Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.02.2014, Az. I ZR 75/13

I. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 8109

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I
ZR
75/13
Verkündet am:
6. Februar 2014
Bürk
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

Aufruf zur [X.]
BGB § 823 Abs. 1 Ai
Die an eine Sparkasse gerichtete Aufforderung eines Verbraucherverbandes, das Girokonto eines Inkassounternehmens zu kündigen, das sich durch die Geltendmachung von Forderungen bewusst an der Durchsetzung eines auf systematische Täuschung von Verbrauchern angelegten Geschäftsmodells des Auftraggebers beteiligt, stellt keinen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichte-ten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar.
[X.], Urteil vom 6. Februar 2014
I ZR 75/13
OLG [X.] am Main

LG [X.] am Main

-
2
-
Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 6.
Februar
2014 durch [X.]
Dr.
Büscher, Pokrant, Dr.
Kirchhoff, Dr.
Koch
und Dr.
Löffler

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] des
Oberlandesgerichts [X.] am Main vom 26.
März 2013 auf-gehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.]s [X.] am Main
10. Kammer für Handelssachen
vom 27.
Juli 2012 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der
Rechtsmittel zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Beklagte ist die [X.]. Sie hat die [X.] in einem Schreiben zur Kündigung und Sperrung des Girokontos der Klägerin aufgefordert. Die Klägerin
ist ein
Inkassounternehmen, das
unter anderem für die W.
GmbH tätig war.
Im Februar 2011
bot die W.
GmbH auf ihrer Internetseite einen "[X.]"
an. Darin wurde der Nutzer aufgefordert, Kontaktdaten einzu-1
2

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3
-
geben und sich anzumelden, um den Service nutzen zu können. An der mit "Jetzt anmelden" bezeichneten Schaltfläche fand sich ein Sternchenhinweis, durch den auf eine Rubrik "Vertragsinformationen" verwiesen wurde. Darunter war in kleinerer Schrift der Hinweis angebracht, dass durch die Anmeldung ein Vertrag mit zwei Jahren Vertragslaufzeit abgeschlossen werde, für den Kosten in Höhe von 96

jährlich anfallen sollten.
Nachdem ein Verbraucher aufgrund eines
Aufrufs
des Angebots der W.
GmbH von dieser eine Zahlungsaufforderung in Höhe von 96

für einen zwölf-monatigen Zugang zum dort angebotenen [X.] erhalten und sich
an die Beklagte gewandt hatte, erklärte diese im Namen des Verbrauchers
die Anfechtung des Vertrags wegen arglistiger Täuschung. Dennoch erhielt der Verbraucher von der
nunmehr
mit der Einziehung der Forderung beauftragten Klägerin eine Mahnung. Auch nach einer erneuten Intervention der Beklagten erhielt der Verbraucher eine weitere Mahnung der Klägerin.
Die
Beklagte wandte sich daraufhin
mit einem Schreiben vom 3.
August 2011 an die [X.], in dem es unter anderem hieß:
Das Unternehmen W.
Ltd. betreibt mindestens eine Internetseite, bei der durch die Gestaltung der Seite die Fehlvorstellung erweckt wird, die Nutzung der Inhalte
auf dieser Internetseite erfolge kostenlos. Der [X.] ist versteckt. Als Nutzer bemerkt man nicht, dass man angeblich eine kostenpflichtige Mitgliedschaft für ein Abonnement vertraglich vereinbart.
Mittlerweile wurde bereits das Inkassounternehmen D. GmbH
mit dem Inkasso der unberechtigten Forderung beauftragt. Zu Beweiszwecken senden wir Ihnen in der Anlage die uns zugesandten unberechtigten Rechnungen/Mahnungen mit den rechtswidrigen Zahlungsaufforderungen. Eine
für den angeblichen Jahresbeitrag Gegenleistung wird nicht erbracht.
Derartige Internetseiten sind rechtswidrig. Das Handeln der Internetseitenbetreiber ist offenkundig wettbewerbswidrig. Der Tatbestand des Betrugs ist erfüllt. Bitte kon-taktieren Sie auch die zuständige St[X.]tsanwaltschaft,
ob möglicherweise bereits 3
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entsprechende Anzeigen oder Verfahren gegen das genannte Unternehmen [X.], die unseren Hinweis untermauern.
Da für Bankinstitute, wie bereits mehrfach gerichtlich festgestellt, keine Kontofüh-rungspflicht für Girokonten von unseriösen Internetunternehmen und ihren Hand-langern/Gehilfen besteht, bitten wir Sie um Ihre Mithilfe. Tragen auch Sie dazu bei, den finanziellen Schaden der Opfer zu begrenzen. Kündigen und sperren Sie das Konto ...
der D. GmbH.
Die Klägerin
sieht in dem Verhalten der Beklagten
einen rechtswidrigen Eingriff in ihr Recht am
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.
Sie hat
beantragt, der Beklagten zu untersagen,
Kreditinstitute, bei denen die Klägerin ein Girokonto unterhält, dazu [X.], dieses
Girokonto zu kündigen und/oder zu sperren und hierzu

