbst abschließend entscheiden, sondern hat das Verfahren nach § 98 Abs. 6 ArbGG auszusetzen, wenn es auf diese Frage entscheidungserheblich ankommt.  

bb) Eine Überprüfung von Amts wegen bedeutet aber nicht, dass die Gerichte verpflichtet sind, von sich aus das Vorliegen aller Voraussetzungen der [X.] zu überprüfen. Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das [X.]undesministerium für Arbeit und Soziales und die obersten Arbeitsbehörden der Länder die [X.] eines Tarifvertrags nur unter [X.]eachtung der gesetzlichen Anforderungen vornehmen. Hieran hat sich durch das [X.] nichts geändert. Der erste Anschein spricht deshalb auch weiterhin für die Rechtmäßigkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung. Es genügt daher nicht, wenn die Prozessparteien die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der [X.] pauschal bestreiten. Erforderlich ist vielmehr entweder ein substanziierter Parteivortrag, der geeignet ist, ernsthafte Zweifel am Vorliegen der Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 [X.] aufkommen zu lassen, oder das Vorliegen entsprechender gerichtsbekannter Tatsachen. Nur dann kommt die Prüfung einer Aussetzung in [X.]etracht. [X.]esteht hingegen zwischen den Parteien über die Wirksamkeit der [X.] kein Streit und sind auch von Amts wegen keine solchen Zweifel gerechtfertigt, besteht keine Veranlassung zu deren Überprüfung (vgl. insgesamt zur bisherigen Rechtslage: [X.] 25. Juni 2002 - 9 [X.] 2 b aa der Gründe, [X.]E 101, 357; 22. September 1993 - 10 [X.] - zu II 3 b der Gründe, [X.]E 74, 226; [X.] FS [X.]epler 2012 S. 557 ff., 563 f. jeweils mwN).

cc) Entgegen der Auffassung des [X.]s besteht kein Anlass, bei der Prüfung der Aussetzungsentscheidung vom Maßstab der „ernsthaften Zweifel“ abzuweichen. Das [X.] bietet hierfür keinen Grund. Es ist auch weiterhin zu berücksichtigen, dass die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags im Rahmen eines durch § 5 [X.] und die hierzu nach § 11 [X.] ergangene Rechtsverordnung (DVO-[X.] idF vom 16. Januar 1989, [X.]G[X.]l. I S. 76, zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 11. März 2014, [X.]G[X.]l. I S. 263), vorgegebenen und ausgestalteten Verfahrens erfolgt. In diesem Verfahren besteht für die von der [X.] betroffenen [X.] Gelegenheit, Stellung zu nehmen und eventuelle [X.]edenken gegen diese zu äußern. Dies unterscheidet die Situation vom Verfahren nach § 97 ArbGG über die Tariffähigkeit und Tarifzuständigkeit einer [X.]. Dort müssen vernünftige Zweifel schon deshalb für eine Aussetzung genügen, weil jede Arbeitnehmervereinigung ohne Prüfung durch Dritte für sich in Anspruch nehmen kann, eine [X.] zu sein und jeder Verband kraft eigener Satzungshoheit seine Tarifzuständigkeit festlegen kann.

dd) Allein der Umstand, dass durch eine Partei des anhängigen Rechtsstreits oder durch Dritte hinsichtlich einer entscheidungserheblichen [X.] ein Verfahren nach § 98 ArbGG eingeleitet wurde, kann deshalb noch nicht ausreichen, um solche ernsthaften Zweifel zu begründen und ein Verfahren auszusetzen. Die bloße Verfahrenseinleitung sagt nichts über die Substanz eines entsprechenden Angriffs aus und stellt somit für sich genommen die Wirksamkeit der angegriffenen [X.] noch nicht in Zweifel (ebenso [X.]/[X.] 15. Aufl. § 98 ArbGG Rn. 7; [X.]/[X.] Stand Dezember 2014 § 98 Rn. 56). Dies gilt trotz des im Verfahren nach § 98 ArbGG geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes. Andernfalls würde alleine die Verfahrenseinleitung nach § 98 ArbGG zu einem Stillstand aller Rechtsstreite führen, in denen es auf die Wirksamkeit der angegriffenen [X.] oder Rechtsverordnung ankommt. Ein solches Ergebnis wäre mit dem aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem arbeitsgerichtlichen [X.]eschleunigungsgrundsatz (§ 9 Abs. 1 ArbGG) folgenden Anspruch der Parteien des Ausgangsverfahrens auf eine zeitnahe Entscheidung nicht vereinbar (vgl. zu § 97 Abs. 5: [X.] 24. Juli 2012 - 1 AZ[X.] 47/11 - Rn. 8 f., [X.]E 142, 366; vgl. zu § 148 ZPO: [X.] 16. April 2014 - 10 AZ[X.] 6/14 - Rn. 11; [X.] 8. November 2011 - VI Z[X.] 59/10 - Rn. 11, [X.]Z 191, 251).

