Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.07.2011, Az. X R 48/08

10. Senat | REWIS RS 2011, 4665

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Gegenstand

(Teilweise inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 19.7.2011 X R 26/10 - Bildung einer Rückstellung für die Verpflichtung zur Nachbetreuung von Versicherungsverträgen - Übergang einer Versicherungsagentur vom Vater auf den Sohn - Schätzung von Besteuerungsgrundlagen)


Leitsatz

1. NV: Rückstellungen wegen Erfüllungsrückstandes sind zu bilden, wenn ein Versicherungsvertreter die Abschlussprovision nicht nur für die Vermittlung der Versicherung, sondern auch für die weitere Betreuung des Versicherungsvertrags erhält (Anschluss an BFH-Urteile vom 28. Juli 2004 XI R 63/03, BFHE 207, 205, BStBl II 2006, 866, und vom 9. Dezember 2009 X R 41/07, BFH/NV 2010, 860).

2. NV: Einbezogen werden dürfen nur Leistungen für die Betreuung bereits abgeschlossener Verträge. Werbeleistungen mit dem Ziel, Kunden (auch Bestandskunden) zu neuen Vertragsabschlüssen zu veranlassen (Einwerbung von Neugeschäften), sind nicht rückstellbar.

3. NV: Für die Höhe der Rückstellung ist der jeweilige Zeitaufwand für die Betreuung pro Vertrag und Jahr von entscheidender Bedeutung; der (voraussichtliche) Zeitaufwand ist im Einzelnen darzulegen.

4. NV: Die Aufzeichnungen müssen so konkret und spezifiziert sein, dass eine angemessene Schätzung der Höhe der zu erwartenden Betreuungsaufwendungen möglich ist; die Aufzeichnungen sind "vertragsbezogen" zu führen.

5. NV: Die Richtigkeit der vorgenommenen Aufzeichnungen kann im Einzelfall verprobt werden durch eine Gegenüberstellung von Verträgen ohne Bestandspflegeprovision mit Verträgen mit Bestandspflegeprovision.

6. NV: Der Steuerpflichtige trägt im Fall eines "non-liquet" die Feststellungslast (objektive Beweislast) für die von ihm behaupteten Aufwendungen für nachträgliche Betreuungsleistungen.

Tatbestand

1

I. Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang. Nachdem der [X.] ([X.]) mit Urteil vom 28. Juli 2004 [X.] ([X.]E 207, 205, [X.], 866) entschieden hat, dass eine Rückstellung wegen eines Erfüllungsrückstandes im Bereich der [X.]ertragsbetreuung bei [X.]ersicherungsvertretern zulässig ist, ist nunmehr noch streitig, in welcher Höhe im Streitfall für die Weiterbetreuung der vermittelten [X.]ersicherungsverträge Rückstellungen gebildet werden können.

2

Die Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagten (Kläger) werden als Eheleute zur Einkommensteuer [X.]. Der Kläger ist seit 1969 [X.]ertreter der [X.] ([X.]), für die zuvor schon sein [X.]ater in gleicher Weise tätig war. Seinen Gewinn aus Gewerbebetrieb ermittelt er gemäß §§ 4, 5 des Einkommensteuergesetzes. In den Streitjahren 1992 und 1994 waren folgende Mitarbeiter beschäftigt:

