Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.04.2024, Az. IV ZR 91/23

4. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 2122

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Leitsatz

Der Senat hält daran fest, dass für das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls die festgestellten Spuren nicht in dem Sinne stimmig sein müssen, dass sie zweifelsfrei auf einen Einbruch schließen lassen (vgl. Senatsurteil vom 8. April 2015 - IV ZR 171/13, VersR 2015, 710 Rn. 22).

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird der Beschluss des [X.] - 14. Zivilsenat - vom 20. März 2023 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 30.000 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt als Erbe seines während des Rechtsstreits verstorbenen [X.] Deckung aus einer Hausratversicherung wegen eines behaupteten Einbruchdiebstahls. In den vom Vater des [X.] mit der Beklagten abgeschlossenen Versicherungsvertrag sind deren Allgemeine Hausratversicherungsbedingungen ([X.]) einbezogen. Gemäß § 5 Nr. 1 Buchst. a Abs. 1 [X.] liegt ein Einbruchdiebstahl unter anderem dann vor, wenn der Dieb in einen Raum eines Gebäudes einbricht oder einsteigt.

2

Der Kläger hat behauptet, in der Nacht vom 17. auf den 18. Dezember 2016 seien während der Abwesenheit seiner Eltern unbekannte Täter in das versicherte Wohngebäude eingedrungen. Die Täter hätten sich durch Aufhebeln des linken, geschlossenen Fensters im Erdgeschoss Zutritt verschafft, nachdem sie zunächst vergeblich versucht hätten, das mittlere [X.] aufzuhebeln. Sie hätten das Gebäude nach Wertsachen durchsucht und aus einem Kleiderschrank im Obergeschoss [X.] mit Schriftstücken, Bargeld und Wertgegenständen entwendet.

3

Die auf Gewährung von Versicherungsschutz gerichtete Klage hat vor dem [X.] keinen Erfolg gehabt. Das [X.] hat die Berufung des [X.] durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

5

I. Dieses hat ausgeführt, der Kläger habe das äußere Bild des von ihm behaupteten [X.] nicht hinreichend bewiesen. Das [X.] habe die Spurenlage nicht deshalb offenlassen können, weil ein Versicherungsfall auch bei einem Einsteigen der Täter in das Gebäude vorliege. Wären die Täter durch ein angelehntes und nicht verriegeltes Fenster in das Gebäude gelangt, sei dies ein anderer Sachverhalt als derjenige, den der Kläger zum Gegenstand seiner Klage gemacht habe. Außerdem liege auf der Hand, dass die festgestellten Spuren nicht zu einem [X.] passten. Hätten die Täter ohne weiteres ins Gebäude einsteigen können, lasse sich nicht erklären, warum sie dennoch Aufbruchspuren erzeugt hätten.

6

Die mit sachverständiger Hilfe aufgeklärte Spurenlage vermittele das äußere Bild eines [X.] nicht. Die Hebelspuren am mittleren Fenster, das die Polizeibeamten in Kippstellung vorgefunden hätten, könnten nach den Feststellungen des Sachverständigen nur bei einem verriegelten Fenster erzeugt werden. Dafür habe sich der [X.] - anders als auf einem bei den Ermittlungsakten befindlichen Foto - in waagerechter Stellung befinden müssen. Der Einwand, das Fenster habe sich womöglich zur Tatzeit noch nicht in Kippstellung befunden, beruhe auf einer nur als möglich in den Raum gestellten Theorie des [X.], der das [X.] nicht habe nachgehen müssen. Das Einstiegsfenster habe der Sachverständige bei seiner Untersuchung in verschlossenem Zustand nicht von außen öffnen können, obwohl er tiefere Spuren als die von ihm am Fenster vorgefundenen verursacht habe. Gewaltsam habe er das Fenster erst öffnen können, als er wesentlich stärkere Gewalt angewandt und damit zuvor nicht vorhandene Einbruchspuren verursacht habe.

7

Erfolglos bleibe der Einwand des [X.], es sei möglich, dass der Griff des [X.] nicht bis zur Arretierung geschoben gewesen sei, so dass das Fenster mit geringerem Kraftaufwand habe geöffnet werden können. Zwar sei der Griff auf einem von der Polizei von außen aufgenommenen Foto nicht zu erkennen und müsse sich deshalb in nicht verriegelter, senkrechter Position befunden haben. Wie er in diese Position gelangt sei, habe sich aber nicht feststellen lassen. Zum vom Kläger gezeichneten äußeren Bild gehöre zudem, dass das Gebäude ordnungsgemäß verschlossen gewesen sei. Die bloße Möglichkeit, es sei versäumt worden, das Fenster zu verriegeln, sei keine bestimmte Behauptung des [X.]. Bei einem unverriegelten Fenster leuchte zudem nicht ein, wieso ein Täter noch Einbruchspuren anbringe, anstatt schnell und leise einzusteigen.

