Bundesfinanzhof, Beschluss vom 21.09.2015, Az. III B 125/14

3. Senat | REWIS RS 2015, 5143

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Rechtfortbildung - Darlegung des Klärungsbedarf einer aufgeworfenen Rechtsfrage - ausgelaufenes Recht


Leitsatz

1. NV: Der Klärungsbedarf einer aufgeworfenen Rechtsfrage lässt sich nicht mit deren energiepolitischer oder wirtschaftlicher Bedeutung sowie deren fehlender höchstrichterlicher Klärung begründen.

2. NV: Eine Rechtsfrage ist nicht grundsätzlich klärungsbedürftig, wenn sie ausgelaufenes Recht betrifft und hiervon nur noch ein überschaubarer Personenkreis betroffen ist.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts des [X.] vom 18. September 2014  1 K 1422/11 wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. [X.]ie Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) beabsichtigte, in den neuen Bundesländern einen Betrieb für die Produktion von Biomethan (Bioerdgas) zu errichten; es sollte aus Stoffen der lokalen Landwirtschaft Biogas gewonnen und anschließend zu Methangas mit einem [X.] von über 96 % (Bioerdgas) veredelt werden. Sie beantragte eine verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 der Abgabenordnung ([X.]) zur Frage, ob die geplante Biomethan-Anlage nach dem Investitionszulagengesetz begünstigt sei. Mit Bescheid vom 28. Oktober 2009 erteilte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) die verbindliche Auskunft, dass die geplante Anlage ein zulagenbegünstigter Betrieb i.S. des § 3 Abs. 1 des [X.] 2010 ([X.]) sei. [X.]as [X.] führte erläuternd aus, die Anlage sei nach Auskunft des [X.] vom 13. Oktober 2009 dem Abschnitt [X.] - Verarbeitendes Gewerbe, Unterklasse 19.20.0 (Mineralölverarbeitung) der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2008 ([X.] 2008) zuzuordnen.

2

Nachdem das [X.] nach erneuter Überprüfung zu dem Ergebnis kam, dass die geplante Biomethan-Anlage dem Abschnitt [X.] - Energieversorgung, Unterklasse 35.21.3 (Gaserzeugung ohne Fremdbezug zur Verteilung) der [X.] 2008 angehöre (vgl. das Schreiben des [X.] vom 12. November 2009), hob das [X.] die verbindliche Auskunft mit Bescheid vom 17. November 2009 nach § 2 Abs. 3 der Verordnung zur [X.]urchführung von § 89 Abs. 2 [X.] ([X.] --[X.]--) auf. Einspruch (Einspruchsentscheidung vom 4. November 2011) und Klage gegen den Aufhebungsbescheid blieben erfolglos.

3

Zur Begründung führte das Finanzgericht ([X.]) im Wesentlichen aus, § 2 Abs. 3 [X.] ermögliche die Aufhebung der verbindlichen Auskunft mit Wirkung für die Zukunft, wenn sich herausstelle, dass die erteilte Auskunft unrichtig gewesen sei. [X.]ie geplante Anlage gehöre der Unterklasse 35.21.3 der [X.] 2008 an. Eine Zuordnung zur Unterklasse 19.20.0 der [X.] 2008 scheide aus, weil hierunter nur die Herstellung von flüssigen oder gasförmigen Brennstoffen aus Rohöl, bituminösen Mineralen und deren Fraktionierungsprodukten falle, was hier erkennbar nicht der Fall sei. Ebenso sei eine Zuordnung zu Abschnitt [X.] - Verarbeitendes Gewerbe, Unterklasse 20.11.0 (Herstellung von [X.]n) der [X.] 2008 nicht möglich, weil die Klägerin keines der dort genannten [X.] produziere. Im Übrigen seien keine Ermessensfehler des [X.] erkennbar.

4

[X.]ie Klägerin begehrt mit ihrer Beschwerde die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) und zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 [X.]O).

Entscheidungsgründe

5

II. [X.] ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 [X.]O). Die Klägerin hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O genügenden Form dargelegt.

