Bundesfinanzhof, Beschluss vom 24.11.2021, Az. I B 44/21 (AdV)

1. Senat | REWIS RS 2021, 874

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Gegenstand

(Zur Frage einer (passiven) Entstrickung durch Umsetzung des AOA in § 1 Abs. 5 AStG: Zuordnung von Wirtschaftsgütern bei sog. personallosen Betriebsstätten)


Leitsatz

1. § 1 Abs. 5 Satz 3 AStG lässt sich bei summarischer Prüfung nicht entnehmen, dass außerhalb des Anwendungsbereiches des § 1 AStG und insbesondere für die allgemeine Gewinnermittlung nach §§ 4 ff. EStG eine Veranlassungsprüfung (allein) nach den in den jeweiligen Unternehmensteilen ausgeübten Personalfunktionen vorzunehmen wäre (entgegen BMF-Schreiben vom 22.12.2016, BStBl I 2017, 182, Rz 451).

2. Auch wenn der bisherigen Senatsrechtsprechung bei der Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einer Betriebsstätte eine funktionsgetragene Betrachtungsweise zugrunde liegt, ist ihr jedenfalls nicht zu entnehmen, dass allein die Personalfunktion als maßgebender Zuordnungsparameter anzusehen ist (entgegen BMF-Schreiben vom 26.09.2014, BStBl I 2014, 1258, Tz. 2.2.4.1).

3. Bei Betriebsstätten ohne maßgebliche Personalfunktion ist eine nutzungsbezogene Zuordnung von materiellen Wirtschaftsgütern nicht ausgeschlossen (BMF-Schreiben vom 17.12.2019, BStBl I 2020, 84).

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des [X.] vom 30.03.2021 - 1 V 1374/20 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist, ob bei der Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) ein Entnahmegewinn nach § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 des Einkommensteuergesetzes in der für das [[X.].] (Streitjahr/Erhebungszeitraum) geltenden Fassung (EStG) anzusetzen ist, weil bei einer personallosen Betriebsstätte Wirtschaftsgüter nicht mehr dieser, sondern ab dem 01.01.2013 aufgrund einer Zuordnung nach der sog. Personalfunktion vollständig der ausländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte zuzuordnen seien.

2

Die Antragstellerin ist eine KG, deren Kommanditanteile von der [[X.].], einer KG [[X.].] Rechts, gehalten werden. Persönlich haftende Gesellschafterin der Antragstellerin ist die [[X.].], eine GmbH [[X.].] Rechts, Kommanditist eine natürliche Person. Die [[X.].] ist nicht am Kapital der Antragstellerin beteiligt.

3

Die Antragstellerin betreibt seit dem [[X.].] auf einem gepachteten Grundstück im Inland Windenergieanlagen, den "Windpark ...". Sie verfügt weder in der [[X.].] ([[X.].]) noch im [[X.].] ([[X.].]) über eigene Mitarbeiter. Die technische und kaufmännische Betriebsführung erfolgt durch zwei [[X.].] Service- bzw. Verwaltungsgesellschaften auf Grundlage von Betriebsführungs- und Serviceverträgen. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für das Streitjahr, der [[X.].] für den Erhebungszeitraum und der vortragsfähige [X.] auf den 31.12.2013 wurden zunächst erklärungsgemäß vom vormals zuständigen Finanzamt [X.] auf ... € festgestellt bzw. festgesetzt. Die Bescheide ergingen jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO).

4

Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --[X.]--) änderte unter dem [X.] die streitgegenständlichen Bescheide, stellte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit ... € fest und passte den [[X.].] sowie den vortragsfähigen [X.] entsprechend an. Das [X.] ging dabei davon aus, dass aufgrund der Änderungen und Ergänzungen des § 1 Abs. 5 und 6 des Gesetzes über die Besteuerung bei [X.] ([X.]) i.d.[X.] zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften ([X.]) vom 26.06.2013 ([X.], 1809, [X.], 802) --AStG-- ab dem 01.01.2013 alle Vermögensgegenstände, Schulden und Geschäftsvorfälle abweichend von den Vorjahren erstmals der Geschäftsleitungsbetriebsstätte in [[X.].] zuzuordnen seien. Hierdurch sei das gesamte Vermögen der Antragstellerin steuerrechtlich "entstrickt" worden.