8

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an die Darlegung des äußeren Bildes eines [X.] überspannt und seiner diesbezüglichen Prüfung einen falschen Maßstab zugrunde gelegt.

9

1. Dem Versicherungsnehmer einer Sachversicherung sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats aus dem Leistungsversprechen des Versicherers abgeleitete Erleichterungen für den Beweis eines bedingungsgemäßen Diebstahls versicherter Sachen zuzubilligen. Er genügt seiner Beweislast bereits dann, wenn er das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung beweist, also ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung zulassen (Senatsurteile vom 8. April 2015 - [X.], [X.], 710 Rn. 13; vom 20. Dezember 2006 - [X.], [X.], 241 Rn. 9 f.). Zu dem Minimum an Tatsachen, die das äußere Bild eines [X.] ausmachen, gehört neben der Unauffindbarkeit der zuvor am Tatort vorhandenen, als gestohlen gemeldeten Sachen, dass - abgesehen von Fällen des Nachschlüsseldiebstahls - Einbruchspuren vorhanden sind (Senatsurteile vom 8. April 2015 aaO; vom 20. Dezember 2006 aaO Rn. 10). Keine Voraussetzung ist dagegen, dass die festgestellten Spuren stimmig in dem Sinne sind, dass sie zweifelsfrei auf einen Einbruch schließen lassen. Insbesondere müssen nicht sämtliche typischerweise auftretenden Spuren vorhanden sein (Senatsurteil vom 8. April 2015 aaO Rn. 22). Zweck der Beweiserleichterung zugunsten des Versicherungsnehmers, der in aller Regel keine Zeugen oder sonstigen Beweismittel für den Diebstahl beibringen kann, ist gerade, ihm die Versicherungsleistung auch dann zuzuerkennen, wenn sich nach den festgestellten Umständen nur das äußere Geschehen eines Diebstahls darbietet, auch wenn von einem typischen Geschehensablauf nicht gesprochen werden kann (Senatsurteile vom 8. April 2015 aaO; vom 18. Oktober 1989 - [X.], [X.], 45 [juris Rn. 10]; Senatsbeschluss vom 5. November 1986 - [X.], [X.], 146 [juris Rn. 2]).

2. Gemessen daran hat das Berufungsgericht den Nachweis des äußeren Erscheinungsbilds eines [X.] mit einer nicht tragfähigen Begründung verneint.

a) Zu Unrecht stellt es darauf ab, dass der Sachverständige das Einstiegsfenster erst mit erheblicher Gewaltanwendung und unter Verursachen zuvor nicht vorhandener Einbruchspuren hat öffnen können. Damit verlangt das Berufungsgericht für den Nachweis des äußeren Bildes eines [X.] das Vorhandensein eines widerspruchsfreien, also stimmigen [X.]s und hält dem Kläger darüber hinaus das Fehlen der bei der behaupteten Vorgehensweise der Täter zu erwartenden, stärkeren Hebelspuren entgegen. In der Sache vermisst es den Nachweis eines typischen Tatablaufs, der aber keine Voraussetzung für das Vorliegen des äußeren Bildes eines [X.] ist.

b) Die Feststellungen des Berufungsgerichts betreffend die Verriegelung der beiden Fenster hindern den Nachweis des äußeren Bildes eines [X.] ebenfalls nicht. Er scheidet nicht deshalb aus, weil die Hebelspuren am mittleren Fenster nur bei einem verriegelten Fenster erzeugt werden können, die Polizeibeamten das Fenster aber in Kippstellung vorgefunden haben und der Fenstergriff sich auf einem Foto in den Ermittlungsakten nicht in der für eine Verriegelung notwendigen waagerechten Stellung befunden hat. Entsprechendes gilt für die nicht aufklärbare Frage der Verriegelung des [X.]. Nur wenn ein Einbruch auf dem Wege, wie er nach dem äußeren [X.] vorzuliegen scheint, aus anderen Gründen völlig auszuschließen ist, kann es trotz Vorhandenseins an sich genügender Spuren am Nachweis der erforderlichen Mindesttatsachen fehlen (Senatsurteile vom 8. April 2015 - [X.], [X.], 710 Rn. 22; vom 20. Dezember 2006 - [X.], [X.], 241 Rn. 13).