1.
über die Klägerin zu behaupten, dass diese mit dem Inkasso von unberech-tigten Forderungen beauftragt wurde,

sowie

2.
über eine Mandantin der Klägerin zu behaupten, diese handele
offenkundig wettbewerbswidrig und/oder unterhalte
rechtswidrige Internetseiten und/oder erfülle
den Tatbestand des Betruges,

insbesondere wie mit Schreiben der Beklagten unter dem
3.
August 2011 durch die Sachbearbeiterin Frau S. in Anlage [X.] und Anlage [X.] der Beklagten ge-schehen.
Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben
(OLG [X.], K&R
2013, 405). Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt
die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

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5
-
Entscheidungsgründe:
A. Das Berufungsgericht hat den Unterlassungsanspruch für begründet angesehen und dazu ausgeführt:
Der geltend gemachte
Anspruch ergebe sich zwar weder aus Vorschriften des UWG noch aus §
824 BGB oder §
823 Abs.
2 BGB in Verbindung mit §§
186, 187 StGB. Der Unterlassungsantrag sei jedoch gemäß
§
823 Abs.
1, §
1004 BGB unter dem Gesichtspunkt des rechtswidrigen Eingriffs in den einge-richteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gerechtfertigt.
Die Klägerin sei als Inkassounternehmen durch die Aufforderung der [X.] zur Kündigung des Girokontos besonders nachhaltig betroffen. Es habe die Gefahr bestanden, dass die angeschriebene
Sparkasse bei der beanstan-deten Aufforderung durch einen anerkannten Verbraucherschutzverein selbst keine nähere tatsächliche und rechtliche Prüfung des Verhaltens der Klägerin vornehmen, sondern die Kündigung allein deswegen aussprechen werde, weil sie sich nicht dem Vorwurf einer Zusammenarbeit mit einem unseriösen Inkas-sounternehmen aussetzen wolle. Die beanstandete Aufforderung sei nicht dadurch gerechtfertigt, dass
die Klägerin
in wettbewerbsrechtlich unlauterer Weise
versucht habe, eine Forderung der [X.] einzutreiben, die durch ein irreführendes Angebot zustande
gekommen sei. Das von der Beklagten ge-wählte Mittel zur Unterbindung dieses Verhaltens, nämlich die Aufforderung zur Kündigung eines Girokontos gegenüber der Bank der Klägerin,
sei zwar ein geeignetes Mittel, um dem unlauteren
Verhalten der [X.] und der Klägerin Einhalt zu gebieten. Die Aufforderung sei aber nicht verhältnismäßig, weil der
Beklagten
gleichwertige, für die Klägerin weniger belastende Möglichkeiten des Vorgehens
zur Verfügung gestanden hätten.
So könnten Verbraucherverbände die Öffentlichkeit
informieren und dadurch
Missstände anprangern und bekämp-7
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-
fen. Zudem seien Verbraucherverbände durch den Gesetzgeber mit [X.] Möglichkeiten ausgestattet worden, wettbewerbswidrige und verbrau-cherschädigende Praktiken gerichtlich unterbinden zu
lassen. Die [X.] auch im vorliegenden Fall mit Aussicht auf Erfolg gegen das
Verhalten
der Klägerin gerichtlich vorgehen können.
B. Die gegen die Verurteilung der
Beklagten gerichteten Angriffe der Revi-sion haben Erfolg. Sie führen
zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zu-rückweisung der Berufung der Klägerin.
[X.] Der Klägerin steht kein Unterlassungsanspruch
gemäß §
823 Abs.
1, §
1004 BGB wegen
eines rechtswidrigen Eingriffs in ihr
Recht am eingerichte-ten und ausgeübten Gewerbebetrieb
gegen die Beklagte zu.
1. Ein Anspruch wegen Verletzung des als
sonstiges Recht im Sinne von §
823 Abs.
1 BGB geschützten eingerichteten und ausgeübten Gewerbebe-triebs
kommt in Betracht, wenn spezielle Schutzvorschriften zugunsten eines Unternehmens nicht durchgreifen ([X.], Urteil vom 24.
Juni 2004
I
ZR
26/02, [X.], 877, 880 = [X.], 1272
Werbeblocker; Urteil vom 24.
Ja-nuar 2006
XI
ZR
384/03, [X.]Z 166, 84 Rn.
93). Der Schutz des §
823 Abs.
1 BGB wird gegen jede Beeinträchtigung des Rechts am eingerichteten und [X.] Gewerbebetrieb gewährt, wenn die Störung einen unmittelbaren [X.] in den gewerblichen [X.] darstellt. Durch den dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb von der Rechtsprechung
gewährten Schutz soll das
Unternehmen in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit und in seinem Funkti-onieren vor widerrechtlichen Eingriffen bewahrt bleiben. Die Verletzungshand-lung muss sich gerade gegen den Betrieb und seine Organisation oder gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten und über die bloße Belästi-gung oder eine sozial übliche Behinderung hinausgehen. Unmittelbare Eingriffe 10
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7
-
in das Recht am bestehenden Gewerbebetrieb, gegen die §
823 Abs.
1 BGB Schutz gewährt, sind nur diejenigen, die gegen den Betrieb als solchen gerich-tet, also betriebsbezogen sind und nicht vom Gewerbebetrieb ohne weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgüter betreffen
([X.], Urteil vom 28.
Februar 2013
I
ZR
237/11, [X.], 917 Rn.
16 = WRP 2013, 1196
Vorbeu-gende Unterwerfungserklärung, mwN).
2. Das Berufungsgericht hat in der Aufforderung der Beklagten an die Sparkasse, das Girokonto der Klägerin zu kündigen, einen tatbestandsmäßigen Eingriff in ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb bejaht. Das lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Die Revision erinnert deswegen auch nichts.
3. Die Revision wendet sich aber
mit Erfolg
gegen die Annahme des [X.], die beanstandete Aufforderung zur Sperrung und Kündigung des Girokontos der Klägerin sei unter Abwägung der betroffenen Interessen als rechtswidrig anzusehen.
a) Das Recht am Gewerbebetrieb ist ein offener
Tatbestand, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Interessen-
und Güterabwägung mit den konk-ret kollidierenden Interessen anderer ergeben ([X.], [X.], 917 Rn.
18

