Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.10.2013, Az. X ZR 141/10

X. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 1597

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
X ZR 141/10
Verkündet am:

29. Oktober 2013

Wermes

Justizamtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache

-
2
-
Der X.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 29.
Oktober 2013 durch [X.] Dr.
Meier-Beck, die
Richter Dr. Grabinski und Hoffmann
sowie die Richterinnen Schuster
und Dr.
Kober-Dehm

für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 27.
Oktober 2013 an [X.] Statt zugestellte Urteil des 3.
Senats ([X.]) des [X.] abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Von Rechts wegen
-
3
-
Tatbestand:
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die [X.] erteilten und bei Einlegung der Berufung durch Zeitablauf erlo-schenen [X.] Patents 472
651 (Streitpatents). Es wurde am 9.
Mai 1990 unter Inanspruchnahme von Prioritäten vom 16.
Mai 1989 und 7.
Novem-ber 1989 angemeldet und ist im [X.] aufgrund [X.] Entscheidung der [X.] (T
1333/04 -
3.
März 2008) beschränkt aufrechterhalten worden. Es umfasst hiernach vier [X.], von denen Patentanspruch
1 lautet:
"A purified nucleic acid comprising a nucleotide sequence encod-ing an enzyme having PNGase activity produced by the bacterium Flavobacterium meningosepticum, wherein said nucleotide [X.]% homology with the PNGase
F gene pre-sent in [X.], [X.]
67987."
Die aus dem Streitpatent in Anspruch genommene Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Patents sei nicht patentfähig, weil er nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Sie hat in erster Instanz zuletzt beantragt, das Streitpatent im Umfang der Patentansprüche
1 bis
3 für nichtig zu erklären und im Übrigen festzustellen, dass die Hauptsache erledigt ist. Das Patentgericht hat dem Klageantrag entsprochen. Hiergegen richtet sich die Berufung der [X.],
mit der
sie ihr Ziel der Klageabweisung weiterverfolgt,
soweit das [X.] für nichtig erklärt hat; im Übrigen haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt.
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. Dr.

H.

, Eberhard
Karls Universität Tübingen, ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der 1
2
3
-
4
-
mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Beklagte hat ein Privat-gutachten von Prof.
Dr.

F.

