Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.10.2018, Az. AnwZ (Brfg) 44/18

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2018, 2616

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Gegenstand

Zulassung als Syndikusrechtsanwalt: Tatbestandsvoraussetzung der anwaltlichen Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers; Einsatz als geschäftsführender Jurist der "Diözesane Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen im Erzbistum"


Tenor

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes [X.] vom 25. Mai 2018 wird abgelehnt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Etwaige außergerichtliche Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 25.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die beigeladene Rechtsanwältin ist geschäftsführende Juristin der "Di.                                             im Erzbistum     " (Di.      ). Diese Tätigkeit übt sie auf der Grundlage von mit dem Erzbistum als Arbeitgeber ("Dienstgeber") seit 2011 abgeschlossener Verträge aus. Zuletzt erfolgte mit Arbeitsvertrag vom 29. Juni/25. Juli 2016 die Weiterbeschäftigung in Vollzeit ab 1. Juli 2016 auf unbestimmte Zeit. Die Di.     ist der Zusammenschluss von etwa 500 Mitarbeitervertretungen in diversen Einrichtungen verschiedener kirchlicher Rechtsträger im Erzbistum auf der Grundlage des § 25 der Mitarbeitervertretungsordnung ([X.]), die im Amtsblatt des Erzbistums vom 1. Februar 2018 ([X.] ff.) neu bekannt gemacht worden ist. Die Vertretungen haben die in § 26 [X.] bezeichneten Aufgaben sowie die in §§ 29 ff. dargestellten [X.] und Beteiligungsrechte. Sie bilden entsprechend § 25 [X.] die Di.       . Die Zwecke dieser [X.] werden in § 25 Abs. 2 [X.] beschrieben. Hierzu gehören u.a. die gegenseitige Information und der Erfahrungsaustausch mit den Mitarbeitervertretungen, deren Beratung in Angelegenheiten des [X.] und beim Abschluss von Dienstvereinbarungen im Sinne des § 38 [X.] sowie Schulungsangelegenheiten. Organe der [X.] sind gemäß § 25 Abs. 3 [X.] die Mitgliederversammlung und der Vorstand. Gemäß § 25 Abs. 4 [X.] trägt das Erzbistum die im Rahmen der [X.] anfallenden notwendigen Kosten. Die Bildung der [X.] wird nach § 25 Abs. 1 Satz 2 [X.] in Sonderbestimmungen ([X.]) festgelegt. § 6 Abs. 2 [X.] (Amtsblatt 2011 S. 265 ff.) regelt, dass das Erzbistum die Di.     durch Einrichtung einer Geschäftsstelle in den Stand versetzt, die notwendigen Organisations-, Schreib- und Verwaltungsarbeiten zu erledigen. § 6 Abs. 3 [X.] bestimmt: "Die Einstellung des hauptamtlichen Geschäftsführers erfolgt in Anstellungsträgerschaft des Erzbistums auf der Grundlage des vorgesehenen [X.]. Der Geschäftsführer soll Jurist sein. Der Geschäftsführer wird zur diözesanen [X.] versetzt. Dienstvorgesetzter ist der Vorstand. Bestellung und Abberufung des hauptamtlichen Geschäftsführers können nur einvernehmlich zwischen Anstellungsträger und Vorstand der diözesanen [X.] erfolgen." Nach der von der [X.] vorgelegten Tätigkeitsbeschreibung ist sie in der Geschäftsstelle der Di.      tätig und berät den Vorstand sowie die übrigen Gremien der Di.     (Mitgliederversammlung, Fachbereiche, Mitarbeitervertretungen) in allen Fragen des kollektiven Arbeitsrechts. Sie bearbeitet selbständig kollektiv-arbeitsrechtliche Problemfälle und erstellt hierzu außergerichtliche und gerichtliche Schriftsätze. Sie führt Vertrags- und Einigungsverhandlungen mit den jeweiligen kirchlichen [X.] bzw. Arbeitgebern und anderen Stellen des Erzbistums. Sie vertritt einzelne Mitarbeitervertretungen auch vor dem kirchlichen Arbeitsgericht und der [X.]-Einigungsstelle.

2

Die Beklagte hat die Beigeladene mit Bescheid vom 10. Mai 2017 als Syndikusrechtsanwältin zugelassen. Die hiergegen gerichtete Klage der D.                           hatte Erfolg. Der [X.] hat den Bescheid aufgehoben. Die Beklagte beantragt nunmehr die Zulassung der Berufung.

II.

3

Der Antrag der Beklagten ist nach § 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 1-4 VwGO) liegen nicht vor.

