Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.07.2009, Az. V ZR 95/08

V. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 2426

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/08 Verkündet am: 17. Juli 2009 Weschenfelder Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO § 144 Abs. 1 Satz 3; GG Art. 13 Unter den Begriff der Wohnung im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 3 ZPO fallen auch nicht allgemein zugängliche Nebengebäude und Garagen. [X.], Urteil vom 17. Juli 2009 - [X.]/08 - [X.]

[X.] 2Der V. Zivilsenat des [X.] hat am 17. Juli 2009 durch [X.] Dr. [X.], [X.] [X.] und [X.], die Richterin [X.] und [X.] [X.] für Recht erkannt: Die Revision gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des [X.] vom 10. April 2008 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: Die Klägerin ist Haftpflichtversicherer der [X.], die als Gene-ralunternehmerin die schlüsselfertige Herstellung eines unmittelbar an ein Nachbargrundstück angrenzenden Wohnhauses zu erbringen hatte. Mit der Planung und der Bauüberwachung waren die beklagten Architekten beauftragt. Nach deren Vorgaben sollte das Fundament des Nachbargebäudes im [X.] im Wege des "[X.]" durch Beton-einspritzung unterfangen werden. In Abweichung hiervon beauftragte die Gene-ralunternehmerin jedoch die [X.]([X.]) mit der Herstellung einer Bohrpfahlwand zur Abstützung des auf dem Nachbargrundstück befindlichen Wohngebäudes, die auch die diesbezüg-lichen Statikerleistungen erbrachte; für die [X.] und für die Her-stellung der [X.] war eine weitere Subunternehmerin eingeschaltet worden. Vor Ausführung der [X.] war wegen des Zustandes des Nachbargebäudes ein Sachverständigengutachten eingeholt worden. 1 3Bei den am 8. August 1995 begonnenen [X.] wurde die Baugrube entgegen den Vorgaben der Beklagten zu tief ausgeschachtet. Dies bemerkten die Beklagten noch am selben Tage und ordneten eine Verfüllung und Verdichtung der Baugrube bis zur Fundamentoberkante an. Darüber hinaus veranlassten sie, dass der grenzüberschreitende Fundamentüberstand des Nachbargebäudes am 11. und 12. August 1995 durch Absägen von etwa 25 cm auf 10 cm verkürzt wurde. Am 23. August 1995 brachte die [X.] zur Er-richtung der [X.] Eisen als Bewehrung durch "Einrütteln" ein. Zwei Tage später wurden am Nachbarhaus in verschiedenen Bereichen erhebliche Rissbildungen festgestellt. 2 Nach ihrer Behauptung hat die Klägerin Ansprüche der Geschädigten des Nachbargrundstücks in Höhe von insgesamt 355.815,17 • reguliert. Unter Berücksichtigung einer Mithaftung der Generalunternehmerin von 50 % verlangt sie von den Beklagten aus übergegangenem Recht im Wege des Gesamt-schuldnerausgleichs 177.907,58 • nebst Zinsen erstattet. Die Klage ist in bei-den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der von dem Senat wegen grundsätz-licher Bedeutung zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag wei-ter. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels. 3 Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht meint, es bestünden keine auf die Klägerin über-gegangenen Schadensersatzansprüche der Geschädigten. Die zu tiefe Aus-schachtung hätten die Beklagten nicht zu vertreten. Diese hätten keinen Anlass für die Annahme gehabt, dass die [X.] die Fundamentunterkante unter-schreiten würde. Noch am Tage der zu tiefen Ausschachtung hätten die [X.] die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen veranlasst. Anders als bei der Nichtbeachtung konkreter Ausführungsvorgaben führe der unterstellte Verstoß gegen die in Nr. 5 der [X.] 4123 (Ausgabe Mai 1972) aufgeführten [X.] 4tersuchungs- und Erkundigungspflichten nicht zur Annahme