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PDF anzeigen[X.]:[X.]:[X.]:2016:020616UVIIZR107.15.0
BUN[X.]SGERI[X.]HTSHOF
IM NAMEN [X.]S VOLKES
URTEIL
VII ZR 107/15
Verkündet am:
2. Juni 2016
Boppel,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Ges[X.]häftsstelle
in dem Re[X.]htsstreit
Na[X.]hs[X.]hlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 133 B, § 157 [X.], § 241 Abs. 2
Ein Juwelier, der [X.] zur Anbahnung eines Werk-
oder Kaufvertrages entgegennimmt, kann na[X.]h [X.] und Glauben unter Berü[X.]ksi[X.]htigung der Verkehrsans[X.]hauung verpfli[X.]htet sein, über das Fehlen einer Versi[X.]herung gegen das Risiko des Verlustes dur[X.]h Diebstahl und Raub aufzuklären, wenn eine sol[X.]he Versi[X.]herung bran[X.]henübli[X.]h ist.
[X.], Urteil vom 2. Juni 2016 -
VII ZR 107/15 -
LG [X.]
[X.] ([X.])
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Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündli[X.]he Verhandlung vom 28. April 2016
dur[X.]h den
Vorsitzenden Ri[X.]hter
Dr.
[X.], die
Ri[X.]hter Dr.
Kartzke, Prof. Dr. Jurgeleit
und die Ri[X.]hterinnen [X.] und Wimmer
für Re[X.]ht erkannt:
Auf die Revision des [X.] wird das Urteil der 5. Zivilkammer des [X.] vom 7. April 2015 aufgehoben.
Die Sa[X.]he wird zur neuen Verhandlung und Ents[X.]heidung, au[X.]h über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-ri[X.]ht zurü[X.]kverwiesen.
Von Re[X.]hts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten um S[X.]hadensersatzansprü[X.]he wegen Verletzung einer vorvertragli[X.]hen Aufklärungspfli[X.]ht.
Die [X.] betreibt ein Juwelierges[X.]häft. Im Februar 2012 übergab die Ehefrau des [X.]
der [X.] in deren Ges[X.]häftsräumen
diverse im Ei-gentum des [X.] stehende S[X.]hmu[X.]kstü[X.]ke mit der Intention,
diese reparie-ren
zu lassen (ein Goldarmband) beziehungsweise
der [X.] zu verkaufen
(zwei Ohrringe, zwei Armbänder, zwei Halsketten sowie eine Bros[X.]he).
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Anlässli[X.]h eines Raubüberfalls am
23. Februar 2012 auf das Ges[X.]häft der [X.]
wurden unter anderem die S[X.]hmu[X.]kstü[X.]ke des [X.] entwen-det. Die [X.] war insoweit ni[X.]ht versi[X.]hert, worauf sie in dem Gesprä[X.]h mit der Ehefrau des [X.]
vor Überlassung der S[X.]hmu[X.]kstü[X.]ke ni[X.]ht hingewie-sen hatte.
Der Wert der übergebenen S[X.]hmu[X.]kstü[X.]ke ist zwis[X.]hen den Parteien streitig. Die [X.] era[X.]htet den vom Kläger angesetzten Betrag
.
Der Klä-ger verlangt von der [X.] S[X.]hadensersatz für die geraubten [X.] unter Berufung darauf, dass er die S[X.]hmu[X.]kstü[X.]ke ni[X.]ht bei der [X.] belassen hätte, wenn er von dem fehlenden
Versi[X.]herungss[X.]hutz gewusst hät-te.
nebst Zinsen zu zahlen
und ihn von Re[X.]htsverfolgungskosten freizustellen.
Auf die Berufung der [X.] hat das Berufungsgeri[X.]ht
das Urteil des Amtsgeri[X.]hts dahingehend abgeändert, dass es die Klage abgewiesen hat. Mit der vom Berufungsgeri[X.]ht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.
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Ents[X.]heidungsgründe:
Die Revision des [X.] führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurü[X.]kverweisung der Sa[X.]he an das Berufungsgeri[X.]ht.
I.
Das Berufungsgeri[X.]ht führt, soweit für die Revision von Bedeutung, aus, ein S[X.]hadensersatzanspru[X.]h des [X.] wegen Verletzung einer Aufklärungs-pfli[X.]ht bestehe ni[X.]ht. Die [X.] sei
ni[X.]ht verpfli[X.]htet gewesen, den Kläger darauf hinzuweisen, dass sie hinsi[X.]htli[X.]h der ihr übergebenen S[X.]hmu[X.]kstü[X.]ke das Verlustrisiko dur[X.]h Diebstahl oder
Raub ni[X.]ht dur[X.]h Versi[X.]herungen abge-de[X.]kt habe. Zwar treffe es zu, dass eine Re[X.]htspfli[X.]ht zur Aufklärung über [X.] Umstände au[X.]h ohne Na[X.]hfrage bestehe, wenn der andere Teil na[X.]h [X.] und Glauben unter Berü[X.]ksi[X.]htigung der Verkehrsans[X.]hauung redli[X.]her-weise die Mitteilung von Tatsa[X.]hen erwarten darf, die für seine Willensbildung offensi[X.]htli[X.]h von auss[X.]hlaggebender Bedeutung sind. Vorliegend seien jedo[X.]h keine Anhaltspunkte dafür ersi[X.]htli[X.]h, dass es für die Willensbildung des [X.] offensi[X.]htli[X.]h von auss[X.]hlaggebender Bedeutung war, dass die [X.] die ihr übergebenen S[X.]hmu[X.]kstü[X.]ke gegen das Verlustrisiko dur[X.]h Diebstahl oder Raub versi[X.]hert hat. Etwas anderes möge gelten, wenn es si[X.]h bei den dem Juwelier übergebenen S[X.]hmu[X.]kstü[X.]ken um sol[X.]he von besonders hohem Wert handele. Angesi[X.]hts dessen, dass au[X.]h der Kläger den Gesamtwert des beziffere,
sei dies vorlie-gend
ni[X.]ht der Fall.
