Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.02.2014, Az. 2 StR 239/13

2. Strafsenat | REWIS RS 2014, 7736

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Gegenstand

Adhäsionsverfahren: Bemessung des Schmerzensgeldes; Aufrechterhaltung der Schmerzensgeldentscheidung dem Grunde nach im Revisionsverfahren


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 17. Dezember 2012 dahin geändert, dass an Stelle der Verurteilung des Angeklagten zur Zahlung eines auf 15.000 Euro bezifferten Schmerzensgeldes nebst Zinsen und der zugehörigen Vollstreckbarkeitserklärung der Ausspruch tritt:

„Der von dem Nebenkläger [X.]    gegen diesen Angeklagten erhobene Anspruch auf Schmerzensgeld ist dem Grunde nach gerechtfertigt."

Von einer weiteren Entscheidung über den [X.] wird abgesehen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Ferner hat es ihn verurteilt, an den Nebenkläger [X.]    ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit Verfahrensrügen und der Sachbeschwerde. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

I.

2

1. Nach den Feststellungen des [X.]s war der gesondert verfolgte M.     U.   von den [X.] D.     M.    nach einem Streit aus dem Ladenlokal „G.          " verwiesen worden. Daraufhin bewaffnete M.     U.   sich, den Angeklagten und einen [X.] jeweils mit einem Holztischbein als Schlagwerkzeug. Die Mittäter folgten dem Geschädigten [X.]    , als dieser das Ladenlokal verließ, um zu seiner Wohnung zu gehen. Einer von ihnen versetzte dem Geschädigten einen wuchtigen Hieb mit dem Tischbein gegen den Hinterkopf, wodurch dieser eine Schädelfraktur erlitt und in die Knie ging. In dieser Position traf den Geschädigten ein weiterer Schlag mit einem Tischbein an die Stirn, so dass er zu Boden fiel. Auf dem Rücken liegend wurde er von allen Mittätern mit den Tischbeinen geschlagen, wobei er Frakturen am Oberarmgelenk und an der Elle des rechten Arms erlitt. Ferner wurde er am Bauch getroffen, bevor die Täter von ihm abließen. Ein Bruch des linken [X.] kann durch einen Schlag oder den Sturz verursacht worden sein.

3

Der Geschädigte war potenziell lebensgefährlich verletzt und musste operativ versorgt werden. Gegen ärztlichen Rat verließ er das Krankenhaus bereits nach vier Tagen. Er behielt eine Narbe am Kopf, litt monatelang an Taubheitsgefühlen und Kopfschmerzen und war zwei Monate lang krank geschrieben.

4

2. Das [X.] hat angenommen, der Angeklagte sei zwar vom Versuch des [X.] zurückgetreten, aber der gefährlichen Körperverletzung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5 StGB schuldig.

5

Die sachverständig beratene [X.] hat festgestellt, der Angeklagte sei unbeschadet der Eintragung des 24. Januar 1991 als Geburtsdatum im [X.] Personenstandsregister zur Tatzeit bereits Erwachsener gewesen. Deshalb hat sie ihn nach dem für Erwachsene geltenden Strafrecht abgeurteilt.

II.

6

Die Revision des Angeklagten ist unbegründet, soweit sie sich gegen den Schuld- und Strafausspruch richtet. Auch für die von der Verteidigung erstrebte Kompensation der Dauer des Revisionsverfahrens ist kein Raum. Jedoch führt die Revision zur Aufhebung des Ausspruchs über die Höhe des Schmerzensgeldes.

7

1. Zwar begegnet die Annahme des [X.]s rechtlichen Bedenken, der Angeklagte sei zurzeit seiner Untersuchung am 22. August 2012 mindestens zweiundzwanzig Jahre alt gewesen, weshalb davon auszugehen sei, dass er zur Tatzeit - am 2. Juni 2011 - das einundzwanzigste Lebensjahr vollendet gehabt habe. Die [X.] hat aber betont, dass die Anwendung von Jugendstrafrecht „mangels festzustellender Reifeverzögerungen selbst dann nicht in Betracht gekommen" wäre, wenn der Angeklagte zur Tatzeit das einundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt hätte. Diese Überlegung zur sittlichen und geistigen Entwicklung des Angeklagten im Urteilszeitpunkt (§ 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG) bleibt von den Feststellungen zur körperlichen Entwicklung bei der Altersbestimmung unberührt. Dies trägt die Ablehnung der Anwendung von Jugendstrafrecht.

8

2. Die Entscheidung über den Adhäsionsantrag ist rechtsfehlerhaft.

9

a) Zur Begründung hat das [X.] auf die „festgestellten Tatumstände" verwiesen und angemerkt, angesichts dieser Umstände sei die Schmerzensgeldforderung „angemessen, um einerseits einen Ausgleich für die durch den Geschädigten erlittenen Leiden zu schaffen und zum anderen der mit dem Schmerzensgeld auch bezweckten Genugtuung gerecht zu werden." Das genügt nicht. Die Urteilsgründe müssen alle Erwägungen ansprechen, die für die Bemessung des Schmerzensgeldes von Bedeutung sein können ([X.], [X.], 26. Aufl., § 406 Rn. 7). Das ist hier nicht der Fall.

Maßgebend für die Höhe des Schmerzensgeldes sind nicht nur die Schwere der Tat, die durch die „Tatumstände" beschrieben wird, und die durch sie verursachten Gesundheitsschäden des Verletzten, sondern regelmäßig auch die wirtschaftlichen Verhältnisse von Täter und Opfer ([X.], Beschluss vom 14. Oktober 1998 - 2 [X.], [X.]St 44, 202, 203; Beschluss vom 23. Februar 2012 - 4 [X.], [X.], 711; Beschluss vom 21. November 2013 - 2 [X.]). Dem Urteil ist nicht zu entnehmen, dass dies alles berücksichtigt worden ist.

b) Der Ausspruch über das Schmerzensgeld muss aber nicht ganz aufgehoben werden. Hat das Tatgericht dem Verletzten ein Schmerzensgeld zugesprochen und beanstandet das Revisionsgericht - wie hier - lediglich dessen Bemessung, so kann die Zuerkennung des Schmerzensgeldanspruchs dem Grunde nach aufrechterhalten bleiben (vgl. Senat aaO, [X.]St 44, 202, 203).

3. Der [X.] des Beschwerdeführers ist so gering, dass es nicht geboten ist, ihn aus Billigkeitsgründen teilweise von der Kosten- und Auslagenlast freizustellen (§ 473 Abs. 4 [X.]).

Fischer                             Appl                       Krehl

               Eschelbach                        Ott

Meta

2 StR 239/13

19.02.2014

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Erfurt, 17. Dezember 2012, Az: 176 Js 30655/11 - 3 Ks jug

§ 224 Abs 1 Nr 2 StGB, § 224 Abs 1 Nr 4 StGB, § 224 Abs 1 Nr 5 StGB, § 403 StPO, §§ 403ff StPO, § 406 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.02.2014, Az. 2 StR 239/13 (REWIS RS 2014, 7736)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7736

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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