eines [X.] dafür, dass die Ursächlichkeit des Verstoßes vermutet werde. Dass die Kürzung des Fundaments ursächlich für die Schäden gewesen sei, habe die Klägerin nicht bewiesen. Die fortbestehenden Unsicherheiten hinsichtlich der für eine weiterführende sachverständige Begutachtung erforderlichen Anknüp-fungstatsachen gingen zu Lasten der beweispflichtigen Klägerin. Diese könnten auch nicht durch eine gerichtliche Anordnung nach § 144 ZPO ausgeräumt werden. Sei eine Wohnung betroffen, könne die Anordnung einer Begutachtung nur mit der [X.] hier verweigerten [X.] Zustimmung der Eigentümer und Mieter erge-hen. Unter den Begriff der Wohnung fielen auch zu einem Wohngebäude gehö-rende Garagen und Nebengebäude. I[X.] Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat zu Recht Ansprüche der Geschädigten gegen die Beklagten verneint, die auf die Klägerin nach § 67 [X.] a.F. übergegangen sein könnten. Die Voraussetzungen der §§ 823 Abs. 1; 823 Abs. 2 i.V.m. § 909 [X.] liegen nicht vor. 5 1. Im Zusammenhang mit dem zu tiefen Aushub der Baugrube liegt schon nicht die Verletzung einer allgemeinen Verhaltenspflicht der beklagten Architekten vor, wie sie [X.] unabhängig von vertraglichen Beziehungen [X.] im In- teresse des Eigentümers eines [X.] besteht (vgl. Senat, Urt. v. 22.10.2004, [X.], [X.], 239). 6 a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist die zu tiefe Aus-schachtung —entgegen den Vorgaben der [X.] erfolgt. Dass das [X.] diese Feststellung verfahrensfehlerhaft getroffen hätte, legt die Revision schon nicht dar. Insbesondere zeigt sie kein dem entgegen stehendes Vorbringen in den Tatsacheninstanzen auf. Im Übrigen haben die Beklagten noch am Tage des fehlerhaften Aushubs das Erforderliche veranlasst und damit 7 5auch den sie im Zusammenhang mit der Bauaufsicht treffenden Sorgfaltsanfor-derungen genügt. Soweit die Revision behauptet, der Boden sei unstreitig nicht wieder ordnungsgemäß verdichtet worden, verweist sie ebenfalls auf keinen dahin gehenden Tatsachenvortrag in den Vorinstanzen. Sie zeigt auch kein Vorbringen auf, aufgrund dessen die Beklagten eine nicht ordnungsgemäße Verdichtung hätten bemerken müssen. Gleiches gilt nicht nur im Hinblick auf eine etwaige Verletzung der die Beklagten treffenden Verpflichtung, die Herstel-lung der [X.] zu überwachen, sondern auch, soweit das [X.] nach angenommen hat, die Klägerin habe die Ursächlichkeit des (unterstellten) Verstoßes gegen Untersuchungs- und Erkundigungspflichten nach [X.] 4123 nicht ausreichend dargelegt. Entgegen der Auffassung der Re-vision liegt dem eine zutreffende Beurteilung der Darlegungslast zugrunde. b) Nach allgemeinen Grundsätzen ist die Klägerin darlegungs- und be-weispflichtig dafür, dass die Beschädigung des Nachbargrundstücks auf ein Verhalten der beklagten Architekten zurückzuführen ist. Das gilt auch, soweit es um Ansprüche aus §§ 823 Abs. 2, 909 [X.] geht. Dass eine Mitwirkung an [X.] Vertiefung ursächlich geworden ist für den [X.] des Nach-bargrundstücks, hat der Anspruchsteller darzulegen und zu beweisen (vgl. nur [X.]/[X.], [X.], 4. Aufl., § 909 [X.] 40 f.; [X.]/[X.] [2002], [X.], § 909 Rdn. 61). Erst wenn diese Kausalität feststeht, muss sich der [X.] entlasten, indem er den Nachweis führt, dass für eine genügende anderweitige Befestigung gesorgt worden ist ([X.]/[X.], aaO). 8 Der von dem Berufungsgericht unterstellte Verstoß gegen [X.] und Erkundigungspflichten nach [X.] 4123 führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Das Berufungsgericht legt zutreffend zugrunde, dass ein Verstoß gegen eine [X.]