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II.
Das hält der re[X.]htli[X.]hen Na[X.]hprüfung ni[X.]ht stand.
Mit der vom
Beru-fungsgeri[X.]ht
gegebenen Begründung kann eine Aufklärungspfli[X.]ht der Beklag-ten über den mangelnden Versi[X.]herungss[X.]hutz ni[X.]ht verneint werden.
1. Ri[X.]htig sieht das Berufungsgeri[X.]ht allerdings, dass eine Pfli[X.]htverlet-zung der [X.] si[X.]h ni[X.]ht bereits daraus
ergibt,
dass sie den von der Kläge-rin entgegengenommen S[X.]hmu[X.]k ni[X.]ht gegen das von keiner Vertragspartei zu vertretende Risiko des Verlusts dur[X.]h Diebstahl oder Raub
versi[X.]hert hat. [X.] bleiben kann dabei, ob zwis[X.]hen den Parteien betreffend das zur Reparatur übergebene Goldarmband bereits ein Werkvertrag gemäß § 631 [X.] zustande gekommen ist. Denn eine generelle Versi[X.]herungspfli[X.]ht besteht für den Juwelier weder für [X.], der zur
Dur[X.]hführung eines Werk-vertrages (§ 631 [X.]), no[X.]h für sol[X.]hen, der zur Abgabe eines Ankaufs-
oder Reparaturangebotes (§
311 Abs. 2 Nr. 2 [X.]) entgegengenommen wird
(für das Werkvertragsre[X.]ht ebenso: [X.], NJW-RR 1986, 107; [X.]/
[X.], [X.], 75. Aufl., § 631 Rn. 15; [X.]/[X.], 2014, [X.], §
644 Rn. 14; [X.]/[X.]/Merkens, [X.] Baure[X.]ht, 2. Aufl., § 644 Rn.
7;
Be[X.]kOGK/[X.],
[X.], Stand: 1. Februar 2016, § 631 Rn. 469, 469.1; vgl. au[X.]h [X.], HRR 1928, Nr. 413
zur Versi[X.]herungspfli[X.]ht des Betreibers einer KfZ-Werkstatt
gegen Feuergefahr; eine Versi[X.]herungspfli[X.]ht bei [X.] besonders wertvoller Gegenstände
bejahend: [X.] in Erman, [X.], 14. Aufl., § 644 Rn. 5; Mün[X.]hKomm[X.]/[X.], 6. Aufl., § 644 Rn. 13;
ähnli[X.]h au[X.]h: [X.] [X.]/[X.], Stand: 1. Februar 2015, § 631 Rn. 62, § 644 Rn. 8).
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2. Eine Pfli[X.]ht der [X.], den Kläger darauf hinzuweisen, dass das Risiko des Verlustes dur[X.]h Diebstahl oder Raub ni[X.]ht oder ni[X.]ht in voller Höhe dur[X.]h Versi[X.]herungen gede[X.]kt war, kann mit der vom Berufungsgeri[X.]ht gege-benen Begründung
ni[X.]ht verneint werden.
a)
Na[X.]h ständiger Re[X.]htspre[X.]hung des [X.] ([X.], [X.] vom 12. Juli 2001
IX ZR 360/00, NJW 2001, 3331, 3332, juris Rn. 15; vom 11. August 2010
[X.], NJW 2010, 3362 Rn. 21;
jeweils m.w.[X.]) be-steht bei Vertragsverhandlungen zwar keine allgemeine Re[X.]htspfli[X.]ht, den an-deren Teil über alle Einzelheiten und Umstände aufzuklären, die dessen [X.] beeinflussen könnten. Vielmehr ist grundsätzli[X.]h jeder [X.] für sein re[X.]htsges[X.]häftli[X.]hes Handeln selbst verantwortli[X.]h und muss si[X.]h deshalb die für die eigene Willensents[X.]heidung notwendigen Informationen auf eigene Kosten und eigenes Risiko selbst bes[X.]haffen. Eine Re[X.]htspfli[X.]ht zur Aufklärung bei Vertragsverhandlungen au[X.]h ohne Na[X.]hfrage besteht allerdings dann, wenn der andere Teil na[X.]h [X.] und Glauben unter Berü[X.]ksi[X.]htigung der Verkehrsans[X.]hauung [X.] die Mitteilung von Tatsa[X.]hen erwarten durfte, die für seine Willensbildung offensi[X.]htli[X.]h von aus-s[X.]hlaggebender Bedeutung sind
([X.], Urteile vom 2.
