Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.02.2017, Az. 1 StR 483/16

1. Strafsenat | REWIS RS 2017, 15988

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:080217B1STR483.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 483/16

vom
8. Februar
2017
in der Strafsache
gegen

wegen
Betruges u.a.

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2
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Der 1. Strafsenat des [X.] hat
auf Antrag des [X.] und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 8. Februar
2017
ge-mäß §
349 Abs.
2 [X.] beschlossen:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 2. Juni 2016 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tra-gen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betruges in 25 Fällen und versuchten Betruges in 352 Fällen sowie wegen Beihilfe zu 31 Fällen des [X.] und zu 1.118 Fällen des versuchten Betruges zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat keinen Erfolg (§
349 Abs.
2 [X.]).

I.
Das [X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und [X.] getroffen:
1.
Der Angeklagte war
als Rechtsanwalt in S.

tätig
und arbeitete dort ab Ende 2011 als Einzelanwalt. Zum Aufbau seiner Kanzlei hatte er bei einem Bekannten ein Darlehen in Höhe von 30.000 Euro aufge-1
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nommen. Der Mitangeklagte [X.]

betrieb bis Ende
2012 ein Sportgeschäft mit Onlineshop in S.

und wollte aufgrund erheblicher Umsatz-einbußen kurzfristig anderweitige Einkünfte erzielen.
2. Im Juni oder Juli 2012 kamen der Angeklagte und [X.]

mit Blick auf ihre wirtschaftlichen Schwierigkeiten überein, dass der Angeklagte als anwaltli-cher Bevollmächtigter des [X.]

[X.] von Sport-
und Freizeitartikeln wegen angeblicher Verschleierung ihrer Unternehmereigenschaft nach § 3 Abs.
1 und Abs. 3 UWG i.V.m. dem Anhang zu § 3 Abs. 3 Nr. 23
UWG
abmah-nen sollte. [X.]

und der Angeklagte vereinbarten von vornherein, dass die durch die Beauftragung des Angeklagten anfallenden Rechtsanwaltsgebühren nicht von [X.]

verlangt werden, sondern dass sie vielmehr die eventuell ein-gehenden Gelder der abgemahnten Personen hälftig unter sich aufteilen [X.]. Für den Fall, dass die Abgemahnten nicht zahlten, sollten [X.]

demge-mäß keinerlei Kosten für die Tätigkeit des Angeklagten entstehen. Eine über die Gebührenforderung hinausgehende Durchsetzung behaupteter wettbe-werbsrechtlicher Ansprüche gegen die Abgemahnten war von [X.]

und dem Angeklagten nicht beabsichtigt.
Entsprechend diesem [X.] schrieb der Angeklagte am 9. August 2012 insgesamt 377 [X.] mit einem Serienbrief an und mahnte sie im Namen von [X.]

wegen getätigter Verkäufe ab, weil sie im Wettbewerb mit diesem stünden. Aufgrund der Vielzahl an [X.] seien sie als [X.] anzusehen und würden ihre Unternehmereigenschaft verschleiern. Dieses unlautere Verhalten begründe einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil gegenüber [X.]

.
Den Schreiben lag jeweils eine strafbewehrte Unterlassungserklärung bei; sie enthielten ferner eine Gebührenberechnung der zugleich geltend ge-4
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machten Abmahnkosten in Höhe von 555,60 Euro bzw. 755,80 Euro netto
(1,3-Geschäftsgebühr aus [X.] von 8.000 Euro bzw. 15.000
Euro nebst Auslagenpauschale i.H.v. 20 Euro), wobei der Angeklagte

bewusst wahrheitswidrig

behauptete, dass diese Kosten seinem Mandanten [X.]

als Schaden durch seine Beauftragung als Rechtsanwalt entstanden [X.]. Dem Angeklagten und [X.]

kam es hierbei darauf an, die Adressaten [X.] zu täuschen. Im Vertrauen auf diese Angaben zahlten
25 Geschädigte
in der [X.] vom 15. August 2012 bis zum 13.
September 2012 einen [X.] von 13.173,20 Euro auf das Anderkonto des Angeklagten. Die übrigen [X.] zahlten nicht.
3. Am 12. September 2012 versandte der Angeklagte in Absprache mit [X.]

erneut entsprechende Abmahnschreiben an 1.149 [X.], aber nur mit der Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung, ohne [X.] Rechtsanwaltsgebühren für das Abmahnschreiben geltend zu machen. Auch bei diesen Schreiben waren sich der Angeklagte und [X.]

von vornhe-rein einig, dass der Angeklagte keine Gebühren von [X.]

verlangen würde. Nachdem am 25. September 2012 sowohl bei
dem Angeklagten als auch bei [X.]