3

  1992   

 1994

Mitarbeiter Innendienst

[X.]ollzeitkräfte            

     3 

    4

Teilzeitkräfte           

  2 

 4

Aushilfen     

0,8

1,25

Auszubildende      

  6

    7

Mitarbeiter Außendienst  

2,5

 1,75

4

Neben der [X.]ermittlung von Lebens- und Sachversicherungen obliegt dem Kläger auch die Betreuung und Erhaltung des Bestandes. Für die [X.]ermittlung der Lebensversicherungsverträge erhielt der Kläger eine prozentuale Provision des ersten tarifmäßigen Jahresbeitrages. Sie wurde fällig, sobald der [X.]ersicherungsvertrag zustande gekommen war und die Beiträge gezahlt wurden. Der Kläger erhielt für die Betreuung der Lebensversicherungsverträge --in Abweichung zu anderen [X.]ersicherungssparten-- keine Folgeprovisionen (Bestandspflegeprovisionen). In der Bilanz zum 31. Dezember 1992 bildete er erstmals für bereits vermittelte Lebensversicherungsverträge auch aus früheren Jahren eine Rückstellung für [X.]erwaltungskosten, die er in den folgenden Jahren --u.a. dem Streitjahr 1994-- dem Zugang an [X.] anpasste. In den Streitjahren 1992 und 1994 setzte der Kläger Rückstellungen in folgender Höhe an:

5

                           

1992

1994

      334.880 [X.]

348.640 [X.]

  (nachgeholt aus [X.]orjahren)

  (davon Zugang: 8.480 [X.])

                                                                                

6

Als Betreuungsaufwand schätzte der Kläger zwei [X.]n je [X.]ertrag: Jeder Lebensversicherungsvertrag werde mindestens einmal im Leistungsfall, d.h. bei Tod oder Ablauf, allgemein nachgearbeitet. Für diese regelmäßig anfallenden Aktivitäten sei jeweils eine [X.] anzusetzen. Darüber hinaus sei für sonstige Nachbearbeitungsfälle, insbesondere für anlassbezogene Betreuungsaktivitäten, jeweils eine weitere [X.] anzusetzen. Die [X.] sei mit 80 [X.] zu bewerten.

7

Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) machte demgegenüber geltend: Rückstellungen könnten nicht angesetzt werden, weil entsprechende Nachweise fehlten. Nach dem Grundsatz der Einzelbewertung sei jede [X.]erpflichtung isoliert zu erfassen und zu bewerten. Für jeden einzelnen [X.]ertrag müsse zu jedem Stichtag die vertragliche Laufzeit angegeben werden. Rückstellbar seien auch nur wesentliche Pflichten, die wirtschaftlich verursacht seien. Das sei aber hinsichtlich der Serviceleistungen, die über die Pflichten zur Nachbetreuung hinausgingen, nicht der Fall.

8

Mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2007, 1931 veröffentlichten Urteil vom 13. September 2007 hat das Finanzgericht ([X.]) die Klage zum größeren Teil abgewiesen. Das [X.] schätzte die Höhe der Rückstellungen für die Streitjahre 1992 und 1994 wie folgt:

9

     

40 [X.] x 1 [X.] x 2 093 [X.]erträge = 83.720 [X.] (1992)
40 [X.] x 1 [X.] x 2 179 [X.]erträge = 87.160 [X.] (1994)
(Gewinnauswirkung: 2.120 [X.]).

         

Mit der Revision rügen die Kläger [X.]erletzung formellen und materiellen Rechts.

Die Kläger beantragen,

das angefochtene Urteil aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1992 vom 15. September 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Februar 1999 und des Einkommensteuerbescheides 1994 vom 13. November 2001 die gebildeten Rückstellungen für 1992 in Höhe von 334.880 [X.] und für 1994 in Höhe von 348.640 [X.] (Gewinnauswirkung: 8.480 [X.]) anzusetzen; die Kläger beantragen weiterhin, die Revision des [X.] zurückzuweisen.

Das [X.] beantragt,

die Revision der Kläger zurückzuweisen, auf seine eigene Revision das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision der Kläger ist begründet; das angefochtene Urteil wird aufgehoben; die Sache wird gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) an das [X.] zurückverwiesen.

