Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.02.2020, Az. X R 28/18

10. Senat | REWIS RS 2020, 3255

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Gegenstand

Verwendung von Altersvorsorgevermögen zur Entschuldung einer selbstgenutzten Wohnimmobilie


Leitsatz

1. Die Einzahlung von gefördertem Altersvorsorgevermögen auf einen nicht zertifizierten Bausparvertrag stellt auch dann eine förderschädliche wohnungswirtschaftliche Verwendung gemäß § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alternative 2 EStG dar, wenn infolge der hierdurch ermöglichten früheren Zuteilung der Bausparsumme erreicht werden soll, ein Darlehen zur Immobilienfinanzierung zinsersparend früher abzulösen .

2. Die Deutsche Rentenversicherung Bund (Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen) ist befugt, die Unwirksamkeit eines Bescheids über die Entnahme des Altersvorsorge-Eigenheimbetrags (§ 92b EStG) durch eigenständigen Verwaltungsakt festzustellen, sofern der Bescheid unter einer --bestandskräftig gewordenen-- auflösenden Bedingung erlassen worden war und die Bedingung eingetreten ist .

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 19.07.2018 - 10 K 10247/16 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war Inhaber eines zertifizierten Altersvorsorgevertrags bei der [X.]. Er ist Eigentümer eines im Inland belegenen, zu eigenen Wohnzwecken genutzten Einfamilienhauses.

2

[X.] schloss der Kläger mit der [X.] und der [X.] ([X.]) mehrere Verträge. Zum einen nahm er ein Annuitätendarlehen (Darlehen I), zum anderen einen zunächst tilgungsfreien Vorfinanzierungskredit für ein Bauspardarlehen (Darlehen II) auf. In Höhe des Darlehens II schloss er deshalb zeitgleich einen --unstreitig-- nicht zertifizierten Bausparvertrag ab, der nach Zuteilung (Bausparguthaben und -darlehen) zur Tilgung jenes Darlehens einzusetzen war. Zur Sicherung des [X.] verpfändete er vereinbarungsgemäß sämtliche Ansprüche aus dem Bausparvertrag an die [X.]. Zum Verwendungszweck der Darlehen hat das Finanzgericht ([X.]) keine Feststellungen getroffen.

3

Am 05.09.2013 beantragte der Kläger bei der Beklagten und Revisionsklägerin ([X.], [X.] --[X.]--) die Entnahme seines bei der [X.] aufgebauten [X.] zwecks Entschuldung seiner Wohnimmobilie (sog. Altersvorsorge-Eigenheimbetrag, § 92a des Einkommensteuergesetzes --EStG--). In der dem Antrag beigefügten Bestätigung der [X.] heißt es, der Vertrag könne "frühestens zum 01.01.2014 zu Rente abgerufen werden", der späteste Vertragsbeginn der "Rentenphase" sei der 01.01.2018.

4

Nachdem der Kläger weitere Nachweise vorgelegt und mitgeteilt hatte, er wolle das [X.] für die Ablösung des Darlehens I verwenden, erließ die [X.] am 05.12.2013 einen Bescheid über die Entnahme eines [X.] gemäß § 92b EStG. Sie gestattete, zu dem von ihr auf den 01.01.2014 angenommenen Beginn der Auszahlungsphase des Altersvorsorgevertrags das geförderte Kapital zu entnehmen. Der Bescheid erging unter der auflösenden Bedingung des späteren Nachweises einer wohnungswirtschaftlichen Verwendung des Kapitals.

5

Im Dezember 2014 teilte der Kläger auf Anforderung der [X.] mit, er habe sein Altersvorsorgevermögen nur zum Teil zur Rückführung des Darlehens I genutzt, da er andernfalls eine hohe Vorfälligkeitsentschädigung hätte entrichten müssen. Deshalb habe er das restliche Kapital seinem Bausparguthaben zugeführt und so erreicht, dass die Bausparsumme bereits im August 2017 zugeteilt werden könne. Aufgrund der hiermit verbundenen früher beginnenden Tilgung des Darlehens II erspare er sich erheblichen Zinsaufwand.