Vorbeugende Unterwerfungserklärung, mwN). Die Behinderung der [X.] ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt ([X.], Urteil vom 15.
Mai 2012
VI
ZR
117/11, [X.]Z 193, 227 Rn.
27). Bei dieser
Abwägung sind
insbesondere
die betroffenen Grundrechte zu berücksichtigen
([X.] 114, 339, 348; [X.], Urteil vom 11.
März 2008
VI
ZR
7/07, [X.], 2110 Rn.
12 =
[X.], 813). Diesen Anforderungen wird die vom Berufungsge-richt vorgenommene Interessenabwägung nicht gerecht.
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-
8
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b) Die Revision rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht bei seiner Ab-wägung nicht berücksichtigt hat, dass sich die Beklagte im Hinblick auf den [X.] Aufruf auf die Meinungsäußerungsfreiheit im Sinne des Art.
5 Abs.
1 GG berufen kann.
Die von der Klägerin angegriffene Aufforderung zur Kündigung und Sperrung des Girokontos durch das Schreiben vom 3.
August 2011
ist eine durch Art.
5 Abs.
1 GG geschützte Meinungsäußerung.
[X.]) Dem steht nicht entgegen, dass die Aufforderung auf die Beeinträchti-gung der wirtschaftlichen Interessen der Klägerin abzielt, indem sie sich an
den Anbieter einer Dienstleistung richtet, auf dessen Dienste
die Klägerin zur Aus-übung ihres Geschäftsbetriebs angewiesen ist und die deshalb den Charakter einer Boykottmaßnahme hat. Auch der Aufruf zu einer Boykottmaßnahme, dem eine bestimmte Meinungskundgabe zu Grunde liegt, kann in den Schutzbereich des Art.
5 Abs.
1 GG fallen ([X.], Beschluss vom 8.
Oktober 2007

1
BvR
292/02, NJW-RR 2008, 200, 201, mwN).
Das
Schreiben der Beklagten vom 3.
August 2011 an die Sparkasse ist
nicht auf die Aufforderung zur Kündigung und Sperrung des Girokontos be-schränkt, sondern enthält auch wertende Elemente, mit denen die Beklagte der Sparkasse ihre Ansicht deutlich macht, dass die Klägerin einem Unternehmen Hilfe leistet, das
in rechtswidriger Weise durch Täuschung von Verbrauchern angebliche vertragliche Ansprüche unberechtigt durchzusetzen versucht. Mit ihrem Schreiben bringt die Beklagte ihre ablehnende Haltung gegen das Ge-schäftsgebaren der Klägerin und ihrer Auftraggeberin zum Ausdruck.
bb) Die Revisionserwiderung
wendet
vergeblich ein, die Beklagte könne sich nicht auf das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit berufen, weil ihre
beanstandeten Äußerungen, die Klägerin mache unberechtigte Forderungen geltend, ihre Auftraggeberin, die W.
GmbH, handele offenkundig wettbewerbs-16
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widrig, unterhalte eine rechtswidrige Internetseite und erfülle den Tatbestand des Betrugs, im Kontext des Schreibens vom 3.
August 2011 einen
Tatsachen-kern enthielten.
[X.]) Bei den angegriffenen Äußerungen der Beklagten handelt es sich nicht um Tatsachenbehauptungen. Der Umstand, dass die Äußerungen strafrechtli-che und deliktsrechtliche Tatbestände anführen, die eine umfassende Sub-sumtion erfordern, deutet auf eine subjektive Beurteilung hin ([X.], Urteil vom 22. Juni 1982 -
VI [X.], NJW 1982, 2248, 2249; [X.], Urteil vom 27. April 1999