1. Dass dem Grunde nach Rückstellungen für vertraglich übernommene Betreuungsleistungen zu bilden sind, entspricht der gefestigten [X.]-Rechtsprechung (Urteile in [X.], 205, [X.], 866, und vom 9. Dezember 2009 [X.]/07, [X.], 860; vgl. auch [X.], Festschrift Herzig, Unternehmensbesteuerung, 2010, 517, insbesondere zur "Wesentlichkeit" der [X.]erpflichtung; [X.]/[X.], EStG, 30. Aufl., § 5 Rz 84 und Rz 550 Stichwort "Bestandspflege"). Im Gegensatz zu der Auffassung des [X.], das der im Schreiben des [X.] vom 28. November 2006 [X.] -S 2137- 73/06 ([X.], 765) vertretenen Ansicht folgt, handelt es sich im Streitfall bei dem Erfüllungsrückstand auch um einen wesentlichen Aufwand. Insoweit ist der Senat an die im ersten Rechtsgang durch den [X.]. Senat des [X.] vertretene Rechtsauffassung gebunden, wonach die Bearbeitung von [X.]ersicherungsverträgen keine unwesentliche Nebenleistung sei (Urteil in [X.], 205, [X.], 866, unter [X.]; § 126 Abs. 5 [X.]O; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 126 Rz 30).

Hinsichtlich des Ausweises von Rückstellungen für [X.]erträge, die vom [X.]ater des [X.] vermittelt worden sind, sowie hinsichtlich der Höhe der Rückstellung besteht keine Bindung, weil insoweit keine Feststellungen getroffen worden waren und gerade wegen der Höhe der Rückstellungen die Sache an das [X.] zurückverwiesen worden war.

2. Der erkennende Senat kann anhand der ihm vorliegenden Unterlagen nicht beurteilen, ob sich der Kläger für den von seinem [X.]ater übernommenen [X.]ersicherungsbestand in einem Erfüllungsrückstand befindet. Das [X.] spricht im Tatbestand des Urteils davon, der Kläger sei [X.]ertreter eines [X.]ersicherungsunternehmens, "für das schon sein [X.]ater in gleicher Weise tätig war". In den Entscheidungsgründen heißt es demgegenüber, der Kläger sei mit dem Übergang der [X.]ersicherungsagentur vom [X.]ater auf ihn "hinsichtlich dieses Gewerbebetriebs dessen Rechtsnachfolger". Dem sich in den Akten befindlichen [X.]ertrag des [X.] mit [X.] vom 23. April 1969 lässt sich eine solche Rechtsnachfolge hingegen nicht entnehmen.

Nach Auffassung des erkennenden Senats kann der Kläger eine Rückstellung für einen Erfüllungsrückstand hinsichtlich des vom [X.]ater übernommenen [X.] nur dann bilden, wenn die rechtliche [X.]erpflichtung zur Pflege dieses Bestandes auf ihn übergegangen und noch nicht wirtschaftlich vollständig erfüllt worden ist. Das [X.] wird deshalb im weiteren Rechtsgang zu klären haben, ob der Kläger für die [X.] als Rechtsnachfolger seines [X.]aters tätig wird (vgl. hierzu [X.] München, Urteil vom 16. Dezember 2008 10 K 1954/07, E[X.] 2009, 562). Wird der Kläger hingegen nicht als Rechtsnachfolger seines [X.]aters für die [X.] tätig (hierfür spricht der [X.]ertrag des [X.] mit der [X.] vom 23. April 1969), wird das [X.] im weiteren [X.]erfahren zu klären haben, ob sich der Kläger gegenüber [X.] zur Nachbetreuung der von seinem [X.]ater abgeschlossenen [X.]ersicherungsverträge verpflichtet hat und --ggf.-- ob auch insoweit das Gleichgewicht der gegenseitigen Leistungsbeziehungen zwischen [X.] und dem Kläger durch [X.]orleistungen der [X.] und daraus folgenden rückständigen Gegenleistungen des [X.] gestört ist.