6

1. a) Macht der Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend, so muss er zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Des Weiteren muss er substantiiert darauf eingehen, weshalb die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder Rechtsentwicklung im Allgemeininteresse liegt (z.B. Beschluss des [X.] --BFH-- vom 18. März 2010 X B 124/09, [X.], 1278, Rz 2, m.w.N.). An diesem Allgemeininteresse fehlt es im Regelfall, wenn die zu klärende Rechtsfrage ausgelaufenes oder auslaufendes Recht betrifft [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --HHSp--, § 115 [X.]O Rz 98, m.w.N. aus der BFH-Rechtsprechung). [X.] muss daher Gründe darlegen, die ausnahmsweise ein Abweichen von dieser Regel rechtfertigen. Hierfür ist es erforderlich darzutun, dass die aufgeworfene Frage sich noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft weiterhin stellen könne, wie dies bei Fragen aus fortgeltendem Recht regelmäßig der Fall ist (z.B. [X.]sbeschluss vom 22. November 1999 III B 58/99, [X.], 748, unter 1., m.w.N.). Daneben muss der Beschwerdeführer darlegen, dass die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in dem angestrebten Revisionsverfahren klärbar ist. Zur Darlegung des Klärungsbedarfs ist zu begründen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage umstritten ist [X.]/HHSp, § 116 [X.]O Rz 180, m.w.N. aus der BFH-Rechtsprechung).

7

b) Der Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 [X.]O setzt als Spezialfall des § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O ebenfalls die Darlegung und das Vorliegen einer hinreichend bestimmten und im Allgemeininteresse liegenden klärungsbedürftigen und klärbaren Rechtsfrage voraus (z.B. [X.]sbeschluss vom 24. Juli 2014 III B 28/13, [X.], 1741, Rz 17, m.w.N.; [X.]/HHSp, § 116 [X.]O Rz 185 ff.).

8

2. Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Klägerin hat den Klärungsbedarf der von ihr aufgeworfenen Rechtsfrage nicht schlüssig dargelegt.

9

a) Sie sieht die Rechtsfrage als grundsätzlich bedeutsam an, ob eine Biomethan-Anlage ein begünstigter Betrieb des verarbeitenden Gewerbes i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz [X.] sei.

Zur Begründung führt sie aus, die Bedeutung dieser Rechtsfrage erschöpfe sich nicht in der Entscheidung eines Einzelfalls, sondern betreffe eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle. Der Streitfall sei nicht durch besondere Umstände geprägt. Es gehe vielmehr um den "typischen" Fall einer Biomethan-Anlage. Die Klägerin produziere infolge eines zweistufigen Vorgehens aus biologischen Ausgangsstoffen Biomethan. [X.] Ziel der Bundesregierung sei es, den Anteil der [X.] zu erhöhen. Hierfür würden 1 200 bis 1 800 solcher Anlagen benötigt. Im April 2014 hätten aber nur 151 Anlagen Biomethan in das Erdgasnetz eingespeist, wobei sich ca. 22 Anlagen im Bau und weitere 24 Anlagen in Planung befunden hätten. Da der Bau derartiger Anlagen sehr kostenintensiv sei, komme der Rechtsfrage große wirtschaftliche Bedeutung zu. Die Rechtsfrage besitze die erforderliche Breitenwirkung. Zudem sei sie höchstrichterlich noch nicht geklärt, auch nicht durch den [X.]sbeschluss vom 4. März 2013 III B 124/12 ([X.]NV 2013, 986). Diese Entscheidung habe eine nicht vergleichbare (überkommene) Technik und der Sache nach einen anderen technischen Vorgang (biologische Abfallbeseitigung) betroffen. Das [X.] habe die Klägerin rechtsfehlerhaft der Unterklasse 35.21.3 der [X.] zugeordnet. Zutreffend hätte eine Zuordnung zur Unterklasse 20.11.0 der [X.] erfolgen müssen. Das erzeugte "Methan" sei ein Industriegas.

b) Selbst wenn man die von der Klägerin formulierte Rechtsfrage, ob der Bau einer Biomethan-Anlage der Unterklasse 35.21.3 der [X.] oder der Unterklasse 20.11.0 der [X.] zuzuordnen sei, als hinreichend bestimmt und nicht nur als (abstrakte) Beschreibung des zu prüfenden Rechtsstoffs beurteilen wollte, fehlen Darlegungen zum Klärungsbedarf. Der Klärungsbedarf der aufgeworfenen Rechtsfrage lässt sich insbesondere nicht mit deren energiepolitischer oder wirtschaftlicher Bedeutung sowie deren fehlender höchstrichterlicher Klärung begründen. Hierfür wären vielmehr Ausführungen dazu erforderlich gewesen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage umstritten ist; derartige Darlegungen fehlen.