[X.], NJW-RR 1999, 1251, 1252). Als Tatsachenmitteilung sind solche Angaben dagegen nur zu qualifizieren, wenn die Beurteilung im Ge-samtzusammenhang ihrer Verwendung beim Adressaten zugleich die Vorstel-lung von konkreten, in die Wertung eingekleideten tatsächlichen Vorgängen hervorruft, die als
solche einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zu-gänglich sind ([X.], [X.], 358, 359).
Nach diesen Kriterien beinhalten die angegriffenen Äußerungen der [X.] keine auf ihre Richtigkeit überprüfbaren Aussagen, sondern subjektive Bewertungen der Rechtslage. Die Beklagte hat ihren rechtlichen Ausführungen keinen konkreten Sachverhalt zugrunde gelegt. Sie hat vielmehr
auf eine nicht weiter bezeichnete und nach ihrer objektiven Gestaltung nicht näher beschrie-bene Internetseite der W.
GmbH
verwiesen. Den dort angeführten
[X.] hat die
Beklagte
als versteckt und den Nutzer deshalb über die Kostenlosigkeit des Angebots in die Irre führend eingeschätzt.
dd) Selbst wenn aber mit der Revisionserwiderung davon auszugehen wä-re, dass die in
Rede stehenden Äußerungen nicht auf Werturteile beschränkt wären, kann die Beklagte sich auf die Meinungsäußerungsfreiheit berufen.
20
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-
Außerhalb des Schutzbereichs des Art.
5 Abs.
1 GG liegen nur unwahre Tatsachenbehauptungen. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie für den Betroffenen nachteilig sind ([X.] 99, 185, 196; [X.], NJW 2012, 1500 Rn.
39).
Die Revisionserwi-derung macht nicht geltend, die Behauptungen der Beklagten in dem angegrif-fenen Schreiben seien unwahr. Sie hat sich nicht gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts
gewandt, das Angebot der [X.] sei unter Verstoß ge-gen das
Verbot der Irreführung gemäß §
5 UWG allein darauf angelegt gewe-sen, den Teil der Verbraucher vorsätzlich zu täuschen, der
die Kostenpflichtig-keit des Angebots übersehe. Weiter hat sich die Revisionserwiderung nicht ge-gen die Annahme des Berufungsgerichts
gewandt, dass die Realisierung der durch dieses irreführende Angebot erlangten Forderungen ein schwerwiegen-der Verstoß gegen das [X.]recht darstellt, für den auch die Klägerin verantwortlich ist, weil sie sich bewusst an dem auf systematische Täuschung des Verbrauchers angelegten Geschäftsmodell der W.
GmbH beteiligt.
c) Der im vom Berufungsgericht ausgesprochenen Verbot liegende Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit kann allerdings durch das Recht am einge-richteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
gemäß
§
823 Abs.
1 BGB, der ein allgemeines
Gesetz im Sinne von Art.
5 Abs.
2 GG
darstellt,
gerechtfertigt sein
([X.] 7, 198, 211). Dabei ist
zu berücksichtigen, dass diesem
Recht sei-nerseits durch Art. 12 Abs. 1 GG grundrechtlicher Schutz zukommt (vgl. [X.], NJW-RR 2004, 1710, 1711). Ob der in der Untersagung eines [X.] liegende Eingriff
in die Meinungsäußerungsfreiheit gerechtfertigt ist, hängt von einer Abwägung der wechselseitig betroffenen Interessen ab. [X.] sind zunächst die Motive und