Durchsuchungen stattgefunden hatten, wollte sich der Angeklagte von diesem Abmahnprojekt distanzieren. [X.]

wollte aufgrund seiner finanziellen Situation jedoch nach wie vor die Rechtsanwaltsgebühren aus den [X.] vom 12. September 2012 als Schadensersatz bei den Abgemahnten gel-tend machen und schloss sich zu diesem Zweck mit dem Mitangeklagten H.

zusammen, mit dem er eine
hälftige Aufteilung der eingehenden Gelder verein-barte. Zwischen [X.]

, H.

und dem Angeklagten bestand
Übereinstimmung, dass [X.]

keiner Gebührenforderung des Angeklagten ausgesetzt war, ihm mithin keine Aufwendungen für dessen Beauftragung entstehen würden.
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Am 12. Dezember 2012 schrieb [X.]

die Abgemahnten an und forderte sie auf, ihm die angeblich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 555,60 Euro bzw. 755,80 Euro (1,3-Geschäftsgebühr aus [X.] von 8.000 Euro bzw. 15.000 Euro
nebst Auslagenpauschale i.H.v. 20 Euro) zu überweisen. Der Angeklagte unterstützte [X.]

und H.

hierbei, indem er H.

am 7.
Dezember 2012 per Email zwei mit seiner eingescannten Unter-schrift versehene [X.]

mit den beiden vorbezeichne-ten Streitwerten

übersandte. H.

passte die Rechnungen anschließend an die jeweiligen Abgemahnten an und organisierte deren Versand. Im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben überwiesen 31 Abgemahnte im [X.]raum vom 14.
Dezember 2012 bis zum 5. März 2013 insgesamt 16.289,70 Euro auf das Konto von [X.]

. Die anderen Abgemahnten zahlten nicht.

II.
Die auf einer fehlerfreien Beweiswürdigung, insbesondere auf den Ge-ständnissen des Angeklagten und des Mitangeklagten [X.]

beruhenden Fest-stellungen, tragen den Schuld-
und den Strafausspruch. Der Erörterung bedarf in Ergänzung der Antragsschrift des [X.] nur Folgendes:
1. [X.] in 25 Fällen und versuchten [X.] in 352 Fällen durch das Versenden der Abmahnschreiben am 9. August 2012 hält rechtlicher Überprüfung stand.
Mit der Geltendmachung der Abmahnkosten als dem Mitangeklagten [X.]

entstandenen Schaden für die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Durchsetzung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche ist tatbestandlich eine Täu-schung der abgemahnten [X.] im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB zu 8
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sehen. Insofern erklärte der Angeklagte in den Schreiben aus Sicht der Emp-fänger
zumindest konkludent, dass der Forderung ein wettbewerbsrechtlich be-deutsamer [X.] zugrunde lag und dass es nicht um die bloße Ge-nerierung von Rechtsanwaltsgebühren ging, es sich mithin um keine rechts-missbräuchliche Geltendmachung der Ansprüche aus §§ 9, 12 Abs. 1 Satz 2 i.V.m.
§ 3 Abs. 3
UWG und dem
Anhang zu § 3 Abs.
3 Nr. 23 UWG handelte (vgl. zur konkludenten Erklärung einer ordnungsgemäßen Tarifberechnung [X.], Beschluss vom 9. Juni 2009

5 [X.], [X.], 2900; aA und eine Verkehrsanschauung dahingehend verneinend, dass bei einer [X.] nach [X.] werde, nicht rechtsmissbräuchlich die Forderung geltend zu machen: [X.], NJW 2013, 2772, 2773).
Das Handeln des Angeklagten und des Mitangeklagten [X.]

war jedoch rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG. Diese Vorschrift führt als typischen Fall der unzulässigen, weil rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung der Ansprüche aus §§ 3, 8 Abs. 1 UWG gerade an, dass vorwiegend ein [X.] auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung ent-stehen soll. Das Handeln des Angeklagten und des Mitangeklagten [X.]