6

Im März 2015 teilte die [X.] mit, vertraglicher Beginn der Auszahlungsphase sei der 01.01.2018.

7

Mit Bescheid vom 13.04.2015 stellte die [X.] rückwirkend die Unwirksamkeit ihres Bescheids über die Entnahme des [X.] fest. Zum einen sei die Verwendung des [X.]s zur Entschuldung nur zu Beginn der Auszahlungsphase, die abweichend von der ursprünglichen Annahme erst am 01.01.2018 beginnen werde, möglich. Zum anderen sei das geförderte Kapital nicht --wie bewilligt-- vollständig zur Rückführung des Darlehens I, sondern auch zur Auffüllung eines Bausparvertrags eingesetzt worden. Es liege insgesamt eine schädliche Verwendung vor. Über die Rückforderung werde ein gesonderter Bescheid ergehen.

8

Während des [X.] erließ die [X.] am 29.07.2016 einen Teilabhilfebescheid, in dem sie die Unwirksamkeit des Bescheids vom 05.12.2013 nur noch in betragsmäßig vermindertem Umfang feststellte. Soweit der Kläger das [X.] zur Ablösung des Darlehens I eingesetzt habe, sei von einer wohnungswirtschaftlichen Verwendung gemäß § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG i.d.[X.] ([X.]) vom [X.], 1667-- (EStG n.F.) auszugehen. Im Übrigen wies die [X.] den Einspruch zurück. Die Zuführung von Guthaben auf das [X.] sei keine wohnungswirtschaftliche Verwendung; der Kläger habe insoweit kein Darlehen getilgt. Der Bausparvertrag habe sich noch in der Ansparphase befunden. Der Kläger habe lediglich eine frühere Zuteilung der Bausparsumme erreichen wollen.

9

Das [X.] hob die angefochtenen Feststellungsbescheide vom 13.04.2015 und 29.07.2016 mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2018, 1710 veröffentlichtem Urteil auf. Es ging davon aus, der Kläger habe nach § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in der bis zum 31.12.2013 geltenden Fassung (EStG a.F.) das gesamte geförderte Altersvorsorgevermögen zu Beginn der Auszahlungsphase zur Entschuldung einer Wohnung verwendet. Das Darlehen II und der Bausparvertrag seien als einheitliches Vertragsgebilde zu werten. Die Einzahlungen des [X.] auf den Bausparvertrag seien einer Darlehenstilgung gleichzusetzen. Hierdurch habe sich die Darlehensschuld verringert. Das Darlehen II habe der Vorfinanzierung der Bausparsumme gedient. Gesonderte Tilgungen zugunsten des Darlehens II seien vertraglich nicht vorgesehen gewesen.

Mit ihrer Revision bringt die [X.] vor, das [X.] sei zu Unrecht von einer wohnungswirtschaftlichen Verwendung des gesamten [X.] nach § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG a.F. ausgegangen. Der Aufbau von Guthaben auf einem [X.] stelle weder vom Wortlaut noch vom Zweck und der Systematik des Gesetzes eine "Entschuldung" dar. Bei der Einzahlung auf einen Bausparvertrag, der nicht [X.] von § 1 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 des [X.] ([X.]) zertifiziert sei, handele es sich um einen bloßen Sparbeitrag.

Das [X.] habe ferner gegen das Sachaufklärungsgebot verstoßen (§ 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Es habe nicht aufgeklärt, ob das Darlehen II überhaupt der Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten einer begünstigten Wohnung gedient habe. Der vom Kläger vorgelegte Vertrag hätte Anlass dazu geben müssen, den Verwendungszweck jenes Darlehens aufzuklären.

Die [X.] beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

II.

[X.]ie Revision ist begründet. [X.]as angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.]O).

