Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.07.2011, Az. V ZR 218/10

V. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 4502

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V [X.]/10

vom

21. Juli 2011

in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 21. Juli 2011
durch den [X.] [X.] [X.], [X.] Lemke
und
Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch, die Richterin [X.] und den
Richter Dr.
Czub
beschlossen:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] wird das Urteil des 8. Zivilsenats des [X.] vom 1. Okto-ber 2010 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbe-schwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 114.000

Gründe:
I.
Der Kläger kaufte von den -
während des Rechtsstreits verstorbenen
-
Eltern des [X.]n mit notariell beurkundetem Vertrag vom 27.
Mai 2005 für 180.000

iesen ein lebenslanges Wohnrecht einge-räumt wurde. Auf Bewilligung der Löschung dieses Wohnrechts verklagt,
erho-1
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ben die Eltern des [X.]n eine Widerklage auf Zahlung des Kaufpreises. Der Kläger wendet ein, der Kaufpreis sei durch eine privatschriftliche Vereinbarung vom 14.
Juni 2005 herabgesetzt worden. In einem Schreiben vom 12.
Juni 2005 hätten sich die Eltern des [X.]n mit der Zahlung des Kaufpreises an den [X.]n einverstanden erklärt. Dieser geminderte Kaufpreis sei ausweislich zweier Quittungen des [X.]n vom 8.
Juli 2005 und vom 14.
Juni 2005, [X.] eidesstattlichen Versicherung vom 10.
Juli 2006 und einer Bestätigung der Eltern des [X.]n gegenüber dem Notar vom 14.
Juni 2005 gezahlt.
Das [X.] hat, soweit hier noch von Interesse, die Widerklage [X.]. Nach Einlegung der Berufung hat der [X.] persönlich die Rück-nahme des Rechtsmittels erklärt. Später hat der Kläger eine notarielle Urkunde vorgelegt, in welcher sich der [X.] im Rahmen eines Vergleichs zur Rück-nahme der Berufung verpflichtet hatte. Auf die Berufung des [X.] hat das [X.] den Kläger unter
Abweisung der Widerklage im Übrigen zur Zahlung von 114.000

e-lassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde, deren Zurückweisung der [X.] beantragt.

II.
Das Berufungsgericht meint, die Berufung sei nicht wirksam zurückge-nommen
worden und auch nicht deshalb unzulässig, weil sich der [X.] zur Rücknahme verpflichtet habe. Auf Grund der vorgelegten Urkunde über die Er-mäßigung werde vermutet, dass der Kaufpreis nachträglich auf 126.000

r-abgesetzt worden sei. Der Kläger habe die Zahlung von insgesamt 12.000

nachgewiesen. Die Zahlung der übrigen 114.000

h-gewiesen. Dafür trage er die Beweislast. Diese kehre sich -
entgegen der An-2
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sicht des [X.]s
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nicht zu seinen Gunsten um. Die Richtigkeitsvermutung der vorgelegten Urkunden nach §
416 ZPO gelte
nur für Urkunden, deren Echt-heit nicht bestritten sei. Diese
sei hier bestritten. Den [X.] habe der Kläger nicht geführt, weil dem Sachverständigen
innerhalb der gesetzten Ausschlussfrist keine ausreichenden Vergleichsunterschriften vorgelegt worden seien.