März
1979
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V
ZR
157/77, BauR
1979, 447,
juris Rn. 8; vom 16.
Januar 1991
VIII [X.], NJW 1991, 1223, 1224, juris Rn. 14; vom 12. Juli 2001
IX ZR 360/00, aaO
Rn. 15; vom 11. August 2010
[X.], aaO
Rn. 22;
jeweils m.w.[X.]). Eine Tatsa[X.]he von auss[X.]hlaggebender Bedeutung kann au[X.]h dann vorliegen, wenn sie geeignet ist, dem Vertragspartner erhebli[X.]hen wirts[X.]haftli[X.]hen S[X.]ha-den zuzufügen
([X.], Urteil vom 11. August 2010
[X.], aaO Rn. 22).
b) Unter Berü[X.]ksi[X.]htigung der vorstehenden Grundsätze kann ein Juwe-lier verpfli[X.]htet sein, einen Kunden auf den fehlenden Versi[X.]herungss[X.]hutz 11
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dann hinzuweisen, wenn es si[X.]h um S[X.]hmu[X.]kstü[X.]ke von außergewöhnli[X.]h [X.] Wert handelt.
Ein sol[X.]her Fall liegt hier au[X.]h unter Zugrundelegung der Vorstellung des
[X.])
Ferner kann
der Kunde gegebenenfalls na[X.]h [X.] und Glauben unter Berü[X.]ksi[X.]htigung der Verkehrsans[X.]hauung dann eine Aufklärung über das [X.] einer Versi[X.]herung gegen das Risiko des Verlustes dur[X.]h Diebstahl und
Raub erwarten, wenn diese Versi[X.]herung bran[X.]henübli[X.]h ist.
Bran[X.]henübli[X.]hkeit liegt vor, wenn si[X.]h innerhalb einer Gruppe von Un-ternehmen, die ähnli[X.]he Leistungen auf dem Markt anbieten, eine Gepflogen-heit oder ein Brau[X.]h innerhalb einer bestimmten Tätigkeit entwi[X.]kelt hat, der ni[X.]ht nur vorübergehend besteht, sondern eine gewisse Kontinuität erkennen lässt. Dies ist für die hier in Rede stehende Versi[X.]herung für die Revision [X.] gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgeri[X.]hts zugunsten des [X.] zu unterstellen.
Die Bran[X.]henübli[X.]hkeit kann eine bere[X.]htigte Erwartung des Kunden be-gründen, dass ein sol[X.]her Versi[X.]herungss[X.]hutz besteht. Dies ist für den Juwe-lier als Mitglied der Bran[X.]he au[X.]h erkennbar. Wenn der Juwelier die deshalb mögli[X.]herweise gebotene Aufklärung unterlässt, begeht er eine Pfli[X.]htverlet-zung.
Soweit die Revisionserwiderung die Aufklärung dur[X.]h den Juwelier für unzumutbar hält, weil dies seine wirts[X.]haftli[X.]he Tätigkeit wegen des damit [X.] Zeitaufwands lähmen würde, teilt der Senat diese Auffassung ni[X.]ht. Bei den hier in Rede stehenden Vertragsanbahnungen handelt es si[X.]h ni[X.]ht um Massenges[X.]häfte, die eine derartige
zeitli[X.]he Inanspru[X.]hnahme ni[X.]ht zuließen.
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3. Der Senat kann in der Sa[X.]he ni[X.]ht selbst ents[X.]heiden, § 563 Abs. 3 ZPO. Das Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sa[X.]he ist an das Berufungsge-ri[X.]ht zurü[X.]kzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Das Berufungsgeri[X.]ht wird auf der Grundlage des Parteivorbringens Feststellungen zur Bran[X.]henübli[X.]hkeit und der daraus folgenden Verkehrsans[X.]hauung zu treffen haben.
[X.]
Kartzke
Jurgeleit
[X.]
Wimmer
Vorinstanzen:
[X.] ([X.]), Ents[X.]heidung vom 30.09.2014 -
20 [X.] 1350/13 -
LG [X.], Ents[X.]heidung vom 07.04.2015 -
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Meta
02.06.2016
Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat
Sachgebiet: ZR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.06.2016, Az. VII ZR 107/15 (REWIS RS 2016, 10617)
Papierfundstellen: REWIS RS 2016, 10617
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
VII ZR 107/15 (Bundesgerichtshof)
Aufklärungspflicht eines Juweliers über fehlenden Versicherungsschutz bei Entgegennahme von Kundenschmuck zur Anbahnung eines Werk- oder …
9 U 129/15 (Oberlandesgericht Köln)
4 StR 539/04 (Bundesgerichtshof)
III ZR 151/05 (Bundesgerichtshof)
2 O 334/01 (Landgericht Arnsberg)