[X.]ie Feststellung der Unwirksamkeit des Bescheids über die Entnahme des [X.] gemäß § 92b EStG vom 05.12.2013 ist im Umfang des geänderten Bescheids vom 29.07.2016 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Für den Erlass eines solchen Feststellungsbescheids besteht eine Rechtsgrundlage (unter 1.). [X.]er Bescheid vom 05.12.2013 ist in vorgenanntem Umfang wegen Eintritts der als Nebenbestimmung aufgenommenen auflösenden Bedingung unwirksam (unter 2.).

1. [X.]ie [X.] war befugt, die Unwirksamkeit des Bescheids über die Entnahme des [X.] durch Verwaltungsakt festzustellen.

a) Feststellende Verwaltungsakte bedürfen im Hinblick auf den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes --GG--) jedenfalls dann einer gesetzlichen Ermächtigung (sog. Verwaltungsaktbefugnis), wenn der Inhalt des Verwaltungsakts etwas als Rechtens feststellt, was erklärtermaßen im Widerspruch zur Auffassung des hiervon Betroffenen steht (vgl. etwa Beschluss des [X.] --BVerwG-- vom 10.10.1990 - 1 B 131/90, Neue [X.]schrift für Verwaltungsrecht 1991, 267) oder aber belastende Wirkung hat (BVerwG-Urteil vom [X.] - 8 [X.] 105/83, [X.], 265). Allerdings bedarf es insoweit nicht zwingend einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage; es genügt, wenn sich die Verwaltungsaktbefugnis dem Gesetz durch Auslegung entnehmen lässt (BVerwG-Urteil vom [X.] - 7 [X.] 9/02, [X.], 133, unter 1., m.w.N.).

b) Nach diesen Grundsätzen, denen der [X.] folgt, bestand für die [X.] eine gesetzliche Grundlage zum Erlass der vom Kläger angefochtenen Feststellungsbescheide.

aa) Zwar findet sich hierfür keine ausdrückliche Ermächtigung im Gesetz. Auch vermag der [X.] keine Notwendigkeit zu erkennen, die Unwirksamkeit eines Gestattungsbescheids gemäß § 92b EStG durch einen eigenständigen Verwaltungsakt festzustellen, da diesem für etwaig nachfolgende Verfahren (insbesondere einen Rückforderungsbescheid wegen schädlicher Verwendung geförderten [X.]s, § 93 Abs. 1 i.V.m. § 94 Abs. 2 EStG) keine inhaltliche Bindungswirkung zukommt. Vielmehr erschöpft sich der Regelungsgehalt eines Bescheids nach § 92b EStG darin, dem [X.] zu gestatten und dem Anbieter mitzuteilen, dass [X.] für einen bestimmten Zweck förderunschädlich ausgezahlt und genutzt werden kann ([X.]sbeschluss vom 23.05.2016 - X R 54/13, [X.], 1457, Rz 21 f.). [X.]emzufolge berührt eine nachfolgende schädliche Verwendung des Kapitals grundsätzlich weder die Wirksamkeit noch die Rechtmäßigkeit des Bescheids nach § 92b EStG.

bb) Allerdings besteht hier die Besonderheit, dass der Gestattungsbescheid vom 05.12.2013 mit einer Nebenbestimmung in Gestalt einer auflösenden Bedingung versehen war, wonach die Wirksamkeit jenes Bescheids rückwirkend entfalle, sollte der Kläger zu späterer [X.] eine wohnungswirtschaftliche Verwendung des ausgezahlten Vermögens nicht nachweisen können (§ 96 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 120 Abs. 1 Alternative 2, Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung --AO--). Aus dieser, vom Kläger nicht angefochtenen --nach Ansicht des [X.]s im Hinblick auf § 94 Abs. 2 EStG allerdings nicht erforderlichen-- Bedingung lässt sich die Befugnis der [X.] ableiten, bei Eintritt der Bedingung die Unwirksamkeit des Bescheids nach § 92b EStG durch eigenständigen förmlichen Verwaltungsakt festzustellen.