Sie können auch nicht in dem Vorbringen der Klägerin gesehen werden, wonach das von ihr erzeugte "Methan" ein Industriegas im Sinne der Unterklasse 20.11.0 der [X.] sei. Insoweit hätte erwartet werden dürfen, dass sich die Klägerin zumindest mit der gegenteiligen Argumentation des [X.] auseinandersetzt, nach der die Klägerin keines der in der Unterklasse 20.11.0 der [X.] genannten [X.] (z.B. [X.], gasförmige Kühlmittel, [X.] etc.) produziere (vgl. unter [X.] der Entscheidungsgründe des [X.]-Urteils). Dies ist nicht geschehen. Dies wäre umso mehr geboten gewesen, als in den Erläuterungen zur Unterklasse 20.11.0 der [X.] ausgeführt wird, dass diese Unterklasse nicht die Gewinnung von Methan (Verweis auf Unterklasse 06.20.0 – Gewinnung von Erdgas) umfasst. Die Klägerin legt nicht dar, weshalb das von ihr hergestellte hoch konzentrierte Methangas mit Erdgasqualität eines der in Unterklasse 20.11.0 der [X.] genannten [X.] sein soll.

c) Im Übrigen hat der [X.] auch erhebliche Zweifel daran, dass die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt.

Das [X.] ist bereits zum 31. Dezember 2013 ausgelaufen (vgl. § 4 [X.]). Der Gesetzgeber hat dieses Gesetz weder verlängert noch durch eine entsprechende Nachfolgeregelung ersetzt. [X.], mit deren Errichtung nach dem 31. Dezember 2013 begonnen wird, sind daher ohnehin nicht mehr nach dem [X.] begünstigt. Die Klägerin versucht zwar, die erforderliche Breitenwirkung der aufgeworfenen Rechtsfrage damit zu begründen, dass deren Beantwortung noch für eine Vielzahl von Fällen relevant sei. Der Sache nach hat sie aber selbst vorgetragen, dass sich im April 2014 noch ca. 22 Anlagen im Bau befunden hätten. Danach kann sich die aufgeworfene Rechtsfrage (wohl) nur noch für einen überschaubaren Personenkreis stellen.

3. Soweit die Klägerin die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung rügt, wird hiermit kein Zulassungsgrund dargelegt (z.B. [X.]sbeschluss vom 21. November 2003 III B 67/03, [X.]NV 2004, 336, m.w.N.).

4. Von einer weiteren Begründung sieht der [X.] nach § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]O ab.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

III B 125/14

21.09.2015

Bundesfinanzhof 3. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 18. September 2014, Az: 1 K 1422/11, Urteil

§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 1 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 3 Abs 1 S 1 Nr 1 InvZulG, § 3 Abs 1 S 2 InvZulG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 21.09.2015, Az. III B 125/14 (REWIS RS 2015, 5143)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 5143

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

III B 9/10 (Bundesfinanzhof)

Anwendung einer Definition aus der Datenbank "Wikipedia" - Keine grundsätzliche Bedeutung der Frage über die …


III B 114/12 (Bundesfinanzhof)

Investitionszulagenrechtliche Einordnung eines Betriebs zur Forstwirtschaft


III R 34/14 (Bundesfinanzhof)

Gewährung einer Investitionszulage - Übernahme einer fehlerhaften statistischen Einordnung durch das Finanzgericht


III R 21/14 (Bundesfinanzhof)

Investitionszulage: Verlegung von Erdwärmesonden - Revisionsbegründung


III B 124/12 (Bundesfinanzhof)

Investitionszulage für den Betreiber einer Biogasanlage


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.