Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.03.2019, Az. X R 4/18

10. Senat | REWIS RS 2019, 9149

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Gegenstand

Kein Altersvorsorge-Eigenheimbetrag bei Erweiterung einer bereits bestehenden Wohnung


Leitsatz

NV: § 92a EStG begünstigt nicht die Verwendung von Altersvorsorgekapital zur Tilgung eines Darlehens, das der Finanzierung der Kosten für die Erweiterung einer bereits bestehenden Wohnung dient .

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 7. Dezember 2017 10 K 10145/14 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb im Jahr 1977 gemeinsam mit seiner Ehefrau ein im Inland [X.] und seitdem zu eigenen Wohnzwecken genutztes Einfamilienhaus. Die Anschaffungskosten finanzierten sie fremd. In der Folgezeit nahmen sie für Erweiterungs- und Erhaltungsmaßnahmen weitere Darlehen auf.

2

[X.] errichteten der Kläger und seine Ehefrau einen Wintergarten, der die Wohnfläche des Einfamilienhauses um ca. 30 qm vergrößerte. Hierzu hatten sie bereits im Juni 2008 mit der [X.] einen weiteren Darlehensvertrag geschlossen, der den Verwendungszweck "Wohnkredit wegen Anbau Wintergarten" trug (im Weiteren "[X.]). Die Darlehenssumme belief sich auf 66.000 € und war bis zum 31. Dezember 2016, spätestens bei Zuteilung eines zur Sicherheit an die Bank abgetretenen Bausparvertragsanspruchs zurückzuzahlen. Dem Kläger und seiner Ehefrau waren jährliche Sondertilgungen von maximal 13.200 € gestattet.

3

Der Kläger hatte einen zertifizierten Altersvorsorgevertrag abgeschlossen, für den er Förderungen nach § 10a oder §§ 79 ff. des Einkommensteuergesetzes (EStG) erhielt. Als Beginn der Auszahlungsphase war der 1. März 2014 vereinbart.

4

Am 22. November 2013 beantragte der Kläger bei der Beklagten und Revisionsklägerin ([X.], [X.] --[X.]--) die Entnahme des gesamten in seinem Altersvorsorgevertrag gebildeten Kapitals von seinerzeit [X.] für die "Tilgung noch bestehender Darlehensschulden für Wohnzwecke". Diese bezifferte er mit "rund 60.000 €" und führte hierbei neben zwei Darlehen bei der [X.] insbesondere das "[X.] an. Die [X.] bat den Kläger mit Schreiben vom 29. November 2013 um Vorlage weiterer Unterlagen, u.a. um die Bescheinigung des Darlehensgebers über die Höhe der Restschuld sowie die Höhe einer Entschuldungsmöglichkeit zum Zeitpunkt des Beginns der Auszahlungsphase. Dem kam der Kläger mit Schreiben vom 2. Januar 2014 nach, teilte aber mit, er verzichte auf die Vorlage entsprechender Bescheinigungen der [X.], da er beabsichtige, das gesamte [X.] als Sondertilgung des "[X.]s einzusetzen.

5

Die [X.] lehnte den Antrag mit Bescheid vom 15. Januar 2014 ab. Die beabsichtigte Verwendung diene nicht dazu, ein zum Zwecke der Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung aufgenommenes Darlehen zu tilgen. Die Entnahme des [X.]s für Sanierungs- und Erweiterungsmaßnahmen an einer bereits bestehenden Wohnung stelle keine förderunschädliche Verwendung i.S. von § 92a Abs. 1 EStG dar.

6

Den hiergegen gerichteten Einspruch des [X.] wies die [X.] zurück. Sie hielt an ihrer Auffassung fest, nur die Kapitalentnahme für die Tilgung von Darlehen, die im Zusammenhang mit der Anschaffung der Immobilie im Jahr 1977 stünden, sei förderunschädlich. Es sei indes nicht erkennbar, dass insoweit noch Verbindlichkeiten aus umgeschuldeten Darlehen bestünden. Der Kläger habe hierzu auch keine Nachweise erbracht.

