Bundesfinanzhof, Urteil vom 27.06.2018, Az. X R 17/17

10. Senat | REWIS RS 2018, 7143

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Gegenstand

Tatsächliche Verständigung - Beteiligung des für die Steuerfestsetzung zuständigen Amtsträgers


Leitsatz

NV: Eine tatsächliche Verständigung zwischen einer Finanzbehörde und dem Steuerpflichtigen setzt voraus, dass auf Seiten der Finanzbehörde an der Vereinbarung ein Amtsträger beteiligt ist, der für die Entscheidung über die Steuerfestsetzung zuständig ist.

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des [X.] vom 19. September 2016  15 K 4018/13 E,[X.] aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren 2006 und 2007 zur Einkommensteuer [X.] wurden. Der Kläger erzielte gewerbliche Einkünfte (§ 15 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) aus der "Vermittlung" bestimmter Stoffe. Seinen Gewinn ermittelte er durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1, § 5 EStG.

2

Zu Beginn des Jahres 2012 wurde durch den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--) eine veranlagende Außenprüfung beim Kläger für den Zeitraum 2006 bis 2008 angeordnet. Im Mai 2012 leitete die Steuerfahndung des Finanzamts ([X.]) ein Steuerstrafverfahren gegen den Kläger wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ein.

3

Die [X.] war der Ansicht, der Kläger habe die Firmen [X.] und [X.] mit 72 t und im Jahr 2007 mit 3,3 t beliefert, ohne den Warenverkauf in der Buchführung zu erfassen. Im Rahmen der Schlussbesprechung der Steuerfahndungsprüfung am 28. August 2012 unterzeichneten der Kläger, sein Prozessbevollmächtigter und der Sachgebietsleiter der [X.] einen Aktenvermerk, wonach beide Seiten hinsichtlich der nicht verbuchten Lieferungen an die Firmen [X.] und [X.] eine Gewinnmarge von 2 € pro kg für angemessen hielten.

4

Nachdem die [X.] dem Kläger ihren [X.] über die Steuerfahndungsprüfung zur Stellungnahme übersandte, wandte dieser ein, die Gewinnerhöhung für 2006 müsse von 216.000 € (72 t * 3 €) auf 144.000 € (72 t * 2 €) reduziert werden. Die [X.] vertrat hingegen die Auffassung, die Gewinnmarge sei wie am 28. August 2012 vereinbart mit 2 € je kg angesetzt worden. Die Gewinnmarge ermittele sich aus der Differenz zwischen Verkaufspreis abzüglich Einkaufspreis. Da in der bisherigen Gewinnermittlung für das [X.] bereits der Einkaufspreis in Höhe von 1 € pro kg als Aufwand verbucht worden sei, werde in dem [X.] 3 € je kg als Erlös angesetzt. Hieraus ergäben sich [X.] in Höhe von 216.000 € für das [X.] und in Höhe von 6.600 € für das Jahr 2007.

5

Das [X.] übernahm den [X.] der [X.] unverändert in den Bericht der Betriebsprüfung und änderte die Einkommensteuerbescheide 2006 und 2007 mit Bescheiden vom 22. Januar 2013 sowie die Gewerbesteuermessbescheide 2006 und 2007 mit Bescheiden vom 12. Februar 2013 entsprechend dem Prüfungsergebnis der [X.].

6

Das Finanzgericht ([X.]) wies die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2017, 1635 veröffentlichten Urteil hinsichtlich der streitigen Gewinnerhöhungen der [X.] ab. Die Vereinbarung vom 28. August 2012 sei steuerrechtlich als sogenannte tatsächliche Verständigung einzuordnen und demgemäß bindend. Die Abrede führe auch nicht zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung. Die Gesamtumstände ließen nicht die Feststellung zu, dass die Abrede unter Drohung oder Druck zustande gekommen sei.