Hierbei verkennt der [X.] nicht, dass der Zulageberechtigte durch ein solches Verfahren --wie der Streitfall anschaulich zeigt-- zur Anfechtung des Feststellungsbescheids veranlasst werden kann, ohne dass hierdurch verbindliche Regelungen für etwaig nachfolgende Verfahren getroffen werden. [X.]ennoch überwiegt das Bedürfnis der Behörde, dem durch [X.] (rückwirkend) unwirksam gewordenen Gestattungsbescheid im Wege einer Feststellung den Rechtsschein der Wirksamkeit zu nehmen. Hierfür spricht vorliegend auch der Umstand, dass die Regelungen zum "[X.]" (§§ 92a, 92b EStG) durch das [X.] ab dem [X.] in nicht nur unerheblichem Maße geändert wurden. Ein Feststellungsbescheid, der die Beurteilung einer wohnungswirtschaftlichen Verwendung im zeitlichen Grenzbereich zwischen alter und neuer Rechtslage zum Gegenstand hat, ist zumindest geeignet, Rechtsklarheit darüber zu verschaffen, welche Rechtslage anwendbar ist (vgl. hierzu unter II.2.a).

2. [X.]er vom Kläger angefochtene Feststellungsbescheid ist entgegen der Ansicht des [X.] rechtmäßig, da die in dem Gestattungsbescheid vom 05.12.2013 enthaltene auflösende Bedingung eingetreten ist. [X.]emzufolge entfällt die Wirksamkeit jenes Bescheids im Umfang der geänderten Feststellung vom 29.07.2016 rückwirkend. [X.]er Kläger hat nicht nachgewiesen, dass er sein gefördertes [X.] insoweit wohnungswirtschaftlich i.S. von § 92a Abs. 1 EStG n.F. verwendet hat, als er es auf das bei der [X.] geführte [X.] eingezahlt hat.

a) Ob eine wohnungswirtschaftliche Verwendung vorlag, ist --abweichend von der Auffassung des [X.] und der [X.] nach Maßgabe der durch das [X.] vom 24.06.2013 ([X.], 1667) eingeführten Rechtslage zu bestimmen. Nach § 52 Abs. 23h EStG i.d.F. des [X.] ist § 92a EStG n.F. erstmals im Veranlagungszeitraum 2014 anzuwenden.

aa) Zwar hat der Kläger den Antrag auf Entnahme eines [X.] noch vor dem 01.01.2014 gestellt; ebenso hat die [X.] den Antrag vor jenem [X.]punkt positiv beschieden. [X.]ies hat allerdings nicht zur Folge, die Anforderungen für das Vorliegen einer wohnungswirtschaftlichen Verwendung zwingend an der bis zum 31.12.2013 geltenden Fassung von § 92a EStG zu messen. Entscheidend ist vielmehr der [X.]punkt der Verwendung. [X.]enn die Vorschrift macht --sowohl nach damaliger als auch nach aktueller [X.] eine förderunschädliche Entnahme eines [X.] von einer im Gesetz abschließend bestimmten wohnungswirtschaftlichen "Verwendung" des [X.]s abhängig. Bereits der Wortlaut belegt, dass es sich hierbei um den tatsächlichen Einsatz des durch den Anbieter ausgezahlten Kapitals handeln muss und nicht um eine dementsprechende Absicht des [X.]. Folglich ist unter Berücksichtigung von § 52 Abs. 23h EStG i.d.F. des [X.] diejenige Rechtslage relevant, die zum Verwendungszeitpunkt galt.