, [X.],
vorgelegt.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Streitpatent betrifft eine Nukleinsäuresequenz zur Herstellung des Enzyms Peptid-N4-(N-acetyl--[X.] (PNGa-se
F).
Die im Flavobacterium meningosepticum
(Bezeichnung zum Prioritäts-zeitpunkt, heutiger Name: Elizabethkingia meningoseptica)
vorkommenden
En-zyme
PNGase
F
und Endo--N-acetylglucosaminidase (Endo
F) als Glyco-sidasen
spalten stickstoffverknüpfte Kohlehydratketten
von Glykoproteinen ab. Obwohl beide Enzyme nur die an der Aminosäure Asparagin (N) verknüpften [X.] (N-glykosidische Verbindungen) abspalten, bringen sie unter-schiedliche [X.]altprodukte hervor. Die PNGase
F spaltet zwischen dem Aspara-ginrest und dem endständigen Zuckerrest, so dass die Kohlehydratketten in voller Länge abgespaltet werden. Endo
F hingegen spaltet die Bindung zwi-schen den beiden endständigen Zuckereinheiten, wodurch um eine Zuckerein-heit verkürzte Kohlehydratketten freigesetzt werden. Um die spezifischen [X.]alt-eigenschaften der PNGase
F für Analysen nutzen zu können, was [X.] für Strukturanalysen von Glykoproteinen nützlich ist, müssen die aus dem Flavobacterium meningosepticum
gewonnenen Glykosidasemischungen aufge-trennt werden.
4
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-
5
-
Danach betrifft das Streitpatent
das technische Problem, eine von En-do
F freie PNGase
F zur Verfügung zu stellen
und hierfür die erforderlichen Zwischenschritte zu entwickeln.
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt Patentanspruch
1 eine gereinigte Nukleinsäure vor, die eine für das von Flavobacterium meningosepticum
produ-zierte Enzym mit [X.] codierende Nukleotidsequenz -
mit einer mindestens 90-prozentigen Homologie mit dem [X.] in dem bei der [X.] ([X.]) unter Nr.
67987 hinterlegten Plasmid [X.]
-
enthält. Die Lösung besteht mithin in der Herstellung einer Nukleinsäu-re, welche es wiederum ermöglicht, durch Expression des [X.]s in einem ge-eigneten Wirtsorganismus das gewünschte Enzym auf rekombinantem Wege ohne eine [X.] bereitzustellen.
II.
Das Patentgericht hat den Gegenstand des Streitpatents für nicht patentfähig erachtet und dies wie folgt begründet:
Der Stand der Technik habe dem Fachmann -
einem in der industriellen oder der Hochschulforschung tätigen Chemiker oder Biochemiker mit mehrjäh-riger Erfahrung auf dem Gebiet der Enzymgewinnung, der in ein Team aus [X.]ezialisten für die Isolierung und Reinigung
von Proteinen eingebunden sei
-
Veranlassung gegeben, ein [X.] bereitzustellen, das vollständig frei von Endo
F ist.
In dem Aufsatz von [X.] et al. in Biochemistry 24 (1985), 4665 ([X.]) sei berichtet worden, dass PNGase
F aus dem Flavobacterium menin-gosepticum
mit einer Reinheit von mehr als 90% isoliert werden könne. Dieses [X.] enthalte jedoch zu 0,1%
Endo
F. Diese zusätzliche Enzymakti-vität erachte der Fachmann als nachteilig, da ihm bekannt sei, dass bei einer Deglykosylierung nicht vorhersehbare [X.]altprodukte entstehen könnten, weil 6
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6
-
Endo
F die [X.]altprodukte der PNGase
F erneut spalten könne. Dies erschwere die Interpretation von Daten aus wissenschaftlichen Versuchen mit derartigen [X.]altprodukten. Der Fachmann sei daher bestrebt gewesen, mit einer vollstän-dig Endo-F-freien PNGase
F zu arbeiten. Auch wenn in einem weiteren Aufsatz von [X.] und [X.], [X.]--glucosaminyl) asparagine [X.]--N-acetylglucosaminidase from Flavobacterium menin-gosepticum, in Methods in [X.] (1987), 770 ([X.]) angegeben sei, mit Hilfe eines chromatographischen Reinigungsverfahrens
mit zwei [X.] weiter aufgereinigte PNGase
F mit einem ge-schätzten Reinheitsgrad von mehr als 95% herstellen zu können, was
nunmehr als Endo-F-frei zu erachten sei, werde der Fachmann auch dieses [X.] nicht als optimal ansehen. Aus wissenschaftlicher Sicht sei für ihn nur ei-ne PNGase