5

Über die hiergegen eingelegten Einsprüche ist noch nicht entschieden worden. Die zugleich beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV) lehnte das [X.] unter dem 21.01.2020 ab. Ob die Ablehnungsverfügung auch abgesandt wurde, ist den Akten nicht zu entnehmen. Unter dem 05.11.2020 änderte es die streitgegenständlichen Bescheide erneut und ging nunmehr von Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von ... € aus.

6

Am 27.11.2020 hat die Antragstellerin die AdV der angefochtenen Bescheide beantragt. Das [X.] ([X.]) hat mit Beschluss vom 30.03.2021 - 1 V 1374/20 (abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte --E[X.]-- 2021, 1122) die Vollziehung der Bescheide ausgesetzt und die Beschwerde zugelassen.

7

Mit der Beschwerde rügt das [X.] die Verletzung materiellen Rechts. Das [X.] beantragt sinngemäß, den Beschluss des [X.] aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin auf AdV als unbegründet zurückzuweisen.

8

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die Beschwerde des [X.] zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

9

Die Beschwerde des [X.] ist zulässig, aber unbegründet.

1. Die Beschwerde gegen die Entscheidung des [X.] über die AdV nach § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) ist zulässig.

a) Sie ist statthaft, weil sie vom [X.] ausdrücklich zugelassen wurde (§ 128 Abs. 3 Satz 1 [X.]O).

b) Der Zulässigkeit der Beschwerde steht nicht entgegen, dass sie durch das [X.] nicht innerhalb der Frist des § 129 Abs. 1 [X.]O begründet worden ist.

Die Beschwerdeschrift wurde am 13.04.2021 und damit innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 129 Abs. 1 [X.]O eingelegt. Sie enthält einen bestimmten Antrag und bezeichnet auch die angefochtene Entscheidung. Dass die Beschwerdebegründungsschrift erst am 01.06.2021 beim [X.] einging, berührt das Verfahren nicht. Denn aus § 129 [X.]O ergibt sich nicht die Verpflichtung, die Beschwerde zu begründen und die [X.] innerhalb einer bestimmten Frist dem Gericht einzureichen (vgl. Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 25.04.1968 - VI B 47/67, [X.], 469, [X.] 1968, 608). Es reicht aus, dass das Begehren des Beschwerdeführers aufgrund der Antragstellung und der Begründung des Antrags auf AdV im finanzgerichtlichen Verfahren hinreichend deutlich erkennbar ist ([X.] vom 12.01.2021 - II B 61/19, [X.], 529). Entsprechendes gilt, wenn --wie im [X.] das Begehren des [X.] als Beschwerdeführer aus der Antragstellung im Beschwerdeverfahren sowie aus dem Vorbringen in der Vorinstanz hervorgeht.

2. Die Beschwerde des [X.] ist jedoch unbegründet. Es bestehen --wie vom [X.] zutreffend angenommen-- ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide vom 05.11.2020.

a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 [X.]O ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 [X.]O liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung seit [X.] vom 10.02.1967 - III B 9/66, [X.], 447, [X.]I 1967, 182; zuletzt Senatsbeschlüsse vom 18.05.2021 - I B 75/20 (AdV), [X.], 1489, und I B 76/20 (AdV), [X.], 1491). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 07.09.2011 - I B 157/10, [X.], 215, [X.] 2012, 590, Rz 12, m.w.N.). Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (Senatsbeschluss in [X.], 215, [X.] 2012, 590, Rz 12).

b) Nach dieser Maßgabe ergeben sich ernstliche Zweifel, ob das [X.] zu Recht einen Entnahmegewinn nach § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG gesondert festgestellt und in die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags bzw. Feststellung des vortragsfähigen [X.] mit einbezogen hat.

aa) Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG --für die Gewerbesteuer i.V.m. § 7 Satz 1 des [X.] in der im Erhebungszeitraum geltenden [X.] ist Gewinn der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG sind Entnahmen alle Wirtschaftsgüter (Barentnahmen, Waren, Erzeugnisse, Nutzungen und Leistungen), die der Steuerpflichtige dem Betrieb für sich, für seinen Haushalt oder "für andere betriebsfremde Zwecke" im Laufe des Wirtschaftsjahres entnommen hat. Nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG steht einer Entnahme "für betriebsfremde Zwecke" der Ausschluss oder die Beschränkung des [X.] [X.] hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts gleich. Ein Ausschluss oder eine Beschränkung des [X.] hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts liegt insbesondere dann vor, wenn ein bisher einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzuordnendes Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist (§ 4 Abs. 1 Satz 4 EStG).