Im Streitfall hatte der Kläger das ausgezahlte [X.] im Februar 2014 und demnach zum [X.]punkt der Geltung der durch das [X.] eingeführten Rechtslage seinem bei der [X.] geführten Bausparvertrag zugeführt.

bb) [X.]asselbe Ergebnis lässt sich aus prozessualen Erwägungen ableiten. Für einen --wie vorliegend-- im Wege der Anfechtungsklage zu verfolgenden Anspruch ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im [X.]punkt der finanzgerichtlichen Entscheidung maßgeblich. [X.]enn das [X.] hebt nach § 100 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 [X.]O den angefochtenen Verwaltungsakt auf, wenn er rechtswidrig ist. [X.]er Erfolg im [X.] hängt somit davon ab, dass der Anspruch auf Aufhebung des Verwaltungsakts im [X.]punkt der Entscheidung des Gerichts --vorliegend im Jahr 2018-- nach dem jeweils einschlägigen materiellen und formellen Recht besteht (Urteil des [X.] --BFH-- vom 16.04.2013 - VII R 44/12, [X.], 291, [X.], 778, Rz 9); maßgebend ist daher eine gegenwärtige Rechtswidrigkeit ([X.] vom 05.08.2015 - II B 113/14, [X.], 1554, Rz 7; Lange in [X.]/[X.]/[X.], § 100 [X.]O Rz 39).

Abweichendes würde im Hinblick auf den noch im Jahr 2013 positiv beschiedenen Antrag auf Entnahme des [X.] aus Gründen des Vertrauensschutzes nur dann gelten, wenn sich die Rechtslage nachträglich zu Lasten des [X.] geändert hätte. [X.]ies ist im Streitfall ausgeschlossen. Vielmehr hat der Gesetzgeber zu Gunsten der [X.] durch das [X.] die begünstigte Entschuldung der selbstgenutzten Wohnimmobilie auf die [X.] der Ansparphase ausgedehnt (BT[X.]rucks 17/10818, 18), während nach vorheriger Rechtslage eine solche nur zu Beginn der Auszahlungsphase --im Streitfall somit erst zum 01.01.2018-- möglich war (§ 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG a.F.).

b) [X.]ie Voraussetzungen des § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG n.F. liegen nicht vor.

Nach dieser Vorschrift kann der Zulageberechtigte das in einem Altersvorsorgevertrag gebildete und nach § 10a EStG oder nach dem [X.]. Abschnitt des EStG geförderte Kapital in vollem Umfang oder unter bestimmten Voraussetzungen teilweise bis zum Beginn der Auszahlungsphase entweder unmittelbar für die Anschaffung oder Herstellung einer nach Satz 5 der Vorschrift begünstigten Wohnung oder --nur dies kommt im Streitfall ernsthaft in [X.] zur Tilgung eines zu diesem Zweck aufgenommenen [X.]arlehens verwenden.

Mit der alternativ zur Kapitalentnahme bei Anschaffung/Herstellung des Wohneigentums begünstigten Entschuldung wollte der Gesetzgeber gewährleisten, dass auch die Ablösung von [X.]arlehen, deren Mittel der Finanzierung des Erwerbs dienten, vom Zweck des [X.] --dem "mietfreien Wohnen" im [X.] erfasst wird (BT[X.]rucks 16/8869, 16 f.; vgl. auch Mühlenharz in [X.]/[X.]/[X.], [X.], Kommentar, § 92a Rz 32). [X.]urch diese Form der wohnungswirtschaftlichen Verwendung soll dem [X.] ermöglicht werden, die Zins- und Tilgungskosten aus der selbstgenutzten Wohnimmobilie zu senken ([X.]/[X.], in: [X.][X.], EStG, § 92a Rz B 49). Eine begünstigte Entschuldung liegt auch dann vor, wenn das zu tilgende [X.]arlehen der Umschuldung ursprünglicher Anschaffungs- bzw. Herstellungsdarlehen dient (Schreiben des [X.] vom 21.12.2017, [X.], 93, Rz 255).

Nach diesen Maßstäben ist der vom Kläger vorgenommene Aufbau von Bausparguthaben nicht als wohnungswirtschaftliche Verwendung i.S. von § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alternative 2 EStG n.F. zu qualifizieren. [X.]er Kläger hat hierdurch kein zum Zweck der Anschaffung oder Herstellung von Wohneigentum bereits aufgenommenes [X.]arlehen getilgt.

aa) Eine wohnungswirtschaftliche Verwendung, wie sie der Kläger versteht, ist insoweit bereits vom Wortlaut der Vorschrift ausgeschlossen.