F mit garantierter Endo-F-Freiheit von Nutzen, wie sie weder das in [X.] noch das in [X.] beschriebene Isolierungsverfahren verspreche. [X.] sei das in [X.] beschriebene Verfahren aufgrund der zahlreichen Chro-matographieschritte zeit-
und kostenintensiv, weshalb sich der Fachmann ver-anlasst gesehen habe, nach weiteren Möglichkeiten zu suchen, um eine [X.] Endo-F-freie PNGase
F zu erhalten. Die Forschungstätigkeit zur [X.] habe auch bereits zum Prioritätszeitpunkt einen Bedarf für ein solches Produkt mit entsprechendem Reinheitsgrad begründet, weshalb es hinreichende wirtschaftliche Anreize für die Produktentwicklung gegeben habe.
Mit dieser Veranlassung sei es für den Fachmann naheliegend gewesen, Endo-F-freie PNGase
F auf rekombinantem Weg bereitzustellen.
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7
-
Um eine vollständige Endo-F-Freiheit zu erreichen, werde der Fachmann eine weitere Aufreinigung entsprechend dem in [X.] beschriebenen Reini-gungsverfahren wegen des Kosten-
und Zeitaufwands nicht für sinnvoll erach-ten; zudem würde hierdurch die [X.] weiter verringert. Auf der [X.] nach anderen Herstellungswegen für eine Reindarstellung von PNGase
F biete sich die rekombinante Herstellung an. Dem Fachmann sei diese Technik aus Standardwerken wie "Methods in [X.]" und biologischen Lehrbü-chern sowie der erfolgreichen
Anwendung
dieser Technik
zur Herstellung von Enzymen bekannt gewesen. Der Aufsatz von [X.] und [X.], [X.], in Methods
in [X.]
139 (1987), 248 ([X.]), habe die partielle Sequenzie-rung eines Proteins beschrieben, um die Aminosäuresequenzinformation zu erhalten, die für Design und Synthese darauf abgestimmter Oligonukleotidson-den erforderlich seien. Die Klonierung eines auf diese Weise identifizierten [X.]s und dessen Expression in einem Wirtsorganismus wie Escherichia coli
hätten damit zu den üblichen Verfahrensweisen bei der Anwendung rekombi-nanter Techniken gezählt. Da dem Fachmann der in der [X.] genannte Bakte-rienstamm vom Typ Flavobacterium meningosepticum
([X.] 33958) als [X.] für die Erzeugung einer für dieses Bakterium spezifischen [X.]-bank (vgl. [X.], S.
4666 li.
[X.]. Abs.
3) sowie mit der von diesem Stamm pro-duzierten PNGase
F auch das für eine teilweise Aminosäuresequenzanalyse erforderliche Protein zur Verfügung gestanden habe, habe er auch über die Edukte für eine entsprechende Klonierungsstrategie verfügt.
Bei der Anwendung einer solchen Klonierungsstrategie auf die PNGa-se
F möchten technische Schwierigkeiten aufgetreten sein. Die Beklagte habe es -
das Patentgericht
-
jedoch nicht davon überzeugen können, dass es für deren Überwindung erfinderischen Zutuns bedurft habe. Wie der nachveröffent-lichte Aufsatz von [X.] et al., Cloning
and Expression of Peptide-N4-(N-12
13
-
8
-
acetyl--D-glucosaminyl) [X.]
F in Escherichia coli, [X.], 1990, S.
6967 bis
6972 ([X.]) gutachtlich belege, habe die für eine N-terminale Aminosäuresequenzanalyse erforderliche Reinheit [X.] mittels Gelelektrophorese und Elektroblotting sowie der Verwendung von unterschiedlichen Trennmaterialien für die Chromatographie-schritte erzielt werden können. Eine solche Vorgehensweise sei im Hinblick auf den damaligen Stand der Technik nicht über das allgemeine Können und Wis-sen des Fachmanns hinausgegangen.
Der Fachmann habe ausschließen können, bei einer Expression der PNGase
F in Escherichia coli
eine Kontamination mit Endo
F zu erhalten, weil das
damals bereits bekannte [X.]om dieses Bakteriums kein [X.] für Endo
F enthalte. Von der Verwendung dieses Wirtsorganismus habe den Fachmann auch weder die Überlegung, dass eine Gewinnung der PNGase
F aus Escherichia
coli
erst die Etablierung einer aufwendigen Reinigung des Enzyms erforderlich machen werde, abgehalten noch die Befürchtung, wegen der ge-genüber Flavobacterium meningosepticum
unterschiedlichen post-translatio-nalen Modifikationen sei in Escherichia coli
möglicherweise kein aktives Enzym erhältlich. Selbst wenn Escherichia coli
sich für eine Expression von PNGase