7

Im Klageverfahren brachte der Kläger u.a. vor, neben den Verbindlichkeiten aus dem "[X.] existierten noch weitere Darlehensbelastungen, die infolge von Umschuldungen auf den Erwerb des [X.] zurückgingen. Er bat um einen gerichtlichen Hinweis für den Fall, dass das Finanzgericht ([X.]) hierzu weitere Ausführungen für notwendig erachten sollte.

8

Das [X.] gab der Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte --E[X.]-- 2018, 461). Auch die Verwendung des [X.]s für die Tilgung von Darlehen, die durch nachträgliche Herstellungskosten --vorliegend durch Anbau eines [X.] veranlasst worden seien, falle unter § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in der zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 7. Dezember 2017 geltenden Fassung. Der dortige Begriff "Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung" sei nach allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen, für die § 255 des Handelsgesetzbuches (HGB) gelte. Zu den Herstellungskosten gehörten u.a. Aufwendungen für die Erweiterung eines Vermögensgegenstands (§ 255 Abs. 2 HGB). Es handele sich insoweit um eine "nachträgliche Herstellung". Anhaltspunkte dafür, im Rahmen der Regelungen zur [X.] von einem abweichenden --engeren-- Herstellungsbegriff auszugehen, seien nicht ersichtlich.

9

Mit ihrer Revision rügt die [X.] zum einen die Verletzung materiellen Rechts. Der Wortlaut des § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erfasse nur die erstmalige Herstellung einer Wohnung und knüpfe nicht an den weitergehenden Begriff der Herstellungskosten an. Eine Herstellung erfordere die Schaffung einer neuen Wohnung im bewertungsrechtlichen Sinne; die bloße Erweiterung genüge nicht. Auch die seinerzeitigen wohnungswirtschaftlichen Fördervorschriften des § 10e Abs. 2 EStG sowie § 2 Abs. 2 des Eigenheimzulagengesetzes ([X.]) a.[X.] differenzierten zwischen der Anschaffung/Herstellung einer Wohnung sowie deren Ausbau bzw. Erweiterung. Zudem sei der mit § 92a EStG verfolgte Zweck, ein mietfreies Wohnen im Alter zu ermöglichen, bei nachträglichen Ausbauten an einer bereits bestehenden Wohnung nicht einschlägig.

Das [X.] habe zum anderen seiner Sachaufklärungspflicht nicht hinreichend Genüge getan. Es sei unklar geblieben, ob das "[X.] überhaupt im zeitlichen Zusammenhang mit dem Anfall der nachträglichen Herstellungskosten aufgenommen worden sei.

Schließlich habe das [X.] unberücksichtigt gelassen, dass die Auszahlungsphase für den Altersvorsorgevertrag bereits am 1. März 2014 begonnen habe und eine wohnungswirtschaftliche Verwendung nach Beginn der Auszahlungsphase nicht mehr begünstigt sei.

Die [X.] beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Er trägt vor, auch Anbauten und Erweiterungen zählten nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) zur Herstellung einer Wohnung. Demzufolge sei die Tilgung von Darlehen für nachträgliche Herstellungskosten nach § 92a EStG förderunschädlich. Auch die Schaffung zusätzlichen Wohnraums diene der Altersvorsorge. Sollte die Rückführung des "[X.]s förderschädlich sein, wäre dies jedenfalls nicht für die weiteren, zum Zeitpunkt der Antragstellung noch valutierenden Darlehen aus der Finanzierung der ursprünglichen Anschaffungskosten der Fall.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

Das [X.] ist zu Unrecht davon ausgegangen, die Entnahme eines [X.] zum Zweck der teilweisen Tilgung des "[X.] sei nach § 92a Abs. 1 EStG förderunschädlich möglich (unter 1.). Die vom Kläger im Klage- und Revisionsverfahren zumindest hilfsweise erwogene Verwendung des [X.] zur Tilgung weiterer [X.] ist ebenfalls ausgeschlossen (unter 2.).