[X.]ie "Tilgung" eines [X.]arlehens setzt auch vom Wortsinn und Sprachgebrauch voraus, dass durch eine Leistung des Schuldners der Rückzahlungsanspruch des Gläubigers ganz oder zumindest teilweise erlischt; das [X.]arlehen muss "abgelöst" werden (vgl. zu diesem Begriff [X.]/[X.], a.a.[X.], Rz B 49; [X.] in [X.]/[X.], § 92a EStG Rz 19 a.E.; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 92a EStG Rz 8; [X.]/[X.], § 92a EStG Rz 13.1). Zudem ist eine finale Beziehung ("zur") zwischen der Verwendung des [X.] und der [X.]arlehenstilgung erforderlich. Vorbereitende --selbst in (späterer) Tilgungsabsicht vorgenommene-- Verwendungsmaßnahmen sind nicht begünstigt.

Im Streitfall hat der Kläger sein [X.] zwar in der Absicht der Tilgung des [X.]arlehens II seinem Bausparguthaben zugeführt. Allerdings verringerte diese [X.] als vom [X.] vertreten-- noch nicht den Rückzahlungsanspruch der [X.] aus dem [X.]arlehen II. [X.]ie nach § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alternative 2 EStG n.F. erforderliche Tilgungswirkung konnte erst zum [X.]punkt der Zuteilung der Bausparsumme eintreten, da erst dann das [X.] vereinbarungsgemäß zurückgeführt werden sollte (vgl. [X.] 4.1 der Erläuterungen und ergänzenden Bestimmungen zur [X.] vom [X.]). Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger zur Sicherung des Rückzahlungsanspruchs aus dem [X.] u.a. das sich ratierlich aufbauende Sparguthaben aus dem Bausparvertrag an die [X.] verpfändet hat (vgl. [X.] 2.2 der [X.]). [X.]enn durch die Begründung eines Pfandrechts erlosch nicht etwa der [X.]arlehensrückzahlungsanspruch; vielmehr erhielt die [X.] nur das Recht, im Sicherungsfall Befriedigung aus den verpfändeten Rechten zu suchen (§ 1204 Abs. 1, § 1273 des Bürgerlichen Gesetzbuchs).

bb) Eine über den Wortlaut des § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alternative 2 EStG n.F. hinausgehende Auslegung des Merkmals einer [X.]arlehenstilgung widerspräche der gesetzlichen Systematik der Förderung privater Altersvorsorge und ist daher ausgeschlossen.

(1) [X.]ie durch das [X.] ([X.], 1509) eingeführte Erweiterung der steuerlichen Förderung privater Altersvorsorge auf selbst genutzte eigene Wohnimmobilien und Genossenschaftswohnungen ("[X.]") beruht auf zwei vom Ansatz her unterschiedlichen, hinsichtlich der Besteuerungsfolgen aber identischen Förderungen (vgl. hierzu BT[X.]rucks 16/8869, 16 f.). Zum einen kann das in einem zertifizierten Altersvorsorgevertrag angesparte [X.] bis zum Beginn der Auszahlungsphase für die in § 92a Abs. 1 Satz 1 EStG n.F. abschließend genannten Zwecke förderunschädlich verwendet werden. Eine Rückführung des [X.] in den Vorsorgevertrag ist nicht erforderlich. Vielmehr wird dieser Betrag als in die Wohnimmobilie investiertes Kapital nach Maßgabe von § 92a Abs. 2 EStG über das sog. [X.] nachträglich besteuert.