F als ungeeignet herausgestellt hätte, hätten dem Fachmann zahlreiche andere [X.] zur Verfügung gestanden, die er im Rahmen routinemäßiger [X.] auf ihre Eignung hätte untersuchen können.
III.
Diese Beurteilung
hält der Überprüfung im Berufungsverfahren in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
Entgegen der Bewertung des [X.] ist der Gegenstand des Streitpatents patentfähig, weil er auf einer [X.] Tätigkeit beruht.
1.
Unbestritten war der Gegenstand des Streitpatents neu.
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9
-
2.
Für dessen Patentfähigkeit fehlt es
nicht an einer erfinderischen Tätigkeit, denn er hat sich nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben (Art.
56 EPÜ).
a)
Dem vom
Patentgericht zutreffend definierten Fachmann wurde in den Aufsätzen [X.] und [X.] ein Verfahren offenbart, mit dem aufgrund der natürlichen Expression von PNGase
F in Flavobacterium meningosepticum
die-ses Protein aufgereinigt und somit weitestgehend isoliert werden konnte.
Ihm war damit zugleich bekannt, dass für dieses Protein im [X.] meningosepticum
eine Nukleotidsequenz als
genetischer Code existiert, auf dessen Basis der Code transkribiert und in den Ribosomen dieses Bakteriums das Protein PNGase
F hergestellt wird. Ihm war jedoch weder die Sequenz die-ser Nukleotide noch die Sequenz der Aminosäuren bekannt, aus denen das Protein aufgebaut ist. [X.] und [X.] vermittelten nur die Lehre, das Protein aufgrund seiner physikalischen und chemischen Eigenschaften aufreinigen zu können.
b)
Dieser Stand der Technik und der Bedarf nach Endo-F-freier PNGase
F gaben
dem
Fachmann eine
gewisse
Veranlassung, Überlegungen
mit dem Ziel einer rekombinanten Herstellung des Proteins in einem anderen Organismus
(heterologe Herstellung)
anzustellen, wofür die Isolierung und die Ermittlung der Nukleotidsequenz als Zwischenschritt erforderlich gewesen wä-re.
aa)
Nach den Ausführungen des Sachverständigen war das in [X.] und [X.] beschriebene Verfahren für geringe Mengen geeignet, PNGase
F jedenfalls annähernd frei von Endo
F herzustellen. Die [X.] haben jedoch zur Folge, dass von der ursprünglich mit dem Flavobacterium meningosepticum
hergestellten
Menge nur eine deutlich geringere Ausbeute 17
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übrig bleibt. Bei einer rekombinant heterologen Herstellung konnte der Fach-mann einen
deutlich geringeren Aufreinigungs-
und Herstellungsaufwand erwar-ten, nicht zuletzt auch deshalb, weil damit insbesondere Wirtsorganismen in Frage kamen, die von vorneherein keine [X.] aufweisen.
Dementsprechend konnte der Fachmann auch den Aufsätzen von [X.], [X.] und [X.] im [X.], 1981, 10640 ([X.]) und von [X.] et. al. im [X.], 1985, 5683 ([X.]) zur Herstellung eines der PNGase
F sehr ähnlichen Proteins, der Endoglyco-sidase
H, entnehmen, dass die im Stand der Technik beschriebenen Methoden zur Proteinaufreinigung dieses Proteins zwar exzellent,
aber zugleich [X.] und mühsam seien. Die Herstellung dieses Proteins in Escherichia coli
hingegen konnte die Herstellung vereinfachen ([X.], S.
10640 r.
[X.]. Abs.
1), weil bei einer Sekretion des Proteins in den periplasmatischen Raum dieses Bakteriums eine schnelle Vierstufenprozedur ausreichte, um das Protein homo-gen aufzureinigen
([X.], S.
5683 li.
[X.].).
Für eine industrielle Herstellung von Endo-F-freier PNGase
F in größeren Mengen bot sich die rekombinante Herstellung deshalb als alternative Überle-gung an, um das Protein nach erfolgreicher Klonierung in der gewünschten Reinheit mit einem deutlich geringeren Aufwand herstellen zu können.
bb)
Weiterhin ergab sich eine gewisse Veranlassung zur rekombinant heterologen Herstellung von PNGase
F aus dem Umstand, dass deren Herstel-lung im Flavobacterium meningosepticum
ein pathogenes Bakterium nutzte, das insbesondere bei Kleinkindern und Säuglingen eine Hirnhautentzündung hervorrufen kann. Zur Verhütung von Krankheiten etwa bei Angehörigen von Mitarbeitern der Labore und Produktionsstätten, in denen Flavobacterium me-ningosepticum