bb) Zutreffend ist das [X.] davon ausgegangen, dass es sich bei dem "Windpark ..." um eine inländische Betriebsstätte i.S. von § 12 Satz 1 [X.] handelt, auch wenn er im Inland über kein eigenes Personal verfügt. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig und bedarf keiner weiteren Ausführungen.

cc) Ebenfalls zutreffend ist das [X.] davon ausgegangen, dass die Wirtschaftsgüter des Windparks bis zum 31.12.2012 der Betriebsstätte im Inland und nicht der [X.] in [X.] zuzurechnen waren. Hierfür reicht ein ganz überwiegender Veranlassungszusammenhang der Wirtschaftsgüter der Windenergieanlage mit der Produktion und dem Vertrieb von Strom aus. Der im Streitfall einschlägige § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG fordert keine tatsächliche Zugehörigkeit der Wirtschaftsgüter zu der im Inland gelegenen Betriebsstätte (vgl. Senatsurteil vom 12.06.2013 - I R 47/12, [X.], 107, [X.] 2014, 770, sowie Senatsurteil vom 08.09.2010 - I R 74/09, [X.], 84, [X.] 2014, 788). Es bedarf insoweit (nur) einer wirtschaftlichen Veranlassung und der daraus abgeleiteten Zuordnung der Wirtschaftsgüter zu der Betriebsstätte. Die [X.] richten sich nach allgemeinen Verursachungs- und Veranlassungsgesichtspunkten. Maßstab ist die wirtschaftliche Zugehörigkeit der Wirtschaftsgüter zu der in der einzelnen Betriebsstätte entfalteten betrieblichen Tätigkeit (vgl. z.B. Senatsurteil vom 29.11.2017 - I R 58/15, [X.], 209, m.w.N.).

dd) Dass sich an dieser Zuordnung (s. cc) durch die Umsetzung des sog. "Authorised [X.] Approach" ([X.]A) in § 1 Abs. 5 und 6 [X.] ab dem 01.01.2013 etwas geändert hat, ist zweifelhaft (s.a. [X.], E[X.] 2021, 1127; [X.], [X.] Steuerrecht kurzgefasst 2021, 239).

aaa) Um die Betriebsstätte wie ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen zu behandeln, ordnet § 1 Abs. 5 Satz 3 [X.] "in einem ersten Schritt" an, dass neben Chancen und Risiken sowie einem angemessenen Eigenkapital die Funktionen des Unternehmens, die durch ihr Personal ausgeübt werden ([X.]) sowie die Vermögenswerte des Unternehmens, die sie zur Ausübung der ihr zugeordneten Funktionen benötigt, der Betriebsstätte zuzuordnen sind. Die Finanzverwaltung versteht die gesetzliche Regelung dahin, dass ausgehend von den in der Betriebsstätte ausgeübten [X.] die Vermögenswerte des Unternehmens zu bestimmen sind, die der Betriebsstätte zuzuordnen sind (vgl. die sog. [X.] --[X.] [X.]--, Schreiben des [X.] --BMF-- vom 22.12.2016, [X.], 182, Rz 444). Würden in der Betriebsstätte keine [X.] ausgeübt, weil diese --wie im [X.] "personallos" betrieben werde, seien dieser auch keine Vermögenswerte zuzuordnen.

Auf den Streitfall bezogen bedeutet dies nach Auffassung des [X.], dass die bisher der inländischen Betriebsstätte zugeordneten Windenergieanlagen ab dem 01.01.2013 der Betriebsstätte der Gesellschafterin der Antragstellerin in [X.] zuzuordnen sind. Aufgrund dieser (neuen) Zuordnung der Windenergieanlage komme es zu einer Überführung der Vermögenswerte. Folglich sei gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG von einer Entnahme "für betriebsfremde Zwecke" i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG auszugehen, die mit dem gemeinen Wert der entnommenen Wirtschaftsgüter anzusetzen sei (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbsatz 2 EStG).

bbb) Ob § 1 Abs. 5 Satz 3 [X.] eine entsprechende Rechtsfolge begründen kann, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden worden und wird zwischen Finanzverwaltung und dem Schrifttum uneinheitlich beantwortet. Dies reicht bereits für ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Festsetzung/Feststellungen aus.