damit verknüpft

das Ziel und der Zweck des Aufrufs. Findet dieser seinen Grund nicht in eigenen Interessen wirt-schaftlicher Art, sondern in der Sorge um politische, wirtschaftliche, [X.] oder 23
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kulturelle Belange der Allgemeinheit, dient er also der Einwirkung auf die öffent-liche Meinung, dann spricht dies dafür, dass der Schutz durch Art.
5 Abs.
1 GG regelmäßig Vorrang hat, auch wenn dadurch private und namentlich wirtschaft-liche Interessen beeinträchtigt werden. Die Verfolgung der Ziele des Aufrufen-den darf allerdings das Maß der nach den Umständen notwendigen und ange-messenen Beeinträchtigung des Angegriffenen oder betroffener Dritter nicht überschreiten. Schließlich müssen die Mittel der Durchsetzung des [X.] verfassungsrechtlich zu billigen sein. Das ist grundsätzlich der Fall, wenn der [X.] sich gegenüber dem Adressaten auf den Versuch geisti-ger Einflussnahme und Überzeugung, also auf Mittel beschränkt, die den geisti-gen Kampf der Meinungen gewährleisten, nicht aber, wenn zusätzlich [X.] eingesetzt werden, die der eigenen Meinung Nachdruck verleihen sollen und die innere Freiheit der Meinungsbildung zu beeinträchtigen drohen ([X.] 25, 256, 264; [X.], NJW-RR 2008, 200, 201). Diesen Anforderun-gen wird die vom Berufungsgericht vorgenommene Interessenabwägung auch im Ergebnis nicht gerecht.
[X.]) Im Streitfall ist es von maßgeblicher
Bedeutung, dass
die Beklagte
keine eigennützigen wirtschaftlichen Ziele verfolgt. Der Aufruf zur Sperrung und Kündigung des Girokontos bezweckt nicht die Förderung eigenen oder fremden [X.]. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wollte die [X.] vielmehr unter Wahrnehmung ihrer Aufgaben als Verbraucherschutzver-band dem für alle Verbraucher gefährlichen und schädigenden Verhalten der [X.] und der
dieser Hilfe leistenden
Klägerin Einhalt gebieten. Der Aufruf diente damit allein dem Schutz der Internetnutzer vor irreführenden [X.] und der Verhinderung der Durchsetzung durch Täuschung er-langter
Forderungen. Wird ein solches im Allgemeininteresse liegendes
Anlie-gen verfolgt, kommt der Ausübung der Meinungsfreiheit grundsätzlich
erhebli-25

