Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.03.2022, Az. 2 StR 426/21

2. Strafsenat | REWIS RS 2022, 4115

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Gegenstand

Amtsanmaßung: Tatbestandsverwirklichung bei leicht durchschaubarer Handlung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 11. Mai 2021 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben

a) in Fall 2 der Urteilsgründe,

b) im Ausspruch über die erste Gesamtstrafe,

c) im Ausspruch über den [X.] der Maßregel.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Amtsanmaßung in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit versuchter Nötigung und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung unter Einbeziehung einer anderweitig erkannten Geldstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten sowie wegen Körperverletzung in zwei Fällen und Diebstahls mit Waffen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Zudem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach [X.] von vier Monaten angeordnet und eine Einziehungsentscheidung getroffen.

2

Die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

3

1. Die Verurteilung des Angeklagten in Fall 2 der Urteilsgründe wegen Amtsanmaßung in Tateinheit mit versuchter Nötigung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

4

a) Nach den Feststellungen wollte der alkoholisierte und unter dem Einfluss von Amphetamin stehende Angeklagte durch die Vorspiegelung, Polizist zu sein, Geld für den Erwerb von Drogen erlangen. Er trat an den vor einem Wohnhaus wartenden Zeugen [X.]heran, erklärte ihm bewusst wahrheitswidrig, von der Polizei zu sein und forderte ihn auf, ihm seinen Ausweis auszuhändigen. Der Zeuge ging davon aus, dass der Angeklagte, der einen „hibbeligen Eindruck“ machte, unter Drogen stehe. Er erwiderte, er glaube nicht, dass der Angeklagte von der Polizei sei. Der Angeklagte forderte ihn daraufhin auf, in ein in der Nähe geparktes Fahrzeug einzusteigen. Als der Zeuge auch dieser Aufforderung nicht nachkam, zog der Angeklagte sein T-Shirt hoch und zeigte dem Zeugen eine im Hosenbund steckende Spielzeugwaffe, die er wenige Zentimeter aus dem Hosenbund herauszog. Die Waffe wirkte auf den Zeugen echt, so dass er schockiert war und sich durch den Angeklagten bedroht fühlte. Kurz darauf fing der Angeklagte jedoch an zu lachen und fragte: „Sieht echt aus, oder?“ Ihm war bewusst geworden, dass er den Zeugen nicht würde täuschen und zu einer Ausweiskontrolle bewegen können. Er fragte den Zeugen sodann, ob dieser Drogen bei sich habe und ob er Pep oder [X.] kaufen wolle.

5

b) Gemäß § 132 StGB macht sich strafbar, wer als Inhaber eines öffentlichen Amtes auftritt und eine Handlung vornimmt, die den Anschein hoheitlichen Handelns erweckt (§ 132 [X.]. 1 StGB) oder eine Handlung vornimmt, welche [X.] eines öffentlichen Amtes vorgenommen werden darf (§ 132 [X.]. 2 StGB).

6

Zwar ist es für die Tatbestandverwirklichung ohne Belang, ob im Einzelfall der Betroffene die fehlende Befugnis des [X.] erkennt oder auf die vermeintlich amtliche Maßnahme reagiert ([X.], NJW 1964, 61, 63; [X.], [X.], 527, 528; [X.] in: [X.], 13. Aufl., § 132 Rn. 4). Im Hinblick auf den Zweck der Strafvorschrift, die das Vertrauen der Allgemeinheit in die Autorität staatlichen Handelns schützen soll, hat eine Handlung jedoch mangels Gefährlichkeit keine Tatbestandserheblichkeit, wenn sie nach dem Verständnis eines unbefangenen Beobachters offenkundig so weit von normaler staatlicher Tätigkeit abweicht, dass der Eindruck staatlichen Handelns nicht erweckt werden kann (vgl. [X.], Urteil vom 9. Dezember 1993 - 4 StR 416/93, [X.]St 40, 8, 12 f.; Beschluss vom 15. März 2011 - 4 StR 40/11, [X.]St 56, 196, 202; [X.], aaO; [X.] in: [X.], 4. Aufl., § 132 Rn. 3 jeweils mwN). Angesichts der konkreten Umstände, insbesondere der erkennbaren Drogenbeeinflussung und des von allen Zeugen als „sehr auffällig“ beschriebenen Verhaltens des Angeklagten, hätte das [X.] näher prüfen müssen, ob ein solcher Ausnahmefall vorlag.

7

2. Die Aufhebung des Urteils in Fall 2 der Urteilsgründe zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die erste Gesamtstrafe und über den [X.] der Maßnahme nach sich.

8

3. Der zu neuer Verhandlung und Entscheidung berufene Tatrichter wird gegebenenfalls das Gesamtvollstreckungsurteil in den Blick zu nehmen haben (vgl. [X.], Beschluss vom 9. November 1995 - 4 [X.], [X.]St 41, 310, 313).

Franke     

        

Appl     

        

Zeng   

        

Grube     

        

Schmidt     

        

Meta

2 StR 426/21

29.03.2022

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Aachen, 11. Mai 2021, Az: 63 KLs 5/20

§ 132 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.03.2022, Az. 2 StR 426/21 (REWIS RS 2022, 4115)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 4115

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