Soweit sich das [X.] für seine Auffassung auf Rz 451 [X.] [X.] beruft, wonach im Fall einer Zuordnungsänderung ggf. eine Entstrickung ausgelöst werden kann, wird dem im Schrifttum entgegengehalten, dass die Entstrickungsvorschriften eine Zuordnung nach [X.] nicht kennen (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., Rz 6.134). Die allgemeine Entstrickungsregelung in § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG und die Neuregelung in § 1 Abs. 5 [X.] stünden in ihrem "tatbestandlich-systematischen Ausgangspunkt" wie in ihren Rechtswirkungen "unverbunden" nebeneinander; § 1 Abs. 5 [X.] sei als Einkünftekorrekturvorschrift zu qualifizieren, die allgemeine Entstrickungsregelung in § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG hingegen als allgemeine Gewinnermittlungsvorschrift ([X.] in [X.]/Hey/[X.] [Hrsg.], 100 Jahre Steuerrechtsprechung in [X.] 1918-2018, Festschrift für den [X.], 2018, S. 1027, 1041; [X.], Internationale [X.] --[X.]-- 2013, 261).

Der Senat teilt bei summarischer Prüfung diese Sichtweise. § 1 Abs. 5 [X.] steht im unmittelbaren Kontext zu dessen Abs. 1 und knüpft damit tatbestandlich an eine Einkünfteminderung an, die durch eine Vereinbarung nicht fremdvergleichsgerechter Bedingungen (Verrechnungspreise) entsteht (vgl. [X.] in [X.]/Hey/[X.] [Hrsg.], a.a.[X.], S. 1027, 1035 f.). Dem Wortlaut des § 1 Abs. 5 [X.] und insbesondere dessen Satz 3 lässt sich nicht entnehmen, dass außerhalb des Anwendungsbereichs des § 1 [X.] und insbesondere für die allgemeine Gewinnermittlung nach §§ 4 ff. EStG eine Veranlassungsprüfung (allein) nach den in den jeweiligen Unternehmensteilen ausgeübten [X.] vorzunehmen wäre. Eine entsprechende "Ausstrahlwirkung" kann in § 1 Abs. 5 [X.] auch nicht hineingelesen werden. Hierfür spricht auch die systematische Stellung der Vorschrift im [X.].

Soweit die Finanzverwaltung in [X.]. 2.2.4.1 des BMF-Schreibens zur Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen auf Personengesellschaften vom 26.09.2014 (BStBl I 2014, 1258) davon ausgeht, dass hinsichtlich der Zuordnung von Wirtschaftsgütern einer Personengesellschaft die Grundsätze des § 1 Abs. 5 [X.] "in Grundzügen" mit der Rechtsprechung des [X.] zum funktionalen Zusammenhang übereinstimmen, bestehen bereits Zweifel, ob im Rahmen einer solchen Betrachtungsweise allein auf eine Zuordnung von Wirtschaftsgütern nach "[X.]" abzustellen wäre. Der bisherigen Rechtsprechung des Senats hierzu mag eine funktionsgetragene Betrachtungsweise zugrunde liegen, ihr ist aber jedenfalls nicht zu entnehmen, dass allein die [X.] als maßgebender Zuordnungsparameter anzusehen wäre (vgl. hierzu [X.] in [X.]/Hey/[X.] [Hrsg.], a.a.[X.], S. 1027, 1038; [X.], [X.] 2013, 261).

Selbst wenn man unter Verweis auf § 1 Abs. 5 [X.] maßgebend auf eine Zuordnung von Wirtschaftsgütern nach der "[X.]" abstellen würde, bestehen Zweifel, ob im Streitfall die Windenergieanlagen der [X.] in [X.] zuzuordnen wären, weil nur dort [X.] ausgeübt werden. Denn es ist fraglich, ob § 1 Abs. 5 Satz 3 [X.] dahin auszulegen ist, dass die maßgebende [X.] ausschließlich durch Personal ausgeübt werden kann, das bei dem Unternehmen als (eigene) Arbeitnehmer angestellt ist. In der Literatur wird jedenfalls angezweifelt, dass das in einer Funktion für das Unternehmen tätige Personal mit diesem arbeitsvertraglich verbunden sein muss. Dem Wortlaut der Norm lasse sich ein Ausschluss von Personal, das durch Arbeitnehmerüberlassungsvertrag oder Dienstleistungsvertrag in dieser Funktion tätig werde, nicht entnehmen ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], a.a.[X.], Rz 4.70). Damit würde im Streitfall das Personal der [X.] Service- bzw. Verwaltungsgesellschaften, das auf der Grundlage von Betriebsführungs- und Serviceverträgen die technische und die kaufmännische Betriebsführung der Windenergieanlagen übernimmt, für die Zuordnung von Wirtschaftsgütern eine Funktion in der inländischen Betriebsstätte ausüben. Mithin wäre dort von einer [X.] auszugehen. Soweit dazu § 2 Abs. 3 und 4 der Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf Betriebsstätten nach § 1 Abs. 5 des Außensteuergesetzes (Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung --[X.]V--) ausdrücklich regelt, dass nur "eigenes" Personal eine entsprechende [X.] ausüben kann und eigenes Personal nur dann anzunehmen sei, wenn es aufgrund einer gesellschaftsvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Vereinbarung mit dem Unternehmen für das Unternehmen tätig wird, weist der Senat darauf hin, dass die Regelungen der [X.]V gemäß § 40 [X.]V erst für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2014 beginnen --und damit nicht für das [X.] zur Anwendung kommen. Soweit die Finanzverwaltung davon ausgeht, dass die Regelungen der [X.]V für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2012, aber vor dem 01.01.2015, beginnen, herangezogen werden können, weist der Senat zudem darauf hin, dass das Gesetz nicht das für eine Einschränkung adäquate Tatbestandsmerkmal "eigenes (Personal)" verwendet.