war nach den Feststellungen ausschließlich darauf ausgerichtet, solche Einnahmen zu generieren, um ihre wirtschaftliche Lage zu verbessern; weitergehende wettbewerbsrechtliche Ziele verfolgten sie nicht. Die vorliegende Fallkonstellati-on, in der der abmahnende Mandant mit seinem Rechtsanwalt vereinbart, dass er keine Rechtsanwaltskosten zu tragen habe und er die vom Abgemahnten Rechtsmissbrauchs (so Goldmann in [X.]/[X.], UWG, 4. Aufl., § 8 Rn. 661).
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Die konkludente Erklärung der berechtigten Abrechnung der [X.] (§ 12 Abs. 1 Satz 2 UWG) stellt zudem nicht lediglich ein Werturteil, sondern eine Täuschung über den zugrundeliegenden Tatsachenkern dar (vgl. [X.], Beschlüsse vom 26. August 2003

5 [X.], [X.]St 48, 331, 344 und vom 6. Oktober 2009

4 [X.], [X.], 146; MüKo-StGB/
[X.], 2. Aufl., § 263 Rn. 79 ff.; [X.], 12. Aufl., § 263 Rn.
9). Die Empfänger der Erklärungen wurden nach der Verkehrsanschauung nämlich nicht (lediglich) über die Rechtsfrage getäuscht, ob ein Anspruch be-steht, sondern über die tatsächliche eigentliche Zielrichtung der Abmahnschrei-ben, ausschließlich

nach § 8 Abs. 4
UWG rechtsmissbräuchliche

[X.] generieren und entsprechende Zahlungseingänge unter sich aufteilen zu wollen, anstatt ein Unterlassen des unlauteren Verhaltens der [X.] zu bewirken. Damit wurde über innere Tatsachen getäuscht.
Das [X.] hat es zwar explizit dahinstehen lassen, ob ein Fall des Rechtsmissbrauchs nach § 8 Abs. 4 UWG gegeben ist. Nach den rechtsfehler-frei getroffenen Feststellungen sind dessen Voraussetzungen aber zweifelsfrei gegeben. Den Geschädigten, die die Abmahnkosten beglichen haben, ist [X.]

entgegen der Ansicht der Strafkammer, die lediglich den hälftigen Be-trag als Schaden in Ansatz gebracht hat

ein Schaden in Höhe des gesamten [X.] entstanden. Dieser Bewertungsfehler beschwert den Ange-klagten jedoch nicht.
2. Auch die Verurteilung wegen Beihilfe zu 31 Fällen des Betruges und zu 1.118 Fällen des versuchten Betruges begegnet aus den genannten [X.] keinen Bedenken. Das Zurverfügungstellen der mit der Unterschrift des Angeklagten versehenen [X.] stellt eine Beihilfe zu der Tat der Mitangeklagten [X.]

und H.

im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB dar. Als Hilfeleistung ist grundsätzlich jede Handlung anzusehen, die die Herbeiführung 13
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des Taterfolgs durch den Haupttäter objektiv fördert oder erleichtert; dass sie für den Eintritt des Erfolgs in seinem konkreten Gepräge in irgendeiner Weise kausal wird, ist nicht erforderlich ([X.], Beschluss vom 24. Juni 2009

1 [X.], [X.], 311; Urteile vom 1. August 2000

5 [X.], [X.]R StGB § 27 Abs. 1 [X.] 21 und vom 16. November 2006

3 [X.], [X.]R StGB § 27 Abs. 1 [X.] 27). Mit dem Übersenden der [X.] förderte der Angeklagte die Taten der Mitangeklag-ten [X.]

und H.

vorliegend sogar maßgeblich, weil erst diese Vorlagen die betrügerischen
Rechnungsstellungen
überhaupt ermöglichten.
In dieser Fallkonstellation hat das [X.] zu Recht einen Vermö-gensschaden in Höhe des vollen in Rechnung gestellten Betrags angenommen. Auch hier liegt gemäß § 8 Abs. 4 UWG eine rechtsmissbräuchliche Geltendma-chung der Ansprüche aus § 3 Abs. 3 UWG i.V.m. dem Anhang zu § 3 Abs. 3
Nr. 23
UWG, §§ 9, 12 Abs. 1 Satz 2 UWG vor, so dass ein Zahlungsanspruch gegen die Abgemahnten nicht bestand.
Raum [X.]Radtke

Fischer Bär
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Meta

1 StR 483/16

08.02.2017

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.02.2017, Az. 1 StR 483/16 (REWIS RS 2017, 15988)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 15988

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Referenzen
Wird zitiert von

XI R 1/17

XI B 69/20

Zitiert

1 StR 483/16

5 StR 394/08

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