4

1. Der Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 12. März 2018 - [X.] ([X.]) 15/17, NJW-RR 2018, 827 Rn. 5 und vom 18. April 2018 - [X.] ([X.]) 20/17, juris Rn. 4; jeweils mwN). Entsprechende Zweifel vermag die Beklagte nicht darzulegen.

5

Der [X.] ist davon ausgegangen, dass die fachliche Unabhängigkeit der [X.] nicht gewährleistet sei. Nach § 6 Abs. 3 [X.] sei der Vorstand der [X.] ihr Dienstvorgesetzter. Es liege indessen keine Erklärung des Vorstands zur Gewährleistung der fachlichen Unabhängigkeit, sondern lediglich eine Bescheinigung des Erzbistums vor.

6

Insoweit verweist die Beklagte darauf, dass die Beigeladene nach Erörterung der Sach- und Rechtslage im Termin am 25. Mai 2018 angegeben habe, sie sei davon ausgegangen, dass eine Erklärung ihres Arbeitgebers (Erzbistum) ausreiche; es sei jedoch unproblematisch, eine entsprechende Erklärung auch des [X.]       zu erhalten. Vor diesem Hintergrund hätte der [X.] der [X.] im Wege einer Auflage unter Fristsetzung aufgeben müssen, eine solche Erklärung vorzulegen.

7

Dieser Einwand, bei dem dahinstehen kann, ob mit ihm richtigerweise nicht der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (Verfahrensfehler) geltend gemacht werden soll, ist unbegründet. Zum einen hat bereits die Klägerin in ihrer Klagebegründung darauf hingewiesen, dass eine Erklärung des Erzbistums nicht ausreiche und eine Erklärung des Vorstands der [X.] nicht vorliege, so dass die Problematik der Beklagten und der [X.] bekannt war. Zum anderen bestand für den [X.] aus seiner Sicht keine Veranlassung für eine entsprechende Auflage. Denn der [X.] hat in seinem Urteil zusätzlich darauf abgestellt, dass die Zulassung an § 46 Abs. 5 [X.] scheitere. Eine Auflage bezüglich des Nachweises der fachlichen Unabhängigkeit (§ 46 Abs. 3, 4 [X.]) hätte hieran nichts ändern können. Bezüglich § 46 Abs. 5 [X.] legt die Beklagte aber keinen Zulassungsgrund schlüssig dar (siehe nachfolgend [X.]). Deshalb kann auch dahinstehen, inwieweit die nach Ablauf der Begründungsfrist für den Zulassungsantrag von dem am Verfahren nicht beteiligten Vorstand der Di.       eingereichte Erklärung vom 10. September 2018 zulassungsrelevante Bedeutung hat.

8

2. Der Zulassungsgrund besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) setzt voraus, dass die Rechtssache wegen einer erheblich über dem Durchschnitt liegenden Komplexität des Verfahrens oder der ihr zugrunde liegenden Rechtsmaterie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht und sich damit von den üblichen verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen deutlich abhebt (vgl. nur Senat, Beschluss vom 12. März 2018, aaO Rn. 14 mwN).