3. In Bezug auf den Erfüllungsrückstand bei den vom Kläger vermittelten [X.]ersicherungsverträgen fehlen der Schätzung des [X.] hinreichende objektive Grundlagen; das Schätzungsergebnis kann nicht nachvollziehbar abgeleitet werden.

a) Können die Besteuerungsgrundlagen --trotz Bemühens um [X.] nicht ermittelt oder berechnet werden, gibt § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 [X.]O i.[X.].m. § 162 Abs. 1 der Abgabenordnung [X.]) dem [X.] eine eigene Schätzungsbefugnis. Dabei hat es alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Ziel der Schätzung ist der Ansatz derjenigen Besteuerungsgrundlagen, die die größtmögliche Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben (ständige Rechtsprechung; vgl. [X.]-Urteil vom 5. Juni 2003 I[X.] R 36/02, [X.]E 202, 395, [X.] 2003, 871; [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 162 [X.] Rz 29, m.w.N.).

Die Schätzung muss gemäß § 121 Abs. 1 [X.] begründet werden, so dass der Steuerpflichtige das Schätzungsergebnis nachvollziehen kann ([X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 162 [X.], [X.]); das Schätzungsergebnis muss ableitbar, schlüssig und fundiert dargelegt werden ([X.]-Urteil vom 8. November 1989 [X.], [X.]E 159, 20, [X.] 1990, 268). Es muss erkennbar sein, wie das [X.] seine Überzeugung und sein Ergebnis in rechtlich zulässiger und einwandfreier Weise gewonnen hat ([X.]-Urteil vom 2. Dezember 2004 [X.]/03, [X.]E 208, 531, [X.] 2005, 483).

Eine Schätzung ist rechtmäßig, wenn sich das Ergebnis als schlüssige und wirtschaftlich vernünftige, wenn auch an der oberen Grenze des [X.] bewegende Wahrscheinlichkeitsüberlegung darstellt ([X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 162 [X.] Rz 98). Eine Schätzung ist dagegen rechtswidrig, wenn sie den durch die Umstände des Einzelfalls gezogenen Schätzungsrahmen verlässt und das Schätzungsergebnis mithin unschlüssig, wirtschaftlich unvernünftig und unwahrscheinlich ist ([X.]-Beschluss vom 21. Januar 2009 [X.]/08, [X.]/N[X.] 2009, 951).

b) Die vom [X.] vorgenommene Schätzung (§ 96 [X.]O, § 162 [X.]) --einschließlich der Schätzungsmethode-- ist eine Tatsachenfeststellung, an die der [X.] gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O gebunden ist ([X.]-Beschluss vom 5. Dezember 2007 [X.], [X.]/N[X.] 2008, 587; [X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 162 [X.] Rz 113). Eine eigene Schätzungsbefugnis steht dem [X.] --als [X.] nicht zu. Der [X.] hat zu prüfen, ob die Schätzung gegen Denkgesetze verstößt (insbesondere ob die gezogenen Folgerungen schlüssig sind), ob die allgemeinen Erfahrungssätze und anerkannten Schätzungsmethoden beachtet worden sind, ob das [X.] den Sachverhalt hätte weiter aufklären müssen oder ob sonstige [X.]erfahrensfehler vorliegen (Gräber/Stapperfend, a.a.[X.], § 96 Rz 18 ff.; Gräber/Ruban, a.a.[X.], § 118 Rz 31, m.w.N.; [X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 162 [X.] Rz 114). Damit der [X.] innerhalb seiner Kompetenz eine Überprüfung vornehmen kann, muss das [X.]-Urteil erkennen lassen, auf welchem Wege die Schätzung zustande gekommen ist.

c) Auf der Grundlage dieser Maßstäbe ist die Schätzung des [X.] unzureichend. Das [X.] hat seine eigene Schätzung (Ansatz von einer Stunde und eines Stundensatzes von 40 DM pro [X.]ertrag; [X.]-Urteil Bl. 25) nicht hinreichend begründet und nur einzelne Aspekte herausgegriffen (z.B. die Tätigkeit bei Ablauf einer [X.]ersicherung). Es hätte --wie von den Klägern beantragt-- den Sachverhalt weiter aufklären müssen. Die Schätzungsgrundlagen --insbesondere der Umfang der Betreuungsarbeiten und die dadurch verursachten [X.] sind nicht ausreichend ermittelt worden.