7

Deren Einordnung als tatsächliche Verständigung scheitere auch nicht daran, dass an ihrem Zustandekommen nicht die zuständigen entscheidungsberechtigten Amtsträger beteiligt gewesen wären. Grundsätzlich müsse auf Seiten der Finanzbehörde ein entscheidungsbefugter Beamter mitwirken. Dies sei im Streitfall bei der Schlussbesprechung am 28. August 2012 nicht der Fall gewesen. Die Rechtsfrage, ob eine Vertretung des entscheidungsberechtigten Amtsträgers möglich ist oder ob dieser die Erklärung eines anderen Amtsträgers, der an der Vereinbarung mitgewirkt habe, genehmigen könne, sei streitig. Nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) komme dann, wenn ein entscheidungsbefugter Beamter an der Schlussbesprechung nicht teilgenommen habe, eine Vertretung und auch eine nachträgliche Genehmigung nicht in Betracht.

8

Letztlich könne die (Rechts-)Frage der Genehmigungsfähigkeit im Streitfall dahinstehen. Der Fall des [X.] stelle eine Sondersituation bzw. einen Einzelfall mit Besonderheiten dar: Die Feststellungen der [X.] seien einvernehmlich als "[X.]" in die Auswertungen der veranlagenden Betriebsprüfung des [X.] eingegangen. Hier sei die Ausgangslage nicht vergleichbar mit Fällen der Beteiligung konkurrierender Zuständigkeitsbereiche (etwa nichtveranlagende Betriebsprüfung/Sachbearbeiter Veranlagung). Vielmehr stellten sich die Umstände dergestalt dar, dass die [X.] "im Auftrag" des [X.] bzw. arbeitsteilig tätig geworden sei; quasi so, als hätte das [X.] selbst gehandelt. Das [X.] habe (nach interner Handhabung) keine Prüfungsbefugnis bzw. auch keinen [X.] dahingehend gehabt, ob es die Feststellungen der [X.] übernimmt oder nicht; die Übernahme sei ohne Weiteres erfolgt.

9

Mit der Revision rügen die Kläger das Vorliegen von Verfahrensfehlern sowie die Verletzung materiellen Rechts. Insbesondere weiche das Urteil des [X.] von der Rechtsprechung des [X.] ab, wonach beim Abschluss einer tatsächlichen Verständigung ein für die Entscheidung über die Steuerfestsetzung zuständiger Amtsträger mitwirken müsse und eine Vertretung oder Genehmigung nicht möglich sei. Entgegen der Auffassung des [X.] liege kein Sonderfall vor, der es rechtfertigen könnte, diese Grundsätze der [X.]-Rechtsprechung nicht anzuwenden. Zudem sei die Entscheidung des [X.] insoweit überraschend und verletze den Anspruch des [X.] auf Gewährung rechtlichen Gehörs i.S. von § 119 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O). Darüber hinaus würden die Feststellungen eines Sonderfalls vom Akteninhalt nicht getragen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O).

Die Kläger beantragen sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide 2006 und 2007 vom 22. Januar 2013 und die Gewerbesteuermessbescheide 2006 und 2007 vom 12. Februar 2013, jeweils in Gestalt der [X.] vom 14. Oktober 2013, dahingehend zu ändern, dass die Gewinnerhöhungen von 216.000 € für 2006 und 6.600 € für 2007 nicht vorgenommen werden.

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Die im vorliegenden Fall geschlossene tatsächliche Verständigung sei bereits deshalb wirksam, weil das [X.] den Inhalt des Aktenvermerks in die Steuerfestsetzungen uneingeschränkt übernommen und damit zum Ausdruck gebracht habe, dass die Vereinbarung des [X.] mit der anderen Behörde genehmigt werde. Ein etwaiger Fehler der sachlichen Zuständigkeit sei in Anwendung des Rechtsgedankens der § 177 Abs. 1, § 184 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) durch nachträgliche Zustimmung geheilt worden.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das [X.] (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]O).