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12
-
ches Gewicht zu, auch wenn Interessen Dritter berührt werden. Die Verfolgung von nicht wirtschaftlichen Interessen ist im Zuge der Abwägung auch dann von Belang, wenn als Nebeneffekt eines Aufrufs wirtschaftliche Folgen eintreten, selbst wenn diese
mitbeabsichtigt sind. Meinungsäußerungen, sei es in der Form eines Boykottaufrufs, sei es in anderer Form, tragen das Risiko in sich, für bestimmte Personenkreise wirtschaftlich nachteilige Wirkungen mit sich bringen zu können, wenn die angesprochenen Kreise auf Grund der Meinungsäußerung ihr bisheriges Verhalten ändern und dadurch wirtschaftliche Folgen auslösen ([X.] 7, 198, 219; [X.], NJW-RR 2008, 200, 201, mwN).
bb) Bei der Abwägung ist ferner zu
berücksichtigen, dass der beanstande-te Aufruf sich auf den Versuch geistiger Einflussnahme und Überzeugung und damit auf Mittel beschränkt, die den geistigen Kampf der Meinungen [X.]. Die Beklagte hat keine zusätzlichen Machtmittel eingesetzt, die der ei-genen Meinung Nachdruck verleihen sollen und die innere Freiheit der Mei-nungsbildung der angeschriebenen Sparkasse zu beeinträchtigen drohen.
Die Beklagte hat im
Schreiben
vom 3.
August 2011
dargelegt, dass die Sparkasse deswegen das Girokonto der Klägerin sperren und kündigen soll, weil die Klägerin über dieses Konto Forderungen für die [X.] einzieht, die durch Täuschung entstanden und deshalb unberechtigt sind. Sie hat sich zum Beleg ihrer Rechtsauffassung auf Rechnungen und Mahnungen bezogen und damit der Sparkasse zusätzliche Anhaltspunkte für eine eigene Meinungsbil-dung mitgeteilt. Gleiches gilt im Hinblick auf den im Schreiben erhobenen Vor-wurf des Betruges und die Bitte, die zuständige St[X.]tsanwaltschaft zu kontak-tieren, um zu erfahren, ob die Ansicht der Beklagten durch Anzeigen und Ver-fahren untermauert wird. Dieser Vorwurf strafbaren Verhaltens bezieht sich auf das Vorgehen
der [X.]. Es fehlen
Anhaltspunkte
im Schreiben dafür, dass die Beklagte der Auffassung ist, die angeschriebene Sparkasse habe sich an 26
27

