Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.03.2014, Az. 5 StR 649/13

5. Strafsenat | REWIS RS 2014, 7274

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
5 StR 649/13

vom
11. März 2014
in der Strafsache
gegen

wegen Körperverletzung mit Todesfolge u.a.

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Der 5.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom
11. März 2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender [X.] Basdorf,

[X.] Prof. [X.],
[X.]in Dr. [X.],
[X.] [X.],
[X.] Bellay

als beisitzende [X.]

Oberstaatsanwalt beim [X.]

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt D.

als Verteidiger,

Rechtsanwalt G.

als Vertreter
der
Nebenklägerin

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

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für Recht erkannt:

Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin gegen das Urteil des [X.] vom 16. August 2013 werden verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels der [X.] sowie die durch die Revisionen entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen. Die [X.] trägt die Kosten ihres Rechtsmittels.
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Von Rechts wegen
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Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit To-desfolge (Fall 2) sowie wegen Körperverletzung (Fall 1) zu einer Gesamtfrei-heitsstrafe von zehn Jahren und drei Monaten verurteilt. Die jeweils auf die Sachrüge gestützten, zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft

diese wird vom [X.] vertreten

und der Nebenklägerin, die unter verschiedenen Gesichtspunkten eine [X.] Verurteilung des
Angeklagten wegen (zumindest versuchten) [X.], sind auf den Schuldspruch im Fall 2 (und auf den Gesamtstrafenaus-spruch) beschränkt. Sie bleiben ohne Erfolg.
1. Nach den landgerichtlichen Feststellungen zum zweiten [X.] schlug der Angeklagte vom 8. bis 12. November 2011

an diesem Tag spätes-1
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tens um 4.12 Uhr

in der gemeinsamen Wohnung mehrfach aus Eifersucht auf seine Freundin

[X.]
ein, vor allem auf deren Kopf, Hals, [X.], [X.] und [X.]. Er verursachte wahrscheinlich im Zeitraum vom späten Abend des 9. November 2011 bis zu den Mittagsstunden des Folgetages u.a. eine Nasenbeintrümmerfraktur, eine Bodenfraktur der linken Augenhöhle und eine zweifache Unterkieferfraktur nebst einem Abbruch des linken [X.]. Zudem versetzte er der Geschädigten bis etwa 15.00 Uhr am 9. Novem-ber 2011 mit dem Kopf eines Besens einen Schlag gegen den linken Unterarm und trat ihr

möglicherweise ebenfalls bis zu diesem Zeitpunkt

mit dem be-schuhten Fuß gegen den linken rückwärtigen Brustkorb, was zur Fraktur der achten bis zwölften Rippe, damit einhergehend zu weiterem Blutverlust und schließlich zur Einschränkung der Atemfunktion aufgrund eines Kollapses der linken Lunge führte. Keine dieser Verletzungen wäre für sich genommen tödlich gewesen; in ihrer Summe führten sie jedoch infolge länger währenden [X.] nach innen und außen sowie eines darauf beruhenden hämorrhagi-schen Schocks frühestens am 12. November 2011 gegen 4.20 Uhr zu einem nicht mehr revisiblen Herzstillstand.
Am 8. November 2011 um ca. 10.30 Uhr, am 10. November 2011 kurz nach 13.00 Uhr sowie am 11. November 2011 im Laufe des Nachmittags hatte der Angeklagte mehrfach diverse Schmerz-
und Verbandsmittel erworben und seine Freundin damit versorgt. Am späten Abend des 11. November 2011 kauf-te er unter anderem
flüssig zuzuführende Nahrung nebst Saugfläschchen ein, um ihr diese einzuflößen. Am Folgetag alarmierte er um 4.26 Uhr telefonisch isch anmu-tenden Weise an, dass seine Freundin verstorben sei und seit ein paar Minuten keinen Pulsschlag mehr aufweise, und bat darum, dass der Rettungsdienst sich trieb er zur Eile an.
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2. Aufgrund dieser Feststellungen hat sich das [X.] von einem auch nur bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten nicht zu überzeugen ver-mocht und ihn daher im zweiten [X.] wegen Körperverletzung mit To-desfolge (§ 227 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt.
3. Die Überprüfung des Schuld-
und Strafausspruchs im Fall 2 sowie der Gesamtstrafe hat Rechtsfehler zum Vor-
oder Nachteil (§ 301 StPO) des Ange-klagten nicht ergeben. Namentlich die landgerichtliche Beweis-
sowie die recht-liche Würdigung halten revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
a) Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Ihre [X.] Nachprüfung beschränkt sich darauf, ob diesem ein Rechts-fehler unterlaufen ist. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht etwa der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 4. April 2013

3 StR 37/13, [X.]R StGB § 212 Abs. 1 [X.], bedingter 64) oder zugunsten des Angeklagten eine Konstellation unter-stellt wird, für die es keinen Anknüpfungspunkt gibt (vgl. [X.], Urteil vom 20.
Mai 2009

2 StR 576/08, [X.], 630 mwN). Ein derartiger Mangel ist dem angegriffenen Urteil nicht zu entnehmen.
Insbesondere hat das [X.] in die gebotene

und am zutreffen-den Maßstab ausgerichtete ([X.])