1. Das [X.] hat zu Unrecht entschieden, dass der Kläger und das [X.] eine sie bindende tatsächliche Verständigungsvereinbarung abgeschlossen haben. Eine tatsächliche Verständigung setzt voraus, dass auf Seiten der Finanzbehörde an der Vereinbarung ein Amtsträger beteiligt ist, der für die Entscheidung über die Steuerfestsetzung zuständig ist (unter a). Im Streitfall liegt entgegen der Auffassung des [X.] keine Sondersituation vor, die es rechtfertigen würde, von diesem Grundsatz abzuweichen (unter [X.]). Eine Genehmigung der tatsächlichen Verständigung durch den für die Steuerfestsetzung zuständigen Amtsträger kommt vorliegend ebenfalls nicht in Betracht (unter b bb).

a) Der [X.] hat die Zulässigkeit tatsächlicher Verständigungen grundsätzlich anerkannt (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 1. September 2009 VIII R 78/06, [X.]/NV 2010, 593, Rz 14, und vom 11. April 2017 IX R 24/15, [X.]E 258, 199, [X.], 1155, Rz 15, jeweils m.w.N.). Zweck der tatsächlichen Verständigung ist es, zu jedem Zeitpunkt des Besteuerungsverfahrens hinsichtlich bestimmter Sachverhalte, deren Klärung schwierig, aber zur Festsetzung der Steuer notwendig ist, den möglichst zutreffenden Besteuerungssachverhalt i.S. des § 88 der Abgabenordnung ([X.]) einvernehmlich festzulegen ([X.]-Urteil vom 28. Juni 2001 IV R 40/00, [X.]E 196, 87, [X.] 2001, 714, unter 2.b) und insoweit Unsicherheiten und Ungenauigkeiten zu beseitigen ([X.]-Urteil vom 31. Juli 1996 XI R 78/95, [X.]E 181, 103, [X.] 1996, 625, unter [X.]). Die tatsächliche Verständigung dient insbesondere zur Behebung eines Beweisnotstandes des Steuerpflichtigen anstelle einer andernfalls nach § 162 Abs. 1 Satz 1 [X.] regelmäßig gebotenen Schätzung der Besteuerungsgrundlagen ([X.]-Urteil in [X.]/NV 2010, 593, Rz 14). Tatsächliche Verständigungen zwischen Finanzbehörde und Steuerpflichtigen können grundsätzlich sowohl bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen im Veranlagungs-, Außenprüfungs- oder Rechtsbehelfsverfahren als auch im Rahmen von Steuerfahndungsverfahren sowie nach Einleitung eines Steuerstrafverfahrens getroffen werden (v. [X.], [X.]-Steuerberater 2001, 190, 191).

Unabhängig davon, ob man mit der ganz herrschenden Meinung im Schrifttum in der tatsächlichen Verständigung einen öffentlich-rechtlichen Vertrag erblickt [X.]/Rüsken, [X.], 13. Aufl., § 162 Rz 30a; [X.], [X.] Steuerrecht --DStR-- 2001, 2093, 2098; [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Vorbemerkungen zu §§ 118 bis 129 [X.] Rz 15; v. [X.] in [X.]/v. [X.], 21. Aufl., [X.], Vor §§ 204 bis 207 Rz 29, jeweils m.w.N.) oder eine anderweitige, am Grundsatz von [X.] und Glauben zu messende Übereinkunft (s. [X.]-Urteile vom 6. Februar 1991 I R 13/86, [X.]E 164, 168, [X.] 1991, 673, unter II.2.d; vom 12. August 1999 XI R 27/98, [X.]/NV 2000, 537, unter II.3., und [X.]surteil vom 7. Juli 2004 [X.], [X.]E 206, 292, [X.] 2004, 975, unter II.B.1.), kommt der Verständigung unter bestimmten Voraussetzungen Bindungswirkung zu ([X.]-Urteil in [X.]/NV 2010, 593, Rz 15).