1. Für den Erlass eines [X.]s nach § 92b Abs. 1 Satz 3 EStG, durch den die vom Kläger in erster Linie begehrte Verwendung des [X.] für die Rückführung der Verbindlichkeiten aus dem "[X.] als förderunschädlich bestimmt werden soll, besteht keine Rechtsgrundlage.

a) Der Verwendungsausschluss ergibt sich nicht bereits aus § 92b Abs. 1 Satz 1 EStG in der zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] geltenden Fassung.

Hiernach muss die vom [X.] beabsichtigte Verwendung des Kapitals nach § 92a Abs. 1 EStG spätestens zehn Monate vor Beginn der Auszahlungsphase des [X.] bei der [X.] beantragt werden.

Diese Frist hat der Kläger, der seinen Antrag erst am 22. November 2013 und damit weniger als vier Monate vor Beginn der Auszahlungsphase gestellt hat, zwar nicht eingehalten. Allerdings kann diese erst durch das [X.] ([X.]) vom 24. Juni 2013 ([X.], 1667) eingeführte Frist im Streitfall keine Geltung beanspruchen. Denn unabhängig davon, dass das [X.] bereits am 1. Juli 2013 in [X.] trat (Art. 5 [X.]), bestimmt § 52 Abs. 23h EStG i.d.F. jenes Gesetzes, dass u.a. die hiermit einhergehende Neufassung des § 92b EStG erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 2014 anzuwenden ist.

Demzufolge konnte bis zum 31. Dezember 2013 der Antrag auf Entnahme eines [X.] jederzeit bis zum Beginn der Auszahlungsphase bei der [X.] gestellt werden.

b) Der [X.] braucht nicht entscheiden, ob einer wohnungswirtschaftlichen Verwendung des [X.] der Umstand entgegenstehen könnte, dass im Streitfall zwischenzeitlich die vertraglich vereinbarte Auszahlungsphase begonnen hat (1. März 2014), jener Zeitpunkt aber für sämtliche Begünstigungstatbestände des § 92a Abs. 1 EStG der letztmögliche für die Entnahme eines [X.] ist. Denn jedenfalls ist für die beabsichtigte Rückführung des "[X.] kein wohnungswirtschaftlicher Begünstigungstatbestand des § 92a Abs. 1 EStG einschlägig.

Für einen --wie vorliegend-- im Wege der Verpflichtungsklage gemäß § 101 Satz 1 [X.]O zu verfolgenden Anspruch kommt es grundsätzlich auf die im Zeitpunkt der Entscheidung der Tatsacheninstanz bestehende Sach- und Rechtslage an. Eine Verpflichtung zum Erlass des begehrten Verwaltungsaktes kann nur ausgesprochen werden, wenn zum Zeitpunkt, in dem die gerichtliche Entscheidung in der Tatsacheninstanz ergeht, ein Anspruch auf die erstrebte Verpflichtung der Behörde besteht (BFH-Urteil vom 14. März 2012 [X.] R 33/09, [X.], 283, [X.], 477, Rz 26 f., m.w.[X.]; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 101 Rz 2; vgl. im Besonderen zu § 92a EStG auch die [X.]surteile vom 27. Januar 2016 [X.], [X.]NV 2016, 1018, Rz 15, sowie vom 6. April 2016 [X.], [X.]NV 2016, 1541, Rz 13, jeweils m.w.[X.]).

c) Der vom Kläger begehrte Erlass eines begünstigenden [X.]s nach § 92b Abs. 1 Satz 3 EStG ist ausgeschlossen, sollte der Entscheidung --wie vom [X.] vertreten-- die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 7. Dezember 2017 grundsätzlich geltende materielle Rechtslage in Gestalt von § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i.d.F. des [X.] zugrunde zu legen sein (hierzu unter aa). Gleiches gilt, sollte insoweit mit Blick auf die zeitliche Anwendungsregelung des § 52 Abs. 23h EStG i.d.F. des [X.] noch die bis zum 31. Dezember 2013 geltende Rechtslage, d.h. § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG a.F. maßgeblich sein (unter bb).

aa) Nach § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG kann der [X.] das in einem Altersvorsorgevertrag gebildete und nach § 10a EStG oder nach dem [X.]. Abschnitt des EStG geförderte Kapital in vollem Umfang oder unter bestimmten Voraussetzungen teilweise bis zum Beginn der Auszahlungsphase entweder unmittelbar für die Anschaffung oder Herstellung einer nach Satz 5 der Vorschrift begünstigten Wohnung (Alternative 1) oder zur Tilgung eines zu diesem Zweck aufgenommenen Darlehens, wenn das dafür entnommene Kapital mindestens 3.000 € beträgt (Alternative 2 --Entschuldungsalternative--), verwenden.