-Norm je nach deren Zweck eine tatsächliche [X.] dafür begründen kann, dass Schäden bei Beachtung der Vorschrift ausgeblieben wären ([X.], Urt. v. 13. März 2001, [X.], NJW 2001, 2019, 2020; vgl. auch [X.], Urt. v. 27. April 1999, [X.], NJW 1999, 9 62593, 2594). Soweit es diesen Grundsatz sodann für den vorliegenden Sachbe-reich dahin konkretisiert, dass aus einem Verstoß gegen Untersuchungs- und Erkundigungspflichten [X.] anders als bei [X.]-Vorschriften, die eine bestimmte Ausführungsweise vorgeben [X.] nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit der Schluss gezogen werden könne, der eingetretene Schaden beruhe auf der Ver-letzung der [X.]-Norm, kann offen bleiben, ob das zu überzeugen vermag. Denn die aus einer tatsächlichen Vermutung folgende Beweiserleichterung greift jedenfalls dann nicht (mehr) ein, wenn ein weiterer [X.] ebenfalls in engem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Schaden stehender [X.] Um-stand ernstlich als Schadensursache in Betracht kommt. So liegt es hier. [X.] das —[X.] der Eisenträger stellt eine von einem anderen poten-tiellen Schädiger gesetzte [X.] ernstlich in Betracht kommende [X.] Schadensursa-che dar. Die Arbeiten wurden unstreitig am 23. August 1995 vorgenommen. Bereits zwei Tage später traten an dem Nachbarhaus erhebliche Rissbildungen zutage. 2. Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe im [X.] mit den von den Beklagten veranlassten Fundamentkürzungen ver-fahrensfehlerhaft davon abgesehen, die für eine weitere Begutachtung notwen-digen Erkundigungsbohrungen im Garagenbereich des Nachbargrundstücks nach § 144 ZPO anzuordnen. Einer solchen Anordnung steht die von den [X.] des Nachbargrundstücks und deren Mietern verweigerte Zustim-mung entgegen. Eine zu einem Wohngebäude gehörende Garage unterfällt dem Schutzbereich des § 144 Abs. 1 Satz 3 ZPO. Das hat zur Folge, dass die für eine Begutachtung erforderlichen Bohrungen nur mit Zustimmung der betrof-fenen Eigentümer bzw. Mieter zulässig sind. 10 Der Gesetzgeber hat sich bei der Bestimmung der Reichweite der in § 144 Abs. 1 Satz 3 ZPO normierten Duldungspflicht an dem Wohnungsbegriff des Art. 13 GG orientiert (vgl. BT-Drucks. 14/4722, [X.]), der weit [X.] im Sinne einer Abschirmung der Privatsphäre in räumlicher Hinsicht [X.] auszulegen ist 11 7(vgl. [X.] 32, 54, 72; 75, 318, 328; 89, 1, 12; 97, 228, 265; 109, 279, 309; [X.]St 44, 138, 140; [X.], [X.]. v. 14. März 1997, 1 [X.], NJW 1997, 2189; Papier in [X.]/[X.], GG [2009], Art. 13 Rdn. 10 f. m.w.N.; wohl [X.] für § 144 ZPO [X.], ZPO, 22. Aufl., § 144 Rdn. 25). [X.] werden von diesem Schutz nicht nur Wohnungen im umgangssprachlichen Sinne erfasst, sondern auch nicht allgemein zugängliche Nebengebäude (vgl. nur [X.] in [X.]/[X.], 10. Aufl., Art. 13 GG Rdn. 4 m.w.N.), wozu auch Garagen gehören (Papier, aaO, Rdn. 10). Vor diesem Hintergrund erscheint es [X.] entgegen der Auffassung der Revision [X.] nicht sachgerecht, die Auslegung des Wohnungsbegriffes des § 144 Abs. 1 Satz 3 ZPO von dem Begriffsver-ständnis des Art. 13 GG abzukoppeln ([X.], aaO; vgl. auch [X.]/[X.], ZPO, 6. Aufl., § 144 Rdn. 1). Dies gilt umso mehr, als in den Schutzbereich dieses Grundrechts auch durch das Betreten eines gerichtlich bestellten Sachverständigen eingegriffen wird (vgl. [X.] 75, 318, 326). 8II[X.] Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. 12 [X.] [X.] Schmidt-Räntsch

Stresemann [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom [X.][X.], Entscheidung vom 10.04.2008 - 10 U 1307/05 -

Meta

V ZR 95/08

17.07.2009

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.07.2009, Az. V ZR 95/08 (REWIS RS 2009, 2426)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 2426

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