III.
Das angefochtene Urteil ist nach §
544 Abs.
7 ZPO aufzuheben. Das Be-rufungsgericht hat den Anspruch des [X.]
auf rechtliches Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG) dadurch in entscheidungserheblicher Weise verletzt, dass es
die von dem Kläger als Zeugin benannte Urkundsnotarin nicht zu der Frage ver-nommen hat, ob sich der [X.] bei Abschluss des gerichtlichen Vergleichs der [X.]en vom 21.
Dezember 2009 in einem geschäftsfähigen Zustand [X.] hat.
1.
Auf diese Frage kam es entscheidend an. Die Berufung des [X.]n wäre unzulässig, wenn sich dieser in einem notariellen Vergleich mit dem Klä-ger vom 21.
Dezember 2009 wirksam zur Rücknahme der Berufung verpflichtet haben sollte (vgl. [X.], Urteil vom 14.
Mai 1986 -
IVa
ZR 146/85, NJW-RR 1987, 307). Das Berufungsgericht hält den Vergleich mangels [X.] des [X.]n für unwirksam. Auf Grund seiner massiven Alkoholprobleme und der Anordnung einer Betreuung sei nicht festzustellen, dass sich der [X.] bei dem Beurkundungstermin in einem geschäftsfähigen Zustand [X.] habe.
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5
-
5
-
2.
Zu diesem Ergebnis ist das Berufungsgericht gelangt, ohne die von dem Kläger zum Beweis des Gegenteils
als Zeugin angebotene Urkundsnotarin zu den Geschehnissen bei der Notarverhandlung zu vernehmen. Dieses Vor-gehen
verstößt gegen Art.
103 Abs.
1 GG, weil es im Prozessrecht keine Stütze hat (vgl. [X.], Beschluss vom 11.
Mai 2010 -
VIII
ZR 212/07, NJW-RR 2010, 1217, 1218 mwN).
a) Von der Erhebung eines angebotenen Beweises kann zwar aus-nahmsweise abgesehen werden, wenn die Unergiebigkeit des Beweismittels feststeht, weil nach dem Ergebnis einer bereits durchgeführten Beweisaufnah-me jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass der übergangene Beweisantrag Sachdienliches ergeben und die von dem Gericht bereits gewonnene Überzeu-gung erschüttern kann ([X.], Urteil vom 16.
September 1986 -
VI
ZR 128/85, [X.]R ZPO §
286 Beweisantrag, Ablehnung 1; Senat, Beschluss vom 28.
April 2011 -
V
ZR 182/10, juris). So liegt es hier nicht. Die Zeugin war als Urkundsno-tarin gemäß §§
11, 17 BeurkG verpflichtet, die Geschäftsfähigkeit der Beteilig-ten, hier der [X.]en, festzustellen und sich darüber zu vergewissern, dass der Vertrag
auch ihrem Willen entspricht. Zu den dabei zu beachtenden Umständen gehört auch die Trunkenheit eines Urkundsbeteiligten.
Es ist deshalb nicht von vornherein ausgeschlossen, dass ihre Vernehmung zu den maßgeblichen Um-ständen der Notarverhandlung zu
der Beweisfrage Sachdienliches ergibt.
b) Das Berufungsgericht durfte von der Vernehmung der Urkundsnotarin auch dann nicht absehen, wenn
es schon
auf Grund der massiven Alkoholprob-leme des [X.]n und der Anordnung einer Betreuung überzeugt
war, dass sich nicht feststellen lasse, dass sich der [X.] in einem geschäftsfähigen Zustand befunden hat. Das wäre eine unzulässige vorweggenommene Be-weiswürdigung. Die Überzeugung, das Gegenteil einer behaupteten Tatsache sei bereits erwiesen, erlaubt es dem Gericht
nicht, von der Erhebung weiterer 6
7
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-
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-
angebotener Beweise abzusehen ([X.], Urteile vom 17.
Februar 1970 -
III
ZR 139/67, [X.]Z 53, 245, 259
f.; Senat, Beschluss vom 28.
April 2011 -
V
ZR 182/10, juris).

IV.
Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
1. Die Beweislast dafür, dass er sich bei Abschluss des Vergleichs nicht in geschäftsfähigem Zustand befunden hat, trägt der [X.]. Zwar kann eine [X.] nicht als prozessfähig angesehen werden, wenn sich nicht klären lässt, ob sie geschäftsfähig ist ([X.], Urteil vom 24.
September 1955 -
IV
ZR 162/54, [X.]Z 18, 184, 188
f.). Hier geht es aber um das Fehlen der Geschäftsfähigkeit bei Abschluss des notariellen Vergleichs, für die derjenige die Beweislast trägt, der sich darauf beruft
(vgl. [X.], Urteil vom 5.
Juni 1972 -
II
ZR 119/70, [X.], 972). Das ist der [X.].
2. Die von dem Kläger vorgelegten Quittungen des [X.]n vom 8.
Juli 2005 und vom 14.
Juni 2005
werden von der [X.] nach §
356 ZPO nicht erfasst.
3. Das
in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 23.
September 2010 enthaltene Berufen
des [X.] auf die Angaben des [X.]n bei seiner

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11
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7
-
Vernehmung als Zeuge in der Verhandlung vor dem [X.] am 28.
Mai 2008 wird in der neuen Verhandlung zu berücksichtigen sein.
Krüger
Lemke
Schmidt-Räntsch

Stresemann
Czub

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 16.09.2009 -
5 O 191/07 -

OLG Koblenz, Entscheidung vom 01.10.2010 -
8 U 1201/09 -

Meta

V ZR 218/10

21.07.2011

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.07.2011, Az. V ZR 218/10 (REWIS RS 2011, 4502)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4502

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