Gesamtwürdigung alle für die Frage wesentlichen Gesichtspunkte einbezogen, ob der Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt hat. Dabei hat es vor allem Quantität und Qualität der Verletzungshandlungen, von denen jede für sich nicht tödlich gewesen wäre, in den Blick genommen und vertretbar gewertet. Es durfte zudem zugunsten des b-h mit Medikamenten versorgt und schließlich vergeblich versucht hat, ihr Nahrung mit Hilfe zu diesem Zweck erworbener Babyfläsch-4
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chen zuzuführen. Dasselbe gilt für die vom Angeklagten letztlich entfalteten [X.] sowie den Umstand, dass er im Polizeigewahrsam die Nachricht vom Tod

[X.] f-grund eingestandener Schläge des Angeklagten gegen seine Freundin wegen eines vermeintlichen Untreuegeständnisses noch in der letzten Phase des [X.] musste das [X.] bei der Persönlichkeitsstruktur des außer-ordentlich eifersüchtigen und aufbrausenden Angeklagten ungeachtet des [X.] der bereits ersichtlich schwerverletzten Geschädigten nicht unbedingt eine Änderung des Vorstellungsbildes des Angeklagten in Betracht ziehen.
Nach alledem begründet es keinen Rechtsfehler, dass das [X.] sich im Ergebnis nicht von einem auch nur bedingten Tötungsvorsatz des [X.] hat überzeugen können. Denn es ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO), die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen be-
oder entlastenden Indizien zu bewerten. Kann es auf der Grundlage einer Gesamtbewertung aller Umstände Zweifel an der subjektiven Tatseite nicht überwinden, so hat das Re-visionsgericht dies regelmäßig hinzunehmen, auch wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich oder sogar näher liegend gewesen wäre. [X.] brauchen die tatgerichtlichen Schlussfolgerungen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie

wie vorliegend

möglich sind. Im Blick auf die
mangelnde Möglichkeit, Art und Ausmaß der letzten Gewalthandlungen am 12. Novem-ber
2011 gegen 4.00 Uhr näher festzustellen, und auf die besonders verengte Blickrichtung des Angeklagten zu diesem Zeitpunkt nimmt der [X.] die tatge-richtliche Beurteilung auch für diesen letzten Teilakt der Gewalthandlungen eben noch hin.
Eine mangelhafte oder widersprüchliche Beweiswürdigung ergibt sich auch nicht für den Zeitraum ab 4.12 Uhr des 12. November 2011, für den das 8
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[X.] einen für eine versuchte Tötung durch Unterlassen erforderlichen Tötungsvorsatz mit der Erwägung verneint hat, dass nicht ausgeschlossen wer-

[X.]

em ernsthaften Zweifel unterliegen, dass der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt [X.] ernsthaft damit rechnete, dass

[X.]
infolge seiner Gewalttätigkei-
t es lediglich klargestellt, dass es

anders als bezüglich des vorher liegenden Zeitraums

nunmehr davon ausging, dass der Angeklag-te den Tod

[X.] s für möglich hielt. An dem darüber hinausgehenden Schluss sogar möglicher Todeskenntnis war das [X.] auch nicht durch die miteinander nicht ohne weiteres zu vereinbarenden Darstellungen des [X.] erwartet, dass er bzw. der Krankendienst

[X.]
noch retten werd

[X.]
wiederzubele-[X.] im Ergebnis nichts ohne entsprechende Anhaltspunkte zugunsten des Angeklagten unterstellt (vgl. [X.], Urteil vom 20. Mai 2009

2 StR 576/08, [X.], 630), zumal dieser auch in seinem um 4.26 Uhr mit der Rettungs-sei und seit ein paar Minuten keinen Pulssc

b) Die danach vom [X.] vorgenommene rechtliche Würdigung ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
aa) Die Voraussetzungen des § 227 StGB hat es zutreffend bejaht. [X.] würde in der vorliegenden Fallkonstellation eine etwa zugleich begründete Strafbarkeit nach § 221 StGB verdrängt.
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Eine Strafbarkeit wegen eines durch Unterlassen (§ 13 StGB) begange-nen versuchten Tötungsdelikts schiede im Übrigen selbst dann aus, wenn man

von der [X.] landgerichtlichen Beweiswürdigung abweichend

einen bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten am 12. November 2011 ab 4.12 Uhr zugrunde legte. Denn unabhängig von der Frage, wie bei einem Unter-lassen der [X.] generell zu bestimmen ist, hatte der Angeklagte [X.] gewesen, dass er eine schon als geboten erkannte Handlung unter-lassen hätte (vgl. [X.], Urteil vom 13. September 1994

1 [X.], [X.]St
40, 257, 265 f.). Solches aber lässt sich den Feststellungen nicht ent-nehmen. Vielmehr rief der völlig aufgelöst wirkende Angeklagte unmittelbar nach einem um 4.19 Uhr begonnenen Telefonat mit einer früheren Freundin, i-g-los versucht, eine seiner Schwestern telefonisch zu erreichen.
bb) Die vom Revisionsgericht ohnehin nur eingeschränkt überprüfbaren landgerichtlichen Strafzumessungsentscheidungen erweisen sich ebenfalls als rechtsfehlerfrei. Der [X.] nimmt insbesondere die auf Beurteilung durch einen Sachverständigen beruhende Annahme nicht erheblich eingeschränkter [X.] aufgrund einer noch nicht schweren anderen seelischen Abartig-keit hin.
[X.] [X.]

[X.]

Bellay
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Meta

5 StR 649/13

11.03.2014

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.03.2014, Az. 5 StR 649/13 (REWIS RS 2014, 7274)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7274

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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5 StR 649/13

3 StR 37/13

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