4. Im weiteren Rechtsgang wird das [X.] bei der Beurteilung der Frage, in welcher Höhe der Kläger eine Rückstellung für Erfüllungsrückstand bilden kann, von folgenden Grundsätzen auszugehen haben:

a) [X.] ist eine Sachleistungsverpflichtung; sie ist mit den Einzelkosten und den Gemeinkosten zu bewerten.

b) Abzustellen ist auf die Anzahl der [X.]ersicherungsverträge, für die noch künftige Betreuungsleistungen aufgrund rechtlicher [X.]erpflichtung zu erbringen sind, für die aber kein weiteres Entgelt beansprucht werden kann.

Einbezogen werden dürfen nur Leistungen für die Betreuung bereits abgeschlossener [X.]erträge. Werbeleistungen mit dem Ziel, Kunden (auch Bestandskunden) zu neuen [X.]ertragsabschlüssen zu veranlassen (Einwerbung von Neugeschäften), sind nicht rückstellbar.

Nicht einzubeziehen ist der Aufwand für die eigene künftige Arbeitsleistung des Betriebsinhabers; [X.]ertreter ohne angestelltes Personal können daher von vornherein keine Rückstellung bilden. Sollte neben dem angestellten Personal auch der Einzelunternehmer selbst in die Betreuung eingeschaltet sein, könnte für den von ihm erbrachten Teil der Leistungen ebenfalls keine Rückstellung gebildet werden.

c) Für die Höhe der Rückstellung ist der jeweilige Zeitaufwand für die Betreuung pro [X.]ertrag und Jahr von entscheidender Bedeutung; zur Darlegung des (voraussichtlichen) Zeitaufwandes ist im Einzelnen notwendig:

-  die genaue Beschreibung der einzelnen Betreuungstätigkeiten; die Darstellung muss das [X.] und das [X.] in die Lage versetzen, anhand der rechtlichen Anforderungen zu Bildung einer Rückstellung berechtigt;
- die Angabe, welchen Zeitbedarf die jeweilige Tätigkeit mit sich bringt, wenn sie im Einzelfall anfällt;
- die Angabe, wie oft die jeweilige Tätigkeit über die Gesamtlaufzeit des jeweiligen [X.]ertrags zu erbringen ist;
- die Höhe der Personalkosten pro Stunde Betreuungszeit;
- die Laufzeit bzw. Restlaufzeit der einzubeziehenden [X.]erträge; dabei ist vor allem auch der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, dass ein Teil der [X.]erträge vorzeitig gekündigt wird.

d) Neben dem zeitlichen Umfang der Betreuungsleistungen ist für die Bemessung der Rückstellung der Stundenlohn der vom Kläger für die Nachbetreuung eingesetzten Mitarbeiter von Bedeutung.

e) Kommt das [X.] im weiteren Rechtsgang zu dem Ergebnis, dass eine Rückstellung für Erfüllungsrückstand auszuweisen ist, wird diese abzuzinsen sein.

5. Über die unter 4. bezeichneten Angaben sind Aufzeichnungen zu führen und vorzulegen.

a) Diese Aufzeichnungen müssen so konkret und spezifiziert sein, dass eine angemessene Schätzung der Höhe der zu erwartenden Betreuungsaufwendungen möglich ist. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass eine Rückstellung ein Passivposten ist, der eine dem Grund und/oder der Höhe nach noch ungewisse (also nur wahrscheinliche) künftige [X.]erbindlichkeit zum Ausdruck bringt. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Rückstellung jedes Jahr angepasst werden muss und jedes Jahr zu prüfen ist, in welchem Umfang der rückgestellte Aufwand tatsächlich eingetreten ist und ob für die Zukunft Korrekturen vorzunehmen sind. Dieser Natur des Rückstellungspostens entsprechend (Schätzung von Aufwand, der auf u.U. sehr langfristigen [X.]erpflichtungen beruht) kann ggf. auch auf spätere Aufzeichnungen zurückgegriffen werden, sofern sie geeignet sind, die voraussichtlich anfallenden Kosten zu belegen.