Danach ist erforderlich, dass sich die Vereinbarung auf [X.] --nicht aber auf [X.] bezieht, der Sachverhalt die Vergangenheit betrifft, die Sachverhaltsermittlung erschwert ist und die tatsächliche Verständigung nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt (vgl. [X.]surteil in [X.]E 206, 292, [X.] 2004, 975, unter II.B.1., m.w.N.). Darüber hinaus setzt eine wirksame Sachverhaltsvereinbarung voraus, dass auf Seiten der Finanzbehörde an der Vereinbarung ein Amtsträger beteiligt ist, der für die Entscheidung über die Steuerfestsetzung zuständig ist ([X.]-Urteile vom 5. Oktober 1990 III R 19/88, [X.]E 162, 211, [X.] 1991, 45, unter 2.a; vom 28. Juli 1993 XI R 68/92, [X.]/NV 1994, 290, unter [X.]; vom 22. September 2004 III R 9/03, [X.]E 207, 549, [X.] 2005, 160, unter [X.]; [X.], DStR 2001, 2093, 2095; [X.], Verständigungen in Steuerverfahren, 1996, S. 334 ff.). Dies ist nach der [X.] in der Regel bei dem Amtsleiter, dem Sachgebietsleiter oder dem Leiter der [X.] anzunehmen (vgl. [X.]-Urteil in [X.]/NV 1994, 290, unter [X.]). Nur im Falle einer veranlagenden Außenprüfung ist auch der Sachgebietsleiter der [X.] ebenfalls entscheidungsbefugt ([X.]-Urteil in [X.]E 207, 549, [X.] 2005, 160, unter [X.]). Zwar handelt auch ein Prüfer, soweit er [X.] tätig wird, für die Finanzbehörde; er hat aber --von den Fällen der veranlagenden Außenprüfung [X.] keine Entscheidungsbefugnis. Das von ihm [X.] dient lediglich als Grundlage für die Festsetzung der Steuer durch die [X.] ([X.]-Urteil in [X.]E 162, 211, [X.] 1991, 45, unter 2.a).

b) Im Streitfall wurde eine Einigung im Rahmen der Schlussbesprechung der Steuerfahndungsprüfung am 28. August 2012 lediglich zwischen dem Kläger, seinem Prozessbevollmächtigten und dem Sachgebietsleiter der --noch dazu einem anderen Bundesland als das [X.] angehörenden-- [X.] erzielt, also ohne Beteiligung eines für die Steuerfestsetzung zuständigen Amtsträgers. Dies reicht nicht aus.

aa) Das [X.] hat im Streitfall eine "Sondersituation" angenommen, da die [X.] "im Auftrag" des [X.] bzw. "arbeitsteilig" tätig geworden sei. Dieser Auffassung kann der erkennende [X.] nicht folgen. Zwar ist die Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] in Fällen der Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten für die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen zuständig. Die Steuerfahndung hat jedoch grundsätzlich keine Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der Steuerfestsetzung. Nach § 208 Abs. 3 [X.] bleiben die Aufgaben und Befugnisse der Finanzämter unberührt. Das Finanzamt hat die Ermittlungsergebnisse der Fahndung steuerrechtlich selbständig zu würdigen [X.]/Rüsken, a.a.[X.], § 208 Rz 57, 58).

Gesetzlich geregelte Zuständigkeiten können zudem grundsätzlich nicht durch Beauftragung verändert werden [X.]/ Rüsken, a.a.[X.], § 195 Rz 10). Zwar können die für die Besteuerung zuständigen Finanzbehörden im Einzelfall andere Finanzbehörden mit der Außenprüfung beauftragen (§ 195 Satz 2 [X.]). In diesem Fall kann die beauftragte Finanzbehörde im Namen der zuständigen Finanzbehörde die Steuerfestsetzung vornehmen (§ 195 Satz 3 [X.]). Im Streitfall hat das [X.] die [X.] indes nicht mit der Durchführung der gesamten Außenprüfung gemäß § 195 Satz 2 [X.] beauftragt. Die [X.] hat die Besteuerungsgrundlagen hinsichtlich eines bestimmten Sachverhalts ermittelt, welcher lediglich einen Teilaspekt der Außenprüfung betraf. Für die Steuerfestsetzung bzw. den Erlass der angegriffenen Bescheide war ausschließlich das [X.] zuständig. Das [X.] hatte damit im Streitfall die Befugnis und die Pflicht zur Prüfung des Teilberichts der [X.] und war nicht --wie das [X.] meint-- an dessen Ergebnis gebunden.

bb) Dem Erfordernis der Beteiligung eines für die Steuerfestsetzung zuständigen Amtsträgers konnte im Streitfall ferner nicht dadurch Rechnung getragen werden, dass dieser die tatsächliche Verständigung in entsprechender Anwendung von §§ 177, 184 BGB nachträglich genehmigt hat.