Im Streitfall, in dem nur die Entschuldungsalternative in Betracht kommt, fehlt es an einer wohnungswirtschaftlichen Verwendung. Die vom Kläger beabsichtigte Entnahme des [X.] sollte nicht zur Tilgung eines zum Zweck der An-schaffung oder Herstellung einer Wohnung aufgenommenen Darlehens verwendet werden. Vielmehr steht das Darlehen im Zusammenhang mit der Erweiterung einer bereits bestehenden Wohnung. Diese Maßnahme führte zwar zu nachträglichen Herstellungskosten, stellt selbst aber --abweichend von der Auffassung des [X.]-- keine "Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung" i.S. von § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG dar.

(1) Soweit das Gesetz in § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG an die "Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung" anknüpft, gelten allgemeine einkommensteuerrechtliche Grundsätze (vgl. [X.]surteil in [X.]NV 2016, 1541, Rz 16, m.w.[X.]).

Demnach bedeutet "Herstellen" einer Wohnung die Schaffung einer neuen, bisher nicht vorhandenen Wohnung (BFH-Urteile vom 7. November 2006 IX R 19/05, [X.], 467, [X.], 693, unter II.1.a, sowie vom 20. November 2003 III R 14/03, [X.]NV 2004, 616, unter II.1.a, jeweils m.w.[X.]; [X.]/ [X.], § 2 EigZulG Rz 31). Baumaßnahmen an einer bereits bestehenden Wohnung können nur dann als "Herstellen" einer Wohnung beurteilt werden, wenn diese Wohnung bautechnisch neu ist (BFH-Urteil vom 1. März 2005 IX R 60/04, [X.]NV 2005, 1505, unter II.2.). Dazu muss das Gebäude in seiner wesentlichen Bausubstanz verändert werden, so dass die neu eingefügten Gebäudeteile dem [X.] das Gepräge eines neuen Gebäudes geben und die verwendete Altbausubstanz wertmäßig untergeordnet erscheint (BFH-Urteil vom 10. Mai 2007 IX R 31/06, [X.]NV 2007, 1835, unter II.1.).

Dagegen liegt kein "Herstellen einer Wohnung", sondern lediglich deren Erweiterung vor, wenn nach Fertigstellung bisher nicht vorhandene Bestandteile in das Gebäude eingefügt werden bzw. die nutzbare Fläche vergrößert wird und dies eine Erweiterung der Nutzungsmöglichkeit des Gebäudes zur Folge hat (BFH-Urteile vom 15. Mai 2013 IX R 36/12, [X.], 381, [X.], 732, Rz 13; vom 27. September 2001 [X.], [X.]NV 2002, 627, unter [X.], sowie vom 17. Juni 1997 IX R 30/95, [X.], 470, [X.] 1997, 802, unter 3.b). Dementsprechend ist der Anbau eines [X.] --sofern hierdurch überhaupt neuer Wohnraum geschaffen wird-- nicht als Herstellung einer neuen Wohnung, sondern als Erweiterung der bereits bestehenden Wohnung zu qualifizieren (BFH-Urteil vom 30. September 2003 III R 52/00, [X.], 550, [X.] 2004, 262, unter II.2.a).

Diese zur Auslegung sowohl von § 10e EStG als auch nachfolgend von § 2 EigZulG entwickelten Rechtsgrundsätze gelten gleichermaßen im Rahmen von § 92a EStG (vgl. [X.]/[X.], in: [X.][X.], EStG, § 92a Rz B 44; [X.]/ [X.], § 92a EStG Rz 4).

