Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.01.2013, Az. V ZB 193/12

V. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 8947

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 193/12
vom

17. Januar 2013

in der Abschiebungshaftsache

-
2
-
Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 17. Januar 2013 durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richter Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und [X.] und die Richterinnen Dr. [X.] und Weinland
beschlossen:
Dem Betroffenen wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren Ver-fahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Wasser-mann bewilligt.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 8. Zivilkammer des [X.] vom 8. Oktober 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zu-rückverwiesen.

Gründe:
I.
Der Betroffene reiste im [X.] 2011 unerlaubt nach [X.] ein, tauchte dort zunächst unter und wurde am 26. Juni 2012 festgenommen. Mit Beschluss vom gleichen Tag ordnete das Amtsgericht gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Abschiebung nach [X.] bis längstens zum 25. August 2012 an. Mit Beschluss vom 24. August 2012 verlängerte das Amtsgericht auf 1
-
3
-
Antrag der beteiligten Behörde die Haft bis zum 21. September 2012. In dem Protokoll über die Anhörung des Betroffenen am 24. August 2012 ist ein vorge-druckter Vermerk über einen Rechtsmittelverzicht des Betroffenen angekreuzt.
Gegen diesen Beschluss hat der Betroffene Beschwerde eingelegt, nach Aufhebung der Haftanordnung wegen der Weigerung [X.]s, ihn aufzuneh-men, mit dem Antrag, die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung festzustellen. Das [X.] hat das Rechtsmittel als unzulässig verworfen. Dagegen [X.] sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.

II.
Das Beschwerdegericht meint, der Betroffene habe in der Anhörung auf das Rechtsmittel verzichtet. Dieser Rechtsmittelverzicht sei weder widerruflich noch anfechtbar. Bedenken gegen seine Wirksamkeit bestünden nicht. Dass der Betroffene sich vorbehalten habe, mit seinem Rechtsanwalt zu sprechen, sei aus dem Protokoll nicht ersichtlich.

III.
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Die zu-lässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Beschwerde des Betroffenen ist mit dem gestellten Feststellungsantrag zulässig.
1. Der Zulässigkeit des Rechtsmittels steht der in der Anhörung vor dem Amtsgericht erklärte Verzicht des Betroffenen auf das Rechtsmittel der Be-schwerde nicht entgegen.
2
3
4
5
-
4
-
a) Zwar ist die Beschwerde gemäß § 67 Abs. 1 FamFG unzulässig, wenn der Beschwerdeführer nach Bekanntgabe des Beschlusses auf das [X.] durch Erklärung gegenüber dem Gericht verzichtet hat. In dem Verfahren der Abschiebungshaft sind an einen Rechtsmittelverzicht aber strenge Anforderun-gen zu stellen. Der Betroffene muss klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, sich mit der Entscheidung ohne Vorbehalt abfinden
und das prozessuale Recht, die Entscheidung in der übergeordneten Instanz überprüfen zu lassen, endgül-tig aufgeben zu wollen. Das Gericht darf einen Verzicht nicht von sich aus nahe legen, weil er dem Interesse des Betroffenen regelmäßig nicht entspricht und weil das Verfahren der Freiheitsentziehung wegen des schwerwiegenden Ein-griffs in das Grundrecht auf Freiheit der Person gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG besondere Sorgfalt und Fairness verlangt. Schließlich muss das Gericht einem anwaltlich nicht vertretenen Betroffenen im Interesse einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung eine von der Rechtsmittelbelehrung unabhängige Beleh-rung über die Folgen des Verzichts erteilen und diese auch für das [X.] nachprüfbar dokumentieren, wenn der Betroffene von sich aus einen Rechtsmittelverzicht abgeben will (Senat, Beschluss vom 1. Dezember 2011 -
V [X.], [X.] 2012, 83 f. Rn. 6 f.).
b) Daran gemessen fehlt es an einem wirksamen Verzicht. Der Betroffe-ne war in der Anhörung nicht anwaltlich vertreten. Das Anhörungsprotokoll weist in der Art eines Multiple-Choice-Bogens ein Kreuz vor der Erklärung
"D. Betroffene verzichtet auf das Rechtsmittel der Beschwerde." aus. Dieser Bestandteil des [X.] ist schon für sich genommen ein Hinweis darauf, dass der Anstoß zu dem Rechtsmittelverzicht nicht von dem anwaltlich nicht vertretenen Betroffenen, sondern von dem Gericht ausgegangen ist. Dass der Betroffene unabhängig von der -
erfolgten -
Belehrung über das [X.] der Beschwerde auch über die Folgen eines Verzichts auf das Rechtsmittel belehrt worden ist, ist im Protokoll nicht, jedenfalls nicht nachprüfbar dokumen-6
7
-
5
-
tiert. Ebenso wenig lässt sich feststellen, dass der Betroffene die Folgen seiner Erklärung richtig einschätzen konnte.
2. Das Rechtsmittel des Betroffenen ist, anders als das Beschwerdege-richt offenbar meint, auch nicht dadurch unstatthaft geworden, dass die Haftan-ordnung während des Beschwerdeverfahrens aufgehoben worden ist.
Mit der Aufhebung der Haft allein kann dem Betroffenen effektiver Rechtsschutz nicht gewährt werden. Der Betroffene muss vielmehr auch sein Rehabilitierungsinteresse umfassend geltend machen können (vgl. [X.] 104, 202, 235). Dem dient der Antrag auf Feststellung nach § 62 FamFG ([X.], Beschluss vom 6. Oktober 2011 -
V [X.], [X.] 2012, 44, 45 Rn.
14), der deshalb auch dann statthaft ist, wenn die Haftanordnung zwi-schenzeitlich aufgehoben worden ist (Senat, Beschluss vom 11. Oktober 2012
-
V [X.], juris Rn. 6 f.).

IV.
Die Sache ist nicht zur Entscheidung reif, da sich das Beschwerdegericht mit ihr noch nicht inhaltlich befasst und die notwendigen tatsächlichen Feststel-lungen nicht getroffen hat. Das Beschwerdegericht wird auch über die außerge-

8
9
10
-
6
-
richtlichen Kosten des [X.] zu entscheiden haben.
[X.]
Schmidt-Räntsch
Roth

[X.]
Weinland
Vorinstanzen:
AG Bingen am Rhein, Entscheidung vom [X.] -
110 [X.] 17/12 -

LG [X.], Entscheidung vom 08.10.2012 -
8 T 170/12 -

Meta

V ZB 193/12

17.01.2013

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.01.2013, Az. V ZB 193/12 (REWIS RS 2013, 8947)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8947

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

V ZB 12/18 (Bundesgerichtshof)

Rücknahme einer Beschwerde gegen Anordnung der Abschiebungshaft


V ZB 87/14 (Bundesgerichtshof)

Abschiebungshaftsache: Anforderungen an eine ordnungsgemäße Dokumentation der Belehrung des nicht anwaltlich vertretenen Betroffenen über einen …


V ZB 87/14 (Bundesgerichtshof)


V ZB 73/11 (Bundesgerichtshof)

Abschiebungshaftverfahren: Voraussetzungen eines wirksamen Rechtsmittelverzichts des anwaltlich nicht vertretenen Betroffenen


V ZB 121/12 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

V ZB 73/11

V ZB 314/10

V ZB 238/11

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.