ee) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde bedeutet dies aber nicht, dass das aussetzende Gericht selbst weitere Schritte zur Überprüfung der Wirksamkeit einer [X.] unternehmen und etwa Einblick in die entsprechenden Unterlagen des [X.]undesministeriums für Arbeit und Soziales nehmen oder [X.]eweis erheben müsste. Diese Überprüfung der Rechtswirksamkeit der [X.] ist vielmehr nach § 98 ArbGG kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung dem dortigen Rechtsstreit vorbehalten. Dieser ist im Übrigen schon wegen der Anwendung des Amtsermittlungsgrundsatzes hierzu sehr viel besser geeignet, als ein Rechtsstreit über [X.]eitragspflichten, in dem grundsätzlich der zivilprozessuale [X.]eibringungsgrundsatz gilt (vgl. dazu [X.]. 18/1558 S. 44). Deshalb genügt es, wenn das Gericht des Hauptsacheverfahrens aufgrund Parteivortrags (z[X.] der [X.]egründung eines einschlägigen Antrags nach § 98 ArbGG) oder aufgrund offenzulegender gerichtsbekannter Tatsachen zu dem Ergebnis kommt, dass ernsthafte Zweifel an der Wirksamkeit der [X.] bestehen. Dabei hat es alle ihm bekannten Umstände, die für oder gegen die Wirksamkeit einer [X.] sprechen, in seine Würdigung einzubeziehen und unter [X.]erücksichtigung des Zwecks des Verfahrens nach § 98 ArbGG einerseits und des [X.]eschleunigungsinteresses der Parteien andererseits zu gewichten. [X.]ei der Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs „ernsthafte Zweifel“ bleibt dem [X.] ein gewisser [X.]eurteilungsspielraum. Das Rechtsbeschwerdegericht kann nur nachprüfen, ob das [X.] den [X.]egriff selbst verkannt hat, die Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob die [X.]eurteilung wegen des Übersehens wesentlicher Umstände offensichtlich fehlerhaft ist (vgl. zu diesem Überprüfungsmaßstab: [X.] 18. März 2014 - 1 A[X.]R 77/12 - Rn. 16; GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 73 Rn. 9).

c) Eine Aussetzung nach § 98 Abs. 6 ArbGG darf auch bei ernsthaften Zweifeln an der Wirksamkeit einer [X.] oder einer der in § 2a Abs. 1 Nr. 5 ArbGG genannten Rechtsverordnungen nur dann erfolgen, wenn die Entscheidung des konkreten Rechtsstreits ausschließlich von der Frage der Wirksamkeit einer solchen Norm abhängt ([X.] 10. September 2014 - 10 [X.] - Rn. 22). Kann der Rechtsstreit ohne Klärung der Wirksamkeit der [X.] oder Rechtsverordnung entschieden werden, kommt eine Aussetzung nicht in [X.]etracht, auch weil die hierdurch eintretende Verzögerung des Rechtsstreits nicht gerechtfertigt wäre. Es bedarf daher einer vorherigen Prüfung der Schlüssigkeit und Erheblichkeit des Parteivorbringens in [X.]ezug auf die Klageforderung und ggf. der Durchführung einer [X.]eweisaufnahme. Die Entscheidungserheblichkeit der [X.] oder entsprechenden Rechtsverordnung ist im Aussetzungsbeschluss zu begründen (vgl. zu § 97 Abs. 5 ArbGG: [X.] 24. Juli 2012 - 1 AZ[X.] 47/11 - Rn. 5 f., [X.]E 142, 366). Dabei ist auch zu beachten, dass diese Prüfung - soweit die Wirksamkeit mehrerer [X.] oder Rechtsverordnungen in Frage steht und/oder sich die tatsächlichen Verhältnisse verändert haben - für jeden Streitzeitraum gesondert zu erfolgen hat. [X.]. hat eine auf einzelne Streitgegenstände beschränkte Aussetzung zu erfolgen.

d) Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 98 Abs. 6 ArbGG vor, hat - wie das [X.] zutreffend annimmt - eine Aussetzung des Verfahrens zu erfolgen. Anders als nach § 148 ZPO hat das Gericht kein Ermessen, ob es den Rechtsstreit aussetzt oder nicht (vgl. zu § 97 Abs. 5 ArbGG: [X.] 28. Januar 2008 - 3 AZ[X.] 30/07 -).

e) Will das Gericht einen Rechtsstreit nach § 98 ArbGG aussetzen, hat es - soweit die Aussetzung nicht aufgrund eines entsprechend begründeten Antrags einer oder beider Parteien erfolgt - seine tatsächlichen und rechtlichen [X.]edenken gegen die Wirksamkeit der [X.] oder der entsprechenden Rechtsverordnung in das Verfahren einzuführen und den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Im Aussetzungsbeschluss sind diese [X.]edenken einschließlich der erwogenen Tatsachengrundlagen näher darzulegen (vgl. zu § 97 Abs. 5 ArbGG: [X.] 28. Januar 2008 - 3 AZ[X.] 30/07 - Rn. 17).

3. Ausgehend von diesen Grundsätzen kann die angegriffene Entscheidung keinen [X.]estand haben. Zwar begründet das [X.] die Entscheidungserheblichkeit der beiden angegriffenen [X.], es geht jedoch von einem unzutreffenden Prüfungsmaßstab aus, indem es statt ernsthafter nur vernünftige Zweifel an der Wirksamkeit der [X.] ausreichen lässt. Zudem lässt sich den [X.]eschlussgründen nicht entnehmen, von welchen der vorgetragenen oder gerichtsbekannten Zweifeln das [X.] ausgegangen ist und welche Tatsachen es dieser Annahme zugrunde gelegt hat. Die pauschale Darlegung in den [X.]eschlussgründen, die Argumente, die gegen die Wirksamkeit der [X.] vorgetragen wurden, seien geeignet, vernünftige Zweifel zu begründen, ist unzureichend. Damit ist es dem Senat nicht möglich zu überprüfen, ob das [X.] den Sachverhalt vollständig gewürdigt und seinen im Rahmen des § 98 Abs. 6 ArbGG bestehenden [X.]eurteilungsspielraum gewahrt hat.

4. Im Hinblick auf den bestehenden [X.]eurteilungsspielraum des [X.]s und fehlende konkrete Feststellungen zu Tatsachen, die ernsthafte Zweifel an der Wirksamkeit der [X.] begründen könnten, ist der Senat an einer eigenen Sachentscheidung gehindert. Die Sache ist daher gemäß § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO zur erneuten Entscheidung über den Aussetzungsantrag des [X.]eklagten an das [X.] zurückzuverweisen.

III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.

        

    Linck    

        

    [X.]rune    

        

    [X.]    

        

        

        

        

        

        

                 

Meta

10 AZB 109/14

07.01.2015

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AZB

vorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht, 1. Oktober 2014, Az: 10 Sa 505/13, Beschluss

§ 2a Abs 1 Nr 5 ArbGG, § 9 Abs 1 ArbGG, § 97 Abs 5 ArbGG, § 98 Abs 6 ArbGG, § 17 Abs 1 S 1 GVG, § 148 ZPO, § 5 Abs 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 07.01.2015, Az. 10 AZB 109/14 (REWIS RS 2015, 17496)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 17496

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5 Sa 54/18

9 Sa 132/16

9 Sa 392/15

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