(2) Soweit das [X.] die Erweiterung einer Wohnung deren nachträglicher Herstellung gleichsetzt, kann der [X.] dieser Wertung nicht folgen; sie findet keine Stütze im Gesetz. Die auch für die einkommensteuerrechtliche Beurteilung geltende Vorschrift des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB differenziert klar zwischen

-

der (erstmaligen) Herstellung eines Vermögensgegenstands,

-

dessen Erweiterung,

-

sowie dessen über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung.

Die Aufwendungen, die für jede dieser gleichrangig nebeneinander stehenden Varianten entstehen, sind zwar jeweils den Herstellungskosten (Variante 1) bzw. nachträglichen Herstellungskosten (Varianten 2 und 3) zuzuordnen. Die vom [X.] offensichtlich gezogene Schlussfolgerung, in jeder Variante des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB sei auch vom Herstellen eines Vermögensgegenstands auszugehen, ist in Anbetracht der aufgezeigten Differenzierungen in der Vorschrift allerdings unzutreffend. Aus diesem Grund kann für Zwecke des § 92a Abs. 1 EStG das geförderte [X.] bei Herstellungskosten gemäß § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB nur dann wohnungswirtschaftlich begünstigt verwendet werden, wenn diese Kosten unmittelbar dem Herstellungsprozess zuzurechnen sind, nicht dagegen im Fall einer Erweiterung oder wesentlichen Zustandsverbesserung.

(3) Der [X.] setzt sich hiermit nicht in Widerspruch zu seiner Entscheidung in [X.]NV 2016, 1541. Dort hat er entschieden, dass [X.] auch begünstigt nach § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG für nachträgliche Anschaffungskosten einer Wohnung verwendet werden könne. Der [X.] hielt dies deshalb für sachgerecht, da --wiederum nach allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen beurteilt-- nicht entscheidend sei, ob die Kosten bereits im Zeitpunkt des Erwerbs oder erst im [X.] hieran als Folgekosten des Erwerbsvorgangs entstehen (Urteil in [X.]NV 2016, 1541, Rz 17, m.w.[X.]). Nachträgliche Anschaffungskosten i.S. von § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB beziehen sich stets auf die ursprüngliche Anschaffung. Nachträglichen Herstellungskosten gemäß § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB fehlt dagegen ein unmittelbarer Bezugspunkt zur ursprünglichen Anschaffung oder Herstellung, soweit sie für eine Erweiterung oder wesentliche Zustandsverbesserung verausgabt werden.

(4) Es bestehen zudem keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber beabsichtigte, über den Wortlaut und -sinn der "Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung" hinaus die Verwendung des [X.] für nachträgliche Herstellungskosten an einer Wohnung zuzulassen. Hierbei kann dahinstehen, ob eine Entnahme von [X.] für die Erweiterung einer bereits angeschafften oder hergestellten Wohnung überhaupt vom Gesetzeszweck des § 92a EStG --der Förderung mietfreien Wohnens im Alter (BTDrucks 16/8869, 16; vgl. zudem Mühlenharz in [X.]/[X.]/[X.], [X.], Kommentar, § 92a Rz 2 f.; [X.] in [X.]/[X.]/ [X.], § 92a EStG Rz 3)-- umfasst wäre. Der Begründung im Entwurf des [X.] vom 29. Juli 2008 ([X.], 1509) ist eine solche Einbeziehung jedenfalls nicht zu entnehmen. Wenn dort der Zeitpunkt der Anschaffung (Übergang von Nutzen und Lasten auf den Erwerber) bzw. Herstellung einer Wohnung (Bezugsfertigkeit) definiert wird (vgl. BTDrucks 16/8869, 28), spricht letztlich nichts für eine Absicht des Gesetzgebers, auch die Kapitalentnahme für Kosten einer der Herstellung nachgelagerten Erweiterung oder wesentlichen Zustandsverbesserung als förderunschädlich zu qualifizieren.

Soweit das [X.] seine gegenteilige Ansicht unter Bezugnahme auf die Kommentierung von [X.], EStG, 38. Aufl., § 92a Rz 1 auf das mit dem [X.] einhergehende Motiv des Gesetzgebers, ab dem Veranlagungszeitraum 2014 die förderunschädliche Verwendung des [X.] zu erweitern, stützt, trifft dies jedenfalls nicht für den insoweit unveränderten Tatbestand der "Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung" i.S. von § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu.