verwendet wird, bedurfte es deshalb nach dem Stand der Tech-22
23
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-
11
-
nik und dem allgemeinen Arbeitsschutz Maßnahmen, die einer Übertragung des Bakteriums auf Mitarbeiter und deren Angehörige entgegenwirken. Solche Maßnahmen konnten vermieden werden, indem die PNGase
F einem anderen Wirtsorganismus rekombinant hergestellt würde, der weniger pathogen und deshalb unter weniger strengen Auflagen für eine Herstellung verwendet wer-den konnte, wie etwa Escherichia coli.
cc)
Allein aufgrund der Wünsche etwaiger Abnehmer von industriell hergestellter PNGase
F bestand nur eine geringe Veranlassung, PNGase
F rekombinant heterolog herzustellen.
Mit dem in [X.] und [X.] beschriebenen Verfahren konnte ein En-zympräparat hergestellt werden, das zu 95% PNGase
F enthielt. Auch wenn potentielle Abnehmer eines nach diesem Verfahren hergestellten Präparats nicht vollständig der weiteren Angabe in [X.] geglaubt haben mögen, das Präparat sei aufgrund der mehreren [X.] wirklich frei von En-do
F ("the enzyme is estimated to be over
95% pure and to be free of Endo
F", [X.] S.
775 letzter Absatz), bestand nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen nur ein geringer Bedarf nach einem [X.], das absolut
keine [X.] aufwies. In den überwiegenden Fällen wird PNGase
F nur für eine relativ kurze Inkubationszeit benötigt, so dass [X.]uren von Endo
F, das [X.] zwischen ihren Zuckereinheiten trennt, sowie von Proteasen, die Proteine zwischen den Aminosäuren spalten
würden,
in die-sen Fällen nur äußerst geringfügig die Analyse der [X.]altprodukte beeinträchti-gen.
Dementsprechend waren die gemäß dem in [X.] und [X.] beschriebe-nen Verfahren produzierten PNGase
F-Präparate im Handel erhältlich und [X.] im Stand der Technik allgemein als ein brauchbares Produkt angesehen ([X.], S.
778 Abs.
1). Auch heute noch wird vom Flavobacterium menin-gosepticum
gewonnene, aufgereinigte PNGase
F kommerziell vertrieben.
Der 25
26
-
12
-
gerichtliche Sachverständige hat deshalb lediglich bei Untersuchungen mit [X.] langen Inkubationszeit aufgrund der in diesen Präparaten noch enthaltenen Endo
F eine so starke Beeinträchtigung des [X.] gesehen, dass
der Anwender
keine oder nur schwer eine verlässliche Aussage treffen könne.
c)
Ausgehend von der Überlegung, PNGase
F rekombinant hetero-log herstellen zu können, war dem Fachmann zum Prioritätszeitpunkt der Weg für eine solche Weiterentwicklung allgemein bekannt unter anderem
aus Stan-dardwerken wie
dem Lehrbuch von [X.] et. al., [X.]: a laboratory manual
(1982),
der Reihe "Methods in [X.]"
anhand der Iso-lierung des Calmodulin-[X.]s in Hefe (vgl. [X.] und [X.], Methods in [X.], S.
248 bis
262, [X.]. [X.]), aus dem "Kurzen Lehrbuch der Bio-chemie für
Mediziner und Naturwissenschaftler" für
die
industrielle Produktion von [X.] (S.
118, [X.].
[X.]) und für die Klonierung von Endoglyko-sidase
H in
Escherichia coli
aus den Aufsätzen [X.]
und [X.].
Für diesen Weg war PNGase
F aus Flavobacterium meningosepticum
hinreichend zu isolieren, damit die Aminosäuresequenz dieses Proteins be-stimmt werden konnte. Zur Bestimmung dieser Sequenz war dem Fachmann der [X.] bekannt. Insoweit konnte die Schwierigkeit auftreten, dass sich das Protein im nativen Zustand mit diesem Verfahren nicht ohne weiteres sequenzieren ließ, etwa weil die N-terminale Aminosäure wegen der räumlichen Faltung des Proteins für diesen
Abbau nicht zugänglich oder anderweitig ver-schlossen war. Zur Überwindung dieser Hürde konnte der Fachmann
das Pro-tein auffalten
oder mit Hilfe von Trypsin in mehrere Fragmente
aufspalten, um zumindest einen Teil der Aminosäuresequenz zu bestimmen
([X.] S.
8), was nach den Ausführungen des Sachverständigen für das weitere [X.] ausreichte. Da ein passendes [X.]
für das Flavobacterium meningosep-ticum
nicht in einer DNA-Sequenzdatenbank