Schließlich hat der Senat Zweifel, ob unter der Geltung des § 1 Abs. 5 [X.] die Grundsätze zur Zuordnung von Wirtschaftsgütern nach der [X.] bei sog. [X.] Betriebsstätten überhaupt anwendbar sind. In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass das Prinzip der Zuordnung von Wirtschaftsgütern nach der [X.] bei solchen Betriebsstätten dazu führen würde, dass ausgerechnet die Wirtschaftsgüter, die die personallose Betriebsstätte begründen, der [X.] zuzuordnen wären (vgl. [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], § 1 [X.] Rz 2939.7; [X.]/[X.], [X.] 2020, 145). Es wird deshalb für notwendig erachtet, dass bei [X.] Betriebsstätten --abweichend von der Zuordnung nach der maßgeblichen [X.]-- diesen jedenfalls die Wirtschaftsgüter zugerechnet werden müssen, die sie begründen und die letztlich der dort ausgeübten Unternehmensfunktion dienen ([X.]/[X.], [X.] 2020, 145; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], a.a.[X.], Rz 11.33; [X.]/[X.], Internationales Steuerrecht 2015, 912). Dies kann möglicherweise auf § 1 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 [X.] gestützt werden, da insoweit "die Zugehörigkeit der Betriebsstätte zum Unternehmen ... eine andere Behandlung (erfordert)". Die Finanzverwaltung scheint jedenfalls für den Fall einer Betriebsstätte ohne maßgebliche [X.] unter Hinweis auf [X.]. 75 des Berichts über die Zurechnung von Gewinnen zu Betriebsstätten der [X.] vom [X.] (abrufbar unter [X.]), wonach bei Betriebsstätten ohne maßgebliche [X.] die Nutzung als Grundlage für die Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums von materiellen Wirtschaftsgütern dienen soll, von einer "anderen" Zuordnung von Wirtschaftsgütern auszugehen (vgl. [X.] [X.] Rz 6a, neu eingefügt durch BMF-Schreiben vom [X.], [X.], 84; hierzu [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], a.a.[X.], § 1 [X.] Rz 2939.1 ff.; [X.]/[X.], [X.] 2020, 145), was angesichts des nicht eindeutigen Gesetzeswortlauts ("Zugehörigkeit ... zum Unternehmen") aber wiederum nicht unzweifelhaft ist.

ee) Auf dieser Grundlage ist im anhängigen Verfahren nicht mehr der weiteren Frage nachzugehen, ob der Tatbestand der genannten Entstrickungsregelungen auch zur Anwendung kommt, wenn das Besteuerungsrecht [X.] durch rein staatliches Handeln (hier: eine gesetzliche Regelung) ausgeschlossen oder eingeschränkt wird (sog. passive Entstrickung; vgl. zur Problematik [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 4 EStG Rz 230).

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

I B 44/21 (AdV)

24.11.2021

Bundesfinanzhof 1. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht des Saarlandes, 30. März 2021, Az: 1 V 1374/20, Beschluss

§ 12 AO, § 1 Abs 5 S 2 AStG, § 1 Abs 5 S 3 AStG, § 4 Abs 1 S 2 EStG 2009, § 4 Abs 1 S 3 EStG 2009, § 4 Abs 1 S 4 EStG 2009, § 69 FGO, § 129 FGO, EStG VZ 2013

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 24.11.2021, Az. I B 44/21 (AdV) (REWIS RS 2021, 874)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 874

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