Hinzu kommt, dass dem Gesetzgeber --wie die [X.] zu Recht hervorhebt-- eine Differenzierung zwischen Anschaffung/Herstellung einer Wohnung sowie deren Erweiterung nicht fremd ist. Auch in den seinerzeit geltenden wohnungswirtschaftlichen Fördervorschriften des § 10e EStG und § 2 Abs. 2 EigZulG a.F. unterschied der Gesetzgeber jeweils zwischen der Anschaffung/ Herstellung einer Wohnung (§ 10e Abs. 1 Sätze 2 und 4 EStG bzw. § 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG a.F.) sowie begünstigten Ausbauten und Erweiterungen (§ 10e Abs. 2 EStG bzw. § 2 Abs. 2 EigZulG a.F. [aufgehoben durch das [X.] 2004 vom 29. Dezember 2003, [X.], 3076]). Eine derartige Differenzierung wäre insbesondere hinsichtlich der Erweiterung einer Wohnung entbehrlich gewesen, würde es sich hierbei um eine spezielle, lediglich nachträgliche Art des Herstellens handeln.

bb) Dieselbe Rechtsfolge ergäbe sich, sofern der vom Kläger behauptete Anspruch einer förderunschädlichen Entnahme des [X.] für die Rückführung des "[X.] auf § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung (EStG a.F.) zu stützen wäre. Auch insoweit läge keine förderunschädliche Verwendung vor.

(1) Nach § 92a Abs. 1 EStG a.F. kann der [X.] das in einem Altersvorsorgevertrag gebildete und nach § 10a EStG oder dem [X.]. Abschnitt des EStG geförderte Kapital bis zu 75 % oder zu 100 % als [X.] u.a. verwenden bis zum Beginn der Auszahlungsphase unmittelbar für die Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung (Nr. 1 der Vorschrift) oder zu Beginn der Auszahlungsphase zur Entschuldung einer Wohnung (Nr. 2 der Vorschrift).

(2) Zwar kann die --im Streitfall überhaupt nur in Betracht kommende-- Vorschrift des § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG a.F. vom Wortlaut durchaus so verstanden werden, dass nicht nur die unmittelbar für die Anschaffung/Herstellung einer Wohnung aufgenommenen Darlehen, sondern ebenso sämtliche durch das Wohnen in einer eigenen Immobilie veranlassten Fremdfinanzierungen durch den Einsatz von [X.] förderunschädlich getilgt werden könnten. Bei einer derart weiten Wortlautauslegung wäre auch die Tilgung von Darlehen für jegliche nachträgliche Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten und sogar für bloße Erhaltungs- und Modernisierungsaufwendungen begünstigt.

(3) Allerdings ist die Vorschrift sowohl systematisch als auch von der Intention des Gesetzgebers im Lichte des Tatbestands des § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG a.F. zu sehen und auszulegen. [X.] kann hiernach das [X.] "unmittelbar" verwendet werden für die Anschaffung/Herstellung einer Wohnung, d.h. der [X.] muss in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Anfall von Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten für eine Wohnung eingesetzt werden (vgl. [X.] 239/08, 42). Werden die Erwerbskosten dagegen zunächst fremdfinanziert und soll sodann der [X.] zur Ablösung jener Darlehen dienen, liegt jedenfalls keine förderunschädliche Verwendungsmöglichkeit nach § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG a.F. vor. Aus diesem Grund schuf der Gesetzgeber die Möglichkeit, zu Beginn der Auszahlungsphase die hierfür aufgenommenen Darlehen nach § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG a.F. begünstigt zu tilgen.