bereits abgelegt war (vgl. gut-27
28
-
13
-
achterlich: [X.] u.a., [X.], 1990, S.
6961, 6963 r.
[X.]. Abs.
2, [X.].
[X.]), hatte der Fachmann für Teilsequenzen der [X.] zu synthetisieren, um das kodierende [X.] aus einer von
dem [X.]om des Flavobacterium meningosepticum
gewonnenen [X.]bank zu isolieren.
Heute verwendete Techniken wie eine Po-lymerase-Kettenreaktion (PCR) gehörten zum Prioritätszeitpunkt insoweit noch nicht zu den Standardverfahren.
Für die [X.]bank war die DNA zu zerstückeln und mittels Vektorplasmide beispielsweise in [X.] zu trans-formieren (Streitpatent, [X.].
5 Abs.
29).
Mithilfe der Sonden konnte sodann
ein Klon detektiert werden, der das
die PNGase
F codierende [X.] in dem Plasmid trägt. Schließlich galt es zu überprüfen, ob von dem Klon tatsächlich das ge-wünschte Protein produziert wird. Durch Bestimmung der DNA-Sequenz des Plasmids
konnte zudem analytisch überprüft werden, ob diese die Aminosäu-resequenz der PNGase
F kodiert.
Diese Techniken für die rekombinante Her-stellung eines Proteins nebst den dazu gehörenden detaillierten Arbeitsvor-schriften waren dem Fachmann sämtlich bekannt ([X.] S.
6).
d)
Mit dem Auffinden der
DNA-Sequenz hätte der Fachmann die mit dem Gegenstand des Streitpatents definierte Nukleotidsequenz
ermittelt
ge-habt. Eine Veranlassung für die Ermittlung dieses Zwischenergebnisses hatte
der Fachmann
jedoch nur, wenn hinreichende
Erfolgsaussichten für die Ermitt-lung dieser Sequenz und darüber hinaus auch dafür bestanden, damit PNGa-se
F in einem anderen Wirtsorganismus frei von Endo
F herstellen zu können, denn das Interesse des Fachmanns bezog sich nicht auf die wissenschaftliche
Erkenntnis der Nukleotidsequenz,
sondern auf die
rekombinante
Herstellung
dieses Proteins.
Wann eine Erfolgsaussicht als hinreichend angesehen werden kann, um das Beschreiten eines möglicherweise zu dem gewünschten Ergebnis führen-29
30
-
14
-
den Weges als naheliegend ansehen zu können, hängt nicht allein von der Wahrscheinlichkeit des Erfolges ab. Maßgeblich ist vielmehr eine Gesamtbe-trachtung, bei der die Dringlichkeit einer Lösung des technischen Problems und ihr zu erwartender technischer oder wirtschaftlicher Ertrag ebenso zu berück-sichtigen sind wie Aufwand und Kosten der erforderlichen Arbeiten, das Fehlen von Alternativen, Art, Umfang und Auswirkungen von Schwierigkeiten, die auf dem zu beschreitenden Weg auftreten können, sowie schließlich das Risiko, dass solche Schwierigkeiten die Erreichung des Ziels erheblich erschweren oder gar das Ziel unerreichbar machen.
Unter Berücksichtigung aller Umstände konnte der Fachmann im [X.] nicht von einer hinreichenden Erfolgsaussicht ausgehen.
Nach den Ausführungen des Sachverständigen gab es zwar bereits zum Prioritätszeitpunkt einige Anhaltspunkte,
auf dem dargestellten Weg tatsächlich zu einem Klon für eine rekombinant heterologe Herstellung von PNGase
F ge-langen
zu können, insbesondere weil solche Klonierungen bis dahin bereits mehrfach erfolgreich durchgeführt wurden.
Gleichwohl waren dem Fachmann verschiedene Risiken bekannt, die zu einem Scheitern seiner Bemühungen füh-ren konnten.
aa)
So hätte sich herausstellen können, dass das herzustellende Pro-tein
PNGase
F für den neuen Wirtsorganismus toxisch wirkt und damit jegliche Protein-Aktivität zum Erliegen gebracht hätte.
bb)
Bei PNGase
F fehlt
grundsätzlich wie bei allen sekretierten [X.] nach der Sekretion aus dem Flavobacterium meningosepticum
eine Sig-nalsequenz, die in der Regel 20
Aminosäuren und bei PNGase
F 40
Amino-säuren lang ist. Diese Aminosäuren werden beim Transport durch die [X.] abgespalten. Wenn diese
im [X.]om des Flavobacterium menin-31
32
33
34
-
15
-
gosepticum
mitkodierte
Signalsequenz nicht zu dem [X.] der Zellmembran des neuen Wirtsorganismus passte, konnte
es zu einer [X.] dieses Apparats kommen, was den Metabolismus der Zelle und damit die Produktion des Proteins empfindlich stören würde