So liegt es hier nicht. Das Berufungsgericht hat das äußere Bild eines [X.] nicht aufgrund der verbleibenden Unklarheiten verneinen und dem Kläger insoweit einen unzureichenden Vortrag zum Tatgeschehen vorwerfen dürfen. Damit verlangt es zu Unrecht eine ins Detail gehende und widerspruchsfreie Schilderung des Tatgeschehens. Die dem Versicherungsnehmer zukommenden Beweiserleichterungen beruhen auf der Überlegung, dass es wegen des für eine Entwendung typischen Bemühens des [X.], seine Tat unbeobachtet und unter Zurücklassen möglichst weniger Tatspuren zu begehen, oft nicht möglich ist, im Nachhinein den Tatverlauf konkret festzustellen. Da sich der Versicherungsnehmer gerade auch für solche Fälle mangelnder Aufklärung schützen will, kann nicht angenommen werden, der Versicherungsschutz solle schon dann nicht eintreten, wenn der Versicherungsnehmer nicht in der Lage ist, den Ablauf der Entwendung in Einzelheiten darzulegen und zu beweisen (Senatsurteile vom 8. April 2015 aaO Rn. 13; vom 20. Dezember 2006 aaO Rn. 9).

3. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Tatsachen lassen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf einen bedingungsgemäßen Einbruchdiebstahl zu.

III. Gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist.

1. Sollte nach Aufklärung der weiteren vom Kläger vorgetragenen Tatumstände das Vorliegen des äußeren Bildes eines [X.] zu bejahen sein, können die vom Berufungsgericht angenommenen Unstimmigkeiten im [X.] für die Frage einer Vortäuschung des Versicherungsfalls Bedeutung erlangen. Ist dem Versicherungsnehmer der Beweis des äußeren Erscheinungsbilds eines [X.] gelungen, so ist es Sache des Versicherers, seinerseits zu beweisen, dass der Versicherungsfall nur vorgetäuscht war. Dabei kommen allerdings nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch ihm Beweiserleichterungen zu. Erforderlich ist lediglich der Nachweis konkreter Tatsachen, die allerdings nicht nur mit hinreichender, sondern mit höherer, nämlich erheblicher Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass der Diebstahl nur vorgetäuscht ist (Senatsurteile vom 8. April 2015 - [X.], [X.], 710 Rn. 14; vom 14. Februar 1996 - [X.], NJW-RR 1996, 981 [juris Rn. 9]). So kann etwa das Fehlen weiterer Spuren für sich allein oder im Zusammenhang mit anderen Indizien ausreichend sein, um eine erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung zu begründen (Senatsurteil vom 8. April 2015 aaO Rn. 26).

2. Ein bedingungsgemäßer Einbruchdiebstahl durch Einsteigen in das Gebäude kann nicht mit der Begründung verneint werden, darin liege prozessual ein anderer Sachverhalt als derjenige, den der Kläger zum Gegenstand seiner Klage gemacht habe. Nach allgemeinem Grundsatz macht sich eine [X.] die bei einer Beweisaufnahme zutage tretenden ihr günstigen Umstände regelmäßig zumindest hilfsweise zu eigen (Senatsurteil vom 5. Juli 2017 - [X.], [X.], 490 Rn. 23). Der Kläger kann sich deshalb für den Fall, dass ihm der Nachweis des äußeren Bildes eines [X.] nicht gelingt, angesichts der Feststellungen des Sachverständigen hilfsweise auf ein Eindringen der Täter in das Gebäude durch ein unverschlossenes Fenster berufen haben. In diesem Fall wäre zu prüfen, ob darin ein bedingungsgemäßer Einbruchdiebstahl durch Einsteigen liegt (vgl. Senatsurteil vom 8. Dezember 1993 - [X.], [X.], 63 [juris Rn. 6, 10]). Dessen Vorliegen kann nicht mit der Erwägung des Berufungsgerichts verneint werden, die Spurenlage passe nicht zu einem Einsteigen der Täter in das Gebäude. Der Auffassung, bei Einsteigen der Täter in das Gebäude ließen sich die festgestellten Aufbruchspuren nicht erklären, liegt wiederum die Erwartung eines stimmigen [X.]es zugrunde. Stattdessen genügt auch hier, dass die festgestellten Tatsachen nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf ein bedingungsgemäßes Einsteigen der Täter in das Gebäude zulassen (vgl. Senatsurteil vom 8. Dezember 1993 aaO [juris Rn. 12]).

Prof. Dr. Karczewski     

      

[X.]     

      

Dr. Götz

      

Rust     

      

[X.]     

      

Meta

IV ZR 91/23

17.04.2024

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 20. März 2023, Az: 14 U 6119/20

§ 5 Nr 1 Buchst a Abs 1 VHB 1984

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.04.2024, Az. IV ZR 91/23 (REWIS RS 2024, 2122)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 2122

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