Eine über diesen Zweck hinausgehende Entschuldungsmöglichkeit kann der Gesetzesbegründung nicht entnommen werden. Eine solche stünde zudem im Widerspruch zu der inzwischen geltenden Fassung des § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, wonach das [X.] --wie oben unter [X.] aa dargelegt-- bis zum Beginn der Auszahlungsphase unmittelbar für die Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung oder "zur Tilgung eines zu diesem Zwecke aufgenommenen Darlehens" verwendet werden kann. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber hiermit die Reichweite der begünstigten [X.] gegenüber der vorherigen Rechtslage einschränken wollte, sind nicht ersichtlich (vgl. hierzu BTDrucks 17/10818, 18 f.).

d) Auf den von der [X.] geltend gemachten Verfahrensfehler, das [X.] habe nicht aufgeklärt, ob das "[X.] im zeitlichen Zusammenhang mit dem Anfall der nachträglichen Herstellungskosten aufgenommen worden sei, kommt es demnach nicht mehr an.

2. Ebenso wenig hat der Kläger Anspruch auf Erlass eines begünstigenden [X.]s nach § 92b Abs. 1 Satz 3 EStG für die von ihm im Klage- und Revisionsverfahren zumindest hilfsweise vorgebrachte Absicht der Verwendung des [X.] für die Tilgung weiterer (Wohnungs-)Darlehen. Der Kläger hat insoweit die [X.] des § 92b Abs. 1 Satz 1 EStG nicht rechtzeitig erfüllt.

a) Hiernach hat der [X.] die Verwendung des geförderten [X.] nach § 92a Abs. 1 EStG bei der [X.] zum einen zu beantragen und zum anderen die "notwendigen Nachweise" zu erbringen.

Im Hinblick darauf, dass eine förderunschädliche Verwendung des Kapitals nach § 92a Abs. 1 EStG nur bis (bei) Beginn der Auszahlungsphase des [X.] möglich ist, erforderte dies bei Antragstellungen bis zum 31. Dezember 2013 vom [X.], seinen Verwendungsantrag spätestens am Tag des Beginns der Auszahlungsphase zu stellen (vgl. hierzu auch BTDrucks 17/10818, 20). Wenn die [X.] in ihrem [X.] mitzuteilen hat, welche Beträge förderunschädlich ausgezahlt werden können (§ 92b Abs. 1 Satz 3 EStG a.F.) bzw. bis zu welcher Höhe eine wohnungswirtschaftliche Verwendung i.S. von § 92a Abs. 1 EStG vorliegen kann (§ 92b Abs. 1 Satz 3 EStG), setzt dies zwingend voraus, dass der [X.] ebenfalls spätestens bis zum vorgenannten Zeitpunkt Nachweise zum Darlehensgegenstand sowie zur Valuta der zu [X.] Darlehen erbringt, die eine inhaltliche Entscheidung über seinen Antrag ohne Weiteres zulassen.

b) Diesen Anforderungen ist der Kläger hinsichtlich seiner [X.] bei der [X.] nicht gerecht geworden.

Auf die Aufforderung der [X.] vom 29. November 2013, u.a. Bescheinigungen des Darlehensgebers über die Höhe der Restschuld sowie über die Höhe einer Entschuldungsmöglichkeit zum Zeitpunkt des Beginns der Auszahlungsphase vorzulegen, entgegnete der Kläger mit Schreiben vom 2. Januar 2014, er verzichte auf die Vorlage entsprechender Bescheinigungen der [X.], und begründete dies mit seiner Absicht, das [X.] ausschließlich für die (teilweise) Tilgung des "[X.] zu verwenden. Auch im Einspruchsverfahren gegen den Ablehnungsbescheid vom 15. Januar 2014 brachte der Kläger keine weiteren Bescheinigungen vor, obwohl dies im Hinblick auf die erst am 1. März 2014 beginnende Auszahlungsphase zeitlich noch möglich gewesen wäre.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

X R 4/18

20.03.2019

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 7. Dezember 2017, Az: 10 K 10145/14, Urteil

§ 92a Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009, § 92b Abs 1 S 1 EStG 2009, § 92b Abs 1 S 3 EStG 2009, § 92a Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2009, § 52 Abs 23h EStG 2009, § 255 Abs 1 HGB, § 255 Abs 2 HGB, § 101 S 1 FGO, EStG VZ 2014

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.03.2019, Az. X R 4/18 (REWIS RS 2019, 9149)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 9149

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