([X.] S.
7).
cc)
Schließlich war nach den Ausführungen des Sachverständigen auch zu befürchten, dass das [X.] sich in einem neuen [X.] nicht richtig falten und damit nicht die für eine Aktivität erforderliche dreidimensionale Struktur einnehmen würde. Die
Expression des Proteins führ-te
dann zu Einschlusskörperchen ("inclusion bodies") in der Zelle und nicht zu einer Sekretion
und Gewinnung des Proteins.
e)
Es kann offen bleiben, ob diese Risiken, die eine Gewinnung der PNGase
F aus einem anderen Wirtsorganismus gänzlich ausschließen oder zu einem erheblichen Anteil hätten einschränken können, bereits für sich genom-men so erheblich waren, dass der Fachmann den möglichen Weg zu einer re-kombinant heterologen Herstellung von vorneherein als nicht oder nur wenig erfolgversprechend angesehen hätte.
Vielmehr hatte der Fachmann diese Risiken nicht allein für sich genom-men zu bewerten, sondern musste sie im Hinblick auf den Zeitaufwand und die Mühen
gewichten, die er für die Entwicklung eines Klons zur rekombinant hete-rologen Herstellung von PNGase
F hätte investieren müssen. Der Privatgutach-ter der Beklagten hat hierzu ausgeführt, dass entsprechende [X.] häufig einen signifikanten Anteil einer Dissertation dargestellt haben
([X.].
NB11 S.
5 Abs.
3). Der gerichtliche Sachverständige hat dies bestätigt. Im Falle des Misserfolgs wäre damit nicht eine nur kurze Versuchsreihe, sondern ein erheblicher Zeitaufwand nebst Einbindung des Fachpersonals für zahlreiche Versuchsreihen vergeblich gewesen, die obendrein in ihrer konkreten Abfolge 35
36
37
-
16
-
auch nicht von Beginn an vorhersehbar waren. Dabei wiegt umso schwerer, dass die skizzierten Risiken für einen Misserfolg sich in der Regel erst gegen Ende des Vorhabens verwirklicht hätten. Die Durchführung einer so langwieri-gen, mit sich erst am Ende offenbarenden Risiken behafteten Versuchsreihe ließ
das Vorhaben zu einer rekombinant heterologen Herstellung von PNGa-se
F deshalb kaum als eine naheliegende Weiterentwicklung erscheinen.
Bei der
Abwägung zwischen den Risiken, dem zu prognostizierenden Aufwand und den Erfolgschancen einer technischen Weiterentwicklung ist zu-dem zu berücksichtigen, in welchem Maße insbesondere nach dem
Bedürfnis-sen
des [X.] überhaupt eine Veranlassung bestand, einer Weiterent-wicklung
nachzugehen. Für den Fachmann bestand im Prioritätszeitpunkt kein besonderer Druck seitens der Abnehmer von PNGase
F,
ein vollständig von Endo
F befreites [X.]
herstellen zu müssen. Wie ausgeführt, konnte mit dem in [X.] beschriebenen Verfahren ein für die meisten Anwendungsfäl-le taugliches Präparat hergestellt werden.
Dem Bestreben,
PNGase
F kommer-ziell herstellen zu können, war damit im Wesentlichen [X.]üge getan. Jedenfalls angesichts dieser die Bedürfnisse der Abnehmer weitestgehend befriedigenden Herstellungssituation
war von der Abwägung des Fachmanns, ob er sich einer technischen Weiterentwicklung widmen sollte, deshalb nicht zu erwarten, sich dem
erheblichen Zeitaufwand für eine Versuchsreihe und den damit verbunde-nen Risiken zu stellen.
Das für eine rekombinant heterologe Herstellung von PNGase
F erforder-liche Zwischenergebnis in Form der Ermittlung der dieses Protein kodierenden Nukleotidsequenz hat daher nicht nahegelegen, womit der Gegenstand des Streitpatents auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
38
39
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17
-
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
121 Abs.
2 [X.], §
91 ZPO.

Meier-Beck
Grabinski
Hoffmann

Schuster
Kober-Dehm
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 27.10.2010 -
3 Ni 43/08 ([X.]) -

40

Meta

X ZR 141/10

29.10.2013

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.10.2013, Az. X ZR 141/10 (REWIS RS 2013, 1597)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1597

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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