Zum anderen stellen Tilgungsleistungen, die auf einen als Altersvorsorgevertrag zertifizierten [X.]arlehensvertrag erbracht werden, bei wohnungswirtschaftlicher Verwendung jenes [X.]arlehens steuerlich zu fördernde Altersvorsorgebeiträge dar (§ 82 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 5 EStG). Als Tilgungsleistungen in diesem Sinne fingiert das Gesetz auch (Spar-)Beiträge, die einem zertifizierten Altersvorsorgevertrag gemäß § 1 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 [X.] zugeführt und zur Tilgung eines im Rahmen jenes Altersvorsorgevertrags abgeschlossenen [X.]arlehens abgetreten wurden (§ 82 Abs. 1 Satz 3 EStG; sog. Bausparkombi-Kredite, vgl. hierzu [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 82 EStG Rz 6). Um in diesen Fällen die nachgelagerte Besteuerung sicherzustellen, werden neben den Tilgungsleistungen die als solche Leistungen fingierten Sparbeiträge ins [X.] aufgenommen (§ 92a Abs. 2 Sätze 1 und 2 EStG n.F.). Auch insoweit wird [X.] wie beim entnommenen Altersvorsorge-Eigenheimbetrag-- das tatsächlich in die Immobilie investierte Kapital der nachgelagerten Besteuerung unterworfen.

Neben diesen Sparbeiträgen ist auch die Übertragung von [X.] in diese Art von Bausparverträgen möglich. Überträgt der Zulageberechtigte [X.] förderunschädlich gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b [X.] i.V.m. § 93 Abs. 2 Satz 1 EStG in einen Altersvorsorgevertrag i.S. von § 1 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 [X.], bestimmt § 82 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 EStG, dass die (bislang geleisteten) Beiträge als Tilgungsleistungen gemäß Satz 3 der Vorschrift gelten. Auch diese --infolge der Vermögensübertragung umqualifizierten-- Tilgungsleistungen werden Bestandteil des [X.]s (vgl. [X.], a.a.[X.], § 82 EStG Rz 6). [X.]er gesetzlichen Förderungssystematik zufolge besteht somit nur im Fall einer Übertragung von [X.] auf einen zertifizierten [X.] keine förderschädliche Verwendung dieses [X.]s.

(2) Liegen dagegen die Voraussetzungen für eine förderunschädliche Übertragung von [X.] auf einen Altersvorsorgevertrag i.S. von § 1 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 [X.] --wie im Streitfall mangels [X.] nicht vor, erlaubt es die vorgenannte, in sich konsistente Systematik nicht, im Wege wortlauterweiternder Auslegung der Tatbestandsmerkmale einer wohnungswirtschaftlichen Verwendung eine nachgelagerte Besteuerung des ausgezahlten Vermögens zu erreichen. Vielmehr stellt sich der Einsatz jenes Vermögens zum Zwecke der Auffüllung des Bausparguthabens --selbst wenn von Entschuldungsabsicht getragen-- als schädliche Verwendung dar. [X.]er vom Kläger hervorgehobene Umstand, die von ihm gewählte Gestaltung habe sich im Hinblick auf die Vermeidung von Vorfälligkeitsentschädigungen und zu erwartenden Zinsersparnissen als insgesamt wirtschaftlich sinnvoll erwiesen, ändert insoweit nichts.

cc) [X.]er [X.] braucht nicht mehr entscheiden, inwiefern der Nachweis einer wohnungswirtschaftlichen Verwendung vorliegend auch aus anderen Gründen nicht erbracht worden ist.

3. [X.]ie Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

X R 28/18

12.02.2020

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 19. Juli 2018, Az: 10 K 10247/16, Urteil

§ 92a Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009, § 92b Abs 1 EStG 2009, § 93 Abs 1 EStG 2009, § 94 Abs 2 EStG 2009, § 120 Abs 1 AO, § 120 Abs 2 Nr 2 AO, Art 20 Abs 3 GG, AltvVerbG, § 52 Abs 23h EStG 2009 vom 24.06.2013, § 96 Abs 1 S 1 EStG 2009, EStG VZ 2013

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.02.2020, Az. X R 28/18 (REWIS RS 2020, 3255)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3255

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Bis zum 31. Dezember 2013 keine förderunschädliche Verwendung von Altersvorsorgekapital zum Zwecke der Darlehenstilgung während …


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B 5 R 2/22 R

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