(1) Nach der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung kommt eine Vertretung eines entscheidungsbefugten Beamten bei einer Schlussbesprechung nicht in Betracht, da gerade durch dessen persönliche Anwesenheit den Beteiligten die besondere Bedeutung ihrer Erklärungen im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung vor Augen geführt werden soll (vgl. [X.]-Urteil in [X.]/NV 1994, 290; ebenso [X.]-Beschluss vom 11. Juni 2014 IX B 6/14, [X.]/NV 2014, 1496, Rz 3; in den [X.]-Entscheidungen vom 25. November 1997 IX R 47/94, [X.]/NV 1998, 580, unter 2.b; in [X.]E 206, 292, [X.] 2004, 975, unter II.B.1., und vom 13. Februar 2008 I R 63/06, [X.]E 220, 415, [X.] 2009, 414, unter [X.] wurde die Frage offengelassen). Demzufolge könnten die Erklärungen von Vertretern mit oder ohne Vollmacht nicht berücksichtigt, also auch nicht nachträglich genehmigt werden.

(2) Der erkennende [X.] hält eine Genehmigung einer tatsächlichen Verständigung durch den zuständigen Amtsträger zwar durchaus für bedenkenswert, um den Bedürfnissen der Praxis entgegen zu kommen (für eine Genehmigungsmöglichkeit auch Schreiben des [X.] --BMF-- vom 30. Juli 2008, [X.], 831, Rz 5.3; Urteile des [X.] Hamburg vom 4. Dezember 1991 II 125/89, E[X.] 1992, 379; [X.] Baden-Württemberg vom 26. März 1992  3 K 132/86, E[X.] 1992, 706; [X.] Saarland vom 30. September 1992  1 K 8/92, E[X.] 1993, 279; Baum, Neue Wirtschaftsbriefe --NWB--, Fach 2, 9957, 9959; Buciek, [X.] 1999, 389, 397; Greite, NWB, Fach 2, 8407; [X.], Schätzungen im Steuerrecht, 4. Aufl. 2017, unter 5.2.2.1; [X.] in [X.]/[X.], [X.]/[X.]O, § 162 Rz 178; [X.], DStR 2001, 2093, 2095; [X.]/Rüsken, a.a.[X.], § 162 Rz 32; [X.], Verständigungen in Steuerverfahren, 1996, S. 340; vgl. [X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], Vorbemerkungen zu §§ 118 bis 129 [X.] Rz 25; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 78 [X.] Rz 135 f.).

Allerdings ist das von diesen Stimmen gesehene Bedürfnis einer Lockerung der bisher von der Rechtsprechung geforderten verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer tatsächlichen Verständigung abzuwägen mit der erheblichen Bedeutung dieser Erklärung für den Steuerpflichtigen. Diesem steht sofort nach Abschluss der tatsächlichen Verständigung materiell keinerlei Rechtsschutzmöglichkeit gegen die Steuerbescheide, die das Ergebnis der Verständigung umsetzen, mehr zu; eine Überprüfung des Inhalts der tatsächlichen Verständigung durch die Gerichte ist ausgeschlossen. Es ist daher vor dem Hintergrund der --insoweit erheblich eingeschränkten-- Garantie des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes nach Auffassung des erkennenden [X.]s zwingend, für die Wirksamkeit einer tatsächlichen Verständigung verfahrensrechtliche Sicherungen vorzusehen, die eine Warnfunktion haben und dem Steuerpflichtigen deutlich machen, welche einschneidenden Wirkungen seine Zustimmung zu der Verständigung haben wird.