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13
-
dem strafbaren Verhalten beteiligt und müsse mit einer
Anzeige oder mit einer öffentlichen Anprangerung rechnen. Die Beklagte hat auch nicht den Eindruck erweckt, die Sparkasse sei aus Rechtsgründen verpflichtet, das Girokonto der Klägerin zu sperren und zu kündigen. Im Schreiben werden diese Maßnahmen vielmehr ausdrücklich allein als Beitrag zur Begrenzung des finanziellen Scha-dens der Opfer genannt.
[X.]) Mit Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die Annahme des Be-rufungsgerichts, die beanstandete Aufforderung sei nicht verhältnismäßig, weil der Beklagten gleichwertige, für die Klägerin weniger belastende Möglichkeiten des Vorgehens zur Verfügung gestanden hätten.
(1) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann in der Möglichkeit der Beklagten, durch Information der Öffentlichkeit Missstände anzuprangern und damit zu bekämpfen, keine die Klägerin weniger belastende Möglichkeit des Vorgehens gesehen werden. Eine Veröffentlichung der im beanstandeten Anschreiben mitgeteilten Umstände würde die Wirkung der Aussagen und den Druck auf die Klägerin erhöhen, die Zusammenarbeit mit der [X.] zu be-enden, um nicht in der Öffentlichkeit als deren Gehilfe bei der Durchsetzung rechtswidrig erlangter Forderungen dazustehen. Eine solche mit einer öffentli-chen Personalisierung des Angriffs verbundene Prangerwirkung greift regelmä-ßig in besonderem Maße in die Rechte der
auf diese Weise kritisierten Person ein und stellt deshalb erhöhte Anforderungen an die Prüfung, ob den Belangen der Meinungsfreiheit ein höheres Gewicht zukommt (vgl. [X.], NJW-RR 2008, 200, 202, mwN). Allgemeine Aufklärungskampagnen ohne Angabe der betroffenen Unternehmen sind dagegen wesentlich weniger geeignet, das an-gestrebte Ziel zu erreichen.
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(2) Die Revision wendet sich ferner mit Erfolg gegen die Annahme des Be-rufungsgerichts, die beanstandete Aufforderung zur Sperrung und Kündigung des Girokontos sei auch deshalb unverhältnismäßig, weil die Beklagte nicht zunächst den Versuch unternommen habe, gegen das Verhalten der Klägerin gerichtlich vorzugehen.
Allerdings hat der Bundesgerichtshof
angenommen, dass ein [X.] unverhältnismäßig sein kann, wenn das mit dem Aufruf verfolgte Ziel auch durch eine Inanspruchnahme des Rechtswegs erreicht werden
kann (vgl. [X.], Urteil vom 12.
März 1965
KZR
8/63, [X.]
1965, 440, 443