9

Dies ist hier nicht der Fall. Für die von der [X.] erstrebte Zulassung fehlt es an der gemäß § 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 [X.] erforderlichen gesetzlichen Voraussetzung, dass der Syndikusrechtsanwalt im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses für seinen Arbeitgeber in dessen Rechtsangelegenheiten tätig sein muss, seine Tätigkeit sich mithin auf die Rechtsangelegenheiten seines Arbeitgebers zu beschränken hat. Bei dem Merkmal der Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers handelt es sich um eine tatbestandliche Voraussetzung für die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt (vgl. auch Senat, Urteil vom 2. Juli 2018 - [X.] ([X.]) 49/17, juris Rn. 37 f.). Dem entspricht die Tätigkeit der [X.] nicht, die - wie der [X.] zutreffend festgestellt hat - nicht ihren Arbeitgeber (Erzbistum    ) in dessen Rechtsangelegenheiten berät und vertritt, sondern im Wesentlichen originäre [X.] der Mitarbeiter bzw. Mitarbeitervertretungen dritter Rechtsträger betreut. Die in einer Mitarbeitervertretung zusammengefassten und durch sie vertretenen Beschäftigten sind bei einem Dienstgeber tätig, der im Sinne der Mitarbeitervertretungsordnung Rechtsträger der Einrichtung ist (§ 2 Abs. 1 [X.]). § 1a Abs. 1 [X.] bestimmt, dass in den Einrichtungen der in § 1 genannten kirchlichen Rechtsträger solche Vertretungen zu bilden sind. Hierzu zählen u.a. neben der Erzdiözese die Kirchengemeinden und Kirchenstiftungen, die Verbände der Kirchengemeinden, der [X.] mit seinen Gliederungen und weitere kirchliche Rechtsträger (§ 1 Abs. 1 [X.]). Die Beigeladene berät und vertritt mithin nicht ihren Arbeitgeber, sondern Dritte, dies im Übrigen selbst dann, wenn es sich im Einzelfall um beim Erzbistum als Arbeitgeber gebildete Mitarbeitervertretungen handelt. Hieran ändert der Umstand, dass das Erzbistum Personal- und Sachmittel für die [X.] zur Verfügung stellt, nichts. Dies macht die Tätigkeit der [X.] nicht zur Wahrnehmung von Rechtsangelegenheiten des Erzbistums. Hierbei kann ihre Tätigkeit, was im Übrigen mit der Zulassungsbegründung auch nicht geltend gemacht wird, schon mangels planwidriger Regelungslücke auch nicht in analoger Anwendung der abschließenden und eng auszulegenden Regelung des § 46 Abs. 5 Satz 2 [X.] als eine Rechtsangelegenheit ihrer Arbeitgeberin angesehen werden (vgl. auch Senat, aaO Rn. 53, 56, 60). Von besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO kann insoweit nicht gesprochen werden. Die Gesetzeslage ist eindeutig.

3. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) stellen sich ebenfalls nicht. Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Zur schlüssigen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung gehören dabei Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage sowie ihrer Bedeutung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen oder ihrer Auswirkung auf die Allgemeinheit; begründet werden muss auch, warum ein korrigierendes Eingreifen des [X.] erforderlich ist (vgl. nur Senat, Beschluss vom 12. März 2018, aaO Rn. 17 und vom 18. April 2018, aaO Rn. 10).

Die Beklagte ist der Meinung, der Rechtsstreit werfe folgende Frage grundsätzlicher Bedeutung auf:

"Handelt es sich um Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers im Sinne des § 46 Abs. 5 Satz 1 [X.], wenn die anwaltliche Beratung für eine Einrichtung/Stelle stattfindet, die aufgrund ihrer rechtlichen Konstruktion keine eigenen Arbeitnehmer beschäftigt, sondern diese Arbeitnehmer ihr von einem Dritten, der als Arbeitgeber auftritt, aufgrund gesetzlicher Verpflichtung zur Verfügung gestellt werden."

Hiermit lässt sich ein Zulassungsgrund nicht schlüssig darlegen. § 46 Abs. 5 Satz 1 [X.] beschränkt die Tätigkeit des [X.] auf die Rechtsangelegenheiten seines Arbeitgebers. Dies ist im Falle der [X.] das Erzbistum     , nicht dagegen die Di.       bzw. deren Mitglieder, für die die Beigeladene tätig ist. Der Wortlaut des Gesetzes ist insoweit eindeutig und auch einer Analogie nicht zugänglich (s.o.). Im Übrigen handelt es sich bei § 6 Abs. 3 [X.] um eine auf die besondere Stellung eines hauptamtlichen Geschäftsführers bei der Di.   im Erzbistum    zugeschnittene Sonderkonstellation, aus der sich keine verallgemeinerungsfähigen Grundsatzfragen ableiten lassen.

4. Der von der Beklagten geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) ist ebenfalls nicht schlüssig dargelegt. Die Beklagte ist der Meinung, die angefochtene Entscheidung stehe in Widerspruch zu einer zeitlich späteren Entscheidung desselben Senats vom 29. Juni 2018 (1 [X.] 13/17). Etwaige Unterschiede innerhalb der Rechtsprechung desselben Spruchkörpers begründen aber von vorneherein keine Divergenz im Sinne der vorbenannten Normen. Im Übrigen betreffen die Entscheidungen unterschiedliche Sachverhalte; der behauptete Widerspruch besteht nicht.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 194 Abs. 2 [X.].

Kayser     

      

Lohmann     

      

Seiters

      

Braeuer     

      

Kau     

      

Meta

AnwZ (Brfg) 44/18

22.10.2018

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

§ 46 Abs 2 S 1 BRAO, § 46 Abs 3 BRAO, § 46 Abs 5 S 1 BRAO, § 46 Abs 5 S 2 BRAO, § 46a Abs 1 S 1 Nr 3 BRAO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.10.2018, Az. AnwZ (Brfg) 44/18 (REWIS RS 2018, 2616)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 2616

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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