b) Die laufenden Aufzeichnungen sind "vertragsbezogen" zu führen; der Steuerpflichtige hat zu belegen, welche einzelnen Tätigkeiten (z.B. Fälle von Namens- und [X.], [X.], Baufinanzierungen, Abtretungen, Änderungskündigungen) in welcher Häufigkeit mit welchem Zeitaufwand über die Gesamtlaufzeit des einzelnen [X.]ertrags (typischerweise) anfallen werden. Diese Prüfung muss nicht für alle [X.]erträge einzeln vorgenommen werden; im Einzelfall können fundierte Stichproben (z.B. anhand eines bestimmten Prozentsatzes der [X.]erträge oder nach bestimmten Anfangsbuchstaben der Kundennamen) ausreichen, um eine hinreichende Rückstellungswahrscheinlichkeit zu begründen.

c) Die Richtigkeit der vorgenommenen Aufzeichnungen kann im Einzelfall verprobt werden durch eine Gegenüberstellung von [X.]erträgen ohne [X.] mit [X.]erträgen mit [X.]. Dabei muss die [X.]ergleichbarkeit der [X.]ersicherungen gewährleistet sein; so darf etwa der Teil der Bestandspflege, der auf den Inhaber der [X.]ersicherungsagentur entfällt, nicht berücksichtigt werden.

d) Eine derartige Dokumentation der Beratungsleistungen erlegt dem Steuerpflichtigen keine unangemessenen und unverhältnismäßigen Belastungen auf. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass der zu führende [X.] sich auf [X.]orgänge bezieht, die sich allein in der Sphäre des Steuerpflichtigen zugetragen haben und die zu einem späteren Zeitpunkt nur in eingeschränktem Umfang und nur mit erheblichem Ermittlungsaufwand auf ihre zutreffende Erfassung hin überprüft werden können (vgl. hierzu [X.]-Urteil vom 9. November 2005 [X.]I R 27/05, [X.]E 211, 508, [X.], 408, unter [X.], zu den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch). Zum anderen sind auch angesichts der Höhe und der Zeitdauer des vom Kläger geltend gemachten Erfüllungsrückstandes aussagekräftige Aufzeichnungen geboten.

6. Zutreffend ist das [X.] davon ausgegangen, dass die Kläger letzten Endes die Feststellungslast (objektive Beweislast) für die von ihnen behaupteten Aufwendungen für Betreuungsleistungen tragen. Da es sich um Angaben aus der Sphäre der Steuerpflichtigen handelt, die von der Finanzverwaltung regelmäßig nur eingeschränkt nachgeprüft werden können und die zudem der Herbeiführung einer [X.] dienen, tragen die Steuerpflichtigen die volle Feststellungslast für ihre entsprechenden Tatsachenbehauptungen (vgl. [X.]-Urteil vom 28. November 2007 [X.], [X.]E 220, 3, [X.] 2008, 335).

III.

Die Revision des [X.] ist ebenfalls begründet; auch im Umfang der [X.] beruht das angefochtene Urteil auf unzureichenden Feststellungen bzw. Schätzungen (s. oben).

Meta

X R 48/08

19.07.2011

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 13. September 2007, Az: 12 K 6087/04 E, Urteil

§ 5 Abs 1 EStG 1990, § 6 Abs 1 EStG 1990, § 162 AO, § 96 FGO, § 118 Abs 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.07.2011, Az. X R 48/08 (REWIS RS 2011, 4665)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4665

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