Milchboykott; Urteil vom 22.
Januar 1971
I
ZR
76/69, [X.] 1971, 259, 260 = WRP 1971, 222
[X.]). In diesen Entscheidungen ging es jedoch um den Einsatz von [X.] zur Verfolgung eigener
wirtschaftlicher
Interessen im Wettbewerb. Für diese unter die strengeren Regeln des [X.]rechts
mit dem Verbot der gezielten Behinderung von Mitbewerbern (§
4 Nr.
10 UWG)
fallenden Sachverhalte gilt nicht der grundsätzliche Vorrang der [X.] gemäß §
5 Abs.
1 GG (vgl. [X.], NJW-RR 2008, 200, 201). Um einen damit vergleichbaren Sachverhalt handelt es sich vorliegend nicht. Die Beklagte bezweckte mit dem Aufruf zur Sperrung und Kündigung des Girokontos nicht die Förderung eigenen oder fremden [X.], sondern
strebte
allein
den Schutz der Internetznutzer vor irreführenden Geschäftspraktiken und die
Ver-hinderung der Durchsetzung von durch Täuschung erlangten Forderungen
an.
Die Beklagte war auch nicht deswegen vorrangig zur Beschreitung des Rechtsweges gehalten, weil ihr als Verbraucherverband zur Verfolgung von Verbraucherinteressen eine Klagemöglichkeit eingeräumt ist (§
8 Abs.
3 Nr.
3 UWG, §
3 Abs.
1 Nr.
1 [X.]). Die Meinungsäußerungsfreiheit gemäß Art.
5 Abs.
1 GG steht Verbraucherverbänden vielmehr unabhängig von der [X.] zur Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe
zu.
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Gleichwohl
ist ein
Verbraucherverband vor einer Aufforderung zur [X.] grundsätzlich gehalten, die Verbraucherinteressen durch Beschrei-tung des
Rechtswegs
zu schützen, weil das mit dem Aufruf verfolgte Ziel der [X.] Unternehmen wie die Klägerin in ihrer wirtschaftlichen Betäti-gung besonders einschneidend trifft. Über das Girokonto eines Unternehmens wird regelmäßig auch Zahlungsverkehr abgewickelt, der auf rechtlich nicht zu beanstandende
Geschäftstätigkeit zurückgeht. Die besondere Bedeutung der Kontoverbindung für die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Ausübung eines Geschäftsbetriebs wird deshalb
im Regelfall zur Annahme der [X.] zur [X.] führen, wenn die durch den Aufruf ge-schützten Interessen auch im Klagewege
durchgesetzt werden können. Etwas anderes gilt aber, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, die das Interesse des Unternehmens an der Erhaltung der Kontoverbindung als nicht hinreichend schutzbedürftig erscheinen lassen. Solche Umstände liegen im Streitfall vor. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass das gesamte Verhalten der Klägerin nur so gewertet werden kann, dass sie sich bewusst an der Durch-setzung eines auf systematische Täuschung des Verbrauchers angelegten Ge-schäftsmodells der Firma W. beteiligt hat.
Damit kommt im Streitfall der Meinungsäußerungsfreiheit der Beklagten der Vorrang vor den Interessen
der Klägerin zu.
I[X.] Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als rich-tig dar (§
561 ZPO). Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf das land-gerichtliche Urteil angenommen, dass Ansprüche der Klägerin aus Vorschriften des UWG, aus §
824 BGB und §
823 Abs.
2 BGB in Verbindung mit §§
186, 187 StGB nicht bestehen. Diese Beurteilung lässt keinen
Rechtsfehler erken-nen. Die Revisionserwiderung wendet sich dagegen auch nicht.
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II[X.] Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben. Der Senat hat in der [X.] selbst zu entscheiden, weil die Aufhebung
des Urteils nur wegen Rechts-verletzung
bei der Anwendung des Gesetzes auf den festgestellten Sachverhalt erfolgt und nach letzterem die Sache zur
Endentscheidung reif ist (§
563 Abs.
3 ZPO). Die Berufung gegen das Urteil des [X.]s ist zurückzuweisen.
[X.] [X.] beruht auf §
91 Abs.
1, § 97 Abs. 1
ZPO.
Die Beklagte hat nach Verkündung des Revisionsurteils
das Urteil ist gemäß §
310 Abs.
1 ZPO in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet worden
und vor seiner vollständigen [X.] die Berichtigung des [X.] der Firma, der [X.] und des Sitzes der Klägerin beantragt. Der Senat hat die Änderung des [X.] nach Anhörung der Klägerin in entsprechender Anwendung des §
319

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ZPO vorgenommen, weil
die Voraussetzungen einer offenbaren Unrichtigkeit des bisherigen [X.] vorliegen und die Berichtigung in einem gesonderten Beschluss nicht prozessökonomisch ist.

Büscher
Pokrant
Kirchhoff

Koch
Löffler
Vorinstanzen:
LG [X.] am Main, Entscheidung vom 27.07.2012 -
3-10 O 17/12 -

OLG [X.] am Main, Entscheidung vom 26.03.2013 -
6 [X.] -

Meta

I ZR 75/13

06.02.2014

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.02.2014, Az. I ZR 75/13 (REWIS RS 2014, 8109)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8109

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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25 O 24644/14 (LG München I)

Unterlassungsbegehren gegen eine Gesamtbewertung eines Fitnesstudios


VI ZR 302/15 (Bundesgerichtshof)

Persönlichkeitsrechtsverletzung im Internet: Boykottaufruf gegen einen Interessenverband der Pelztierzüchter durch einen Tierschutzverein


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I ZR 75/13

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