Wenn daher auf das Erfordernis der persönlichen Anwesenheit des für die Steuerfestsetzung zuständigen Amtsträgers verzichtet würde, müssten im Gegenzug andere verfahrensrechtliche Sicherungen vorgesehen werden, um die erforderliche Warnfunktion zu gewährleisten. So sieht etwa die Finanzverwaltung vor, dass der Inhalt einer tatsächlichen Verständigung schriftlich dokumentiert und von den Beteiligten unterschrieben werden muss; ferner ist in der über die Verständigung aufgenommenen Urkunde ein ausdrücklicher Hinweis auf die Bindungswirkung erforderlich (BMF-Schreiben in [X.], 831, [X.]. 5.5). Auch der erkennende [X.] würde diese Konzeption, ergänzt um einen zwingenden Hinweis auf die schwebende Unwirksamkeit der Verständigung bis zu ihrer Genehmigung durch den zuständigen Amtsträger, für grundsätzlich geeignet halten, um --auch anstelle des bisherigen Erfordernisses der persönlichen Anwesenheit des zuständigen [X.] die erforderliche Warnfunktion zu gewährleisten. Einer Neuausrichtung der Ausgestaltung dieser verfahrensrechtlichen Gewährleistungen steht jedoch die bisherige [X.]-Rechtsprechung entgegen, die insbesondere einen [X.] ablehnt (z.B. [X.]-Urteil in [X.]E 181, 103, [X.] 1996, 625, unter [X.]), so dass die Gefahr besteht, dass auch Vereinbarungen unterhalb einer gewissen Förmlichkeitsschwelle zur Versagung jeglicher materiellen Rechtsschutzmöglichkeit führen könnten.

(3) Im Streitfall führen beide Auffassungen zum selben Ergebnis, so dass die Frage, welcher Konzeption der Vorzug zu geben ist, nicht entscheidungserheblich ist. Bei Zugrundelegung der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung scheitert die Wirksamkeit der tatsächlichen Verständigung an der fehlenden Beteiligung eines für die Steuerfestsetzung zuständigen Amtsträgers. Folgt man hingegen der aufgezeigten Alternativkonzeption, wäre die Verständigung wegen des Fehlens der erforderlichen ausdrücklichen Hinweise auf ihre Bindungswirkung und die schwebende Unwirksamkeit ohne rechtliche Wirkung.

2. Die Sache ist nicht spruchreif und deshalb an das [X.] zurückzuverweisen. Der [X.] kann mangels ausreichender Feststellungen des [X.] nicht selbst beurteilen, ob die vom [X.] zugrunde gelegten Besteuerungsgrundlagen rechtmäßig sind.

a) Zwar vertritt das [X.] im Rahmen seiner Revisionserwiderung die Auffassung, es könne dahingestellt bleiben, ob zwischen den Beteiligten eine tatsächliche Verständigung vorliege, da sich das [X.] den von der [X.] zugrunde gelegten Sachverhalt zu Eigen gemacht habe. Sowohl der Kläger als auch sein Prozessbevollmächtigter hätten den Aktenvermerk vom 28. August 2012 unterzeichnet, daher habe das Gericht dem Dokument eine hohe Beweiskraft zumessen dürfen. Diese widerspruchsfrei getroffenen Tatsachenfeststellungen seien für das Revisionsgericht gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O bindend.

b) Diese Rechtsansicht kann indes nicht geteilt werden. Es ist nicht erkennbar, dass das [X.] den der tatsächlichen Verständigung zugrunde liegenden Sachverhalt ermittelt und gewürdigt hätte. Das Gericht hat keine Tatsachen festgestellt, sondern lediglich im Rahmen einer Evidenzkontrolle geprüft, ob die tatsächliche Verständigung zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führt.

3. Da die Revision des [X.] bereits aufgrund der materiellen Mängel des finanzgerichtlichen Urteils in der Sache Erfolg hat, bedürfen die geltend gemachten Verfahrensfehler keiner weiteren Erörterung.

4. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

X R 17/17

27.06.2018

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 19. September 2016, Az: 15 K 4018/13 E,G, Urteil

§ 88 AO, § 162 Abs 1 S 1 AO, § 177 BGB, § 184 BGB, § 11 Abs 2 BpO 2000 vom 17.12.1987, Art 19 Abs 4 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 27.06.2018, Az. X R 17/17 (REWIS RS 2018, 7143)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 7143

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